Protocol of the Session on December 11, 2012

Als alle Experten schon die nächste Schifffahrtskrise am Horizont heraufziehen sahen, haben Sie, Herr Bürgermeister, entschieden, dass sich Hamburg mehrheitlich an Hapag-Lloyd, der größten Containerreederei, beteiligt.

(Zuruf von Wolfgang Rose SPD)

Diese Entscheidung musste verwundern, denn Sie wussten doch, dass mit der HSH Nordbank, dem größten Schiffsfinanzierer der Welt, Hamburg bereits enorme finanzielle Risiken in seinen Büchern stehen hatte. Jetzt, mitten in der Krise, werden diese Risiken umso bedrohlicher und akuter. In dieser Situation haben Sie entschieden, das Risiko ohne Not noch weiter zu vergrößern, indem Sie dem Steuerzahler die Probleme von Hapag-Lloyd aufbürden. Heute sieht jeder, was Sie damals nicht wahrhaben wollten: Die Beteiligung an HapagLloyd war eine große Fehlentscheidung.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP – Wolfgang Rose SPD: Sie haben doch keine Ahnung!)

Bei der HSH Nordbank ist Ihr weiterer Kurs nicht ersichtlich. Bisher war die Strategie klar: 64 Milliarden Euro Gewährträgerhaftung, was die Handlungsfähigkeit und die Existenz Hamburgs aufs Spiel setzt, muss vermieden werden. Die Bank muss so lange über Wasser gehalten werden, bis diese Risiken begrenzt sind, sodass Hamburg wieder Handlungsfähigkeit gewinnt. In vielen Beratungen gibt es nun aber Bemerkungen vonseiten der SPD, die einen anderen Aspekt in den Mittelpunk rücken. Auf einmal ist die Rede davon, dass die HSH Nordbank wichtig für den Reedereisektor in Hamburg sei und der Schifffahrtsstandort Hamburg eine solche Bank brauche. Ich kann Sie nur warnen, Herr Bürgermeister, Standortpolitik für Reedereien darf bei der Beurteilung der HSH Nordbank keine Rolle spielen. Die Handlungsfähigkeit der Stadt und das Geld der Steuerzahler müssen Ihre Priorität sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Auch die von Ihnen vertretene Alles-oder-nichtsStrategie bei der Elbvertiefung ist nicht im Interesse der Stadt, übrigens auch nicht im Interesse des Hafens. Denn auch wenn Ihnen und Ihrem Senat Umweltbelange herzlich egal sind, können Sie nicht verhindern, dass europäisches und deutsches Umweltrecht auch in Hamburg gilt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kein Senat vor Ihnen hat bei einem derart wichtigen Projekt einen Baustopp von einer hohen Verwaltungsinstanz wie dem Bundesverwaltungsgericht aufgedrückt bekommen. Dass Sie sich angesichts des völlig ungewissen Ausgangs dieses Verfahrens standhaft weigern, mit den Umweltverbänden darüber zu reden, ob es nicht möglich ist, einen Interessensausgleich zu finden, der sowohl dem Hafen als auch den Umweltverbänden nützt – so, wie es eigentlich in allen Wirtschaftsfeldern bei Großprojekten üblich ist –, kann einen schon sprachlos machen. Es kann doch nicht sein, Herr Bürgermeister, dass die Politik das Heft des Handelns bei einer so wichtigen Frage aus der Hand

gibt und die Entscheidung einzig und allein den Gerichten überlässt. Das ist eine Bankrotterklärung Ihrer Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Wer verweigert sich denn den Gesprächen?)

Bei der Elbphilharmonie sollte unter Ihnen als Bürgermeister alles anders werden, das haben Sie im Wahlkampf versprochen. Ein Jahr Stillstand auf der Baustelle hatte es in der Tat, bevor Sie Bürgermeister wurden, noch nie gegeben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Hansjörg Schmidt SPD: Sie ha- ben immer obendrauf geschmissen!)

Zwei Ultimaten haben Sie HOCHTIEF gestellt, um Stärke zu demonstrieren, und was ist passiert? HOCHTIEF hat das einfach ignoriert. Und Ihre Reaktion? Sie haben ein neues Ultimatum gestellt und gesagt, bis Weihnachten würden Sie entscheiden. Man mag sich gar nicht ausmalen, was Sie entscheiden werden, nur um nicht wieder Ihr Gesicht zu verlieren. Herr Bürgermeister, das ist eine falsche Strategie, die Sie fahren.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Heine- mann CDU)

Bezeichnend ist auch, dass Sie diese Entscheidung erst bis Weihnachten treffen wollen, wohl wissend, dass in der Woche vorher – nämlich jetzt – das Parlament über den Haushalt der nächsten zwei Jahre entscheiden wird. Egal, wie Sie sich entscheiden, ob Sie HOCHTIEF hinauswerfen oder weiterbauen lassen, beides wird Hunderte von Millionen Euro kosten. Sie haben es billigend in Kauf genommen, das Parlament einen Haushalt verabschieden zu lassen, obwohl Sie in wenigen Tagen etwas entscheiden werden, was diesen Haushalt in weiten Teilen zu Makulatur werden lassen wird.

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Peinlich!)

Das ist ein Affront gegenüber dem Parlament, Herr Bürgermeister.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Jeder Parlamentarier, der seine Rolle als Teil der ersten Gewalt in dieser Stadt ernst nimmt, kann das nicht akzeptieren. Ich hätte mir gewünscht, dass auch die Mehrheitsfraktion das so gesehen hätte.

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Nichts ka- piert!)

Was sagen uns diese Beispiele letztendlich, Herr Bürgermeister? Sie sind im Wahlkampf als der bessere Problemlöser angetreten, und jetzt, nach zwei Jahren, müssen wir feststellen,

(Ksenija Bekeris SPD: … dass das auch so ist!)

dass Sie die großen Projekte dieser Stadt schlecht gemanagt haben. Ihren eigenen Anspruch vom guten Regieren haben Sie in diesen Bereichen weit verfehlt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Bei der Frage, warum das so ist, stößt man ganz schnell auf bestimmte Grundmuster, ich nenne sie die Methode Scholz. Das ist zum Ersten Ihr autokratischer Stil: Der Bürgermeister entscheidet allein, schlecht oder gar nicht beraten, ohne jede Rückkoppelung mit Partei oder Fraktion.

(Wolfgang Rose SPD: Das lassen Sie mal unsere Sache sein!)

Die zuständigen Senatorinnen und Senatoren haben bei den wichtigsten Themen ihres Bereiches nichts zu melden; Olaf Scholz degradiert sie zu Statisten. Normalerweise stellt ein Bürgermeisterkandidat vor der Wahl sein Schattenkabinett vor. Bei Ihnen, Herr Bürgermeister, ist es genau andersherum. Seitdem Sie als Bürgermeister regieren, verschwindet Ihr Senat im Schatten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Robert Heinemann und Dietrich Wersich, beide CDU)

Zum Zweiten wäre da Ihre verhängnisvolle Vorliebe für "big is beautiful". Immer wenn es schwierig wird, halten Sie sich an die Großen, insbesondere die großen Konzerne. Bei der Frage der Energienetze haben Sie einen großen Deal mit den Energiekonzernen gemacht, in weiten Teilen zum Nachteil der Stadt. Bei Hapag-Lloyd haben Sie dafür gesorgt, dass Hamburg zum Großreeder wird, und Sie kungeln mit den Mächtigen im Hafen eine Hafenstrategie aus, die eher in die Siebzigerjahre passt.

Zum Dritten ist da Ihre Basta-Mentalität.

(Gabi Dobusch SPD: Sie verwechseln da ir- gendetwas! Sie kriegen da etwas durchein- ander, Herr Kerstan!)

Hauptsache Entscheidungsstärke und Durchsetzungsfähigkeit demonstrieren, praktisch um jeden Preis. Das Wie und das Warum und worum es eigentlich geht, scheint dabei fast nebensächlich zu werden. Diese Übertreibung dieses Ansatzes führt vor allem dazu, dass der Bürgermeister große Probleme hat, einzugestehen, Fehler gemacht zu haben, wenn es einmal anders läuft als gedacht. Gegensteuern und Feinjustieren einer Politik, eigentlich Ausdruck guten Regierens, findet unter Ihnen überhaupt nicht mehr statt, wenn Sie sich einmal festgelegt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Gabi Dobusch SPD: Sie haben (Jens Kerstan)

doch nur Phantomschmerzen, weil Sie nicht mehr regieren können!)

Das Ergebnis von all diesem ist der vorgelegte Haushaltsplan-Entwurf, ein Haushalt mit vielen blinden Flecken, falschen Schwerpunkten und enormen Risiken. Dieser Haushalt von Olaf Scholz hat keinen Blick für die wahren Probleme in dieser Stadt und er hat auch keinen Blick für ihr Potenzial, vor allem hat er keinen Plan für Hamburgs Zukunft. Mit Ihrer Methode können Sie vielleicht die SPD auf Linie bringen und zu einem Bürgermeister-Abnick-Verein degradieren, aber eine Millionenmetropole im 21. Jahrhundert mit all ihren komplizierten Problemen und noch größeren Potenzialen kann man so nicht gut regieren, Herr Bürgermeister.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

So können wir Hamburgs Kraft und Dynamik nicht nutzen, die Kreativität und die Initiative seiner Bürgerinnen und Bürger nicht aufnehmen und weder Hamburgs Potenzial noch seine Chancen erkennen und stärken. Dieser SPD-Haushalt ist nicht das, was Hamburg braucht, und er ist auch nicht das, was Hamburg verdient hätte. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Frau Suding hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister Scholz, Herr Finanzsenator Tschentscher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Und wir?)

Ihre Kernbotschaft zum Haushalt 2011/2012 lautete vor einem Jahr: Wir waren das nicht. Der Doppelhaushalt 2011/2012 sei eigentlich noch schwarz-grünes Machwerk gewesen, so Ihre These. Herr Scholz und Herr Tschentscher, jetzt, ein Jahr später, ist die Botschaft Ihres ersten eigenen Haushalts für 2013/2014: Wir können das nicht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Nichts anderes kann man aus diesem Flickwerk ablesen, das Sie uns heute vorlegen. Dafür gibt es zahlreiche Gründe.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Seien Sie nicht so hart mit uns!)

Erstens: Das Prinzip "pay as you go" ist Makulatur geworden. Sie brechen Ihr zentrales Wahlversprechen von 2011 jetzt endgültig und nachhaltig, Herr Bürgermeister.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Zweitens: Sie sind meilenweit von der selbst gesetzten Vorgabe entfernt, die Ausgaben nur um 0,88 Prozent steigen zu lassen. Stattdessen werden die Millionen von Euro an Mehrausgaben im Kita-Bereich oder für die leichtfertig abgeschafften Studiengebühren verschleiert, und zwar als globale Mehrausgaben, finanziert aus dem 400-Millionen-Euro-Puffer, den sich der Senat im letzten Jahr genehmigt hat.

Herr Bürgermeister, Herr Finanzsenator, meine Damen und Herren von der SPD, wenn nicht massive und kollektive politische und fachliche Inkompetenz die Triebfedern dieses Haushalts sind, lässt dies nur einen Schluss zu: Ihre wahre Haltung lautet, dass Sie das nicht wollen.

(Beifall bei der FDP)