Protocol of the Session on November 7, 2012

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Heintze hat das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin, nachdem ich sowohl Herrn Dr. Tschentscher als auch Herrn Dr. Dressel gehört habe, nun doch etwas überrascht. Sie fordern von der Opposition ein, bitte zügig konstruktive Vorschläge zu machen oder am besten zu schweigen, weil dieses eigentlich überhastet sei.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Ich habe die Rede von Herrn Dr. Dressel verfolgt und ich habe die Rede des Finanzsenators verfolgt; Herr Dr. Dressel hat für die SPD-Fraktion gesprochen, der Finanzsenator für den Senat. In keiner dieser beiden Reden habe ich auch nur eine Bewertung gefunden oder eine Stellungnahme zu den diskutierten Optionen, kein detailliertes Eingehen darauf, wie sich beispielsweise die SPD-Fraktion in dieser Frage verhalten wird; mich enttäuscht das. Auf unsere Vorschläge hin wurde uns von Regierungsseite süffisant der Rat erteilt, in Sachen Nachverhandlung mit der EU-Kommission ruhig zu bleiben, aber jetzt, wo es darauf ankommt, bleiben Ihre eigenen Ziele im Dunkeln. Es kommen keinerlei Vorschläge von der Regierungsfraktion. Dann möchte ich Sie aber im Sinne eines konstruktiven Prozesses bitten, der Opposition nicht vorzuwerfen, dass sie Ideen in den Ring wirft und diese ernsthaft diskutieren möchte.

Ihnen als Oppositionspolitiker, Herr Dr. Tschentscher, hätte das, was Sie heute vorgetragen haben – zugegebenermaßen waren Sie ein guter Chronist der Ereignisse –, nicht gereicht. Der Dr. Tschentscher in der Opposition wollte als haushaltspolitischer Sprecher mitten ins Geschehen, er hat für sich zu Recht in Anspruch genommen, dass man offen mit ihm diskutiert und seine Vorschläge ernst nimmt. Ich möchte Sie um eines bitten, Herr Senator: Nehmen Sie die Vorschläge der Opposition ernst und damit auch das, was Sie als Oppositionspolitiker gefordert haben. Das würde diesem gesamten Prozess in Bezug auf Versachlichung, in Bezug auf Glaubwürdigkeit und in Bezug auf Konstruktivität, um dieser Stadt und der Bank zu helfen, von Nutzen sein. Sie könnten einen guten Beitrag dazu leisten, dass es hier vorangeht. Hören Sie auf, Chronist zu sein und alle anderen zu belächeln.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich würde mir von der SPD-Fraktion sehr wünschen, dass Ihre Ziele in Bezug auf die Rettung der HSH Nordbank und Ihre Positionierung zu den Möglichkeiten der Rettung nicht weiter im Dunkeln bleiben, sondern dass Sie, ähnlich wie wir es heute getan haben, eine klare Antwort auf die Frage geben, wo Sie als Fraktion in der Meinungsbildung stehen. Das hat das Parlament, das hat die Öffentlichkeit und das haben die Medien meines Erachtens verdient. Ich fordere Sie nachhaltig auf,

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist scheinheilig, was Sie hier machen!)

das vielleicht noch nachzuholen; wir haben noch ein paar Minuten.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Sie wollen vor allem nicht über das Betreuungsgeld diskutieren!)

Meine Damen und Herren, gibt es zu diesem ersten Thema noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zum zweiten Thema, angemeldet von der SPD-Fraktion:

Schwarz-gelbes Betreuungsgeld: Sozialpolitisch schädlich und Eingriff in Länderrechte

Frau Arndt hatte sich gemeldet. Sie haben das Wort, Frau Arndt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Koalition aus CDU/CSU und FDP will übermorgen das höchst umstrittene Betreuungsgeld beschließen. Betrachten wir das Betreuungsgeld allein, lässt sich in einem Satz die ganze Wahrheit zusammenfassen: Das Betreuungsgeld ist ein familienpolitischer, ein bildungspolitischer, ein frauenpolitischer, ein gleichbehandlungspolitischer, ein migrationspolitischer und auch ein finanzpolitischer,

(Olaf Ohlsen CDU: Ja, was denn nun?)

vor allem aber ein sozialpolitischer Fehler und darf nicht kommen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Da preist uns die Koalition die Herdprämie als einen Bestandteil eines mehrteiligen Tauschgeschäfts an, faktisch ist es ein Koalitionsrettungsgeschäft, ein Kuhhandel, ein kaum verhülltes Wahlgeschenkpaket, das noch einige bayerische Autobahnkilometer enthält. Selten aber waren sich alle so einig, auch die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Organisationen, dass dieses Betreuungsgeldmodell nicht kommen kann; wir lehnen es klar ab.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte erwähnen – das ist nicht unwichtig –, dass Hamburg aufgrund der Verletzung der Länderrechte dagegen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wird.

Meine Damen und Herren! Dass die Koalitionspolitiker in Berlin offensichtlich das direkte Gegenteil von dem beschließen wollen, was richtig und zukunftsorientiert wäre, macht mich sehr ungehalten. Lassen Sie uns den Blick weg davon und hin auf diejenigen lenken, die die Koalition bei ihrem internen Kuhhandel aus den Augen verloren hat: die Kinder.

(Beifall bei der SPD)

Ein bisschen Unterstützung, nennt das Frau Merkel, für diejenigen, die ihre Kinder ein paar Jahre zu Hause erziehen wollen. Wir wissen aber sehr

(Roland Heintze)

genau, dass einige dieser Kinder, die ein paar Jahre zu Hause erzogen werden, benachteiligt und weniger gefördert werden. Wir wissen, dass es auf genau diese ersten Jahre ankommt. Wir wissen, dass es nicht gewährleistet ist, dass alle Kinder überall in der Republik gleichermaßen von zugewandten Müttern, Vätern, Omas und Opas geliebt, gefördert und beachtet werden. Wir wissen, was die Studien belegen: Gerade eine gute frühkindliche Bildung ist die Grundlage für einen guten Lebensweg.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um die Kinder, es geht um ihre Zukunft und damit um die Zukunft unserer Gesellschaft. Kinder bedeuten Lachen, Lebensfreude und Glück, sie machen eine Gesellschaft menschlich und reich und geben ihr Hoffnung und Zukunft. Deswegen schaffen wir in Hamburg gute Rahmenbedingungen für Familien, damit Kinder sorgenfrei und gesund aufwachsen können und eine gute Grundlage für ihre Zukunft erhalten. Wir verbessern die Chancen aller Kinder, auch ihre Bildungschancen, indem wir die frühkindliche Bildung und Ganztagsschulen ausbauen. Das ist und bleibt Kern unserer sozialdemokratischen Politik in Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Gleiche Chancen für alle. Soziale Herkunft soll und darf nicht über die Zukunft entscheiden. Unser Ansatz ist, Kinder stark zu machen, ihnen von Geburt an alle Optionen zu bieten, damit sie unabhängig von ihrer Herkunft Zukunft haben.

Meine Damen und Herren von der CDU, haben Sie mehr Mut und mehr Einsicht als Ihr Fraktionsvorsitzender, der all die Gebührenerhöhungen zu verantworten hatte, und lehnen Sie die sozialen Fehlanreize, wie es ein Hamburger Politiker jüngst genannt hat, ab.

Meine Damen und Herren von der FDP, beteiligen Sie sich nicht an der doppelten Rolle rückwärts in alte Zeiten, in das alte Familienmodell Kinder, Küche, Kirche,

(Dennis Gladiator CDU: Das ist doch Schwachsinn!)

wie es aus den Reihen der FDP heißt. Wir können und wir dürfen kein Interesse an diesem antiquierten Modell haben. Das Betreuungsmodell muss schleunigst weg.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der FDP und von der CDU, ermutigen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen Bundestagsabgeordnete, dem Betreuungsgeld nicht zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Prien.

(Wolfgang Rose SPD: Welche CDU vertre- ten Sie nun?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will es ganz ehrlich sagen: Ich bin in den Jahren 2006 bis 2009 kein glühender Anhänger des Betreuungsgeldes gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Warten Sie einen Moment, es gibt noch mehr zum Klatschen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und dann hat Herr Seehofer Sie überzeugt!)

Lieber Herr Dressel, hören Sie doch einmal zu.

Und ich will auch deutlich sagen, dass es in unserer Fraktion in dieser Frage ein durchaus differenziertes Meinungsbild gibt, was im Übrigen keine Schande ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Gründe für eine Ablehnung des Betreuungsgeldes sehe ich allerdings nicht in dem gesellschaftspolitischen Anliegen, das hinter ihm steckt und das Sie heute auf eine, wie ich finde, wirklich empörende Weise diffamiert haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich persönlich jedenfalls sehe die Gründe für eine Ablehnung eher in dem Bereich der prioritär notwendigen Haushaltskonsolidierung, mit der die Schaffung einer neuen Sozialleistung nur problematisch vereinbar ist. Dennoch begrüße ich die Verständigung, die der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und FDP am vergangenen Sonntag gefunden hat, und ich will Ihnen auch sagen warum. Ich bin vielleicht kein überzeugter Anhänger des Betreuungsgeldes, aber ich bin ein überzeugter Anhänger des Grundsatzes "Pacta sunt servanda". Sie behaupten, das Betreuungsgeld sei Gegenstand eines Handels gewesen.