Protocol of the Session on November 7, 2012

(Beifall bei der FDP)

Mit Haushaltsmitteln für die Maßnahmen ist das Ganze nämlich nicht unterlegt. Selbst 2014 kann man im Haushaltsplan-Entwurf nicht erkennen, wo irgendwelche investiven Mittel eingestellt sind,

(Birgit Stöver)

auch im Verkehrsbehördenetat eben nicht. Ich gehe also davon aus, dass vor 2015 nichts passieren wird, zumindest nach den Vorschlägen des Senats.

Bei der Expertenanhörung im Umwelt- und Verkehrsausschuss habe ich zwei Erkenntnisse gewonnen, die nicht ganz identisch sind mit denen von Herrn Steffen, aber man kann auch in verschiedenen Expertenanhörungen gewesen sein, das kennt man schon. Erstens gibt es kein Patentrezept. Optimale Ergebnisse lassen sich nur durch eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen erreichen. Flächendeckende Einheitslösungen, welche das auch immer sein mögen, sind ineffizient und kontraproduktiv. Ich habe gehört, dass es eine Lösung sei, nachts überall Tempo 30 einzuführen; das ist es nicht. Es kann punktuell natürlich eine Lösung sein, aber eben nicht für sich genommen.

Zweitens darf man für einen effektiven Lärmschutz nicht nur den Verkehr als Lärmquelle ansehen, sondern man muss auch die anderen Rahmenbedingungen wie Luftreinhaltung und Verkehrssicherheit integrativ miteinbeziehen und Verkehrslenkung kann dabei helfen. Dabei ist die Entwicklung eines Gesamtverkehrsmodells für Hamburg unerlässlich. Das ist eine Grundlage, ansonsten machen wir bloß Stückwerk. Diese 14 Maßnahmen, selbst wenn wir sie jetzt durchführen würden, sind reine Flickschusterei, und die Ausgaben dafür wären in den Schornstein geschrieben. Wir brauchen wirkliche Grundlagen, das bedeutet, ein Verkehrsmodell und weitere integrative Ansätze für die Luftreinhaltung und Verkehrslenkung. Alles andere ist Stückwerk und unprofessionell.

(Beifall bei der FDP)

Allgemein gibt es neben diesen kleinteiligen Ansätzen Lösungsansätze bei den großen Problemen, die wir in Hamburg haben. Das eine ist – das wurde nicht erwähnt – eine Verbesserung der Verstetigung des Verkehrsflusses durch Verkehrslenkung; damit kann man vieles erreichen. Das Zweite ist, dass wir Probleme beim Lkw-Durchgangsverkehr haben. Hamburg ist dummerweise so gestaltet, dass sehr viele Lkws durch Hamburg fahren müssen – sie wollen gar nicht, aber sie müssen –, und es gibt Lösungen, um einige Lkws nicht durch Hamburg zu führen. Zum Beispiel wäre eine westliche Autobahnquerung A 20 eine Lösung. Es gibt Parteien, die das nicht wollen. Wenn man sagt, dass man so etwas nicht braucht, dann darf man sich aber auch nicht über die Lkws beschweren, die durch die Stresemannstraße fahren und dort Ihre Abgase lassen.

(Beifall bei der FDP und bei Klaus-Peter Hesse CDU)

Der dritte Punkt ist auch wichtig. Wir wissen alle, dass sehr viele Menschen nach Hamburg hineinund wieder herauspendeln. Je weiter diese Men

schen von Hamburg entfernt wohnen, desto eher werden sie zum privaten Kfz greifen, um zu ihrer Arbeitsstätte zu kommen. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen am Stadtrand entweder gar nicht erst mit dem Pkw losfahren oder aber auf Park-and-Ride-Plätzen ihre Autos parken. Das Problem passiert größtenteils nicht in der Innenstadt, sondern vieles von dem, was wir in der Innenstadt erleben, ist dadurch bedingt, dass in der Metropolregion nicht so viele Menschen umsteigen, wie eigentlich umsteigen wollen. Die Menschen fahren ja nicht in der Stadt herum, um Staus zu erleben; das wird wahrscheinlich nur eine geringe Minderheit sein. Die meisten fahren in diese Stadt, weil sie es müssen, beruflich et cetera. Diese Gründe müssen wir verringern. Das kann man nicht durch – ich will nicht Drangsalierung sagen – Steuerung in der Innenstadt verhindern, sprich Parkraumüberwachung, Tempolimit und so weiter, sondern wir müssen den Menschen ein Angebot machen, und das bedeutet eine Verstärkung des ÖPNV. Und diejenigen, die jetzt schon mit dem ÖPNV fahren, werden Ihnen versichern, dass wir, wenn noch Zehntausende hinzukommen, den ÖPNV in Bussen und Bahnen ausbauen müssen. Das ist die einzige Möglichkeit, die man den Menschen geben kann, die in der Metropolregion wohnen. Sonst werden sie trotzdem mit dem Auto fahren, weil es ihnen unbequem ist, morgens und abends dicht gedrängt in den Bahnen zu stehen. Ich nenne das das Ölsardinensyndrom. Viele kennen das, wenn Sie morgens um 8 Uhr oder abends um 18 Uhr in die S-Bahn oder in den Bus einsteigen. Es gibt einige Buslinien, bei denen die Verhältnisse genauso sind. Da werden Sie keine neuen Pendler hineinquetschen können, es sei denn, Sie bieten ihnen bessere Angebote.

Zusammengefasst ist zu sagen, dass Lärmschutz in Hamburg bisher sehr halbherzig angegangen worden ist. Die Planung zwischen den beiden Behörden ist unkoordiniert, und das hat sich noch ein bisschen dadurch verschlechtert, dass die Verkehrsbereiche ausgegliedert worden sind. Vorher war das zumindest in einer Behörde angesiedelt, das ist jetzt nicht mehr der Fall. Lärmschutz wird größtenteils immer noch allein betrachtet und nicht in Zusammenhang mit anderen Problemen dieser Stadt. Und last, but not least: Wer für Investitionen kein Geld ausgeben will, der sollte von Lärmschutzplänen die Finger lassen. Das ist einfach nur Schall und Rauch.

(Beifall bei der FDP und bei Klaus-Peter Hesse CDU)

Nun hat Frau Sudmann das Wort.

Wir haben gerade ein gutes Beispiel in der Bürgerschaft, warum Ruhe so angenehm ist. Wir haben selten so ruhige

(Dr. Kurt Duwe)

Debatten. Genau deswegen sprechen wir über Lärmschutz, weil Lärmschutz ein wichtiger Beitrag zur Gesundheit und Lebensqualität ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich teile die Kritik, die die anderen Oppositionsredner und –rednerinnen am Senat geübt haben, aber wir haben ein Grundproblem. Das Grundproblem liegt auch mit in der Opposition.

(Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut!)

Wir haben nämlich, Herr Heintze, in der Anhörung im Verkehrs- und Umweltausschuss gehört, welche Stellschrauben und Möglichkeiten es gibt, dem Thema Lärm ein bisschen auf den Leib zu rücken. Diese Möglichkeiten sind relativ einfach beschrieben. Das sind die Geschwindigkeit, der Verkehrsfluss, die Verkehrsmenge, die Straßenoberfläche und die Straßenraumgestaltung. Die anderen sechs lasse ich jetzt außen vor. Das sind alles Themen, bei denen den meisten Fraktionen der Bürgerschaft der Mut fehlt, das Thema anzugehen. Die CDU hat zum Beispiel nicht gesagt, dass Sie mit den Gutachtern übereinstimmt, die gemeint haben, dass Tempo 30 eine gute Möglichkeit sei, den Lärm und die Schadstoffemission zu mindern. Es ist gesagt worden, dass Tempo 30 nicht überall Sinn ergibt – da gebe ich Ihnen recht, ich brauche in einem Gewerbegebiet nicht unbedingt Tempo 30 –, aber es wurde sehr deutlich gesagt, dass Tempo 30 an bewohnten Straßen ein enormer Beitrag dafür wäre, um für eine Entlastung zu sorgen.

Liebe CDU und FDP, ich habe nicht gehört, dass Sie gesagt haben, dass Sie das wollen und unterstützen, wenn der Senat das macht. Daher ist die Kritik etwas halbherzig, dem Senat vorzuwerfen, etwas nicht zu machen, was Sie selbst auch gar nicht wollen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dirk Kien- scherf SPD)

Bei Tempo 30 werden Lärm- und Luftbelastung geringer. Wir haben heute nicht darüber gesprochen, aber das wissen wir aus anderen Debatten: Wenn wir Tempo 30 wesentlich breiter einführen, dann haben wir einen sichereren Verkehr, wir werden wesentlich weniger Unfälle, Schwerverletzte und Tote haben. Das ist ein weiteres wichtiges Argument. Sie sprachen schon davon, dass keine Haushaltsmittel eingestellt worden sind. Tempo 30 umzusetzen kostet vor allen Dingen Verkehrsschilder, aber sonst relativ wenig. Auch das ist ein Argument dafür, auf Tempo 30 zu gehen.

Wir haben gehört, dass die Verkehrsmenge sehr wichtig ist. Die Verkehrsmenge meint vor allen Dingen die Menge an Einzel-Pkws. Diese Menge können wir nur reduzieren – da gebe ich Herrn Duwe recht und wir sind einer Meinung –, indem wir mehr für Bus und Bahn tun. Das ist sehr wichtig.

(Zuruf von Jens Kerstan GRÜNE)

Man muss alle mal ein bisschen loben.

Ich verkürze das ein wenig, damit die Stimmung nicht ganz abfällt. Es gab noch einen Punkt, der dem jetzigen Senat sehr zu denken geben möge. Wir haben aus Berlin von einer wichtigen Maßnahme zum Thema Lärmschutz gehört. Anfang dieses Jahrtausends wurden die Behörden neu geschnitten, sodass die Bereiche Lärm, Umwelt und Bauen zusammenkamen. Dieser Senat hat genau das aufgelöst. Das ist ein wichtiger Fehler, wenn wir strategisch vorgehen wollen.

Ansonsten freue ich mich, dass wir im Verkehrsausschuss und im Umweltausschuss hoffentlich eine lebhafte Debatte dazu haben werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Hesse, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte Ihnen vorhin angekündigt, dass wir heute die Verkehrspolitik in drei Akten besprechen wollen.

(Dirk Kienscherf SPD: Den dritten gibt es nicht, ist gestrichen!)

Lieber Kollege Kienscherf, Sie haben es richtig mitbekommen, der dritte Akt zur Konzeptlosigkeit des SPD-Senats bei der Parkraumbewirtschaftung wird heute nicht stattfinden,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

den werden wir verschieben, bis wir das im Verkehrsausschuss beraten haben. Nichtsdestotrotz müssen wir zur Lärmaktionsplanung aus Sicht des Verkehrs doch noch das eine oder andere anmerken zu dem, was wir eben gehört haben. Das war doch sehr viel Klein-Klein. Nach meiner Kenntnis – und ich sitze schon ein paar Jahre im Verkehrsoder auch früher im Stadtentwicklungsausschuss – macht man dann sinnvolle Verkehrspolitik, wenn man in die Zukunft schaut und überlegt, wie es 2020 in unserer Stadt aussieht und wie sich die Verkehre entwickeln. Ich bin sehr optimistisch, dass, wenn dieser Senat endlich erkennt, dass Radverkehr vernünftig gefördert werden müsste,

(Dirk Kienscherf SPD: Das sagen gerade Sie! Sie haben doch die ganze Zeit den Radverkehr bekämpft!)

wir einen Anteil von 20 Prozent am Modal Split bis zum Jahre 2020 hinbekommen würden. Wenn man das hier als Ziel festlegen und in der Verkehrspolitik ernsthaft berücksichtigen würde und nicht wie im Radverkehrsforum, Herr Kienscherf, den anwesenden Abgeordneten erzählen müsste, dass man kein Personal habe und deswegen die Radverkehrskonzeption nicht umsetzen könne, wenn die SPD endlich erkennen würde, dass das eine Maß

(Heike Sudmann)

nahme ist, dann hätte man beim Thema Lärmschutz schon eine Menge erreicht. Das sehe ich aber bei diesem Senat leider nicht.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GRÜNE – Zurufe von der SPD)

Wenn man sich ein bisschen mit Verkehrspolitik beschäftigt – Herr Kienscherf, ich weiß, dass Sie das nicht machen, insofern finde ich Ihre Zwischenrufe nicht sehr zielführend –, dann weiß man, dass Verkehr aus kommunizierenden Röhren besteht. Herr Steffen hat das vorhin an einem Harburger Beispiel deutlich gemacht. Wenn man auf der einen Straße den Verkehr behindert und verlangsamt, dann hat das Auswirkungen auf andere Straßen.

Es ist bezeichnend, liebe Frau Senatorin, dass ich hier keinen Vertreter der Verkehrsbehörde sehe. Sie haben die Konzepte zur Lärmaktionsplanung vorgestellt, aber die Punkte betreffen fast alle entweder die Verkehrs- oder die Innenbehörde. Und wenn Sie vor wenigen Tagen erzählen, dass es ein guter Vorschlag wäre, die Kieler Straße zurückzubauen, dann frage ich mich, wie Sie auf diese Idee kommen können, wenn Sie wissen, dass die A 7 in den nächsten 20 Jahren sowohl nördlich als auch südlich des Elbtunnels eine einzige Baustelle sein wird und wenn Sie wissen, dass die Wilhelmsburger Reichsstraße ausgebaut wird. Dann wollen Sie ernsthaft in der Öffentlichkeit darüber diskutieren, ob die Kieler Straße für die Lärmaktionsplanung zurückgebaut werden könnte. Wenn das die SPDPolitik ist und wenn das mit der Innenbehörde oder Verkehrsbehörde abgestimmt ist, dann gute Nacht, Hamburg. Das ist keine Lärmaktionsplanung.

(Beifall bei der CDU)

Nun will ich hier nicht nur stehen und schimpfen und sagen, dass alles schlimm sei und die SPD kein Konzept habe, was sie tatsächlich auch nicht hat, sondern ich will Ihnen sagen, was aus unserer Sicht getan werden müsste, um eine vernünftige Lärmaktionsplanung zu machen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Und was haben Sie gemacht?)

Liebe Frau Schaal, das ist nicht das Klein-Klein, nicht Tempo 30 nachts auf irgendwelchen Straßen. Das ist schöne Symbolpolitik, über die man sicherlich sprechen kann, wenn das tatsächlich zu Effizienz und mehr Verkehrsfluss führt. Wir brauchen aber große Verkehrslösungen für diese Stadt. Ich hatte eben den Radverkehr angesprochen, ich möchte auch das Thema Elektromobilität ansprechen. Ihr eigener Bürgermeister hat im "Stern" vor ein paar Monaten gesagt, dass er sich vorstelle, dass es bei uns in der Stadt irgendwann keinen Lärm mehr durch individuellen Verkehr gibt, sondern dass es nur noch "ssssssss" macht, weil die Elektromobilität in Hamburg gefördert wird. Das ist der richtige Ansatz.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich hoffe, dass das, was Ihr Bürgermeister damals gesagt hat, endlich in Ihrer Politik Berücksichtigung findet. Sehen können wir davon nichts. Liebe SPDKollegen, Sie haben es gerade geschafft, sich erfolgreich aus der Bundesförderung bei der Elektromobilität zu verabschieden, weil Sie kein vernünftiges Konzept vorgelegt haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was muss man noch tun? Sie müssen sich vielleicht einmal mit den Kollegen in Schleswig-Holstein – mittlerweile regieren dort Sozialdemokraten und GRÜNE – austauschen. Da gibt es eine A 20, und im Koalitionsvertrag steht, dass diese nicht weitergeplant werden soll. Wenn wir nicht bald eine Querung bei Glückstadt bekommen und wenn wir die A 20 nicht weiterbauen, dann wird Hamburg an einem Verkehrsinfarkt sterben. Und dann können wir diese kleinen Maßnahmen zur Lärmaktionsplanung alle vergessen, denn die Verkehre müssen um die Stadt umgeleitet werden.