Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Umweltausschuss überweisen. Die GRÜNE Fraktion hat eine Überweisung federführend an den Umweltausschuss und mitberatend an den Verkehrsausschuss beantragt. Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Steffen, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben diese Große Anfrage gestellt, weil es beim Thema Lärmschutz recht still geworden ist. Wir hatten den Eindruck, die Lärmschutzmaßnahmen beschränken sich darauf, dass die zuständigen Behörden sich erst einmal ruhig verhalten. Deswegen haben wir detailliert nachgefragt, was sich in dieser Legislaturperiode getan hat, welche Maßnahmen geplant und welche umgesetzt sind.
die zum Ziel hatte, ganz unterschiedliche Bereiche mit einzubeziehen und miteinander zu vernetzen, damit man zu wirksamer Lärmreduzierung in Hamburg kommt. Diese strategische Lärmaktionsplanung war auch kombiniert mit einer sehr breiten Beteiligung. Es gab in der ganzen Stadt Lärmforen, an denen sich sehr viele Bürgerinnen und Bürger beteiligt haben. Und deswegen waren wir einfach neugierig, was denn jetzt aus den vielen Vorschlägen und Ansätzen geworden ist, die in der letzten Legislaturperiode bewegt wurden.
Wir haben dann, kurz bevor die Frist für die Beantwortung der Großen Anfrage ablief, erfahren, dass der Senat seinen Stand der Lärmaktionsplanung jetzt vorstellen wolle. Da haben wir uns zunächst gefreut, dass wir ihn dazu veranlasst hatten durch unsere Große Anfrage. Wir haben dann die Antworten an einem Freitag bekommen und die Frage, die uns bewegt hatte, was sich zwischenzeitlich getan habe, wurde beantwortet: nämlich nichts.
Wir hatten sehr detailliert gefragt im Hinblick auf einzelne Maßnahmen. Der Senat antwortete immer, das wisse er noch nicht und das werde noch geprüft. Konkret war also noch nichts da, als diese Große Anfrage beantwortet wurde. Wir wussten, dass der Senat fünf Tage später mit seinen Vorschlägen herauskommen würde, und haben uns gefragt, wie das jetzt geht, ob der Erkenntnisprozess in fünf Tagen reifen würde und man plötzlich Ergebnisse hätte. Die Senatssitzung wäre dann eine Art Erkenntnisquelle. Aber das ließ sich ganz widerspruchsfrei auflösen, denn in der vorgestellten Lärmaktionsplanung steht auch nichts.
Es wird nämlich nur geprüft und geschaut, und es gibt nur Vorschläge, die noch nicht einmal abgestimmt sind; also warten wir weiterhin.
Das fanden wir ein wenig schade. Schade finden das sicherlich vor allem die 144 000 Menschen, die dem gesundheitsschädlichen Lärm in dieser Stadt ausgesetzt sind, derentwegen es die entsprechende Richtlinie der Europäischen Union gibt. Das ist eine massive Gesundheitsbeeinträchtigung, da muss etwas getan werden. Selbst diese vagen Vorschläge, die jetzt vorgestellt wurden, sind nur Vorschläge, die ein Gutachterbüro für die Umweltbehörde zusammengestellt hat. Sie sind nicht mit den anderen beteiligten Behörden abgestimmt. Selbst diese Vorschläge würden bei voller Umsetzung gerade einmal 5 Prozent der von Lärm betroffenen Menschen in Hamburg helfen. Den anderen 95 Prozent würde also im Rahmen der Umsetzung dieser Aktionstranche gar nicht geholfen werden.
Nun hatten wir letzte Woche eine sehr interessante Anhörung zum Thema Lärmschutz mit einer ganzen Reihe von Gutachtern. Die meisten waren sehr
kompetent, etwas zu den Maßnahmen für den Straßenverkehr zu sagen. Alle Experten sagten uns, das Einfachste und Effektivste, was man machen könnte, sei, an den Straßen, an denen eine sehr hohe Lärmbelastung ist, Tempo 30 einzuführen, entweder nur nachts oder auch für 24 Stunden.
Das ist eine sehr effektive Maßnahme, die sehr leicht umzusetzen ist. Wir haben auch gelernt, dass sich der Verkehrsfluss in den Städten verbessert, in denen dies eingeführt wurde. Wenn es tatsächlich mit der entsprechenden Ampelschaltung abgestimmt wird, dann funktioniert es sehr gut. Es hat einen großen Effekt, beispielsweise eine Reduzierung des Verkehrsflusses um 50 Prozent. Die Experten haben uns gesagt, wir müssten sehr, sehr viel tun, damit der Verkehrsfluss sich so stark reduziert. Wir würden das in sehr kurzer Zeit erreichen, wenn wir Tempo 30 einführen würden. Sie haben uns außerdem gesagt – ein Thema, das wir später auf der Tagesordnung haben und über das wir eigentlich nicht mehr sprechen wollten –, wenn wir eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung machen würden wie in Berlin und wie wir es auch beantragt haben, dann erreiche man in diesen Quartieren auch eine effektive Lärmreduzierung. Man hat durch eine Verkehrsreduzierung 20 bis 40 Prozent weniger Verkehr, der von den Quartieren ausgeht oder dort hineinfließt.
Wir haben uns diese Maßnahmen aus den Vorschlägen, die der Umweltbehörde unterbreitet wurden, einmal im Detail angesehen; ich nenne nur zwei Beispiele. Wenn man sich das konkret anschaut, dann funktionieren diese Maßnahmen auch in der Weise nicht, und es macht deutlich, warum dieser kurze Ansatz des Senats nichts taugt.
Ein Beispiel: Von den Gutachtern wird vorgeschlagen, in Harburg in der Winsener Straße Tempo 30 einzuführen, um den Anwohnerinnen und Anwohnern zu helfen, die einer hohen Lärmbelastung ausgesetzt sind. Die Winsener Straße ist eine Durchgangsstraße, sie verbindet die Autobahnanschlussstelle Fleestedt mit der Wilhelmsburger Reichsstraße und hat daher eine wichtige Verkehrsfunktion. Wenn man gelegentlich in Harburg unterwegs ist oder nur auf den Stadtplan sieht, dann wird man feststellen, dass das nicht die einzige Straße ist, die von Süden nach Harburg hineinführt, sondern daneben gibt es auch die Bremer Straße, die die Anschlussstelle Marmstorf und Marmstorf/Lürade mit der Wilhelmsburger Reichsstraße verbindet. Sie ist noch stärker von Lärm be
troffen. Und im Osten gibt es noch den Straßenzug Jägerstraße/Vogteistraße, eine Tempo-30-Zone, in der ein sehr hoher Durchgangsverkehr ist, insbesondere von Lkws. Und man weiß genau, dass eine Maßnahme, die nur an einer der drei Straßen ansetzt, sich auf die anderen beiden Straßen negativ auswirken wird.
Deswegen braucht man ein Konzept, man muss etwas in Harburg tun, man muss den Anwohnerinnen und Anwohnern an diesen drei Straßen helfen. Man braucht ein Konzept, das alle drei Straßen einbezieht. Es wäre ganz einfach, wenn man die Maßnahme Tempo 30 in der Nacht auch für die Bremer Straße einführen würde, wenn man bei der Winsener Straße etwas tun und dafür sorgen würde, dass es keinen Lkw-Durchgangsverkehr auf der Jägerstraße und der Vogteistraße gibt.
Herr Steffen, Sie haben eben ausgeführt, dass es mehrere Parallelstraßen von Harburg aus Richtung Süden gibt. Stimmen Sie mit mir denn überein, dass, wenn man zum Beispiel Tempo 30 auf der Winsener Straße auf dem vierspurigen Abschnitt hat, dies auch einen positiven Effekt zum Beispiel für die Jägerstraße und die Vogteistraße hat, weil dort alles zusammenläuft?
Ich glaube, wenn man auf der Winsener Straße etwas macht, das sie für Durchgangsverkehre eventuell etwas weniger attraktiv macht, dann besteht grundsätzlich die Gefahr, dass man auch in der Jägerstraße und der Vogteistraße mehr Verkehr hätte.
Deswegen bräuchte man, weil die Jägerstraße und die Vogteistraße jetzt schon eine Durchgangsfunktion haben, auch wenn man es sich natürlich nicht wünscht, hier eine Tempo-30-Zone. Und deswegen braucht man auch beschränkende Maßnahmen in diesem Straßenbereich.
Ich nenne ein zweites Beispiel, das viel in den Medien diskutiert wurde. Es geht darum, dass man auf der Kieler Straße, die in dem betreffenden Abschnitt sechs Spuren hat, drei in jede Richtung, zwei Fahrspuren wegnimmt
und dadurch einen effektiven Lärmschutz erreicht. Jetzt sagen die Gutachter selbst, dass es wahrscheinlich schwierig wird in den nächsten Jahren,
aber man könne das für die Situation einer Verbreiterung der A 7 andenken. Man kann dann dafür sorgen, dass möglichst viel Verkehr, der von Norden nach Süden fährt, auf der Autobahn bleibt und dadurch die Anwohnerinnen und Anwohner entlastet. Das ist ein bedenkenswerter Vorschlag, den man wahrscheinlich noch durch weitere Maßnahmen ergänzen müsste. Was aber macht parallel die Verkehrsbehörde? Sie plant parallel für nächstes Jahr mit dem Argument, durch den Ausbau der Autobahn bekäme man mehr Verkehr von Norden und deswegen müsse man die Möglichkeiten erweitern, von der Autobahn abzufahren und in die Stadt zu fahren, einen Ausbau der Anschlussstelle Stellingen. Hier weiß die eine Hand nicht, was die andere tut, so macht man keinen effektiven Lärmschutz.
Deswegen würde ich dringend empfehlen, dass der Senat zurückkehrt zu dem umfassenden Ansatz, den wir in der letzten Legislaturperiode ausgearbeitet haben, nämlich zügig mit den konkreten Maßnahmen zu beginnen, die uns die Experten empfohlen haben. Man sollte mit sinnvollen Maßnahmen und unter Berücksichtigung des jeweiligen Verkehrsraums beginnen und nicht mit dieser isolierten Herangehensweise und einzelnen symbolischen Maßnahmen, über die die nächsten zehn Jahre diskutiert werden soll. Sie sollten stattdessen zügig handeln. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was hat sich getan, Herr Steffen? Der Senat hat ein Gutachten vorgelegt zum Lärmaktionsplan für 2012/2013, und das Gutachten macht praktikable Vorschläge, wie Hamburg leiser werden kann. Von den GRÜNEN habe ich eigentlich immer nur Konzepte gesehen und keine praktikablen Vorschläge, die man dann umsetzen kann.
Einzelne Maßnahmen werden wir wahrscheinlich im Plenum nicht erschöpfend diskutieren können, sondern dazu haben wir eine Ausschusssitzung. Es ist doch auch so, dass alle Unterlagen überwiesen werden. Es ist richtig, dass wir uns Gedanken
Als erste Maßnahme haben die Gutachter ein Lärmminderungsprogramm für Hamburgs lauteste Straßen mit Flüsterasphalt, Netzsteuerung, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder auch einer Neuordnung des Straßenraums vorgeschlagen. Hierdurch werden nachweisbare Lärmminderungen zu erzielen sein. Und auch die Anforderungen der Lärmumgebungsrichtlinie der EU lassen sich damit erfüllen.
Darüber hinaus haben die Gutachter Empfehlungen gegeben, einen zeitgemäßen Verkehrsentwicklungsplan zu entwickeln. So sollen die komplexen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren der Stadt, der Verkehrs-, Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung erfasst werden. Es sollen Ziele aufgestellt und relevante Stadt-Umland-Einflüsse sowie alle Verkehrsarten und Verkehrsmittel berücksichtigt werden. Ebenso sollen die Entwicklungstendenzen auch im Bereich der nicht-motorisierten Verkehrsbereiche wie Radfahrer und Fußgänger einbezogen werden. Das Ganze soll periodisch ausgewertet und dauerhaft fortgeschrieben werden. Das ist eine Mammutaufgabe, der man sich stellen muss, das geht nicht im Handumdrehen.
Die SPD-Fraktion will den Verkehrsentwicklungsplan. Bereits im September letzten Jahres hat die Bürgerschaft vom Senat die Erarbeitung eines Verkehrskonzepts und den darauf aufbauenden, umfassenden Verkehrsentwicklungsplan verlangt. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg.
Für derartige Planungen, Herr Hesse, braucht man ein übergreifendes Verkehrsmodell; dafür haben sich auch die Experten in unserer gemeinsamen Anhörung im Umweltund Verkehrsausschuss ausgesprochen. Geld dafür ist schon eingestellt.