Protocol of the Session on October 24, 2012

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Jetzt müssen Sie gleich wieder klatschen, denn konsequenterweise müsste dementsprechend das Personal in der Finanzverwaltung aufgestockt werden. Ich bitte um Beifall, aber da kommt nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Wird es aber nicht, im Gegenteil. In unserer Schriftlichen Kleinen Anfrage 20/5468 hält der Senat ausdrücklich am Abbau der Stellen im öffentlichen Dienst auch in der Finanzverwaltung fest. Aber jetzt schon, so der Bundesrechnungshofbericht von 2012, sind die Finanzämter überfordert und sehen großen Handlungsbedarf für die Verbesserung des Steuervollzugs. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft beklagt fehlendes Personal, ständig neue Gesetze und eine unzureichende EDV-Unterstützung. Sie geht sogar so weit zu sagen, dass, wenn nicht entsprechend gehandelt werde, der Niedergang der Steuergerechtigkeit und eine Erosion der Steuermoral drohe – die Deutsche Steuer-Gewerkschaft, nicht DIE LINKE. Dazu gibt es handfeste Zahlen. Die Johannes Kepler Universität in Linz hat in einer Studie die Höhe der hinterzogenen Steuern durch ins Ausland verschobene Vermögen in Deutschland auf 10 bis 15 Milliarden Euro jährlich ermittelt. Das findet bekanntlich auch in Hamburg statt. Die Folge ist, dass Hamburg jährlich Steuereinnahmen in beträchtlicher Höhe entgehen. Allein im Jahr 2011 konnte die Steuerfahndung 119,4 Millionen Euro Steuermehreinnahmen in die Stadtkasse holen und das bei einer sehr engen Personalausstattung von 64 Steuerfahndern. Im Haushaltsjahr 2011/ 2012 gab es 60 Millionen Euro Einkommenssteuermehreinnahmen durch Selbstanzeigen, überwiegend aufgrund von Steuer-CDs. Wären seit 2009

nicht fünf CDs von anderen Bundesländern angekauft worden, wäre nahezu eine halbe Milliarde Euro in Hamburg der Versteuerung vorenthalten worden. Im Februar dieses Jahres hat NordrheinWestfalen eine Steuer-CD angekauft, und die Finanzverwaltung hat jetzt schon mehr zu tun. In einer Antwort heißt es, die Anzahl der nach Hamburg abgegebenen Spurenakten beträgt 535. Das bedeutet, dass auf dieser CD, die NRW angekauft hat, 535 Hamburger und Hamburgerinnen sind, die versucht haben, Steuern am Finanzamt vorbeizuschieben. Wir haben natürlich mehrfach gefragt, ob Hamburg sich auch an den Kosten dieser CD beteiligen wolle. Das wurde mehrfach verneint. Aber am 15. Oktober teilte der Senat mit – ich zitiere –:

"Hinsichtlich einer im Februar 2012 angekauften Daten-CD aktuell eine weitere Anfrage aus Nordrhein-Westfalen zur Beteiligung an den Kosten vor."

Im Landesrechnungshofbericht 2012 wird angegeben, dass mehr als 100 Betriebsprüfer im Veranlagungsbereich der Finanzämter in Hamburg tätig sind. Der Senat erklärt dazu in der Schriftlichen Kleinen Anfrage 20/5468, dass das unumgänglich gewesen sei, weil offenkundig nur so – ich zitiere –:

"[…] die Personalausstattung im Veranlagungsinnendienst den Notwendigkeiten [entspricht]".

Gleichzeitig wird die daraus folgende Stärkung der Betriebsprüfung deutlich, die der Senat durch geeignete Aufstiegsbeamte und schon erfolgreiche Lehrgangsabsolventen bei entsprechender Eignung direkt im Außendienst einsetzen will. Wie man in der Betriebsprüfung auf diesem Weg auf über 100 Beamte kommen will, das bleibt das Geheimnis des Senats. Hinzu kommt, dass das Soll und das Ist für Betriebsprüfung und Umsatzsteuersonderprüfung für 2012 eine zusätzliche Differenz von 117,7 Stellen ausmacht, also sind wir schon weit über 200 Stellen, die wir zu wenig in der Betriebsprüfung haben. Insgesamt bedeutet die schlechte Personalausstattung in diesem Bereich einen Verzicht auf Steuereinnahmen im dreistelligen Millionenbereich. 2007 wurde zum letzten Mal der Personalbedarf für Steuerfahnder und 2008 für die Vollstreckungsstellen, den Veranlagungsdienst und die Umsatzsteuersonderprüfung festgestellt. Das ist lange her und da muss etwas passieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anja Hajduk GRÜNE)

Mehrfach antwortet der Senat auf die in Teilbereichen schwierige Aufgabenerledigung der Hamburger Steuerverwaltung, so drückt er sich selber aus, mit dem Satz:

"Im Übrigen können diese Bereiche nur durch verstärkte Ausbildung besser besetzt werden."

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

Das ist wohl wahr, aber ein Blick in den Haushalt zeigt, dass das nur ein Lippenbekenntnis ist. Die gestiegenen Ausbildungszahlen werden, wenn überhaupt, nur den bisherigen Bedarf decken, aber nicht die fehlenden Stellen und die darüber hinaus zu erwartende Pensionierungswelle. Die Planung für die Norddeutsche Akademie für Finanzen und Steuerrecht, in 2013/14 im Einzelplan 9.1 nachzulesen, ist desillusionierend. Ganze sieben Finanzanwärterinnen sind in der Ausbildung. Aus den Kennzahlen geht hervor – egal, für welchen Ausbildungsgang –, dass die Anzahl der Auszubildenden gegenüber dem Ist von 2011 nahezu gleichbleibt. Lediglich in der Laufbahngruppe 1, mittlerer Dienst, ist nach einem Absenken von 20 Plätzen in 2012 eine Steigerung von 65 auf 108 Vollzeitäquivalente in 2013 geplant – geplant eben, aber selbst das ist nicht ausreichend, um den Steuervollzug wirksam zu verbessern.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Große Anfrage und die vielen Schriftlichen Kleinen Anfragen haben zutage geführt, dass der Regierungswechsel in keiner Weise eine Verbesserung des Steuervollzugs herbeigeführt hat. Das ist sehr schade.

(Beifall bei der LINKEN)

2007 lag die Anzahl der Mitarbeiterinnen in den Finanzämtern im Jahresdurchschnitt bei etwa 3226 Vollzeitäquivalenten, und bis 2016 sind 3200,25 Stellen geplant. Das ist unter dem IstStand von 2007 und das ist eine Kapitulation.

(Beifall bei der LINKEN)

Die LINKE fordert eine Aufstockung des Personals, um Steuergerechtigkeit in Hamburg auch nur ansatzweise zu praktizieren, und sie fordert eine zeitnahe Personalbedarfsrechnung. Es kann nicht sein, dass, wie angekündigt, erst 2013 irgendwann eine Berechnungsgrundlage für die Planung zur Verfügung steht. Bis dahin will der Senat, so teilte er es mit, den zurzeit noch bestehenden Personalbedarf in der Steuerfahndung durch Teilzeiterhöhung sowie durch Umsetzung von Personal aus anderen Bereichen der Steuerverwaltung in die Steuerfahndung vornehmen. Auch da ist der Senat die Antwort schuldig geblieben, wie das funktionieren soll. Das könne sich nur um kleine Zahlen handeln.

DIE LINKE ist folgender Auffassung: Bevor nicht dafür gesorgt wird, dass alle Hamburgerinnen ihre Steuern ordnungsgemäß zahlen – die Betonung liegt auf "alle" – und, wie es im Finanzdeutsch heißt, gleichmäßig besteuert werden, solange sind Kürzungen an anderer Stelle nicht zu rechtfertigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir begrüßen die Bundesratsinitiative zur Vermögensteuer, aber sie darf kein Alibi sein, sich in

Hamburg nicht um Steuergerechtigkeit zu kümmern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir teilen die Aufgabe von ver.di und die Aussagen, die auf der dritten ordentlichen Landesbezirkskonferenz 2011 von Wolfgang Rose formuliert wurden – ich zitiere –:

"Sparprogramme in Serie sind nicht geeignet, die soziale Spaltung zu überwinden. Hamburg hat nicht vorrangig ein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmeproblem. […] Unsere gewerkschaftliche Alternative heißt: mehr Steuergerechtigkeit und wirksamer Steuervollzug."

Unsere auch.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Heyenn. – Das Wort hat Herr Dr. Petersen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben das Thema schon des Öfteren besprochen, und ich finde es auch sehr lobenswert, dass Sie so intensiv hinterher sind. Frau Heyenn, wir werden auch im Ausschuss noch einmal diskutieren, welche Optimierungsmöglichkeiten es gibt. Einen Punkt aber finde ich kritisch. Sie haben eine Pressekonferenz gemacht und den Menschen in der Stadt darzulegen versucht, dass wir ad hoc 100 Millionen Euro mehr einnehmen könnten, wenn wir mehr Steuerprüfer einstellen. Wo wollen Sie die hernehmen? Es ist überhaupt nicht möglich, auf einmal 100 oder 200 Steuerprüfer einzustellen. Was Sie da gemacht haben, ist unseriös, das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD – Heike Sudmann DIE LINKE: Das ist der Vorschlag von Ihnen aus der letzten Legislatur!)

Wenn Sie die 100 oder 200 Leute haben, dann sagen Sie uns Bescheid, dann können wir darüber sprechen. Wir tun das ohnehin im Ausschuss, auch Ihren Antrag werden wir in aller Ruhe im Ausschuss besprechen, und dann werden wir schauen, welche Möglichkeiten es gibt. Das wird der Senator uns darstellen.

(Jens Kerstan GRÜNE: Genau die gleiche Forderung haben Sie doch in der Opposition gebracht!)

Herr Kerstan, lassen Sie uns doch erst einmal abwarten, was wir im Ausschuss besprechen.

Diese 200 Leute sind jetzt nicht da, auch Herr Kerstan kann sie sich nicht aus den Rippen schneiden. Daher ist es unseriös, jetzt darzulegen, dass

(Dora Heyenn)

wir die Möglichkeit haben, 100 Millionen Euro mehr einzunehmen. Wir werden das in aller Ruhe im Ausschuss besprechen und darauf freue ich mich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Petersen. – Das Wort hat Herr Heintze.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine Diskussion, die wir hier immer wieder haben, und deswegen werde ich einen Teil der Argumente nicht wiederholen, sondern zwei Aspekte einbringen und für unsere Fraktion erklären, dass in der Tat nichts dagegenspricht, die Aufstellung immer mal wieder zu überprüfen. Das können wir gern im Haushaltsausschuss tun. Das, was in der Senatsdrucksache 2008/2009 in Bezug auf die Entwicklung der Betriebe in Hamburg und den daraus resultierenden Mehrbedarf in der Steuerprüfung festgestellt wurde – damals haben wir einen Mehrbedarf von sechs Steuerprüfern festgestellt –, muss man offen diskutieren.

Nichtsdestotrotz möchte ich, Frau Heyenn, noch drei Punkte anmerken, zum einen, was die betriebliche Steuerprüfung bedeutet. In Hamburg werden Großbetriebe sehr, sehr regelmäßig geprüft und überall da, wo ein Mehrergebnis zustande kommt, findet auch automatisch eine Anschlussprüfung statt. Das führt dann zwar dazu, dass in der Menge der Betriebe nicht ganz so viele geprüft werden, aber die, wo die Mehrergebnisse erzielt werden, die Sie mit mehr Steuerprüfern erreichen wollen, werden sehr genau und sehr engmaschig geprüft. Kleinstbetriebe und mittelständische Betriebe hingegen werden nicht so häufig geprüft. Nur weil jemand einen Betrieb hat, wie klein oder groß er auch ist, bedeutet das noch nicht, dass er Steuern hinterzieht. Hier sollten wir im Vorgehen etwas abrüsten, auch verbal, denn bei der betrieblichen Steuerprüfung, insbesondere bei den Großbetrieben und den Mehrergebnissen, macht die Steuerverwaltung in Hamburg schon eine gute Arbeit. Nicht jeder, der ein Unternehmen hat, muss auch gleich Steuern hinterziehen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das hat auch nie- mand gesagt!)

Ich würde mich freuen, wenn Sie da verbal abrüsten würden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich würde mich auch über eine ähnliche verbale Abrüstung dazu freuen, dass nicht jeder, der Millionär ist, Steuern hinterzieht. Sie schreiben in Ihrem vorliegenden Antrag, dass, wenn von 600 Millionären nur 29 geprüft würden, mindestens 571 Steuerhinterzieher dabei wären. Liebe Frau

Heyenn, ich würde nicht jedem, nur weil er Millionär ist, unterstellen wollen, dass er Steuern hinterzieht und ihm daher einen Steuerprüfer zur Seite stellen, der das verhindert. Die Mehrheit dieser Menschen ist durchaus steuerehrlich, anders sind die Steuereinnahmen der Stadt nicht zu erklären.

Zum anderen gibt es einen Grenznutzen. Nicht nur, weil ich einen Steuerprüfer neben jeden Millionär stelle, verdiene ich so viel Geld, dass die sich dann alle selbst finanzieren und der Stadthaushalt auf der Einnahmeseite explodiert. Das halte ich für eine falsche Korrelation, und ich würde mich freuen, wenn DIE LINKE auch an dieser Stelle abrüstet, das würde nämlich den Dialog verbessern.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing FDP)

Ein steuerliches Mehrergebnis bedeutet im Übrigen nicht immer, dass eine Steuerhinterziehung aufgedeckt wurde, sondern das kann durchaus auch technisch sein, dass es Verlustverschiebungen gab, Verzinsungen sich geändert haben oder es Gewinnveränderungen gab. Auch hier würde ich mich freuen, wenn wir die Debatte versachlichen könnten. Ich kann verstehen, dass das für Sie ein populäres und wichtiges Thema ist, aber wir tun dem Thema mit Vorurteilen keinen Gefallen. Daher glauben wir, dass ein Dialog gut ist, es wäre nur schön, wenn DIE LINKE an dieser Stelle abrüstet.

Einen Satz noch kurz zu dem Thema, wo ich die Menschen herbekomme, wenn ich sie suche und brauche. Sie schreiben, dass wir jetzt in der Ausbildung aufbauen müssten. Da finde ich eine Bewegung im Senat kontraproduktiv, diese müssen wir diskutieren und wir haben sie an anderer Stelle auch schon kritisiert. Ich glaube nicht, dass man gut ausgebildeten Menschen in der Steuerverwaltung mit einer noch nie dagewesenen Abfindungshöhe jetzt auch noch den Anreiz geben sollte, die Verwaltung zu verlassen und in die Privatwirtschaft zu wechseln, nur, damit man den Abbau der 250 Stellen hinbekommt.