Ich fordere SPD und GRÜNE auf, gemeinsam mit uns endlich dafür zu sorgen, dass wir wieder zu einer sozialen Gerechtigkeit in diesem Land zurückfinden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bläsing, ich möchte noch einmal auf einige Aspekte eingehen, weil ich Sie vorhin zugegebenermaßen auch angegriffen habe.
Mir ist Folgendes wichtig: Wenn wir eine Vermögensabgabe so machen könnten – das hatten Sie missverstanden –, wie wir GRÜNE sie vorschlagen, dann handelte es sich dabei nicht um Peanuts, sondern um 100 Milliarden Euro, die wir über einen Zeitraum von zehn Jahren einnehmen würden. Diese immense Summe käme zusammen, obwohl man nur die absolute Spitze der Vermögenden in Deutschland besteuern und faktisch ausschließen würde, dass kleine und mittelständische Unternehmen in ihrem Bestand besteuert würden, da man das an relativ hohen Ertragswertgrenzen festmachen würde. Im Grunde macht diese Summe von 100 Milliarden Euro Einnahmepotenzial nur deutlich, wie hoch die Zuspitzung der Vermögensverteilung in unserem Land mittlerweile ist. Es geht dabei auch gar nicht darum, einfach nur zu sagen, dass es gut ist, soviel Steuern wie möglich einzunehmen; Steuern müssen eine Rechtfertigung haben. Es gibt aber eine Expertise des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsfor- schung e.V.), nach der die öffentlichen Haushalte durch die Bekämpfung der Finanzkrise, bei der im Wesentlichen Unterstützungsgelder an Bankinstitute fließen, mit ungefähr 115 Milliarden Euro belastet werden. Der Grundgedanke dieser Vermögensabgabe ist, diese zusätzliche Verschuldung zu dem bereits jetzt schon sehr hoch gewachsenen Schuldenberg – mit weiteren 400 Milliarden erreichen wir 2000 Milliarden Euro – von denjenigen steuerlich versuchen gegenfinanzieren zu lassen, die das viel leichter als andere tragen können. Das ist der Grundgedanke, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Es gibt mit Sicherheit eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, darüber zumindest nachzudenken. Man kann dann immer noch unterschiedliche Lösungen verfolgen. FDP und GRÜNE werden da nicht zusammenkommen, aber das ist auch gar nicht Ziel meiner Ansprache. Ich wollte Ihnen nur vor Augen führen, dass wir uns sehr wohl damit auseinandersetzen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen solche Steuern haben und welche Gerechtigkeitsdefizite mit ihnen aufzufangen sind.
Das war sicherlich eine rhetorisch aufgeheizte Debatte, das gebe ich zu, aber ich sage Ihnen ganz ernsthaft, Herr Heintze: Es geht uns nicht um Folklore, sondern um ein äußerst aktuelles Thema. Die Situation hat sich so zugespitzt, dass neben der Finanzkrise die fehlenden Regulierungen im Finanzmarkt Effekte auslösen, die die Realwirtschaft zutiefst verunsichern. Deswegen finde ich es richtig, dass wir uns den Zusammenhängen von Finanzmarktkrise, Gerechtigkeitskrise und möglichen globalen Effekten stellen. Und deswegen ist es Kern dieser Debatte, wie wir steuerlich eingreifen und die Staatsverschuldung auf eine möglichst gerechte Weise in den Griff bekommen können. Das ist die Frage, die sich in einer neuen Aktualität stellt.
Zu Frau Heyenn: Ich glaube, dass die Zeit heute eine andere ist und dass sich die Diskussion gegenüber den Auseinandersetzungen, die wir um das Jahr 2000 herum geführt haben, noch einmal verändert hat, auch wenn man die langfristigen Auswirkungen von Steuergesetzen besser berücksichtigen können sollte. Aber ich glaube, dass sich die Politik, und zwar nicht nur die der linken Parteien, um diese Gerechtigkeitsproblematik und um die Steuerungsfähigkeit kümmern muss, denn letztendlich hängt der Bestand und die Stabilität unseres demokratischen Systems daran, wie wir mit diesen Finanzmarktproblemen umgehen und ob wir wieder Orientierung geben können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wurde von Herrn Heintze persönlich angesprochen und möchte ihm natürlich gern antworten. Wir haben mit dem Armuts- und Reichtumsbericht eine Bilanz der Politik der letzten zehn oder zwanzig Jahre in harten Zahlen vorliegen. Damit muss man sich auseinandersetzen. Herr Bläsing, wir beide werden uns zusammensetzen und eine gemeinsame Erklärung dazu verfassen, was die fehlenden 800 Milliarden Euro bedeuten. Dann werden Sie Ihre Klatscher nicht mehr bekommen, da bin ich mir sicher. Aber das ist mir jetzt nicht so wichtig.
Herr Heintze, es ist völlig richtig, 1998 habe ich persönlich Wahlkampf für Rot-Grün gemacht. Ich habe gesagt, es wird mehr Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft geben. Ich bin damit auf die Schnauze gefallen, bin bei den GRÜNEN ausgetreten und habe gesagt, dass es so nicht weitergehen kann. Insofern habe ich da eine ordentliche Bilanz.
Ich will noch einmal darauf eingehen, was mir das Wichtigste an den vorliegenden Zahlen ist und was ich bei Ihren Ausführungen am meisten vermisst habe. Der härteste Fakt ist doch, dass 50 Prozent der Gesellschaft jeden Tag unter schlechten Bedingungen rackern. Sie strengen sich an, sie leisten etwas, Herr Bläsing, aber sie bekommen immer weniger. Vor 20 Jahren haben sie 4 Prozent des Volkseigentums besessen, 2008 war es nur noch 1 Prozent. Das ist ein dramatisches Zeichen für unsere Gesellschaft, und da kann man nicht sagen, es gehe dabei nur um die bösen 10 Prozent, die sowieso nichts leisten. Es ist die Mitte dieser Gesellschaft, die betroffen ist, und damit müssen Sie sich auseinandersetzen, das zeigen die Fakten.
Dann muss ich leider noch einmal auf die Politik der SPD zu sprechen kommen. Es ist völlig richtig, wenn Sie sagen, die Einführung des Mindestlohns sei ein wichtiger Schritt, wir müssten etwas machen. Ich möchte mich noch einmal beim "Hamburger Abendblatt" für die tolle Wochenendbeilage bedanken; da haben wir einiges abzuarbeiten.
Was wir aber bei den laufenden Haushaltsberatungen vorgelegt bekommen, ist ein gesellschaftspolitischer Skandal. Mit der Beschränkung für die Zuwendungsempfänger in dieser Stadt auf ein Plus von 0,88 Prozent, obwohl alle wissen, dass aufgrund der anstehenden Tariferhöhungen mehr Geld für das Personal gebraucht werden wird, legen Sie, Herr Scholz und die Mitarbeiter Ihrer Behörden, den Zuwendungsempfängern unter der Hand nahe, doch einfach aus dem Tarifvertrag auszutreten,
um flexibel genug zu sein, in dieser Lage zurechtzukommen. Das können Ihnen etliche bestätigen; wir alle kennen Beispiele. Fragen Sie einfach die Zuwendungsempfänger im Kita-Bereich oder in den Bücherhallen. Das ist die Realität, und das ist eine Kriegserklärung an die Gewerkschaften in dieser Stadt.
Es widerspricht auch dem, was Sie so groß angekündigt haben. Nehmen Sie das zurück, dann wäre schon ein Schritt getan, um diesen Skandal, der im Armuts- und Reichtumsbericht deutlich geworden ist, in dieser Stadt zu verändern. – Danke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Erst einmal eine Bemerkung zu Herrn Heintze. Seit es die Debatte um den Mindestlohn gibt, gibt es auch den Versuch, Tarifverträge und gesetzlichen Mindestlohn gegeneinander auszuspielen. Aber wir Gewerkschafter, die Sozialdemokratie und alle anderen Akteure haben doch zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir mittlerweile – und das ist nicht nur eine Frage des deutschen Einigungsprozesses, sondern auch in Westdeutschland so – eine wachsende Anzahl von Betrieben und eine noch stärker wachsende Anzahl von Beschäftigten haben, die mit dem von der Verfassung vorgesehe
nen Instrument Tarifvertrag nicht mehr erreicht werden können. Das kann man, wenn man will, polemisch als Schwäche der Gewerkschaften auslegen, aber es ist, wenn man genauer hinschaut, eine strukturelle Frage der Arbeitswelt in unserem Land. Über die Ursachen kann man lange diskutieren. Was man aber nicht machen darf, ist, diese Frage gesellschaftspolitisch auf dem Rücken derjenigen auszutragen, die durch das Instrument des Tarifvertrags nicht mehr geschützt werden können. Wenn das so ist, dann muss der Gesetzgeber, wie bei vielen anderen Fragen auch, seine Verantwortung erkennen und sagen: An dem Punkt muss eine Untergrenze eingezogen werden.
Wenn Sie sich nach vielen Jahren der Debatte immer noch hinstellen und behaupten, dass das etwas sei, was sich gegen die Tarifautonomie richte, dann liegen Sie völlig falsch und haben jahrelang nicht aufgepasst. Sie versuchen, dieses Thema auf dem Rücken der Beschäftigten, und zwar der Niedriglöhnerinnen und Niedriglöhner, auszutragen. Das ist nicht nur eine ökonomische Frage, sondern auch eine moralische; das sollten Sie nicht tun.
Das mit der Kriegserklärung, Norbert Hackbusch, ist für jemanden wie mich schwierig zu kommentieren.
Ich wäre auch der Letzte, Herr Ohlsen, der den Gewerkschaften, bis vor wenigen Wochen noch mir selber, nicht das Recht zusprechen würde, in der Öffentlichkeit zu dieser Frage interessenpolitisch klar aufzutreten.
Ja, ich habe in der Zeitung gelesen, dass Norbert Hackbusch und Joachim Bischoff der Öffentlichkeit diese Broschüre vorgestellt haben.
Da ist natürlich akribisch dargestellt, welche Auswirkungen die Haushaltspolitik, wie wir sie gerade in den Fachausschüssen und im Haushaltsausschuss diskutieren und im Dezember beschließen werden, haben wird. Diese Broschüre hat den Titel "ABGESCHOLZT". Wenn ich mir dann aber anschaue, was in ihr an Vorschlägen für Einnahmeverbesserungen enthalten ist, die Voraussetzung dafür sind, dass das, was an sozialen Leistungen als Status quo in dieser Stadt erhalten bleiben muss, auch finanzierbar ist, dann sehe ich da im Wesentlichen zwei Punkte: Das eine sind Steuerverbesserungen, insbesondere durch die Vermögensteuer, und das andere Verbesserungen im Steuervollzug. Bei Letzterem ist es so, dass die Finanzbehörde dabei ist, entsprechende Vorschläge zu entwickeln, und bei allem anderen müssen diese Beschlüsse auf Bundesebene gefasst werden. Insofern sollten Sie sich einmal überlegen, ob Sie als Titel Ihrer Broschüre statt "ABGESCHOLZT" nicht eher "ABGEMERKELT" wählen sollten; das fände ich richtig an diesem Punkt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur wenige Worte dazu. Das Wichtige waren die 0,88 Prozent. Diese 0,88 Prozent waren der Grund, das harte Wort "Kriegserklärung" zu benutzen. Eine Begründung für die Existenz der Gewerkschaften ist ihre Fähigkeit, Tarifverträge abschließen zu können. In dem Augenblick, wo das angegriffen wird, werden die Gewerkschaften in ihrer Substanz angegriffen. Das ist nicht nur meine Meinung und es ist auch keine rein gewerkschaftliche Position. So hat zum Beispiel Frau Stoltenberg vom Diakonischen Werk Hamburg am letzten Wochenende in einem Interview mit "Der Welt" deutlich dargestellt, was das für die Arbeitsverhältnisse im Rahmen der Diakonie bedeutet, die ein wichtiger Arbeitgeber in dieser Stadt ist, und dass sie nicht weiß, wie sie diese aufrechterhalten kann. Die Verantwortung dafür liegt bei dem, der das durchsetzen will, und das ist Herr Scholz, der hier sitzt und sicher zustimmen würde, dass er die Verantwortung hat. Dementsprechend ist der Titel dieser Broschüre völlig richtig.