Protocol of the Session on September 26, 2012

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegin

nen und Kollegen! Zunächst einmal zu Herrn Hackbusch. Sie sagten, der Staat sei immer ärmer geworden. Ich stelle fest, dass die Steuereinnahmen der letzten Jahre stringent gestiegen sind. Wir haben nie so viele Steuereinnahmen gehabt wie in diesen Jahren. Wir haben zuletzt Rekordsteuereinnahmen gehabt, und da können Sie nicht sagen, der Staat sei immer ärmer geworden.

(Zuruf von Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Das ist wider die Fakten, Herr Hackbusch, das müssen wir ganz klar feststellen.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Der einzige Staat, der arm und pleite war, war der Staat, in dem ich fast noch Jungpionier geworden wäre. Ich glaube, die Zeiten wollen wir nun wirklich nicht mehr haben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Frau Hajduk, mit welcher Monstranz Sie sich hier hinstellen. Sie waren selbst haushaltspolitische Sprecherin unter Rot-Grün. Sie hätten sieben lange Jahre Zeit gehabt, Ihre Vermögensteuer einzuführen. Sie haben es nicht getan, aber jetzt fragen Sie, warum die schwarz-gelbe Regierung das nicht machen würde – diese hat übrigens immer gesagt, dass sie keine Vermögensteuer möchte – und werfen ihr das vor. Das ist völlig widersinnig, Frau Hajduk.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Halten wir uns doch einmal an die Fakten. Es wird behauptet, die Reichen würden nichts zur Solidargemeinschaft beitragen. Das stimmt doch überhaupt nicht. 10 Prozent der Steuerzahler mit den oberen Einkommen zahlen 50 Prozent des Steueraufkommens. Das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht!)

Stattdessen wird dann wieder die große Symbolpolitik gefahren. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, Frau Hajduk. Sie haben dann im Subtext gesagt, dass es nicht wirklich etwas bringen würde, was die Haushaltssanierung angeht. Da haben Sie sich wirklich selbst enttarnt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Welchen Subtext haben Sie denn gehört?)

Ich habe eben genau zugehört, Herr Dr. Dressel.

Dann wird als glorreiches Beispiel Frankreich genannt. Schauen wir doch nach Frankreich. Der neue Präsident, Hollande, hat die tolle Reichensteuer, die Sie hier propagieren, eingeführt. Da kann man dann sehen, dass die Reichen sich aussuchen können, wo sie hingehen, die ziehen eben

(Roland Heintze)

ins Nachbarland oder gleich ans andere Ende der Welt. Die Armen und natürlich auch die Unternehmer sind da nicht so flexibel. Das sind am Ende die Leidtragenden, die für Ihre Steuerpolitik geradestehen müssen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Frau Hajduk, eine Trial-and-Error-Politik – Sie sagten, früher hätten Sie die Steuern gesenkt, jetzt müsse man sie vielleicht mal wieder erhöhen – eignet sich nicht für die Steuerpolitik.

(Erster Vizepräsident Frank Schira über- nimmt den Vorsitz.)

Man kann nicht heute so, morgen so verfahren; da sind Gradlinigkeit und eine langfristige Perspektive gefragt, und dafür steht die schwarz-gelbe Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist ja eine Lachnummer!)

Empören Sie sich ruhig.

Ich fasse zusammen: Es handelt sich tatsächlich um eine Neiddebatte, es wird Symbolpolitik betrieben. Und wenn Sie am Samstag rote Fahnen durch die Straßen tragen wollen, dann machen Sie das, es hindert Sie keiner daran. Aber wenn diese Veranstaltung einen Werbeblock in der Aktuellen Stunde benötigt, dann spricht das Bände.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In dieser Debatte sind schon viele Zahlen genannt worden, und zwar sehr erschütternde Zahlen. Vor 20 Jahren hat die Kirche angefangen, darauf hinzuweisen, dass wir in der Bundesrepublik eine neue Armut zu erwarten haben. Die Sozialverbände haben sich dem relativ schnell angeschlossen und darauf aufmerksam gemacht, dass etwas getan werden muss. Sie sind verpönt worden und was ist passiert? Die Armut – das haben wir gerade gehört – hat ständig zugenommen. Jetzt ist die neue Armut in aller Munde und die Politik hat nichts gemacht.

Seit 2004 haben ver.di, andere Gewerkschaften und DIE LINKE – damals noch als WASG – einen gesetzlichen Mindestlohn gefordert. Die SPD war der Auffassung, das bräuchten wir nicht;

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir sind schnell auf Kurs gekommen!)

ich möchte nur an Herrn Müntefering erinnern. Wir haben immer noch keinen Mindestlohn. Immerhin sind wir so weit, dass bis tief in die CDU hinein Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn

vertreten werden. Wir kommen an einem gesetzlichen Mindestlohn nicht vorbei, wenn wir Menschen nicht einfach abhängen wollen. Prekäre Beschäftigung ist zwar mehrfach problematisiert worden – und ich bin sehr dankbar, dass das "Hamburger Abendblatt" das aufgegriffen hat –, sie hat sich aber, während wir sie diskutierten, immer weiter ausgebreitet. Ganz schlimm ist, dass der Niedriglohnsektor, der sich Ende des letzten Jahrtausends nach der Deregulierung langsam herausgebildet hat, immer mehr zunimmt. Jeder zweite neue Arbeitsvertrag gehört inzwischen zu einem prekären Arbeitsplatz. Insofern kann ich verstehen, dass sich viele Verbände aus Wut und Enttäuschung darüber, dass nichts gegen diese soziale Ungerechtigkeit in der Gesellschaft getan wird, zu einem gemeinsamen Bündnis zusammengefunden haben, aufstehen, auf die Straße gehen und versuchen, der Politik ins Stammbuch zu schreiben, dass endlich etwas getan werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Was Sie hier ausgeführt haben, Frau Wolff, das kann ich eigentlich nur unter blankem Zynismus abtun. Es gibt 35 500 Aufstocker in Hamburg, und die sind – Herr Rose hat darauf hingewiesen – nicht alle im öffentlichen Dienst beschäftigt, die arbeiten auch in Ihren wohlgelobten mittelständischen Unternehmen. 20 Prozent aller Beschäftigten in Hamburg arbeiten im Niedriglohnsektor,

(Dietrich Wersich CDU: Sie wissen, dass der bis 11 Euro geht!)

und auch die sind nicht alle im öffentlichen Dienst beschäftigt, sondern genauso in der Privatwirtschaft zu finden. Wenn Sie das nicht wahrnehmen wollen, dann ist das wirklich blanker Zynismus.

Frau Hajduk hat zu Herrn Bläsing gesagt, er sei geistig nicht aktiv genug. Ich nehme an, damit haben Sie die FDP insgesamt gemeint, oder?

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Dazu kann ich nur sagen, wer die Realitäten der Spaltung unserer Gesellschaft, die täglich in den Zeitungen veröffentlicht werden, nicht wahrnimmt, der ist ideologisch total verbrettert und hat einen dicken Balken vorm Kopf.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD und bei Christa Goetsch GRÜNE – Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Da sind Sie Ex- pertin, Frau Heyenn!)

Jetzt zur Folklore, Herr Heintze. Ich habe das einmal nachgucken lassen, weil ich elektronisch nicht so bewandert bin wie andere in meiner Fraktion: Folklore heißt nichts anderes als Wissen des Volks. Von daher ist mir Folklore bedeutend lieber als Ideologie.

(Robert Bläsing)

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Dass Sie die Chuzpe haben, sich hier hinzustellen und den Landesbetrieb Gebäudereinigung anzugreifen, wo Sie als CDU gegen den Willen der Bevölkerung den LBK privatisiert haben und sich jetzt darüber aufregen, dass es Rückkehrer gibt, ist auch wieder blanker Zynismus.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir freuen uns, dass die GRÜNEN und auch die SPD an dem bundesweiten Aktionstag teilnehmen. Trotzdem kann ich Ihnen nicht ersparen, noch einmal auf eines hinzuweisen: Dass wir in dieser Situation sind, in der sich unsere Gesellschaft befindet, hat natürlich weitreichendere Ursachen, als Herr Bläsing es dargelegt hat. Wir haben es in den letzten 15 Jahren mit einer Steuersenkungsarie zu tun gehabt, an der auch die SPD und die GRÜNEN beteiligt waren. Das war ein Riesenfehler und muss umgekehrt werden.

(Robert Bläsing FDP: Die Steuereinnahmen sind trotzdem gestiegen!)

Ich freue mich, dass Sie sich mit uns auf den Weg begeben und Steuererhöhungen fordern. Es muss eine gerechte Steuer geben und es muss auch die Vermögensteuer geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich freue mich, dass Senator Scheele gesagt hat, am Arbeitsmarkt müsse wieder Ordnung hergestellt werden. Die Deregulierung des Arbeitsmarkts ist das Ergebnis der Agenda 2010, an der Sie beteiligt waren; das muss alles zurückgedreht werden. Wir hoffen, dass wir da auf einen guten Weg kommen. Der ver.di-Vorsitzende Herr Abel hat gesagt

(Glocke)

ich bin gleich fertig –: