Insgesamt fällt aber auf, dass relativ viele Kompetenzen bewegt werden; das ist anzuerkennen. Natürlich fragt man sich, was die Dinge jetzt so in Bewegung gebracht hat. Das ist letztlich nur verständlich, wenn man diese Drucksache synoptisch mit dem aktuellen Haushalt und allem, was so an ihm dranhängt, liest. Dann stellt man fest, dass diese Entflechtungsdrucksache ein beschönigendes Mäntelchen für einen ziemlich nassforschen Vorgang ist.
Mich erinnert das an einen ganz anderen Vorgang, nämlich an den Derivatehandel. Sie erinnern sich vielleicht: In der letzten Legislaturperiode hatten wir ziemlich viel mit dem Phänomen zu tun, dass eine amerikanische Großbank faule Kredite aufkaufte, diese in Pakete mit wohlklingenden Namen schnürte und sie beispielsweise der HSH Nordbank als interessante Geldanlage verkaufte. Das hatte den Effekt, dass die Probleme nicht dort auftraten, wo die Ursache lag, sondern ganz woanders, zum Beispiel als Risiko im Hamburger Haushalt. Als diese Pakete platzten, wurde das Risiko der Spekulationen den Hamburger Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern angelastet.
Das stellt sich hier ziemlich ähnlich dar. Die Blase soll nicht beim Senat platzen, sondern bei den Bezirksämtern. Der Senat entledigt sich nämlich im Rahmen der Entflechtung vieler Aufgaben, auf die die Bürgerinnen und Bürger angewiesen sind und wo sie wirklich erzürnt sein werden, wenn diese nicht vernünftig erbracht werden. Viele dieser Dienstleistungen werden an die Bezirke übergeben, bei denen sich dann auch bitte schön der Ärger aufstauen und abladen soll, wenn diese Dienstleistungen nicht mehr so gut erbracht werden können. Das ist ein sehr intelligenter Vorgang, aber damit werden wir Sie nicht durchkommen lassen.
Wir sagen immer wieder – gestern zeigte sich der Senatsvertreter im Haushaltsausschuss schon etwas enerviert –, dass die Bezirke als auch viele der Fachbehörden keine ausreichende Finanzierung der absehbaren Tarifsteigerungen bekommen. Hamburg gibt sich qua seines Haushalts der Illusion hin, dass man beim Abschluss für die Landesbediensteten deutlich unter den Tarifsteigerungen in Bund und Kommunen landen würde. Das ist nun wirklich eine unrealistische Hoffnung. Für den Fall, dass höher abgeschlossen wird, ist schon jetzt klar, dass die Bezirke die zusätzlichen Lasten aus ihren Einzelplänen stemmen müssen, was er
hebliche Einsparverpflichtungen über das schon konkret Feststehende hinaus mit sich bringen wird. Die Bezirke werden die Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger massiv kürzen müssen. Es wird ihnen zwar eine größere Auswahl für Kürzungen an die Hand gegeben, aber der Senat hat dann offiziell nichts damit zu tun. So kann es meiner Meinung nach nicht gehen, und auch damit werden wir Sie nicht durchkommen lassen.
Wir haben gestern im Haushaltsausschuss gelernt, dass die Bezirksamtsleiter ganz konkrete Bedarfe formuliert und gesagt haben, wo das Personal nicht ausreicht. Sie haben beispielsweise darauf hingewiesen, dass das Personal in der Straffälligenhilfe nicht ausreicht. Da kann man natürlich sparen, das hat dann aber zur Konsequenz, dass ehemals Straffällige schneller rückfällig werden. Das ist keine gute Idee, mit leeren Gefängniszellen umzugehen.
Die Bezirksamtsleiter haben ganz konkret gesagt, dass sie mehr Personal brauchen, um die KitaGutscheine zu bearbeiten. Der Senat hat deutlich gemacht, dass es dafür nicht mehr Geld geben wird. Das bedeutet längere Wartezeiten und große Unsicherheit für die Familien und die Einrichtungen.
Die Bezirksamtsleiter haben gesagt, dass sie mehr Personal für die Grundsicherung im Alter brauchen. Es geht dabei um die Alten – darüber wird gegenwärtig sehr breit diskutiert –, bei denen die Rente nicht zur Existenzsicherung reicht. Die sollen länger warten.
Die Bezirksamtsleiter haben gesagt, dass sie mehr Personal für Lebensmittelkontrollen brauchen. Der Senat hat gesagt: Das Geld für zusätzliches Personal werdet ihr nicht bekommen. Da können wir uns viel über schöne Dinge im Verbraucherschutz unterhalten, wenn die Lebensmittelkontrollen nicht durchgeführt werden, ist das alles nicht durchsetzbar.
Wir haben gestern im Haushaltsausschuss zudem den zweiten Akt eines Dramas zwischen zwei Staatsräten erlebt, die sich gegenseitig die Schuld dafür zuschieben, dass sich keiner um die Grundsanierung von Straßen in bezirklicher Zuständigkeit kümmern kann. Keiner kann derzeit die berechtigten Wünsche der Bürgerinnen und Bürger umsetzen, wenn diese zum Beispiel monieren, dass an bestimmten Stellen eine Schulwegsicherung erforderlich ist. Wir haben das Geld im Haus
halt, aber jetzt soll es gekürzt werden, da es eh nicht abgerufen wird, weil in den Bezirksämtern das Personal dafür nicht vorhanden ist, sagt der eine Staatsrat, weil die Fachbehörde nicht richtig steuert, sagt der andere. Das wird noch eine interessante Geschichte, die wir natürlich weiter im Auge behalten werden.
Klar ist aber: Dieser Versuch, die Probleme schlicht und einfach auf die Bezirksämter abzuwälzen und mit den Schwerpunktprojekten des Senats, die weiterhin in der zentralen Zuständigkeit bleiben, zu glänzen, wird nicht durchgehen. Ich begrüße es, dass die Bezirksamtsleiter sehr schön damit gekontert haben, ein gemeinsames Projekt mit der Finanzbehörde starten zu wollen, um gemeinsam zu entscheiden, wo gekürzt werden soll. Damit ist die Verantwortung dann auch wieder da, wo sie hingehört, nämlich beim Senat und der Mehrheitsfraktion in diesem Haus.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Senat verfolgt mit der vorgelegten Drucksache das Ziel, die mit der Verwaltungsreform 2006 begonnene Entflechtung fortzuführen. Die FDP-Fraktion begrüßt das. Wir erkennen ausdrücklich an, dass in der vorliegenden Drucksache viele geeignete Vorschläge enthalten sind, um unnötige Doppelarbeit zu vermeiden und personalaufwendige Detailkontrollen durch die Fachbehörden abzubauen.
Die vorliegende Drucksache schlägt unter dem Motto "ein Objekt, eine Zuständigkeit" beziehungsweise "ein Verfahren, eine Zuständigkeit" weitere Übertragungen von Zuständigkeiten an die Bezirke vor. Dies begrüßen wir unter der Voraussetzung, dass die notwendige zusätzliche Ressourcenausstattung erfolgt. Das muss in der Konsequenz bedeuten, dass Personalressourcen von den Fachbehörden auf die Bezirke übertragen werden. Dazu bleibt die Drucksache unseres Erachtens leider viel zu unkonkret.
Die bisherigen Beratungen des Haushaltsplan-Entwurfs haben gezeigt – wir hatten das erst gestern Abend wieder im Haushaltsausschuss –, dass die vorgesehenen Entflechtungen nicht berücksichtigt wurden, obwohl die Drucksache schon Ende März vom Senat beschlossen worden ist. Mich wundert an dieser Stelle ohnehin, dass die vorgelegte Berichtsdrucksache an die Bürgerschaft dann noch einmal mehrere Monate benötigt hat, ehe sie uns zuging, während die Bezirke mit den gesetzten Fristen zur Stellungnahme einem sehr hohen Zeitdruck ausgesetzt waren. Da entsteht der Eindruck, der Senat habe absichtlich im weiteren Verfahren
ich unterstelle das nicht, aber der Eindruck entsteht schon, Herr Finanzsenator – etwas herumgebummelt, ich hoffe, das ist parlamentarisch, um erst einmal die Haushaltseinbringung abwarten zu können. Das ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel.
(unterbre- chend) : Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte hören Sie doch zu. – Herr Bläsing, fahren Sie fort.
Weiterhin ist zu betonen, dass durch die Entflechtung eine Reduzierung des Arbeitsaufwands erreicht werden kann. Dieses grundsätzliche Ziel darf nicht aus den Augen verloren werden. Stattdessen wird unter Punkt C der Drucksache noch einmal ein Aufguss der altbekannten Aussagen aus den letzten Monaten repetiert; keine Spur von Aufgabenkritik, obwohl die Bürgerschaft den Senat hierzu ausdrücklich aufgefordert hat. Konkretes dazu, wie die aus unserer Sicht nach wie vor nicht ambitioniert genug betriebene Personalkörperkonsolidierung erfolgen soll,
hat man eher der Presse entnehmen können, obwohl es in diese Drucksache gehört hätte; da kann ich mich nur dem Kollegen aus der CDU-Fraktion anschließen.
Positiv anzumerken ist, dass die grundsätzliche Zuordnung der zur Aufgabenerfüllung notwendigen Ressourcen unmittelbar bei den Bezirksämtern erfolgen soll, da das eine größere Handlungsfreiheit für die Bezirksämter bedeutet. Es spricht auch vieles dafür, die Verfahrenshoheit und damit auch die Verantwortung für den Gesamtprozess hinsichtlich Stadtentwicklung und Bau in die Bezirke zu geben. Dazu möchte ich einige Punkte herausgreifen.
Die im Drucksachenentwurf beschriebene Rolle des Oberbaudirektors darf über die Befugnisse, wie sie im Vertrag für Hamburg vereinbart wurden, unseres Erachtens nicht hinausgehen. Die Formulierung unter Punkt 2.2, nach der beispielsweise alle großen Einzelhandelsvorhaben mit ihm abzustimmen sind, schränkt die Bezirksversammlung unzulässig ein. Die in Kapitel 2.3 beschriebene Rolle von städtischen und privaten Projektentwicklern für große Wohnungsbauvorhaben und Gewerbe- und Industriegebiete auf städtischen Flächen birgt die Gefahr in sich, das Gleichgewicht zwischen Eigentümerinteressen und bezirklicher Planungshoheit zulasten der Bezirke zu verschieben. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die dem Wohnungsbaudirektor im Konfliktfall zugedachte Rolle im Sinne des Vertrags für Hamburg noch gewährleistet ist, wenn die BSU zugleich für die Steuerung und den Erfolg des städtischen Projekt
entwicklers verantwortlich ist. Damit ginge die vermittelnde Rolle des Wohnungsbaukoordinators, wie sie derzeit im Vertrag für Hamburg noch angelegt ist, zweifellos verloren. Er würde selbst zum Beteiligten, was dann eher dafür sprechen würde, die Steuerung der Projektentwicklung beim Grundeigentümer, der Finanzbehörde, anzusiedeln. Ein ehrlicher Maklerjob ist so nicht mehr möglich.
Die grundsätzlichen Überlegungen, ein strategisches, aktives Flächenmanagement zu betreiben, werden von uns ausdrücklich begrüßt. Insbesondere die Entwicklung eines Flächeninformationssystems, das die in unterschiedlichen Stellen vorhandenen flächenbezogenen Daten auf einer gemeinsamen Oberfläche für alle Nutzer verfügbar macht, ist nach unserer Erfahrung längst überfällig; man wundert sich manchmal, warum das Naheliegende nicht schon vor Jahrzehnten angegangen worden ist.
Dies gilt gleichermaßen auch für die Straffung der Entscheidungsabläufe bei Disposition und Vergabe der städtischen Gewerbeflächen. Die Ausführungen dazu werfen jedoch eine Reihe von Fragen auf, die für die Wahrung der bezirklichen Belange im künftigen Verfahren zwischen Bezirk und der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH (HWF) von erheblicher Bedeutung sind und einer weiteren Klärung bedürfen. Das Zuständigkeitsmodell des ersten Ansprechpartners, der dann auch die Entscheidung über die Flächendisposition trifft, ist zumindest zu hinterfragen, denn dieses Modell läuft tendenziell darauf hinaus, der HWF jede Entscheidung über die Grundstücksvergabe allein zu überlassen. Im Zweifel werden Bezirksinteressen bei der Grundstücksvergabe aus der Sicht eines nachfragenden Unternehmens immer als zusätzlich und unbequem empfunden, und der Weg über die HWF wird sicherlich als der einfachere angesehen. Dabei ist die Nähe der HWF zu bezirklichen Belangen erfahrungsgemäß nicht so groß, dass diese sich durch das angestrebte Verfahren vertreten fühlen könnten. Mögliche Interessenkonflikte zwischen Bezirk und HWF werden nicht dadurch gelöst, dass sich beide Stellen im Einzelfall einvernehmlich auf eine abweichende Zuständigkeit verständigen. Ebenso lässt die Drucksache offen, was unter Gewerbeflächen von gesamtstädtischer und nicht gesamtstädtischer Bedeutung verstanden wird. Hier hätte es meiner Meinung nach einer Definition in der Drucksache selbst bedurft. Nun soll im Zweifel die Senatskommission entscheiden. Es ist daher zu befürchten, dass dies im Ergebnis zu einer nachrangigen Berücksichtigung bezirklicher Belange führen wird.
Im Bereich Verkehr bedarf es klarer und transparenter Abgrenzung der Zuständigkeiten. Diese scheint bei den vorgesehenen Verlagerungen der
Zuständigkeiten für kleinere Maßnahmen im Bereich der Straßenunterhaltung und des Straßengrüns schwierig und bedarf einer detaillierten Klärung und Festlegung. Insbesondere im Bereich der Straßenunterhaltung ist zu klären, inwieweit die vorgesehene Verschiebung zu einer Mehrbelastung der bezirklichen Stellen und dort insbesondere der Wegewarte führen wird und wie diese gegebenenfalls ausgeglichen werden kann. Die Stärkung der öffentlichen Straßenverkehrsbehörden ist sicherlich ein anerkennenswerter Schritt in die richtige Richtung. Die FDP-Fraktion hält jedoch nach wie vor an ihrer Forderung der Verlagerung der unteren Straßenverkehrsbehörde in die Bezirke fest.
Die Praxis der kommunalpolitischen Arbeit zeigt immer wieder, dass wichtige Anliegen von Bevölkerung und Kommunalpolitik an der mangelnden Anbindung der unteren Straßenverkehrsbehörde beim Bezirk scheitern; wir haben dankenswerterweise gestern noch einmal die Drucksache vertagt, damit wir das dann im Zusammenhang mit dieser Drucksache besprechen können.
Kurzum: Die vorgelegten Ausführungen sind in der Gesamtschau alles andere als überzeugend. Eine nachhaltige Entflechtung, verbunden mit einer substantiellen Aufgabenkritik, findet nicht oder nur unzureichend statt, während der Senat den angestrebten Personalabbau nur nebelscharf umreißt. Vor diesem Hintergrund haben wir noch viele offene Fragen, auf die wir noch einmal im Haushaltsausschuss zurückkommen werden.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Aufgabenkritik: ja, höhere Effizienz des Verwaltungshandelns: ja, Abbau von Bürokratie: ja, Stärkung der Verantwortung der Bezirke: dreimal ja.
Viele Maßnahmen, die in der Drucksache aufgeführt sind, um diese Ziele zu erreichen, erscheinen uns sinnvoll, nicht alle. Über manche Maßnahmen kann man streiten, aber, Herr Bläsing, für fachliche Einzelheiten ist hier nicht der richtige Platz. Die Debatte sollte im Fachausschuss und im Haushaltsausschuss geführt werden.
Ich kann jedenfalls für die LINKE sagen, dass es sinnvoll ist, Aufgaben zu entflechten und doppelte Zuständigkeiten – also Zuständigkeiten sowohl des Bezirks als auch der Fachbehörde – zu beenden. Warum sollten Entscheidungen von bezirklicher Bedeutung, die die Bezirksämter und die Bezirksversammlungen umsetzen können, unter den Zu
Wir stimmen also zu, dass grundsätzlich die Bezirksämter für operative Aufgaben mit lokalem Bezug zuständig sind und dass sie solche Aufgaben selbstständig durchführen. Das stärkt die Bürgernähe und ist ein wichtiges demokratisches Prinzip. Allerdings schlägt dieses Prinzip in sein Gegenteil um, wenn die Bezirke neue Aufgaben erhalten, aber nicht das Personal, um diese Aufgaben im Sinne der Bürgerinnen und Bürger umzusetzen.
Gerade im Bereich Wirtschaft, Bauen und Umwelt sollen viele neue Zuständigkeiten auf die Bezirke verlagert werden. In der Drucksache, über die wir hier sprechen, nimmt dieser Bereich Pi mal Daumen 80 Prozent aller Aufgabenverlagerungen ein. Aber bekommen die Bezirke mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese Aufgaben erledigen sollen? Nein, das bekommen sie nicht.