Protocol of the Session on May 23, 2012

Zweitens: Klassenfahrten. Die ganze Zeit wurden Klassenfahrten bezahlt über den Landeshaushalt, inklusive Taschengeld. Wenn wir uns das jetzt ansehen, werden die Klassenfahrten von den Bundesmitteln bezahlt, und zwar ohne Taschengeld. Auch dies ist eine Verschlechterung. Das ist einfach ein Unding.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg und Antje Möller, beide GAL)

Der DGB hat auch ganz klar formuliert, dass sich das Paket als Päckchen entpuppte. Hierbei ist noch das besondere Problem, dass sich die Adressaten, die Hartz-IV-Empfänger, aufwendig um die Abholung dieses Päckchens kümmern müssen durch sehr bürokratische und sehr unterschiedliche Antragsformulare.

Das Diakonische Werk Deutschland hat ganz klar formuliert, dass die Hilfen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bei den Kindern nicht ankämen. Es weist darauf hin, dass die Vorgabe der Verfassungsrichter, die Bildungs- und Teilhabechancen von armen Kindern und Jugendlichen zu verbessern, nicht erfüllt worden sei.

Ich möchte noch einmal auf Hamburg kommen. Über den Schulbedarf habe ich schon gesprochen und komme zum kostenlosen Mittagessen. Ein wenig mehr als ein Drittel der leistungsberechtigten Schülerinnen und Schüler nimmt das kostenlose Mittagessen wahr; das ist entschieden zu wenig. Wir als LINKE begrüßen, dass es jetzt die Chipkarte gibt, dass die Kinder nicht über die Eltern definiert werden und es einen diskriminierungsfreien Zugang gibt, aber es muss erheblich erhöht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Punkt ist, dass die soziokulturelle Teilhabe durch Sport, Musik und Kultur von weniger als einem Drittel der leistungsberechtigten Schülerinnen und Schüler angenommen wird. Das hängt nicht damit zusammen, Frau von Treuenfels, dass die Eltern nicht wissen, wo die Musikschule oder der nächste Sportverein sind. Aber können Sie mir einmal einen Kurs in der Musikschule nennen, bei dem man mit 10 Euro pro Monat Geige spielen lernen kann? Den gibt es nämlich nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Meinen Sie, dass die Leute Geige spielen wollen?)

Nein, die Kinder brauchen keine Geige zu spielen, die dürfen trommeln oder was?

Ich komme zur Lernförderung. Diese kostenlose Nachhilfe hat es in sich. Die kostenlose Nachhilfe wird auch Schülerinnen und Schülern gewährt, die nicht berechtigt sind aufgrund von Transferleistun

gen, die die Eltern bekommen. Und trotzdem wird das aus dem Bildungspaket an rund 10 Prozent aller Schülerinnen und Schüler ausgezahlt. Sie profitieren von diesem Teilhabeprogramm.

(Lars Holster SPD: Das ist doch gut inve- stiertes Geld!)

Aber das ist dafür nicht gedacht. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass es für die Kinder von Transferempfängern ist und nicht für alle anderen. Nur 11 Prozent der berechtigten Kinder nehmen es überhaupt in Anspruch.

Dann muss man auch schauen, wie sie es denn bekommen. Kinder von leistungsberechtigten Eltern bekommen nur eine kostenlose Nachhilfe, wenn in Zeugniskonferenzen die Lehrer beschließen, dass eine kostenlose Nachhilfe sinnvoll wäre, dass das Kind also nicht nur faul ist, sondern auch Entwicklungspotenzial hat. Das ist die Krux hierbei und ein besonderes Problem. Dass Kinder, deren Eltern keine Transferempfänger sind, aus diesem Paket kostenlose Nachhilfe bekommen, ist eine ganz klare Zweckentfremdung.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg GAL – Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Einen Moment, Frau Abgeordnete.

Es gibt eine ganze Reihe von Gruppen in diesem Raum – zum Beispiel Frau Möller und Frau Gümbel bei den Grünen, Frau Dobusch bei der SPD, die es jetzt nicht einmal merkt, dann gibt es eine Gruppe bei der CDU, Frau Spethmann und andere –, die sich permanent unterhalten. Meine Damen und Herren, das ist sehr unhöflich gegenüber der Rednerin oder dem Redner, bitte unterlassen Sie das. Nur Frau Heyenn hat das Wort. – Fahren Sie bitte fort.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt noch eine Zweckentfremdung, die dem Fass den Boden ausschlägt, sie wird überschrieben mit "schulischer Sozialarbeit". Es sind 123 zusätzliche Stellen für Erzieher und Sozialpädagogen in den Schulen geschaffen worden, um die Inklusion umzusetzen. Das ist im Prinzip richtig, aber bitte nicht aus dem Bildungspäckchen, denn dann würde man doch so tun, als ob diese Kräfte nur den Kindern zugutekommen, deren Eltern auch Sozialhilfeempfänger beziehungsweise Hartz-IV-Empfänger sind.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Das ist nicht der Fall, das ist auch eine Zweckentfremdung.

(Beifall bei der LINKEN und der GAL)

Der Deutsche Kinderschutzbund hat ganz klar gesagt – ich zitiere –:

"Das Geld kommt bei den Kindern nicht an. Zudem seien bundesweit [– bundesweit, Frau Wolff –] ca. 500 Mio. Euro der Mittel nicht abgerufen worden und flössen nun in die Haushalte der Kreise und kreisfreien Städte."

Frau von Treuenfels hat schon darauf hingewiesen, dass es in Hamburg 15 Millionen Euro sind, die nicht ausgegeben wurden und jetzt in den Haushalt zurückfließen. Deshalb werden wir als LINKE Ihnen in den nächsten Wochen einen Antrag vorlegen, die zweckentfremdeten Mittel aus dem Bildungspaket wieder zurückzuführen zu den Empfängern, denen es gehört, nämlich zu den Kindern von Hartz-IV-Empfängern.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

Vielen Dank, Frau Heyenn. – Das Wort hat Herr Senator Scheele.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Bildungs- und Teilhabepaket hat Licht- und Schattenseiten, und da sollte man ein bisschen differenzierter hinsehen. Es ist nämlich etwas komplizierter, als hier vorgetragen wurde.

Es ist genau das eingetreten, was die SPD-Bundestagsfraktion und auch die A-Länder im Vorwege prognostiziert haben, dass nämlich das Bildungs- und Teilhabepaket da funktioniert, wo es an Institutionen erbracht wird, nämlich an Schulen und Kindertagesstätten. Da sind die Quoten der Inanspruchnahme gut. Es funktioniert nur da sehr unbefriedigend, das will ich gern wieder sagen, wo ein Einzelner – aus Sicht der Bundesregierung in einem Antrags- und Bewilligungsverfahren – sich eine soziokulturelle Leistung nicht erkaufen, sondern beantragen und abrufen soll. Das war völlig klar. Und so sind auch die Teilnahmequoten, die wir in unserem Zwischenbericht vorgelegt haben. Sie sind da gut, wo Essen an Schulen angeboten wird, dort nehmen bedürftige Kinder das Essen in Anspruch.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Eben!)

Das hängt damit zusammen, an wie vielen Schulen es Essen gibt. Da, wo es Essen gibt, nehmen bedürftige Kinder das Essen in Anspruch. Die eintägigen oder mehrtägigen Klassenfahrten werden in Anspruch genommen, wenn sie angeboten werden.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Die gab es immer schon!)

Es geht um die Inanspruchnahmequote.

(Dora Heyenn)

Die Teilhabe funktioniert immer dann, wenn eine Einrichtung wie eine Schule oder eine Kindertagesstätte diese soziale Leistung einem Kind offeriert, dann nimmt das Kind sie in Anspruch. Wir sind uns wohl relativ einig, dass es nicht unbedingt an den Eltern liegt, sondern an den sozialen Umständen. Das trifft auf das Mittagessen zu, auf die eintägigen Ausflüge, die Klassenfahrten und auf die Schülerbeförderung. Überall da sind die Teilnahmequoten gut.

Wir haben eine Teilnahmequote von 17,3 Prozent bei soziokultureller Teilhabe – darauf hat Frau Bekeris hingewiesen –, damit sind wir bundesweit die Besten. Wir sind auch bundesweit die Ehrlichsten, weil wir nämlich abgerechnete Leistungen zählen und nicht nur Anträge. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Ich danke Frau Wolff, dass sie darauf hingewiesen hat, denn ich habe ehrlicherweise gesagt, dass ich 17,3 Prozent nicht berauschend finde. Wenn es selbst bei einem so unbürokratischen Verfahren wie dem Hamburger – man muss nur mit seinem Bescheid zu einem Sportverein gehen und sagen, dass man mitmachen möchte – nicht gelingt, dass mehr als 25 oder 30 Prozent dies in Anspruch nehmen, dann muss man das Verfahren ändern. Dann muss man es über Sportvereine administrieren und nicht individuell.

(Beifall bei der SPD)

Das haben wir als die SPD-geführten Länder im Vorwege immer gesagt. Und wir werden weitere Werbemaßnahmen ergreifen, um bedürftige Kinder und deren Eltern darüber zu informieren. Ich glaube aber, dass dem Grenzen gesetzt sind, wenn das Verfahren so ist, und dass man sich um eine andere generelle Ausrichtung der soziokulturellen Teilhabe bemühen muss. Das ist sicher nicht einfach, weil das Bundesverfassungsgericht einen Individualrechtsanspruch geschaffen hat. Trotzdem muss man sich bemühen, dieses miteinander in Einklang zu bringen, denn sonst werden wir immer darunter leiden, dass die Kinder das nicht bekommen, was eigentlich finanziert werden kann. Darum wollen wir uns bemühen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zur Frage der finanziellen Reste. Wer sich darüber wundert, dass Reste entstanden sind, geht nicht mit offenen Augen durch die Welt. Wenn ein Gesetz erst am 1. April in Kraft tritt, aber ein Ganzjahreswert ausgekehrt wird, sollen wohl Reste entstehen, jedenfalls kann man sich darüber nicht wundern. Das Geld ist nicht ausgegeben, keine Sorge. Wir haben es zur Übertragung beantragt und werden schauen, wie der Haushaltsverlauf ist. Aber zu sagen, jemand sei nicht erfolgreich, wenn ein Gesetz drei Monate lang noch nicht existiert, aber schon bezahlt wird, ist schon ein irrer Vorgang.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen uns bemühen, verstärkt auch für die soziokulturelle Teilhabe zu werben, noch einmal einen Anlauf zu unternehmen und Eltern zu erreichen, aber über die Einrichtungen. Mit Zetteln schafft man das nicht, auch nicht, wenn sie mehrsprachig sind. Es soll über die Einrichtungen laufen, und wir wollen mit team.arbeit.hamburg versuchen, dafür zu sorgen, dass bei Gesprächen über die Weiterbewilligung von Unterhaltsleistungen auch das Thema Bildung und Teilhabe erörtert wird. Da gehört es nämlich hin. Wenn ein Fallmanager mit einer Familie über ihre Zukunft redet, muss es besprochen werden. Da wollen wir es verankern, genauso wie in anderen Sozialsystemen. Wenn wir eine sozialpädagogische Familienhilfe haben, dann soll in der Familie darüber geredet werden, dass dazu regelhaft der Sportvereinsbesuch gehört. Das ist vernünftig und besser, als wenn man einfach nur Papier verteilt.

(Beifall bei der SPD)

Ein letzter Punkt. Wir werden uns darum bemühen – und die 17,3 Prozent sind aus meiner Sicht nicht befriedigend –, zumindest in den Gebieten, in denen wir unbefriedigende Teilnahmequoten und eine hohe soziale Homogenität in negativer Hinsicht, also eine hohe Transferleistungsbezieherdichte haben, zu einer anderen Administration – vielleicht über "Kids in die Clubs" der Hamburger Sportjugend –, zu einer anderen Form der Förderung zu kommen, die darauf verzichtet, dass Einzelanträge gestellt werden müssen und trotzdem der individuelle Rechtsanspruch befriedigt wird. Das scheint mir der einzige Weg zu sein, um das voranzubringen.

Darum wollen wir uns kümmern, und ich bitte darum, dass das nächste Mal von einigen Seiten etwas differenzierter vorgegangen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Senator. – Frau Fegebank hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schinnenburg, ich hätte nicht gedacht, dass wir heute noch einmal so nahe beieinander stehen, ohne dass ich über Verbote rede.

Es ist tatsächlich zu den einzelnen Teilbereichen des Bildungs- und Teilhabepakets schon sehr vieles sehr differenziert geäußert worden. Ich habe Ihnen sehr aufmerksam gelauscht, Herr Senator Scheele, und natürlich auch zwischen den Zeilen die eine oder andere Form der zugegebenen Umsetzungsschwäche entnommen. Darauf würde ich gern noch einmal eingehen.

(Senator Detlef Scheele)

Wenn man die Zahlen Hamburgs mit den anderen Bundesländern vergleicht, fällt schon auf, dass Hamburg an der einen oder anderen Stelle prozentual, was das Abrufen des Geldes angeht, darüber liegt. Aber ich erinnere mich daran, dass wir vor circa eineinhalb Jahren, als das Paket eingeführt wurde, über ein sehr niedrigschwelliges und unbürokratisches Verfahren gesprochen haben in der Hoffnung, dass dann die Akzeptanz und die Annahmequote sehr viel höher sein werden, und dies nicht nur im Bereich der schulischen Leistungen, sondern vor allem auch im Bereich der soziokulturellen Teilhabe. Die 17,3 Prozent entsprechen in Zahlen knapp 7500 Kindern und Jugendlichen. Es sind im Bereich der kulturellen Teilhabe – da muss man sich wirklich festhalten – 761 Kinder von 43 000 Kindern und Jugendlichen, die kulturelle Angebote wahrnehmen.