Protocol of the Session on May 10, 2012

Das alte Konzept war nicht statisch gedacht, sondern wurde durch zahlreiche Anträge ergänzt und erweitert: die interkulturelle Öffnung der Verwaltung, das Hamburg Welcome Center, die "Zentrale Anlaufstelle Anerkennung" mit dem Stipendienprogramm, die Beratungsstelle zur Bekämpfung von Zwangsverheiratungen und häuslicher Gewalt, die Clearingstelle für Menschen ohne Papiere, Einbürgerungskampagnen et cetera. Auch im Gesundheitsbereich ist ein neues Denken in Richtung interkulturelle Pflege eingetreten. Das sind alles erfolgreiche Projekte, die ausbaufähig sind. Hamburg hat große Schritte gemacht in den letzten Jahren. Bei der Anerkennung der ausländischen Abschlüsse und dem Stipendienprogramm ist Hamburg sogar bundesweiter Vorreiter.

Wie geht es nun weiter? In diesem Zusammenhang muss ich, liebe SPD, zu Ihrer Vorstellung der sogenannten 18 Eckpunkte zur Integration kommen. Eigentlich wollte ich heute diesen Punkt gar nicht ansprechen und nur über die Große Anfrage diskutieren, aber Sie haben dieses Papier eingebracht. Ich glaube, diese Blitzaktion vom Dienstag diente nur dazu zu verbergen, dass die SPD seit ihrem Regierungsantritt im Bereich Integration nichts Neues zu bieten hat. Das ist aber nach hinten losgegangen.

Nachdem ich Ihre sogenannten Eckpunkte zur Integration gelesen habe, habe ich mich gefragt, was daran neu ist. Sie sind mit der Aussage, Flüchtlinge in Ihr Handlungskonzept zur Integration aufzunehmen, groß aufgetreten, aber in der Praxis konnten wir leider nur feststellen, dass Sie die Menschen sogar im Winter abschieben,

(Zurufe von der SPD: Oh! – Olaf Ohlsen CDU: Skandal!)

dass Sie die Verträge mit der Zentralen Aufnahmestelle in Horst verlängern, dass Sie einen Bürgerschaftsantrag zur Aufhebung der Residenzpflicht ablehnen. Sie haben kein Konzept für eine langfristige Perspektive für Flüchtlinge in Hamburg.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Jetzt haben Sie dafür sogar einen Sündenbock gefunden. Für Ihre inhumane Flüchtlingspolitik musste Amtsleiter Bornhöft gehen. Dadurch erhoffen Sie sich einen Kurswechsel in Ihrer Politik. Genau das haben Sie auch an anderen Stellen versucht,

aber das hat überhaupt nichts gebracht. Was Sie brauchen, liebe SPD, ist kein Personalwechsel, sondern ein Wechsel in Ihrer Flüchtlingspolitik.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Diese scheinheilige Politik trifft auch die Menschen mit festem Aufenthaltsstatus. Seit Regierungsbeginn haben Sie keine eigenen Maßnahmen in der Integrationspolitik eingeleitet.

(Sylvia Wowretzko SPD: Die Clearing-Stelle läuft seit Kurzem!)

Sie treten mit schwarz-grünen Erfolgen in die Öffentlichkeit. Aber eines muss ich Ihnen lassen, Herr Bürgermeister – der ist wieder nicht da –, niemand ist bisher auf die Idee gekommen, monatlich 4000 Briefe an Migranten zu schreiben und leere Hoffnungen zu wecken. Über die zahlreichen Einbürgerungsanträge reden Sie gern, Herr Bürgermeister, aber über die Ergebnisse dieser Anträge haben Sie bis heute nicht berichtet. Bis jetzt gab es in der Presse – drei Monate nach Ihrem Kampagnenbeginn – eine einzige Erfolgsmeldung, ein Schwede wurde eingebürgert. Tausende Briefe und Ressourcenverschwendung für eine Einbürgerung.

(Zurufe von der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Eine Einbürgerung, das ist doch Unsinn! – Glocke)

Fahren Sie fort, Frau Demirel.

Sie haben im September zusammen mit der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Absichtserklärung für eine Koalition gegen Diskriminierung unterzeichnet, und ein halbes Jahr davor hatte der SPD-Senat sein Regierungshandeln mit der Abschaffung der "Arbeitsstelle Vielfalt" eingeleitet.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir wissen, warum wir das abgeschafft haben, wie man sieht!)

Und jetzt soll Antidiskriminierung wieder ein Schwerpunktthema werden; da sind wir aber sehr gespannt.

Jetzt komme ich zu den Bezirken. Bekanntlich spielen die Bezirke eine zentrale Rolle bei der Gestaltung und Umsetzung der Integrationsmaßnahmen direkt vor Ort; ich komme aus der Kommunalpolitik und kenne das genau. Aus diesem Grund wurden in den vergangenen Jahren sieben Integrationsbeauftragtenstellen geschaffen mit dem Ziel, Handlungskonzept und Zielbearbeitung vor Ort einzusetzen. Diese Stellen laufen Mitte des Jahres in mindestens drei Bezirken aus, und Sie verlängern sie nicht, daran wollen Sie auch sparen. In der Öffentlichkeit werben Sie groß für eine gleichberechtigte Teilhabe und eine offene Gesell

schaft und vor allem für eine Integrationspolitik, die von dem Instrument Fördern bestimmt wird. In diesem Zusammenhang gilt aber Fördern nicht für die Integrationsmaßnahmen vor Ort.

Sie wollen sich verstärkt für die berufliche Integration von Migrantinnen und Migranten einsetzen, aber in Ihrem gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm gibt es sehr wenig dazu. Bis jetzt habe ich von Ihnen nichts Konkretes gehört. Was wir bis jetzt von Ihnen gehört haben, ist, dass Sie alles besser machen wollen. Alles besser machen wollen ist zwar eine Aussage, aber noch lange kein Konzept.

(Beifall bei der GAL und bei Karin Prien CDU)

Nun bekommt Frau Kaesbach das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Demirel, wir sind zwar auch Opposition,

(Zuruf von der CDU: Aber so blöde sind Sie nicht!)

aber was Sie hier geliefert haben, war ein unendliches Klagelied. Man kann den Eindruck gewinnen, dass Migrant zu sein viel mehr Last als Lust ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Zu Herrn Haufler: Ich habe selten eine so rührige Rede wie die Ihrige eben gehört.

(Beifall bei Nikolaus Haufler CDU – Ksenija Bekeris SPD: Zumindest für ihn!)

Aber was ich von Ihnen, Herr Abaci, gehört habe, das möchte ich auch noch gern sagen, waren nur Plattitüden, Sie haben keine einzige konkrete Maßnahme genannt.

(Beifall bei der FDP und bei Nikolaus Haufler CDU)

Liebe SPD-Fraktion, dass Sie zwei Tage – Herr Haufler sagte das schon – vor der heutigen Debatte zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion Ihr angebliches Konzept zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund der Presse präsentierten, um es dann hier und heute großartig zu verkünden, ist nicht mehr als ein billiges Manöver.

(Beifall bei der FDP)

Sie betreiben Schaupolitik ohnegleichen, um Ihre Klientel zu befriedigen und um bei diesem Thema die Meinungsherrschaft zu behalten. Dabei beinhaltet Ihr Konzept – zumindest nach dem, was ich davon in der Presse gelesen habe – nichts als Lyrik, keine konkreten Maßnahmen. Das Einzige, wo wir mitgehen können, ist die Aufforderung an den Senat, das Handlungskonzept für Integration zu einem verbindlichen Termin vorzulegen. Wir sind ge

(Phyliss Demirel)

spannt auf das Handlungskonzept und wir erwarten es bald.

(Ksenija Bekeris SPD: Sie haben schon ver- standen, dass es Eckpunkte sind?)

Nun zur Großen Anfrage. Hamburg ist und bleibt das Tor zur Welt, das bestätigen die Zahlen, die aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgehen. Im Jahr 2005 hatten etwas mehr als ein Viertel der Hamburger einen Migrationshintergrund. Am 31. Dezember 2010 waren es schon fast ein Drittel, nämlich 515 000 Bürger. Bis heute sind es sicher nicht weniger, sondern eher noch mehr geworden. Für Hamburg bedeutet diese große Gruppe von Menschen, die aus aller Welt in unsere Metropole geströmt sind, einen großen Gewinn. Diese Menschen sind so vielfältig in ihren kulturellen Hintergründen, in ihren Sprachkenntnissen und ihren persönlichen Geschichten, dass wir eines festhalten sollten: Den typischen Migranten gibt es nicht.

(Beifall bei der FDP)

Genau deshalb brauchen wir eine differenzierte Betrachtung der Situation und der Chancen, die sich aus dieser Vielfalt ergeben, aber auch eine nüchterne Analyse der vorhandenen Probleme. Dabei sollte man eines betonen. Wenn über Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wird, geht es allzu oft um Defizite, aber Hamburg strotzt doch voller positiver Beispiele. Ich denke etwa an die Boxweltmeisterin Susi Kentikian, die zahlreichen Preisträger des Bürgerpreises für herausragendes Engagement in der Integrationsarbeit oder an die HipHop Academy des Kulturpalastes Billstedt.

Meine Damen und Herren! Einer der wichtigsten Schlüssel für eine erfolgreiche Integration und Teilhabe an der Gesellschaft ist der Erwerb von Sprachkenntnissen und guter Bildung. Das ist eines der Ergebnisse der vorgestern vorgestellten Studie des Sachverständigenrats der Deutschen Stiftung für Migration und Integration. Der Senat hat in seiner Beantwortung einige Maßnahmen aufgezählt, die in den vergangenen Jahren im Bereich der Bildung auf den Weg gebracht wurden und die zum Teil wirklich erfolgreich sind, zum Beispiel die Einführung der verbindlichen Bildungsrichtlinie in den Kitas. Eine gelingende Integration durch Bildungsmaßnahmen wird aber insbesondere dann verstärkt, wenn die Kinder und Jugendlichen zusätzlich zur Schule in ihrem Sozialraum angesprochen und unterstützt werden. Hier kann der offenen Kinder- und Jugendarbeit eine wichtige Rolle zukommen.

(Beifall bei der FDP)

Der Senat weist an dieser Stelle auf die offene Kinder- und Jugendarbeit hin, verschweigt aber seine Kürzungsabsichten. Diese Kürzungen werden verheerende Auswirkungen haben, wenn sie vorgenommen werden, bevor nicht klar ist, wie sich der

Paradigmenwechsel der Kinder- und Jugendarbeit durch die Verortung an den Ganztagsschulen gestalten wird. Der Senat hat hier noch kein Konzept.

(Beifall bei der FDP)

Gerade diejenigen, die von der offenen Kinderund Jugendarbeit profitiert haben – und das sind zum Großteil Kinder mit Migrationshintergrund –, werden von diesem vorzeitigen Kahlschlag negativ betroffen sein. Das ist keine politisch gute Tat für Integration, es bedeutet einen Schritt zurück in graue Vorzeiten der Integration von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern.

(Beifall bei der FDP)

Was das Thema Zuwanderung, Fachkräftemangel und Anerkennung von Abschlüssen betrifft, verweise ich auf die Erfolgsbilanz der schwarz-gelben Koalition im Bund, die sich positiv auf die Vielfalt und die Situation der Zuwanderer in den Bundesländern auswirkt. Ich nenne nur einige Maßnahmen. Die Mittel für die Integrationskurse des Bundes wurden auf 224 Millionen Euro erhöht, das Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche wurde eingeführt und vor allem hat Schwarz-Gelb das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Jahrelang wurde darüber diskutiert, dass Zuwanderer das Recht haben müssen, zügig Gewissheit zu erhalten, was ihre Abschlüsse in Deutschland wert sind. Die schwarz-gelbe Regierung hat ihnen das Recht gegeben.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Friederike Föcking CDU)

Ein Thema wurde in der Großen Anfrage nicht abgefragt, dabei gewinnt es zunehmend an Gewicht. Das "Hamburger Abendblatt" widmete dem Thema "kultursensible Pflege" in der letzten Freitagsausgabe einen großen Artikel. Wir haben dazu vor einigen Tagen eine Schriftliche Kleine Anfrage eingebracht.