Protocol of the Session on May 9, 2012

Was war noch einmal Gegenstand von dem, was wir hier tun? Politische Steuerung durch Vorgaben, durch Zielsetzung, durch Unterfütterung von Maßnahmen und durch die Durchsetzung dieser geplanten Maßnahmen ist Gegenstand von Politik. Und was wir erleben, ist ein Abschied von politischem Handeln im Bereich der Radverkehrsförderung.

(Beifall bei der GAL)

Zweiter Aspekt: Kern der Radverkehrsförderung waren in den letzten Jahren die Einführung und Durchsetzung eines Velorouten-Netzes, übergeordnete Verbindungen, die ein zügiges Vorankommen ermöglichen. Von den Maßnahmen, die für den Radverkehr im Velorouten-Netz vorgesehen waren, sind fünf Maßnahmen umgesetzt worden. Acht Maßnahmen, die nach dem Fortschrittsbericht der Radverkehrsstrategie – nicht einmal anderthalb Jahre alt – als realisierbar galten, wurden nicht umgesetzt. Sie sind verschoben worden, das heißt, überwiegend ist hier Fehlanzeige. Maßnahmen, die hätten realisiert werden können, sind nicht umgesetzt worden.

Das gleiche Bild ergibt sich bei den Maßnahmen im Hauptverkehrsstraßennetz, wo sich der Radverkehr entlang der großen Verkehrsachsen bewegt. Fünf Maßnahmen wurden umgesetzt und vier Maßnahmen, die als realisierbar galten, wurden nicht umgesetzt. Das Geld ist da und konkrete Planungen sind da, aber es wird in der Verwaltung einfach nicht durchgesetzt, dass diese Maßnahmen tatsächlich auch kommen.

Ganz offen ist die Frage, wie der Senat eigentlich weiterplant. Neben diesen Maßnahmen, die schon in der letzten Wahlperiode auf die Schiene gesetzt wurden, müssten jetzt weitere Maßnahmen geplant werden, damit es weitergehen kann – auch da Fehlanzeige.

Dritter Bereich: Thema Schutz- und Radfahrstreifen. Da haben viele immer gesagt, es wäre doch eine gute Maßnahme, den Radverkehr zu fördern, indem man im Falle von Straßensanierungen prüft, ob nicht bei der Gelegenheit ein Radfahrstreifen aufgebracht werden kann, und das dann ohne zusätzliche Mittel auch tatsächlich umsetzt.

(Karin Timmermann SPD: Sie hätten es ja umsetzen können!)

Ich zitiere Senator Horch, der am 4. Mai 2011 im Plenum gesagt hat – Zitat –:

"Wir müssen uns aber überlegen, ob es tatsächlich an dieser Stelle immer zielführend ist, die bestehenden Radwege zu sanieren. […] Kosten, Planung und Abstimmung erfordern einen enormen Aufwand. Dort, wo es nicht anders zu machen sein wird, werden wir das natürlich auch tun. Wo immer sie geeignet sind, sollen aber Fahrradstreifen zum Einsatz kommen. […] Sie erfordern oft nur kleine Umbauten und kommen sonst mit Markierungen aus. Die Beispiele Hochallee, Grindelallee und Hofweg zeigen die guten Erfahrungen, die es damit gibt."

Was stellen wir fest? Es gibt eine lange Liste, die einvernehmlich zwischen der seinerzeit zuständigen BSU und den sieben Bezirksämtern geprüft

war. Man war sich einig, dass an diesen Straßen Fahrradstreifen oder Schutzstreifen eingerichtet werden sollen, wenn die Straße das nächste Mal angefasst wird. Diese lange Liste ist unmittelbar nach der Wahl einkassiert worden, und es tut sich im Bereich Fahrradstreifen gar nichts mehr, obwohl sich die angenehme Gelegenheit bieten würde, das in Kombination mit einem anderen Schwerpunkt der SPD-Politik, nämlich dem Thema Straßensanierungen, wunderbar voranzubringen, ohne in großem Maße zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen. Es gibt dieses wunderbare Gutachten, das den Bezirken die Arbeit wesentlich erleichtert. Trotzdem tut sich nichts, und es ist sehr bedauerlich, dass wir an dieser Stelle nicht vorankommen, obwohl die Maßnahme – da habe ich Herrn Horch zitiert – von allen als einfache und gut umsetzbare Maßnahme angesehen wird.

(Beifall bei der GAL)

Zum Schluss …

(Finn-Ole Ritter FDP: Sie haben noch 20 Mi- nuten!)

Sie kennen doch den alten Trick: Man hört früher auf zu reden und gewinnt die Abstimmung.

Das Thema Förderung des Radverkehrs ist eben kein Nischenthema. Wenn es uns gelingen würde, in wenigen Jahren – was überhaupt nicht unrealistisch ist, wenn man sich andere große Städte ansieht – den Radverkehrsanteil von jetzt rund 10 Prozent auf 20 Prozent zu steigern, dann könnte das mit hoher Wahrscheinlichkeit viele unserer Stauprobleme in Hamburg beseitigen, denn Stauprobleme entstehen meistens durch die Verkehrsspitzen. Das heißt, wenn wir es schaffen würden, eine kleine Spitze zu verlagern und diesen Bereich zu verändern, hätten wir viele Probleme gelöst. Und das ginge eben gleichzeitig ausgesprochen günstig. Der Gesamtverkehrsetat weist Investitionen in Höhe von 205 Millionen Euro auf und davon sind 4,7 Millionen Euro für die Förderung des Radverkehrs vorgesehen, das sind 2,3 Prozent. Eine minimale Verlagerung in diesem Bereich, wo man sicherlich auch Möglichkeiten finden würde, diese Schwerpunkte zu finanzieren, würde uns also große Möglichkeiten eröffnen und Probleme lösen, für die wir anderenfalls sehr viel Geld in die Hand nehmen müssten.

Deswegen ist die Frage, warum das nicht geht. Die Voraussetzungen sind da, große Worte sind gefallen, warum wird nicht gehandelt?

(Beifall bei der GAL)

Herr Pochnicht, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielen Dank,

Herr Dr. Steffen, das war ein beeindruckender Auftritt zu später Stunde und für uns alle wirklich sehr unterhaltsam. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass die SPD-Fraktion weiter zum Radverkehr und zur Radverkehrsstrategie in Hamburg steht und weiter an der Umsetzung arbeiten wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen auch weiterhin ohne Wenn und Aber hinter dem Ziel, eine Erhöhung des Radverkehrsanteils auf 18 Prozent im Modal Split zu erreichen. Nur – Sie haben es selbst schon angedeutet – kann man niemandem in dieser Stadt vorschreiben, wie er sich im Straßenverkehr zu bewegen hat. Man kann nur Anreize schaffen, dass mehr Fahrrad gefahren wird, und da sind wir in dieser Stadt ganz fleißig dabei, diese 18 Prozent auch zu erreichen, und wenn nicht bis 2015, dann vielleicht bis 2016 oder 2017, aber mit Sicherheit nicht bis 2020. Das schaffen wir früher.

(Beifall bei der SPD)

Die Grünen versuchen, ohne müde zu werden – Sie vorneweg –, uns die Vernachlässigung des Radverkehrs vorzuwerfen. Aber dieser Vorwurf wird durch ständiges Wiederholen nicht richtiger.

(Beifall bei der SPD)

Sie werfen dem Senat Verschleppung vor und haben doch aufgrund Ihrer eigenen Anfrage detailliert Kenntnis über den Umsetzungsstand jeder Maßnahme mit allen nachvollziehbaren Gründen, warum die Realisierung im Einzelfall noch nicht so weit ist, wie wir uns das vielleicht alle wünschen würden. Von den 22 Maßnahmen, die Sie seinerzeit in Ihrer Pressemitteilung vom 2. März aufgelistet haben, behaupten Sie, 21 seien finanziert und durchgeplant. Aber das ist nicht richtig. Vielmehr haben sich bei den Detailplanungen viele einzelne Fragestellungen ergeben, die zunächst weiter ausgearbeitet werden mussten, sodass von einer Detailplanung noch überhaupt nicht die Rede sein konnte.

Im Fortschrittsbericht dazu, das kann man vielleicht auch noch einmal erwähnen, steht – ich zitiere –:

"Infrastrukturprojekte für den Radverkehr sind ebenso aufwändig zu planen wie Projekte für den motorisierten Verkehr. Sie erfordern eine sorgfältige Vorbereitung, bei der die Randbedingungen zu klären und konkurrierende Belange [gegeneinander] abzuwägen sind. Der hohe Aufwand für diesen Planungsprozess wird häufig unterschätzt."

Diese letzte Aussage gilt offensichtlich an dieser Stelle auch für Sie.

(Beifall bei der SPD)

(Dr. Till Steffen)

Da geht es beispielsweise darum, bei einer Vattenfall-Fernwärmetrasse die Baumaßnahmen mit dem Radverkehr abzustimmen. Oder es geht darum, bei Planungen den höheren Schwerlastverkehr zu berücksichtigen, der am Anfang offensichtlich in den Planungen noch nicht ausreichend berücksichtigt worden war. Oder es geht beispielsweise um die Koordinierung in Zusammenhang mit unserem Busbeschleunigungsprogramm, das in Ihrer Regierungszeit in der Form noch nicht vorgesehen war,

(Dr. Till Steffen GAL: Aus gutem Grund!)

sodass auch hier die Planungen entsprechend angepasst werden mussten.

Meine Damen und Herren! Schnellschüsse helfen uns hier nicht weiter, vielmehr ist Gründlichkeit bei der Umsetzung gefragt, insbesondere auch vor dem Hintergrund unserer knappen Finanzlage. Im Übrigen sei noch hinzugefügt, dass die handelnden Personen in der Fachbehörde ganz bestimmt unverdächtig sind, hier böswillig etwas zu verschleppen, sondern ganz im Gegenteil sind sie engagiert dabei, jede einzelne Maßnahme durchzuplanen.

(Dr. Till Steffen GAL: Die werden alleinge- lassen! – Jens Kerstan GAL: Die werden im Stich gelassen!)

Wir unterstützen sie an der Stelle bei jeder einzelnen Umsetzung und jeder einzelnen Maßnahme. Wir suchen nach Lösungen, die auf breite Akzeptanz stoßen, und würden uns freuen, wenn Sie uns dabei unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hesse, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

"Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung."

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Richtig, Frau Sudmann, das haben Sie gelesen, denn das hat Kaiser Wilhelm II gesagt. Es ist ein Zitat, das sich auf einem Aufruf findet, eine Ausstellung im Museum der Arbeit zu besuchen, und zwar vom 1. Juni bis zum 23. September mit dem Thema "Die Stadt und das Auto".

(Dr. Till Steffen GAL: Das musst du mal ein bisschen genauer erzählen, Klaus-Peter!)

Warum beginne ich meine Rede mit diesem Zitat? Die Einladung zu dieser Ausstellung führt noch weiter aus:

"[Ab dem 1. Juni 2012] wirft das Museum der Arbeit in seiner neuen Ausstellung 'Die

Stadt und das Auto' einen Blick auf 60 Jahre Hamburger Stadtgeschichte als Mobilitätsgeschichte. Im Rahmen des 7. Hamburger Architektursommers widmet sich die Schau der Durchsetzung des Automobils als dominierendes Fortbewegungsmittel in der Stadt."

Lieber Kollege Steffen, das ist genau das Problem, das wir heute zum Thema Radverkehr diskutieren. Die SPD hat 44 Jahre lang nichts anderes gemacht, als den Autoverkehr in unserer Stadt zu fördern, aber der Radverkehr wurde gänzlich vergessen.

(Beifall bei der GAL – Zurufe von der SPD)

Die Straßenbahn wurde abgeschafft. Ein Autobahnring, wie wir ihn gebraucht hätten, um Verkehr aus der Stadt herauszuhalten, wurde nicht gebaut. Die SPD hat in 44 Jahren ausschließlich den Blick auf das Auto gerichtet und deswegen hat das Museum für Arbeit diese Ausstellung organisiert.