Protocol of the Session on May 9, 2012

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu Punkt 6 unserer Tagesordnung. Das ist die Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres und Sport.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres und Sport – Drs 20/3961 –]

Für diese Wahlhandlung liegt Ihnen der Stimmzettel vor. Er enthält Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Ich bitte, den Stimmzettel jeweils nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei

(Präsidentin Carola Veit)

erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie jetzt Ihre Wahlentscheidung vor.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Ich bitte die Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln. Dann schließe ich jetzt die Wahlhandlung. Das Wahlergebnis wird nun ermittelt und Ihnen im Laufe der Sitzung bekanntgegeben.

Wir kommen zu Punkt 16, Senatsantrag: Beteiligung der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme.

[Senatsantrag: Beteiligung der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme – Drs 20/2949 (20/3746) –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/4127 ein Geschäftsordnungsantrag der CDU-Fraktion auf Vertagung der Drucksache 20/2949 gemäß Paragraf 16 Absatz 6 Satz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft vor.

[Antrag der CDU-Fraktion: Vertagung der Vorlage zu TOP 16 – Drs 20/4127 –]

Grundsätzlich sind Vertagungen nach Paragraf 26 Absatz 1 Nummer 2 unserer Geschäftsordnung nur von einer eintägigen Sitzung auf die nächste möglich. Eine Vertagung des Tagesordnungspunkts von dieser Doppelsitzung auf die nächste Plenarsitzung wäre daher als Abweichung von der Geschäftsordnung nur einvernehmlich möglich.

Ich lasse zunächst über diesen Vertagungsantrag abstimmen.

Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Ich stelle hiermit fest, dass es kein Einvernehmen für die Vertagung gibt.

Dann wird die für heute vorgesehene zweite Lesung über die Drucksache 20/2949 im Anschluss an die nun folgende Debatte erfolgen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Heintze, Sie haben es.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war bisher sicher ein spannender Sitzungstag, aber was sich jetzt nur

nach einer Formsache anhört, eine zweite Lesung, wird aus zweierlei Gründen noch einmal spannend. Das Thema Netze hat inzwischen zwei Komponenten. Als wir das letzte Mal darüber debattiert haben, ging es darum, ob wir für eine Teilverstaatlichung sind und wenn ja, in welcher Größenordnung, wer ist dafür, warum und weshalb. Inzwischen – da kann ich nur von Glück sagen, dass wir die sofortige zweite Lesung abgelehnt haben – hat die Netzdebatte eine zweite Dimension bekommen.

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

Es geht jetzt nicht mehr nur um die Frage, ob 25,1 Prozent oder 100 Prozent Beteiligung oder, wie unsere Position, gar kein Kauf der richtige Weg sind, sondern die Netzdebatte hat eine Dimension erreicht, wo ganz andere Fragen gestellt werden müssen. Hat der der Senat das Parlament getäuscht? Welche Fragen liegen dem Parlament nach wie vor nicht beantwortet vor, und was wird zurückgehalten, was uns erst nach Beschlussfassung bekannt werden wird? Die wesentliche Frage aber geht an die SPD-Fraktion. Inwieweit machen Sie als Mehrheitsfraktion die Täuschung dieses Parlaments mit und öffnen einem unakzeptablen Vorgehen des Senats Tür und Tor?

(Beifall bei der CDU, der GAL und der FDP)

Es wird noch skurriler. Je länger die Debatte dauert, desto weniger wird klar, wieso der Senat sich so entschieden hat. Heute hat sich der Handelskammerpräsident Herr Melsheimer mit einer Pressemitteilung gemeldet. In der üblichen ausgewogenen Form der Kammer – die muss mit dem Senat noch zusammenarbeiten – steht ein Satz, der die inhaltliche Diskussion zum Thema besser fasst als alles andere. Herr Melsheimer hat geschrieben, dass Eigentumsrechte, wie sie heute dem Parlament vorgeschlagen werden, keinen nennenswerten Mehrwert für das Klima, den Wettbewerb, die Verbraucher und den Haushalt dieser Stadt mit sich bringen. Nun stellt sich für mich die Frage, warum ein Senat trotzdem so etwas auf diese Art und Weise durch das Parlament bringen möchte.

(Beifall bei der CDU, der GAL und der FDP)

Wenn man die inhaltliche Debatte der vergangenen Wochen zusammenfasst, kommt man im Grunde zu einem Schluss. Hier wurde dank der Auftritte einer Umweltsenatorin – die dabei eher einer Statistin glich, denn sie wiederholte immer wieder das Gleiche, egal, was vorher gesagt und widerlegt wurde – eine Art Energiewende mit 25,1 Prozent Beteiligung zelebriert, was das Thema und das Vorgehen des Senats ideologisch völlig überhöht. Tatsächlich gibt es eine finanzielle Überteuerung – 543 Millionen Euro neue Schulden, 16 Millionen Euro zusätzliche Zinsen – und jeder sagt, dass das, was an Garantiedividende zu

(Präsidentin Carola Veit)

Wahlergebnis, siehe Seite 2395

rückfließt, überhaupt keine Tilgung zulässt. Es sind also Schulden, die auch strukturell bestehen bleiben werden. Dazu kommt ein parlamentarisch bedenkliches Verfahren. Dieses bedenkliche Verfahren trägt eine Parlamentsfraktion, die auch noch Mehrheitsfraktion ist, mit.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist nicht bedenk- lich, das Verfahren!)

Liebe SPD, ich kann verstehen, dass Sie bei allen inhaltlichen Argumenten auf Durchzug stellen und das Thema vom Tisch haben wollen. Ich kann aber nicht verstehen, wieso Sie dieser parlamentarischen Begleitmusik, die der Senat aufführt, Vorschub leisten. Das kann nicht im Sinne eines Parlaments sein und es kann nicht im Sinne einer SPD-Fraktion sein.

(Beifall bei der CDU, der GAL und der FDP)

Das Schauspiel hat einen neuen Höhepunkt bekommen. Frau Veit, unsere Parlamentspräsidentin, hat dieser Tage den Senat aufgefordert, endlich die Fragen, die das Parlament zu diesem Deal hat, zu beantworten. Seit der letzten ersten Lesung gibt es nämlich nicht nur in der inhaltlichen Bewertung Neuigkeiten – alle sind sich darüber einig, dass der Deal Unsinn ist –, sondern es kommt Tag für Tag ein neues Stück dieser parlamentarischen Begleitmusik ans Licht. Hier ist sehr klar, dass auch die SPD-Fraktion überhaupt nicht im Bilde ist über das, was sie heute beschließt,

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch Blöd- sinn!)

weil sie keine Ahnung hat, wie der Deal zustande gekommen ist.

(Beifall bei der CDU, der GAL und der FDP)

Ich stelle Ihnen gern drei Fragen und bin gespannt, ob Sie mir diese als SPD-Fraktion, die Sie das heute durchpeitschen, beantworten können. Es gibt viele offene Fragen und nicht alle werden beantwortet, das hat die Präsidentin zu Recht gerügt.

Ich würde gern von der SPD-Fraktion wissen, was denn mit der Bürgermeister-Anordnung ist. Gab es eine Anordnung oder einen Befehl – würde Herr Kerstan jetzt sagen – oder das von Herrn Dressel hoch gelobte Abwägen nach allen Seiten, das Ringen um die beste Lösung?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja!)

Wir haben in der Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage erfahren, dass man sich, bevor diese Lenkungsgruppe überhaupt tagte, in einer vorbereitenden Lenkungsgruppe – also eine Lenkungsgruppe für die Lenkungsgruppe – sechsmal getroffen hat. Zweimal geschah dies in Anwesenheit des Bürgermeisters und niemand weiß, was da passiert ist. Ich bin sicher, dass die SPD-Fraktion es auch nicht weiß. Unsere Vermutung ist, dass es eine Vorfestlegung und eine Planung dahingehend

gab, dass es nur so werden soll und nicht anders. Das lief unter dem Motto: Liebe Lenkungsgruppe arbeitet einmal los. Das kann es doch wohl nicht sein.

(Beifall bei der CDU, der GAL und der FDP)

Es würde mich auch interessieren, wie die SPD mit einem zweiten Punkt umgeht, nämlich den massiven Bedenken der eigenen Lenkungsgruppe. Nachdem man der Lenkungsgruppe gesagt hatte, wie sie zu verfahren hätte, gab es aus dieser massive Bedenken. Diese massiven Bedenken wischt der Bürgermeister vom Tisch. Erst wird dies in einem anonymen Schreiben dargestellt, inzwischen gibt es weitere anonyme Schreiben, die in der Stadt kursieren und in denen genau diese Lenkungsgruppe sagt, was gegen die vorgeschlagene Deal-Struktur spricht. Jetzt frage ich die SPD, wie Sie damit umgehen, dass der Bürgermeister alle Bedenken, die die eigenen Experten und die Finanzbehörde haben, nonchalant vom Tisch fegt, weil er sagt, er hätte sich Mitte letzten Jahres festgelegt. Das Parlament und die Lenkungsgruppe könnten machen, was sie wollten, es zähle nur sein Wille in dieser Stadt und sonst gar nichts.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Drittens frage ich die SPD-Fraktion, ob Sie mir erklären können, wie die Fragen um die Preisfindung zu beantworten sind? Es steht sehr viel in der Drucksache. Hier wurde gesagt, man hätte tolle Gutachter. Jetzt kommen Fragen zur Rolle der BDO, warum ein Vorgängersenat und die Experten gesagt haben, sie hielten es für eine schlechte Idee, das bewerten zu lassen. Jetzt wird diskutiert, wieso der Bürgermeister frühzeitig auf Gewinne für die Stadt verzichtet, dann aber in den Vertrag schreiben lässt, wenn es irgendwann mit der Garantiedividende nichts werde, dann würde man die 25,1-Prozent-Anteile zurückgeben. Haben Sie zu diesem dritten gravierenden Punkt wenigstens die Antworten, die Sie brauchen? Ich behaupte, Sie haben sie nicht, sondern Sie tun nur so. Deswegen soll dieser Deal im Parforce-Ritt durch das Parlament getrieben werden, aber das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich habe drei Punkte genannt: Bürgermeisterentscheid; zu welchem Zeitpunkt, keine offene Diskussion oder Abwägung, so sehr Herr Dressel uns das auch suggeriert hat.

Es werden massive Bedenken aus den eigenen Häusern ignoriert, in diesem Fall der Finanzbehörde und der Wirtschaftsbehörde. Dabei sitzen sie in der Lenkungsgruppe.

Die Preisfindung ist mit einem sehr großen Fragezeichen zu versehen. Dies sind nur drei Punkte von mindestens zehn, die wir heute noch hören werden. Und ich bin gespannt, ob wir nicht auch

etwas darüber hören werden, wie Ihr Erkenntnisstand zu den Nebenabsprachen ist. Ist die SPD-Fraktion im Bilde, wie es mit den Beschäftigungsgarantien war? Ist die SPD-Fraktion im Bilde, wie es mit dem Standort für Ihr neues, tolles Innovationskraftwerk ist und wo der Standort sein könnte? Ist die SPD-Fraktion im Bilde, welche weiteren Absprachen es gibt, die hier eine Rolle spielen und die für Ihre Zustimmung heute wichtig sein müssten? Hiervon haben Sie jedoch keinen blassen Schimmer, denn Sie müssen sich nur sagen lassen, was zu passieren hat. Das kann kein Parlamentarismus sein, wie wir ihn als Abgeordnete verstehen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Aber Herr Dressel wird heute wieder die Transparenzshow vorstellen mit Senatoren, die inzwischen ein bisschen an Statisterie erinnern. Die SPD hat zudem am 18. April beschlossen – ich weiß nicht, ob das ein Vorgriff auf das war, was danach kam, oder ob es zur Transparenzshow gehörte –, dass man ein bisschen mehr öffentliche Beteiligung am Gesamtverfahren möchte. Ich finde es super, wenn man das als Parlament zu so einem Vertrag beschließt und als Regierungsfraktion nicht mehr dazu zu sagen hat. Ich glaube, es war Herr Struck, der immer sagte, dass Regieren und eine Regierungsfraktion bedeuten, dass kein Antrag und kein Gesetz, das die Regierung einbringe, so, wie die Regierung es eingebracht hätte, das Parlament auch wieder verlässt.