Protocol of the Session on April 18, 2012

Dann kommen Sie mit dem weiteren Argument, Sie hätten in diesem Vertragswerk alle Investitio

nen festgemeißelt und ohne Sie würde es diese nicht geben. Nun sind aber ernstzunehmende Stimmen zu hören, dass die beiden Energiekonzerne diese Investitionen sowieso getätigt hätten, vielleicht sogar noch mehr als diese, und es ist uns von den Experten gesagt worden, dass viele der Investitionen gesetzlich vorgeschrieben sind. Also ist auch das kein Pluspunkt für Ihr Vertragswerk.

Die Fraktion DIE LINKE hat in der letzten Bürgerschaftssitzung zusammen mit der FDP und mit Unterstützung der CDU und der GAL ein Prüfungsersuchen an den Landesrechnungshof hinsichtlich des umstrittenen Vertragswerks erfolgreich durch die Bürgerschaft gebracht. Grundlage war eine Anhörung, in der drei von fünf Experten der Bürgerschaft empfohlen haben, diesen Verträgen auf keinen Fall zuzustimmen. Herr Dressel, dass wir einen gemeinsamen Fahrplan verabschiedet haben bedeutet aber nicht, alle neuen Aspekte zu negieren und außer Acht zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Opposition wird sich ihren Spielraum durch solche Verabredungen nicht einschränken lassen. Drei Experten haben klar und deutlich gesagt, dass wir dem Vertragswerk nicht zustimmen sollten, und das war für uns alle sehr überraschend. Deswegen unterstützen wir den FDP-Antrag, dazu sage ich gleich noch etwas.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Von den Experten wurde die Aussage des Senats skeptisch gesehen, dass im Fall eines erfolgreichen Volksentscheids die Rückabwicklung lediglich durch eine Rückzahlung des Kaufpreises erledigt werden könnte. Herr Dr. Dressel, Sie haben eben gesagt, dass Sie dieses Rücktrittsrecht ganz freiwillig eingebracht haben, um die politische Kultur zu verbessern. Wenn Sie aber im gleichen Atemzug darauf hinweisen, dass Sie dieses Vertragswerk abgeschlossen haben, um jahrelangen Prozessen zu entgehen, dann frage ich mich natürlich, was dieses Rücktrittsrecht wert ist, denn wahrscheinlich wird genau das auf uns zukommen.

Ich werde schon gemahnt und mache es kurz. Wir werden dem FDP-Antrag zustimmen, unter anderem deshalb, weil es keine Transparenz gab. Wenige Gründe sprachen für Geheimhaltung und wir hätten mindestens erwartet, dass das Vertragswerk der Initiative zur Verfügung gestellt worden wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Eigentlich finden wir sogar, dass alle Bürgerinnen und Bürger dieses sehen müssten. Vielleicht haben wir das Glück, dass die Transparenzinitiative in Zukunft solch eine Geheimhaltung verhindern wird.

Der SPD-Antrag ist entweder als Kosmetik oder Beruhigungspille zu verstehen. Wenn Sie jetzt von

einem Dialog mit der Stadt sprechen, dann ist das blanker Zynismus.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Senatorin Blankau, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als im März letzten Jahres die Bilder des explodierenden Kraftwerks in Fukushima um die Welt gingen, wurde uns allen bewusst, was das bedeutet. Es war das Ende des Atomzeitalters in Deutschland. Auf Trauer und Schock folgte die politische Reaktion, die der Bürger und Bürgerinnen, die wie in Hamburg in großen Zahlen auf die Straße gingen, und die der Bundesregierung, die Hals über Kopf den Ausstieg aus dem Ausstieg verkündete und sich der Energiewende verschrieb. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Energieversorgung und die Energiesicherheit innerhalb von rund zehn Jahren grundlegend umzustellen. Die Ethikkommission der Bundesregierung hat dazu geschrieben:

"Der Ausstieg wird umso besser gelingen, wenn er zu einem Aufbruch und Aufstieg wird."

Auch wir in Hamburg sind gefragt, dieses Gemeinschaftswerk, die Energiewende, voranzutreiben.

(Beifall bei der SPD)

Dabei gilt es, Wirtschafts- und Standortpolitik mit Klimaschutz und Energiepolitik zusammen zu denken und in Zeiten knapper Kassen Verantwortung für den Haushalt zu übernehmen. Wir haben im Verlauf des letzten Jahres sehr viel erreicht, denn Hamburg hat einen vorbildlichen Kurs eingeschlagen. Die Verträge sind der richtige Weg, denn sie sind gut durchgerechnet, garantieren umfangreiche Investitionen und Innovationen in der Stadt und bringen die Energiewende, die wir in Deutschland brauchen, schnell und substanziell voran.

(Beifall bei der SPD)

Die Verträge sind kaufmännisch solide, sicher und für die Stadt rentabel, sie verschaffen realen Einfluss und bergen ein geringes Risiko. Die Zahlen, mit denen die Initiative und viele der Damen und Herren aus der Opposition operieren, basieren auf irrigen Vorstellungen.

(Beifall bei der SPD)

Wer glaubt, die Stadt könne nicht nur einen Kaufpreis von mehr als 2 Milliarden Euro, sondern auch die notwendigen Investitionen locker schultern, der spielt auf Risiko, und das können wir nicht verantworten.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig gilt, dass wir die Energiewende nur mit allen Akteuren schultern können. Wir brauchen dazu sowohl HAMBURG ENERGIE und Unternehmen wie LichtBlick als auch große Energieversorger wie Vattenfall und E.ON Hanse, denn eine Energiewende, die gegen die großen Erzeuger in der Stadt angegangen wird, führt nicht zu Veränderungen, sondern zu Stillstand und Streit.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um energiepolitischen Einfluss, und diesen haben wir uns mit einem Anteil von 25,1 Prozent gesichert. Die Unternehmen haben Hamburg materiell deutlich mehr als die typischen Minderheitengesellschafterrechte eingeräumt. Die Stadt hat eine starke Gesellschafterstellung – die Aufsichtsräte sind paritätisch besetzt – und entscheidet über die Investitionsplanung der Gesellschaften mit. Das Risiko ist gering. Wir erhalten auf unseren Anteil eine Garantiedividende, ganz gleich, ob Netzund Muttergesellschaften Gewinn machen oder nicht.

Meine Damen und Herren! Wir nehmen 543,5 Millionen Euro in die Hand und nicht weit über 2 Milliarden. Wir spielen nicht mit Hoffnungen und Risiko, sondern haben das ganz nach solider Hamburger Kaufmannsart durchgerechnet.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig lohnt sich die Vereinbarung für die Stadt nicht nur finanziell. Mit diesen Verträgen garantieren die Energieversorger Investitionen von 1,6 Milliarden Euro in der Stadt und wir sichern Beschäftigung. Die Investitionen sind eine Zukunftsperspektive für Arbeitsplätze, und zwar mit hohen Sozialstandards und guter Mitbestimmung. Man soll nicht vergessen, dass es in der Metropolregion um mehrere Tausend Arbeitsplätze und damit um mehrere Tausend Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und ihre Familien geht.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig bringen wir die Energiewende schnell und substanziell voran. In der öffentlichen Diskussion in Hamburg gibt es die Volksinitiative, das haben wir eben schon mehrfach gehört, die eine 100-prozentige Rekommunalisierung der, ich betone das jetzt noch einmal, Energieverteilnetze fordert. Letztlich handelt es sich dabei, profan ausgedrückt, um Kabel und Rohrleitungen, die Strom, Gas und Wärme transportieren. Hier stellt sich die berechtigte Frage, wie damit Energiepolitik gemacht werden kann. Bislang fehlt eine plausible Antwort. Mit einem Verteilnetz hat man noch keine Kunden, geschweige denn einen Einfluss auf die Art der Energieerzeugung und den gewählten Energiemix getroffen.

Zudem stünden wir vor großen rechtlichen Risiken, wenn wir die geforderte 100-prozentige Rekommunalisierung vorantreiben wollten. Ich will Ihnen

(Dora Heyenn)

nicht die Details darstellen, aber in diesem Fall stünden uns langwierige Gerichtsverfahren mit völlig ungewissem Ausgang bevor. Und es wäre nicht garantiert, dass Hamburg ohne Erfahrung mit dem Betrieb solcher Netze aus einem transparenten und nichtdiskriminierenden Vergabeverfahren als Sieger hervorginge. Diese Risiken würden auf Jahre die Energiewende blockieren. Und sollte es doch gelingen, müsste die Stadt am Ende Milliarden Euro in Netze investieren, mit denen sie doch keinen Einfluss auf die Energiewende ausüben könnte.

Dagegen greift die Vereinbarung sofort. Wir gehen Klimaschutz und Energiewende direkt an. Denken Sie nur an die langen Diskussionsprozesse über das Kraftwerk Moorburg, an die großspurigen Ankündigungen, dieses Kraftwerk zu stoppen und die Fernwärmetrasse aus Moorburg zu verhindern. Das sind schöne Beispiele dafür, wie man als Tiger springen und als Bettvorleger landen kann.

(Beifall bei der SPD)

Anders mit unserer Vereinbarung: Mit ihr ist festgelegt, dass die Moorburgtrasse nicht gebaut und durch ein Innovationskraftwerk ersetzt wird. Für dieses Gas- und Dampfkraftwerk mit angeschlossenem Wärmespeicher, der mit Windkraft betrieben werden kann, wurden bereits sogenannte Scoping-Termine zur Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt.

Daneben gibt es zahlreiche weitere Maßnahmen in der Stadt. Hamburg wird zum wichtigsten Standort von Energiespeichern. Ich nenne hier nur beispielhaft den Wärmespeicher am Standort Tiefstack, aber auch Kraft-Wärme-Kopplung, Power-to-GasKonzepte, intelligente Stromzähler, Smart Grids, virtuelle Kraftwerke, den Ausbau der Nahwärmeversorgung und vieles mehr.

Bis September nächsten Jahres werden Sie sehen, was alles passiert. So startet E.ON Hanse Wärme GmbH morgen ein Pilotprojekt zur Einspeisung solarer Wärme in das Wärmenetz. Und so wird es jetzt von Monat zu Monat weitergehen. Wir reden nicht nur von der Energiewende, wir machen sie gemeinsam mit unseren Kooperations- und Vertragspartnern und unseren öffentlichen Unternehmen in Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig haben wir transparent gearbeitet. Wir haben Ihnen auch höchstsensible Unterlagen

(Dora Heyenn DIE LINKE: Nein, nein, das war nicht höchstsensibel! Das war keine Ge- heimhaltungsstufe!)

das haben Sie eben selbst erwähnt, Frau Heyenn – mit zahlreichen schutzbedürftigen Informationen zur Verfügung gestellt.

Zudem haben wir auch den Volksentscheid nicht präjudiziert. In den Verträgen ist für den Fall, dass die Initiative Erfolg hat, ein Rücktrittsrecht fest verankert. Ich finde es nur schade, dass sich die Initiative nicht einer schnellen Abstimmung stellt. Das wäre im Sinne einer schnellen Energiewende im Interesse aller gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir sind auf dem richtigen Kurs. Vor wenigen Wochen schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einem Artikel über die Schwierigkeiten der Energiewende:

"Wie es gehen könnte, zeigt Hamburg […]."

Wir gehen mit schnellen Schritten voran. Hamburg ist auf dem richtigen Weg, finanziell, für den Standort und vor allem in der Energiepolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat Frau Dr. Schaal das Wort.