Protocol of the Session on April 18, 2012

(Jens Kerstan GAL: Das ist auch dringend notwendig!)

Diese Punkte wollen wir als Regierungsfraktion mit besonderen Akzenten versehen. Dieses Recht haben Sie als Regierungsfraktion, die Sie vor nicht allzu langer Zeit auch einmal waren, durchaus selber in Anspruch genommen. Dabei haben wir noch einmal richtig nachgelegt. Ich glaube, es ist im Sinne der politischen Kultur dieses Hauses – Stichwort Dialog mit der Stadt und parlamentarische Beteiligung –, das Reporting-System für die Umsetzung dieser Verträge noch einmal zu erweitern. Wir möchten gerne, dass es einen Beirat gibt, in dem verschiedene gesellschaftliche Akteure an der Umsetzung der Energiewende beteiligt werden können. Ich glaube, das ist eine gute Sache und

ich möchte, dass das konstruktiv passiert und nicht als Ersatzwahlkampfbühne für den Volksentscheid.

Sie sagen, wir hätten überhaupt nichts aus der Anhörung aufgegriffen, aber einen Punkt fanden wir nachvollziehbar und auch gewichtig, nämlich die Frage, welche Kooperationen es geben kann zwischen den Netzgesellschaften untereinander und mit den anderen Ver- und Entsorgungsunternehmen dieser Stadt. Da gibt es sicherlich noch Synergiepotenziale, die wir ausloten können. Das haben wir als Prüfauftrag mit hineingenommen.

Alle anderen Punkte – deswegen habe ich die vielen Behauptungen auch so ausführlich aufgezählt – sind ausgeräumt und widerlegt. Wir haben ein ordentliches Paket zusammengestellt, das wir heute zur Abstimmung stellen. Wir reden nicht von der Energiewende, wir handeln, und deswegen bitte ich nachher um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Heintze.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Dressel, ich muss gestehen, dass ich selten ein so defensives Vorgehen und eine so defensive Begründung bei einem zentralen Politikfeld wie der Energiewende in dieser Stadt erlebt habe wie in Ihrer Rede eben.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Diese Defensive hat Gründe. Alle, die die Beratungen verfolgt haben

(Zuruf von Andy Grote SPD)

Sie gehörten bekanntermaßen nicht dazu, Herr Grote, Sie beschäftigen sich dieser Tage mit anderen Themen –, haben eine Dauerdefensive erleben dürfen. Es wurde ein Punkt vorgestellt, es kamen Experten, diese hatten eine Meinung, und der Senat ist in die Defensive gegangen. Die gesamten Beratungen für dieses Konzept der Energiewende, die Sie mit einem zentralen Zukauf Ihrer derzeitigen Shoppingtour voranbringen wollen, ist eine einzige Defensivveranstaltung der SPD und hat überhaupt nichts mit der innovativen Gestaltung einer Energiewende zu tun. Und jetzt die Bundesregierung als Hauptschuldigen dafür heranzuziehen, wo Sie agieren müssten

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben nichts verstanden!)

mit einer Begründung, die ich bisher noch nicht gehört hatte. Ich finde sie aber bemerkenswert.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Es war allerdings schon eine Art Feuerwerk anderer Natur, was Sie eben geliefert haben. Es war ein

Feuerwerk an Beruhigungspillen, und es waren nicht einmal Beruhigungspillen für die Opposition, die Sie verschossen haben, sondern für die eigenen Leute, denn die SPD-Fraktion ist in dieser zentralen Frage, diesem 540-Millionen-Euro-Investment in 25,1 Prozent der Netze, alles andere als einig. Da gibt es Bedenken, das haben die Beratungen gezeigt. Sie versuchen, im Parforce-Ritt ihre eigenen Leute zu überrennen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ein Punkt ist für mich besonders wichtig: Kein Jota zwischen Hamburg, Vattenfall und E.ON. Und zwei Minuten später sagen Sie, wenn ein böser Atomlobbyist von unseren neuen Partnern – Klammer auf: kein Jota zwischen Hamburg, Vattenfall und E.ON – als Geschäftsführer vorgeschlagen wird, dann sagen wir natürlich nein. Herr Dr. Dressel, was ist es denn nun? Ein Zusammenrücken um der energiepolitischen Ziele von SPD, Vattenfall und E.ON willen, was bedeutet, dass die Ziele die gleichen wären, oder wollen Sie nur 25,1 Prozent der Netze, um zu verhindern, dass Ihre energiepolitischen Ziele nicht durchkommen? Für eine Richtung müssten Sie sich entscheiden. Mir scheint, dass Sie das für sich zumindest in der Fraktion noch nicht geklärt haben, aber trotzdem heute abstimmen lassen wollen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sie sagten, man müsse in Alternativen denken. Das ist eine tolle Idee. Nur haben alle, die diese Ausschussberatungen verfolgt haben – und es waren viele Stunden –, gesehen, dass, egal was die Experten gesagt haben und egal, wie wenig auskunftsfähig und erklärungsfähig die zuständigen Senatoren waren, eines nicht getan wurde: in Alternativen zu denken. Sie hatten eine Blaupause, die irgendwie durch die Beratungen gebracht werden musste. Es konnten zwar viele Fragen gestellt werden,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist denn Ih- re Alternative?)

Sie hatten aber sicherlich nicht das Ziel, in Alternativen zu denken. Das haben Sie mit keinem Meter getan. Sie haben Ihren Entwurf 1:1 durchgebracht. Und wenn Sie dann von Alternativen reden, ist das eine Verkackeierung des Parlaments.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Heintze, würden Sie sich bitte an den parlamentarischen Sprachgebrauch halten?

– Selbstverständlich.

Was dabei herausgekommen ist, ist keine Alternative und kein Mittelweg, sondern Sie präsentieren hier einen verdammt schlechten Kompromiss für

(Dr. Andreas Dressel)

die Stadt, für die Hamburgerinnen und Hamburger und vor allen Dingen für die Energiewende. Das ist kein Mittelweg, sondern ein schlechter Kompromiss, den Sie uns zur Abstimmung vorlegen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich will das begründen. Wir haben drei Kritikpunkte: Es gibt kein schlüssiges Konzept, dieses Investment ist haushaltspolitisch der falsche Weg, und es treten weitere Risiken durch Ihr staatliches Unternehmertum auf.

Dass das Konzept nicht schlüssig ist, zeigt sich alleine daran, dass Sie mit einer Teilhabe von 25,1 Prozent – die von Ihnen gewählte Konstellation, die Sie uns als goldene Lösung vorgeschlagen haben – keine Steuerungskompetenz bekommen. Alle Experten waren sich in einem Punkt einig: Mit 25 Prozent steuern Sie in Bezug auf die Energiewende in Hamburg in Ihrer neuen Gesellschaft überhaupt nichts.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn Sie das weiterhin behaupten, sind zentrale Beratungsinhalte an Ihnen vorbeigerauscht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Es gibt im Vertrag keine Entsenderechte, es gibt keinen Zustimmungskatalog. Es gibt im Vertrag keine 1,6 Milliarden Euro festgeschriebene Investitionen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Welche Drucksa- che haben Sie denn gelesen?)

sondern maximal 500 Millionen Euro für das Innovationskraftwerk, aber auch das nur unter Wirtschaftlichkeitsvorbehalt. Wo steuern Sie denn da? Sie wirken mit, das mag sein, aber Steuerungsinstrumente sehen anders aus, Herr Dr. Dressel.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Gucken Sie noch mal in die Drucksache!)

Wir und auch Ihre Fraktion haben in diesen Beratungen eines gelernt: 25,1-Prozent-Verträge werden Sie in Zukunft vermutlich nicht mehr schließen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Aber diese ziemlich teure Absichtserklärung über 543 Millionen Euro, die wir heute beschließen, ist auch haushaltspolitisch falsch. Sie geben innerhalb weniger Wochen 543 Millionen Euro aus, und was bekommen Sie dafür? Neue Schulden und Anteile an Rohren und Leitungen, die kreditfinanziert sind und Ihnen damit noch nicht einmal gehören. Was zahlen Sie dafür? Zinsen. Im Moment haben Sie das Glück, dass die von Ihnen ausgehandelte Garantiedividende in Höhe von 8 Millionen Euro über den Zinsen liegt, die Sie aktuell am Markt zahlen müssen – das ist auch die einzige Leistung in dieser Kaufpreisverhandlung –,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Immerhin!)

aber was passiert eigentlich, wenn die Zinsen steigen? Was passiert, wenn die Gesellschaft defizitär ist und Sie für die Stadt auf der Auszahlung der Garantiedividende bestehen? Ich sage Ihnen, liebe SPD-Fraktion, was passiert: Sie werden in die Wahlkreise gehen und Ihren Wählerinnen und Wählern die Energiepreise erklären müssen. Sie werden erklären müssen, wieso die Stadt eine Garantiedividende erhält, aber das städtische Unternehmen notleidend ist. Sie werden erklären müssen – und das ist das Problem dieses Weges –, dass Sie sich in eine gewinnorientierte Unternehmung begeben haben. Immer, wenn der Staat sich in eine gewinnorientierte Unternehmung begibt, sollte er die Landeshaushaltsordnung lesen. In der Landeshaushaltsordnung steht unter Paragraf 65, dass für die Freie und Hansestadt Hamburg Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmen nur zulässig sind, wenn ein wichtiges staatliches Interesse vorliegt, das anders nicht besser oder effizienter verfolgt werden kann. Und ich sage Ihnen, das staatliche Interesse ist besser und effizienter wahrzunehmen als mit einer 25,1-Prozent-Beteiligung der Freien und Hansestadt Hamburg an den Netzen. Damit sehen wir einen Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung.

(Beifall bei der CDU)

Die Stadt wird weiter Unternehmer. Wir werden viele Diskussionen bekommen: Gewinnorientierung versus Endverbraucher und, je näher wir den Wahlen kommen, versus Wähler. Wie wollen wir investieren, wenn parallel Garantiedividenden ausgeschüttet werden müssen? Wir werden die Diskussion bekommen, welche Rolle eigentlich HAMBURG ENERGIE spielen soll, wenn wir mit deren Wettbewerbern eine Gesellschaft gegründet haben. Diese Frage konnte und wollte die Senatorin nicht beantworten; Sie haben angekündigt, nach der Entscheidung einen Dialog führen zu wollen. Wie auch immer das ausgehen mag: HAMBURG ENERGIE tun Sie mit dem, was Sie da auf den Weg bringen, überhaupt keinen Gefallen.

(Beifall bei der CDU)

Sie bringen heute etwas auf den Weg, dem der Senat nicht gewachsen sein wird. Zu viele zentrale Fragen sind offen, das Konzept ist unklar, die Preisfindung ist unklar, die Beteiligungshöhe ist unklar. Wir werden deshalb heute der zweiten Lesung nicht zustimmen, weil wir uns sehr wünschen würden, dass Sie sich noch einmal die Zeit nehmen, nachzuvollziehen, was Sie da abschließen, und vielleicht auch der eine und andere zu dem Schluss kommt, dass Ihr Konstrukt – wie es auch alle Experten gesagt haben – kein gutes Konstrukt ist.

Wir als CDU vertreten eine klare Position: Keine Zusatzanträge; wir lehnen dieses Investment ab.

Der Senat will Geld ausgeben, das er nicht hat, für Leitungen und Rohre, die er nicht braucht. Das lehnen wir als CDU-Fraktion klar ab.

(Beifall bei der CDU)