Protocol of the Session on April 18, 2012

"Beim Thema Elektromobilität, für die Hamburg Modellregion ist, geriet der eher nüchterne Bürgermeister beinahe ins Schwärmen. Er habe früher in einem Haus an der stark befahrenen Stresemannstraße in Altona gewohnt. 'Wir hatten einen schönen Balkon zur Straße, den wir wegen des Lärms nicht benutzen konnten.' In einer Stadt der Zukunft, in der nur elektrogetriebene Autos fahren, wäre das wieder möglich."

Zitatende.

(Arno Münster SPD: Recht hat er!)

Jetzt ist es aber so, dass bei Fahrzeugen ab etwa Mitte der Neunzigerjahre bei Geschwindigkeiten jenseits von 15 bis 25 km/h das Reifenfahrbahngeräusch überwiegt und der Motor auf die Lärmemission gar keinen starken Einfluss mehr hat. Das Problem Lärmemission an stark befahrenen Straßen werden wir also durch Elektromobilität nicht lösen.

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann CDU)

Es ist schon deutlich geworden, dass es ein Wettbewerb war. Hamburg musste anstinken gegen

Regionen, wo die Automobilhersteller direkt vor Ort sitzen und wo der natürliche Ort wäre, an dem Automobilhersteller ihre Vorzeigeprojekte platzieren werden. Dagegen musste Hamburg anstinken, aber das wusste Hamburg. Hamburg hätte sich darauf einstellen und sich dem Wettbewerb stellen müssen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Es war ein Wettbewerb um die besten Konzepte und man kann nicht nur sagen: Schaut her, das haben wir gemacht und jetzt seid bitte lieb zu uns, wir wollen gerne dieses Geld haben. Das reicht natürlich nicht aus, sondern man muss kreative Ideen mitbringen und man muss besser sein als alle anderen. Man muss sich überlegen, wo Hamburg mehr zu bieten hat als andere Städte. Das Spannende ist doch, dass Hamburg als zweitgrößte Stadt Deutschlands natürlich mit dem Thema Metropolenverkehr punkten kann. Und der Metropolenverkehr wird, ob jetzt elektrisch oder nicht, in Zukunft eben nicht vom Pkw dominiert werden, sondern der Metropolenverkehr wird davon leben, dass wir verschiedene Verkehrsträger benutzen und sie sinnvoll miteinander verknüpfen. Das wäre die Chance für Hamburg gewesen, und da hat Hamburg auch eine sehr große Stärke. Wir haben mit dem StadtRAD-System das bestgenutzte Leihradsystem Deutschlands, und das wäre ein wunderbarer Anknüpfungspunkt gewesen, um zu sagen, wir interpretieren Elektromobilität ganz anders als die deutschen Automobilhersteller, die einfach ihre Autos mit Verbrennungsmotor umnutzen und da einen Elektromotor reinsetzen. Wir nutzen das viel intelligenter, um die Elektromobilität auch für eine andere Form von Mobilität einzusetzen. Wir haben das hier sogar als Vorschlag eingebracht, das hätte noch direkt in die Bewerbung einfließen können, aber zu einem solchen Schritt waren die SPD und der Senat nicht bereit. An der Stelle hätte man nachdenken müssen, was Hamburg wirklich besser kann als alle anderen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Es wäre auch sehr spannend gewesen, sich mit Berlin, der anderen großen Metropole, zusammenzutun und gemeinsam eine Bewerbung zu machen. Es gab auch Gespräche darüber, ob das nicht vielleicht die Chancen Hamburgs erhöhen könnte. Das ist eine interessante Frage, die der Senat auch beantworten muss, warum diese Chance nicht genutzt wurde, um mit internationaler Ausstrahlung Metropolenverkehr erlebbar zu machen in zwei großen Metropolen, die natürlich andere Maßstäbe setzen können als Städte, die um Automobilwerke in Deutschland herum angesiedelt sind.

(Beifall bei der GAL und bei Karin Prien CDU)

(Dorothee Martin)

Es stellt sich auch die Frage, warum nicht konkret Initiativen aufgegriffen werden. Warum beschweren sich Unternehmer bei uns, dass sie kein Ohr finden, wenn sie zum Beispiel Initiativen für Ladesäulen für Elektrofahrräder ergreifen? Viele Leute nutzen das privat und das Aufladen auf dem Weg ist ein Problem. Da gibt es private Initiativen, um das zu verbessern. Der Senat ist nicht bereit, in Kooperationen einzusteigen. Solche Fragen müssen durch den Senat beantwortet werden, wenn wir beim Thema Elektromobilität wieder auf die Beine kommen wollen.

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann CDU)

Es gibt aber auch noch eine andere Frage: Was bleibt denn jetzt eigentlich noch in der Verkehrspolitik? Der Senat betreibt eine Verkehrspolitik, die in erster Linie von Absagen geprägt ist, Absagen an die City-Maut und die Umweltzone, an die Stelle sollten Busbeschleunigung und Elektromobilität treten. Was an der Busbeschleunigung dran ist, haben wir schon gesehen. Das ist nicht so viel und bei der Elektromobilität jetzt auch nicht mehr.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. Duwe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diesen etwas reißerischen Titel, den die CDU eingebracht hat, halte ich für ein bisschen übertrieben. Wir hatten einen Wettbewerb, an dem 23 Regionen teilgenommen haben, und nur vier haben gewonnen. Hamburg war nicht dabei; das erinnert mich an andere sportliche Wettbewerbe. Es hat BMW gewonnen, VW, Mercedes und die frühere Reichshauptstadt.

(Heiterkeit im Plenum)

Es gab natürlich auch andere Gründe, aber wenn man sich die Unterlagen der Wettbewerber genau anschaut, dann erfährt man schon, woran es lag. Man muss sich in Hamburg ein bisschen daran gewöhnen, dass wir nicht immer in der Champions League spielen können. Wenn Sie sich die Bewerbung von Baden-Württemberg anschauen, dann brauchen Sie gar nicht mehr in die Hamburger Bewerbung hineinschauen, für die es sehr schwer geworden wäre, unter die ersten vier zu kommen.

Ich habe natürlich sehr viel Kritik an der Bewerbung, nicht aber an dem, was da zusammengestellt worden ist. Das war ein bunter Strauß und kein Konzept. Wer sich in den Ausschreibungsunterlagen angeschaut hat, was gefordert wurde, bekam den Eindruck, das sei auch schon von Automobilherstellern geschrieben worden. Aber selbst dann hätte man zusehen müssen, wie man die Regularien am besten erfüllen kann, die von denjeni

gen definiert wurden, die ausgeschrieben haben. Und da hat Hamburg nicht das aufgeschrieben, was man hätte aufschreiben können. Jetzt kann man natürlich seitens Schwarz und Grün sagen, der Senat habe Schuld, er sei ein Jahr im Amt. Das verstehe ich, aber die Grundlagen wurden unter Schwarz und Schwarz-Grün gelegt, und dort wurde eben auch dieser bunte Strauß gefördert und nicht ein Profil geschärft, das wir in Hamburg brauchen, um wirklich in der Elektromobilität unsere Nische zu finden. Als Umwelthauptstadt ein Solarmobil auf der Außenalster fahren zu lassen, das allein ist nicht ausreichend, um beim Thema Elektromobilität vorne dabei zu sein. Noch vor Ende des Jahres durfte dieses Boot übrigens nicht mehr auf der Außenalster fahren, und auch das zeigt, dass in Hamburg die Elektromobilität nicht die oberste Priorität hatte und leider auch nicht hat.

Was lernen wir aus diesem leichten Misserfolg? Ich sage nicht, dass es ein ganzer Misserfolg ist, denn man weiß nicht, an welcher Stelle wir gewesen sind, und deshalb sollte man da auch keine bösen Worte verlieren. Wir müssen schauen, was wir in Hamburg wirklich für die Elektromobilität tun können.

Meiner Meinung nach sollten wir uns in Hamburg auf die Praktizierung der Elektromobilität kaprizieren, nämlich das, was woanders entwickelt worden ist, anzuwenden. Wir haben in Hamburg sehr viele gute umwelttechnische Betriebe, die aber teilweise andere Prioritäten haben. Wir müssen auch in der Umwelttechnologie sehen, wo Hamburgs Stärken liegen. Man kann nicht in allen Sportarten in der Ersten Liga spielen. Wenn man eine Bewerbung schreibt und sagt, man sei zuversichtlich, dort unter den ersten vier oder fünf zu sein, dann sollte man sich überlegen, ob man nicht vielleicht zuerst einmal gegen den Abstieg kämpfen muss, um dann zu sehen, wie weit man kommt. Es gibt viel Arbeit in diesem Bereich, aber wir sollten nicht zu traurig sein, dass wir es diesmal nicht geschafft haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Hoffentlich gehe ich nach dieser elektrisierenden Rede nicht unter.

(Beifall und Heiterkeit bei der LINKEN und der GAL)

Es ging um das Schaufenster Elektromobilität und ich muss leider sagen – ich tue es ungern –, Frau Prien, Sie haben eine reine Schaufensterrede gehalten. Ich sage Ihnen auch, warum ich die so wahrgenommen habe. Ich habe nicht einmal gehört, was Sie eigentlich unter Elektromobilität verstehen. Sie haben diesen Begriff vor sich hergetra

(Dr. Till Steffen)

gen wie eine heilige Monstranz, Sie haben Elektromobilität 20-mal erwähnt, aber nicht gesagt, was dahintersteht, und ich glaube zu wissen, warum Sie es nicht weiter ausgeführt haben. Wir haben in zwei Ausschüssen schon über Ihren Antrag diskutiert. Ich war zwar in der Minderheit, aber ich glaube, dass auch bei Ihnen durchaus angekommen ist, dass die Inhalte bei der Elektromobilität nicht das sind, was Sie glauben. Sie denken alle: Oh super, ökologisch, regenerative Energie, unsere Autos fahren jetzt mit Ökostrom. Sie haben nicht darüber gesprochen, was für Autos das sind. Ich habe heute und auch in den Ausschusssitzungen nicht gehört, ob Sie eigentlich diese großen Autos weiter produzieren wollen, die auch im Verkehr viel gefährlicher sind, oder die der Tuningfirma RUF, die gerade versucht, einen Porsche mit Elektroantrieb herzustellen. Sie hat noch ein ganz kleines Problem.

(Dietrich Wersich CDU: Frau Sudmann, das ist alles nicht Thema der Aktuellen Stunde!)

Es ist das Thema. Es scheint Sie zu treffen, ein sehr gutes Zeichen; ich danke für das Lob.

(Beifall bei der LINKEN – Dietrich Wersich CDU: Ich bin enttäuscht!)

Sie sind tief enttäuscht, dass wir den Wettbewerb Schaufensterregion Elektromobilität nicht gewonnen haben, und ich frage Sie, was für Sie dahintersteht. Ich merke an Ihren Reaktionen, dass Sie mir das nicht sagen wollen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich habe gerade versucht, Ihnen zu erklären, was das zum Beispiel im Autoverkehr heißt, wo jemand versucht, einen Porsche herzustellen, und die einzige Schwierigkeit darin besteht, dass er es nicht schafft, in sieben Sekunden von null auf hundert zu beschleunigen. Wollen Sie solche Autos? Das wollen Sie nicht. Sie reden auch nicht darüber, dass Sie es mit der Elektromobilität nicht schaffen, eine ökologische Wende hinzubekommen, denn die Treibhausgase – auch das habe ich versucht, Ihnen in den Ausschüssen zu erklären – wären wesentlich stärker zu reduzieren,

(Dietrich Wersich CDU: Sie müssen sich nicht an uns abarbeiten, wenn Sie das gar nicht wollen!)

wenn die genannten Autofirmen mehr in die Entwicklung von effizienten Benzinmotoren stecken würden.

(Robert Heinemann CDU: Das stimmt doch gar nicht! Sie haben keine Ahnung!)

Herr Heinemann, Sie haben doch ein gutes Gedächtnis. Ich habe letztes Mal eine Studie zitiert, die in Ihrem Bundesministerium in Auftrag gegeben wurde und genau das nachgewiesen hat.

Ich komme zu einem weiteren Thema, denn Sie können nicht ausblenden, was Elektromobilität heißt. Was ist eine Zukunftsvision? Was für eine Stadt wollen Sie haben? Eben wurde schon davon gesprochen, dass Sie an der Stresemannstraße vielleicht wohnen wollten; Herr Scholz hat sich das vorgestellt. Die Zukunftsvision muss doch heißen, dass diese Stadt mehr Platz braucht, mehr Platz für Wohnungsbau, da sind wir uns einig.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist Ihre Visi- on!)

Sie wollen nicht mehr Wohnungsbau, Herr Hesse? Entschuldigung, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen mehr Platz für Wohnungsbau. Wenn Sie aber gerade beim Beispiel Autoindustrie dabei bleiben, dass alle ein Auto haben sollen, dann brauchen Sie weiterhin wahnsinnig viel Platz für Autos, für das Parken der Autos und so weiter. Sie brauchen eine ganz neue Stadtentwicklung und Sie haben in der Schriftlichen Kleinen Anfrage der FDP lesen können, dass Stadtentwicklung ein Thema der Bewerbung für die Schaufensterregion war. Sie sehen, dass der Bezug immer noch da ist, aber Sie scheinen sich für die Inhalte überhaupt nicht zu interessieren. Insofern sind wir wahrscheinlich die einzige Fraktion, die sehr froh ist, dass diese Bewerbung gescheitert ist,

(Dietrich Wersich CDU: Ah! Hätten Sie das gleich gesagt, wäre alles gut gewesen!)

und wir hoffen, dass Sie alle noch von dem Elektromobilitätsweg abkommen.

(Beifall bei der LINKEN)