Protocol of the Session on April 18, 2012

Meine Damen und Herren! Spätestens bei diesem Satz sollten in der Hansestadt alle Alarmglocken schrillen. Wenn man sich jedoch den kreditfinanzierten Kaufrausch des Senats und die faktische Personalpolitik anschaut, dann klingelt auf der Senatsbank wohl nicht einmal ein Wecker.

(Beifall bei der FDP)

Dabei legt unsere Große Anfrage offen, dass das wahre Bilanzdefizit noch einmal um mindestens 5,6 Milliarden Euro höher ist als die bereits genannten 400 Millionen Euro.

(Zuruf von Jan Quast SPD)

Man behilft sich nämlich in Hamburg mit einer mittlerweile veralteten Bilanzierungsrichtlinie. So werden Pensions- und Beihilferückstellungen bis 2015 mit 6 Prozent Diskontierungszinssatz berechnet. Die Standards staatlicher Doppik sehen allerdings einen deutlich niedrigeren Zins vor, Herr Quast.

Hessen und Bremen, vorbildlich, haben 2010 einen Diskontierungszinssatz von 4,5 Prozent angewendet. Wegen des für Deutschland historisch niedrigen Zinsniveaus ist dieser Wert mittlerweile sogar auf 4 Prozent zu senken. Dies hat der Senat in der vorliegenden Großen Anfrage sowie in den Schriftlichen Kleinen Anfragen sogar bestätigt.

Spätestens im Geschäftsjahr 2015 wird Hamburg also statt 6 Prozent nur noch 4 Prozent Diskontierungszins anwenden dürfen. Das ergibt erst dann – offizieller Stand von heute – 5,6 Milliarden Euro zusätzliches Bilanzdefizit. Darüber hinaus kommt in Hamburg ebenfalls erst 2015 eine weitere Milli

ardenleiche namens Erfüllungsbetrag aus dem Bilanzkeller. Die Standards staatlicher Doppik schreiben vor, dass auch zukünftige Tarifsteigerungen von Bezügen, Löhnen und Gehältern bei der Rückstellungsberechnung berücksichtigt werden müssen. Auch das machen Bremen und Hessen bereits. Der Hamburger Senat will das jedoch laut Antwort auf unsere Anfragen bis 2015 nicht tun. Er weigert sich vielmehr standhaft, entsprechende Berechnungen einzuholen und bekannt zu machen.

In der Burg, wo König Olaf herrscht, ist nicht nur bei diesem Thema die Zugbrücke stets hochgeklappt.

(Jan Quast SPD: Jetzt kommt der tapfere Ritter!)

Transparente Politik und ein offener, respektvoller Umgang mit Bürgern und gewählten Volksvertretern sieht anders aus.

(Beifall bei der FDP – Jan Quast SPD: Und jetzt kommt der Ritter und will die Burg schleifen!)

Herr Quast, warten Sie doch, ich komme gleich wieder zu Ihnen. Ich kann nicht alle zwei Minuten mit Ihnen reden.

Fakt ist jedenfalls schon heute, dass der nächste Senat bei der Vorstellung des Geschäftsberichts 2015 eine Menge Erklärungsbedarf hat. Falls dann immer noch Herr Tschentscher Finanzsenator sein sollte, bin ich schon gespannt, ob von der Finanzbehörde dieses Defizit dann wieder als ein Problem, das – Herr Quast, jetzt hören Sie doch zu, Zitat für Sie aus der Finanzbehörde –

"rein virtuell"

ist, abgetan wird.

Danach dürfte Herr Tschentscher eigentlich kein hanseatischer Finanzsenator mehr sein oder müsste zumindest seinen Pressesprecher wechseln.

Was bedeutet dieses vermutlich zweistellige Milliardendefizit in der Bilanz konkret? Einerseits kann man es als zusätzliche Steuer- und Abgabenlast von morgen sehen. Der Finanzsenator und die SPD setzen auch ganz unverhohlen ihre entsprechenden Pläne um. Die Vermögensteuer ist zum Beispiel ganz vorn mit dabei auf der Wunschliste. Nur, wer ernsthaft glaubt, dass eine Vermögensteuer Vermögende besteuert, der glaubt auch, dass ein Volkswirt das Volk bewirtet.

(Beifall bei Dr. Kurt Duwe FDP – Zuruf von Jan Quast SPD)

Denn ein Löwenanteil des Vermögens ist in Hamburg in Immobilien, also vor allem in Wohnungen und Büroflächen investiert. Und was passiert, wenn diese Immobilien nun zusätzlich besteuert

werden? Richtig, die Mieten werden dann noch mehr steigen. Welch eine Überraschung, die Zeche für linke Steuersymbolpolitik zahlen in Wahrheit Otto Normalverbraucher, kleine und mittelständische Unternehmen und Selbstständige.

(Beifall bei der FDP)

So konkret kann sich ein Bilanzdefizit wegen steigender Pensionsverpflichtungen für alle Bürgerinnen und Bürger auswirken, wenn die SPD regiert. Aber der Finanzsenator wird die Hamburger Familien schon bestimmt beruhigen, indem er sagt, dass es sich nur um virtuelle Löcher in ihren Taschen handele.

Das Hamburger Milliardenbilanzloch zeigt uns aber noch mehr, nämlich wo die großen Ausgabenbrocken in zukünftigen Haushalten herkommen. Pensionen und Beihilfen sind da ein sehr großer, stetig wachsender Faktor. Unsere Anfragen zum Thema zeigen, dass die Zahl der Versorgungsempfänger noch bis circa Ende des Jahrzehnts stetig anwächst. Bei realistischen 2 Prozent jährlicher Steigerung der Bezüge werden die Versorgungsausgaben immer weiter anwachsen.

Herr Tjarks, ich habe Ihre Pressemitteilung gelesen, Sie müssen dann aber auch lesen, was Sie sagen. Die Versorgungsausgaben werden von derzeit 1,1 Milliarden Euro bis ins Jahr 2030 auf deutlich über 1,6 Milliarden Euro anwachsen. Das ist doch einmal eine konkrete Zahl. Um die Versorgungsausgaben auch in Zukunft stemmen zu können, müsste der Senat daher schon heute deutlich mehr einsparen. Der Landesrechnungshof hatte letztes Jahr in seinem Bericht "Nachhaltige Finanzwirtschaft" einen Konsolidierungsbedarf von 35 Millionen Euro pro Jahr oder 700 Stelleneinsparungen pro Jahr errechnet. Der SPD-Senat spart stattdessen allerdings an anderen Stellen. Man denke an das aktuelle Beispiel der offenen Kinderund Jugendarbeit, hier sollen 3,5 Millionen Euro eingespart werden. Aber Zigmillionen unnötige Zinsen pro Jahr darf die Scholz'sche "Spend-as-you-like"-Shoppingtour dann wieder kosten.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns über mögliche Begrenzungsmöglichkeiten der drastisch gestiegenen Versorgungsausgaben, insbesondere bei den Beihilfen, unterhalten. Wir müssen uns über die Ausgestaltung eines langfristigen, echten Personalabbaus unterhalten, um mit den Einsparungen die Versorgungsausgaben zu finanzieren. Wir müssen uns über die ungeklärte Frage der Liquidität des Hamburger Versorgungsfonds unterhalten, der sonst nach 2017 zahlungsunfähig zu werden droht.

Wir sehen Sie alle an unserer Seite, wenn es um eine offene und transparente Erörterung des Themas geht. Ziel muss es sein, eine nachhaltige Lösung im Sinne Hamburgs und seiner Mitarbeiter zu

finden. Ich würde mich freuen, wenn die SPD-Fraktion dies so sehen würde und wir die Beratung unserer Großen Anfrage im Haushaltsausschuss fortsetzen könnten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat nun Herr Albrecht.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ritter, wenn ich höre, dass Sie finanzielle staatliche Nachhaltigkeit einfordern, dann bedeutet das bei der FDP leider immer nur Steuersenkungen und nichts anderes. Und das ist das Problem. Zum Thema, Herr Ritter, haben Sie in vielen Punkten gar nicht gesprochen, sondern Sie haben zu Sachen gesprochen, die wir nicht weiter auf der Tagesordnung haben. Wir reden heute über die Versorgungs- und Pensionslasten der Hansestadt Hamburg.

(Finn-Ole Ritter FDP: Jetzt können Sie ja zum Thema reden!)

Natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass es künftig große Herausforderungen gibt, diesen Pensionslasten gerecht zu werden, und zwar nicht, seitdem wir die Kameralistik auf die Doppik umstellen, sondern auch schon jetzt; das wissen wir alle. Auch andere Bundesländer haben im Übrigen diese Schwierigkeiten, die Hansestadt Hamburg also nicht allein. Wenn Sie sich andere Stadtstaaten anschauen, dann sehen Sie, dass diese es nicht immer besser machen. Es gibt zum Beispiel in Bayern auch ganz andere Probleme, denn gerade, wenn man bei der doppischen Umstellung ist, hat man häufig das Problem, dass die anderen Dinge gar nicht mehr einberechnet werden, da es dort auch noch andere Strukturen gibt.

Ich finde es allerdings nicht in Ordnung, Herr Ritter, dass Sie von einem bilanziellen Offenbarungseid sprechen. Ich finde es nicht in Ordnung, Herr Ritter, dass Sie unsere Pensionäre vor Ort entsprechend verunsichern und so tun, als wäre der Staat nicht in der Lage, künftig für die Pensionen aufzukommen. Das ist ein Skandal und das sollten Sie bitte auch in Zukunft vermeiden.

(Beifall bei der SPD)

In der Vergangenheit sind schon einige Bereiche gelöst worden und es wurde versucht, den Problemen entgegenzutreten. Ich möchte nur kurz drei Beispiele nennen, auch in Anbetracht der knappen Zeit.

Erstens: Im Januar 2010 trat das Beamtenversorgungsgesetz in Kraft, das übrigens noch vom Vorgängersenat eingeführt wurde. Es bedeutet eine schrittweise Erhöhung des Pensionseintrittsalters auf das 67. Lebensjahr. Das ist auch eine Belas

tung der Beamtinnen und Beamten, denen wir zu danken haben, dass sie das mitgemacht haben. Darüber hinaus wurde im Jahr 1999 von der rotgrünen Bundesregierung das Versorgungsreformgesetz verabschiedet, mit dem das Versorgungsniveau von 75 Prozent auf 71,75 Prozent abgesenkt wurde, um die Versorgungslasten zu verringern. Außerdem haben die Vorgängersenate sowohl unter SPD- als auch unter CDU-Führung vorbildlich dafür gesorgt, Pensionslasten entgegenzuwirken, indem in vorausschauender Weise Sonderfonds eingerichtet wurden, zum ersten Mal 1999 von einem SPD-Senat.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein bedeutender Schritt zu mehr finanzieller Nachhaltigkeit und deswegen sind Ihre Anschuldigungen auch nicht gerechtfertigt.

Wir werden in Zukunft noch weitere Schritte unternehmen müssen,

(Katja Suding FDP: Was für Schritte?)

und wir haben heute schon mehrfach darüber diskutiert, wie wir das machen wollen. Ich möchte nur das Beispiel des Personalabbaus ansprechen, das wir vorhin alles in Ruhe besprochen haben. Ich denke, das ist ein richtiger Weg, das zu machen.

Ein zweiter Punkt ist, dass wir in den nächsten Jahren – das wissen Sie auch – die Rekapitalisierung des Hamburger Versorgungsfonds in Angriff nehmen und dort knapp 700 Millionen Euro einspeisen wollen. Das ist übrigens ein Punkt, der uns vor einiger Zeit bei den Beratungen im Haushaltsausschuss den Vorwurf einbrachte, wir würden unseren Haushalt finanzpolitisch frisieren wollen – das nur als Hinweis.

Zum guten Schluss wollen wir auf dem Weg zur Schuldenbremse natürlich auch Korsettstangen in den Haushalt einziehen, damit wir nicht über die Ausgaben hinausgehen, die wir uns ausgerechnet haben. Auch hier gilt für uns ein strenges "pay-as-you-go"-Prinzip,

(Katja Suding FDP: Ach, da auch?)

das wir einhalten wollen und einhalten werden.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir daran gemeinsam arbeiten, Herr Ritter, dann brauchen wir nicht von einem bilanziellen Offenbarungseid zu reden. Das verunsichert nur unsere Beamtinnen und Beamten, die schon eine ganze Menge für den Haushalt getan haben. Lassen Sie uns also zusammenarbeiten und das in Zukunft diskutieren. Aber einer Überweisung Ihrer Großen Anfrage werden wir nicht zustimmen.

(Katja Suding FDP: Was denn nun, diskutie- ren oder nicht diskutieren?)

(Finn-Ole Ritter)