[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Mindestlohn ist notwendig – Mindestlohn in Hamburg ist möglich! – Drs 20/3757 –]
Zur Drucksache 20/3743 liegen Ihnen als Drucksachen 20/3845, 20/3865 und 20/3871 Anträge der Fraktionen der FDP, der CDU und der LINKEN vor.
Darüber hinaus liegt Ihnen zur Drucksache 20/3757 ein Antrag der GAL-Fraktion, Drucksache 20/3880, vor.
Die Fraktionen der GAL und der LINKEN möchten die beiden letztgenannten Drucksachen federführend an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Schwieger wünscht es und hat es.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Meinung, dass jemand, der den ganzen Tag arbeitet, von den Früchten seiner Arbeit leben können muss.
Leider sieht die Wirklichkeit anders aus. Allein in Hamburg sind fast 33 000 erwerbstätige Menschen zusätzlich auf staatliche Unterstützung angewiesen. Rund die Hälfte dieser Menschen geht einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, und selbst Menschen mit einer Vollzeitbeschäftigung – das sind ungefähr 7300 in Hamburg – sind auf staatliche Transferleistungen angewiesen, weil ihr Lohn zum Leben nicht reicht. Armut trotz Arbeit, das ist ein sozialpolitischer Skandal.
Dieser Skandal ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht hinnehmbar, und deshalb ist die Einführung eines verbindlichen Mindestlohns erforderlich. Dieses ist ein Baustein zu guter Arbeit, zu existenzsichernden Löhnen und zur Verhinderung von Altersarmut.
Hierzu hat der Senat immer wieder im Bundesrat einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn eingefordert. Dieser scheiterte aber bislang an der Bundesregierung aus CDU und FDP, wohl vor allem an der FDP, wie der vorliegende Antrag heute deutlich zeigt.
Auch haben wir, hat dieser Senat zahlreiche Initiativen angepackt, um im eigenen Verantwortungsbereich konsequent diesem gesellschaftlichen Skandal entgegenzuwirken. Ich verweise hier nur auf die Initiativen "Equal pay for equal work", gleicher Lohn für gleiche Arbeit in allen öffentlichen Unternehmen und die Verankerung eines Mindestlohns im Vergaberecht.
Ein weiterer konsequenter Schritt im Verantwortungsbereich Hamburg kann aus unserer Sicht ein Landesmindestlohngesetz sein. Daher ersucht die SPD-Fraktion den Senat zu prüfen, wie mit einem
Hamburger Mindestlohngesetz die Voraussetzung geschaffen werden kann, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro in allen öffentlichen Unternehmen eingehalten wird.
Nun zu den vorliegenden Alternativ-, Änderungsund Ergänzungsanträgen der Oppositionsfraktionen. Schon die Fülle zeigt das Dilemma der Opposition, denn auf den fahrenden Zug aufzuspringen ist sehr schwierig.
Die Fraktion der CDU fordere ich auf, endlich das Hin und Her – gesetzlicher Mindestlohn nein, aber Lohnuntergrenze ja vielleicht – zu beenden. Sie wollen anscheinend differenzierte Mindestlöhne, wir jedoch stehen für einen einheitlichen Mindestlohn. Wir stehen für den Wert der Arbeit, ein Mindestlohn muss von Sozialhilfe unabhängig machen, und für die betroffenen Menschen macht es einen Unterschied, ob sie für unter 7 Euro oder für 8,50 Euro arbeiten.
Ihre zahlreichen und zusätzlich formulierten Prüfaufträge in Ihrem Antrag erinnern eher an eine Anfrage und dienen mehr der Verhinderung als der Durchsetzung eines Mindestlohns. Wir werden Ihren Antrag daher ablehnen.
Zum Antrag der FDP-Fraktion: Das ist offen und ehrlich. Wie heißt es so schön bei Ihnen: Leistung muss sich wieder lohnen. Für mehr als 30 000 Hamburgerinnen und Hamburger muss das wie ein Hohn klingen. Die von Ihnen behauptete Gefahr von Arbeitsplatzverlusten durch die Einführung eines Mindestlohns ist durch Studien der Universität Barclay klar widerlegt worden.
Ich füge hinzu, dass die große Mehrheit der Niedriglohn-Beschäftigten Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung sind und mittleren Alters, also aus dem zentralen Spektrum des Arbeitsmarkts.
(Phyliss Demirel GAL: Richtig! – Dr. Tho- mas-Sönke Kluth FDP: Weil's immer weni- ger Arbeitslose gibt!)
20 von 27 Mitgliedern der EU haben einen gesetzlichen Mindestlohn, sogar in den USA gibt es ihn. Die USA sind nun nicht gerade verdächtig, ein sozialistisches Land zu sein.
Meine Damen und Herren von der FDP! Legen Sie endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab, verabschieden Sie sich von dem Märchen, Mindestlohn vernichte Arbeitsplätze. In der deutschen Bauindustrie ist davon nichts zu merken.
Nun zum vorliegenden Antrag der LINKEN. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, fordern einen Mindestlohn von 10 Euro je Arbeitsstunde. Ich bin der Meinung, die Tarifautonomie stellt einen hohen Wert dar. Grundsätzlich ist es gut, dass die Lohnfindung eine Frage der Tarifparteien ist. Im Bereich der prekären Beschäftigungsverhältnisse ist die Tarifautonomie aber de facto nicht existent. Daher unsere Forderung nach einem Mindestlohn, da sind wir uns einig. Mit Ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde würden wir allerdings den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder und somit die Tarifautonomie unterlaufen. Das ist nicht unser Ansinnen.
Aus Paragraf 7 Ihres Antrags ist nicht ersichtlich, ob es sich bei der von Ihnen geforderten Mindestlohnkommission um ein beratendes oder ein entscheidendes Gremium handelt. Sollte es sich um ein bindendes Votum handeln, stellen sich hier erhebliche verfassungsrechtliche Fragen. Es zeigt sich, dass es nicht reicht, das bremische Mindestlohngesetz zu kopieren und mit "Suchen" und "Ersetzen" Bremen durch Hamburg und 8,50 Euro durch 10 Euro zu ersetzen.
Die GAL-Fraktion hat dankenswerterweise auf die Kopiererei aus dem bremischen Mindestlohngesetz hingewiesen, übernimmt diesen aber genauso, nur mit 8,50 Euro. Auch in Ihrem Antrag ist demnach die Rolle der Mindestlohnkommission ungeklärt, daher wirft auch Ihr Antrag verfassungsrechtliche Fragen auf.
In beiden Fällen muss ich darauf hinweisen, dass Bremen sich erst um die Vergaberichtlinie gekümmert hat und erst danach das Mindestlohngesetz
Ich möchte alle Fraktionen in diesem Hause um die Zustimmung für unseren Antrag bitten, auch, weil er der am weitestgehende ist. Senden wir ein gemeinsames Signal an alle Hamburgerinnen und Hamburger; gute Arbeit braucht gerechte Löhne. – Vielen Dank.