Protocol of the Session on January 25, 2012

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Attraktivität der Metropole Hamburg bemisst sich in wesentlichen Teilen an ihrem kulturellen Potenzial. Dies belegen steigende Übernachtungszahlen ebenso wie das wachsende nationale und zum Glück auch internationale Echo auf künstlerische Offerten Hamburgs, seien es Ausstellungen, Festivals, Theaterinszenierungen oder Konzerte.

Eine Erhebung von Hamburg Tourismus hat ergeben, dass kulturelle Veranstaltungen, speziell Theater, Oper, Musicals und Konzerte in Hamburg

(Katja Suding)

der häufigste Grund für einen Besuch in unserer Stadt sind,

(Finn-Ole Ritter FDP: Alles ohne Kulturtaxe!)

sogar noch nach dem Besuch von Verwandten. Das gleiche Phänomen gibt es in Berlin. Von sieben Gründen, Berlin zu besuchen, sind fünf kulturelle Gründe.

Wir sollten unseren Gästen auch weiterhin viele gute Gründe geben, Hamburg zu besuchen.

(Beifall bei der SPD)

Die Lebensqualität einer Stadt und ihre Zukunftsfähigkeit im Wettbewerb der Metropolen hängen wesentlich von der kulturellen Vielfalt der Stadt ab. Und diese Attraktivität zu steigern trotz schwieriger Haushaltslage, die Innovationskraft der Kultur zu erhalten und sie sogar auszubauen, das ist in der Tat allerdings die große Herausforderung schlechthin, die uns in den nächsten Jahren bevorsteht.

Die Kulturtaxe – Frau Dobusch hat das in dankenswerter Klarheit ausgeführt,

(Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Muss 'ne an- dere Rede gewesen sein!)

und da sind sich zu meinem großen Glück und nicht zu meiner Überraschung fast alle einig in diesem Hause – kann und sollte dazu beitragen, unser Kulturangebot zu stärken und weiter auszubauen.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Hotellerie hat in Hamburg, zumindest in großen Teilen, erkannt, dass eine Kulturtaxe letztlich auch ihnen hilft, wenn sie nicht – das allerdings wäre unerlässlich – zum Stopfen irgendwelcher Haushaltslöcher genutzt wird, sondern die Kultur und den Tourismus in Hamburg fördert. Viele Kommunen in Deutschland haben es Hamburg in der Tat schon vorgemacht und zur Lösung eine im Detail mehr oder weniger vergleichbare Kulturtaxe erfolgreich eingeführt oder sie sind dabei, es gerade zu tun. Entgegen der ursprünglichen Erwartungen haben die meisten unterinstanzlichen Gerichte diese Praxis für zulässig erklärt.

Nicht zuletzt jedoch, unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands, der bei einem rechtlich nicht abgesicherten Modell dann auch noch doppelt anfiele, aber auch unter dem Aspekt der wünschenswerten, breiten Akzeptanz sowohl der Branche als auch aller anderen Beteiligten spricht wirklich alles dafür, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die für den Herbst erwartet wird, und die damit verbundene Rechtssicherheit abzuwarten.

(Beifall bei der SPD)

Nichts, meine Damen und Herren, wäre schlimmer für unsere kulturelle Klientel als eine Kulturtaxe, die direkt nach Inkrafttreten wegen rechtlicher Un

zulässigkeiten zurückgezogen werden müsste. Das wäre auch ein Vertrauensverlust in das, was Politik bewirken kann. Den sollten wir uns ersparen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Studie von Roland Berger zur Zusammensetzung des Hamburger Publikums belegt eindeutig, und das gibt Anlass zur Hoffnung, dass der Anteil internationaler Besucher entschieden steigerungsfähig sei. Um dies zu erreichen, sind sogenannte "Dual-Use-Projekte", Festivals also mit internationaler Ausstrahlung, ambitionierte, zugkräftige Großveranstaltungen, aber eben auch Maßnahmen wie zum Beispiel vernetzte Ticketing-Systeme, überregionale Werbung und vieles mehr bestens geeignet. Und dabei das kulturtouristische Marketing zu optimieren, ein Thema, über das wir auch länger diskutieren könnten, wird dabei eine Conditio sine qua non sein.

Im Übrigen wird es auch um eine Forderung gehen – das ist mir wichtig –, die von den Kultureinrichtungen in den letzten Jahren immer wieder und zu Recht mit großer Vehemenz gestellt wurde und die realisiert werden soll, nämlich die vorhandenen kulturellen Schätze besser bekannt zu machen. Dabei sollten aber neben den sogenannten "Leuchttürmen" auch die, wenn Sie so wollen, "kleineren" Schätze und Initiativen eine Chance bekommen, diejenigen, bei denen vielleicht erst auf den zweiten, manchmal sogar dritten Blick der Nutzen deutlich wird, ohne den ein Gemeinwesen aber im wahrsten Sinne des Wortes arm wäre. Mit erfolgreichen Formaten wie zum Beispiel dem Reeperbahn-Festival läuft Hamburg bereits der Musikwirtschaft Berlin den Rang ab. Es tut gut, wenn man sich das manchmal klar macht.

Lassen Sie uns die Kulturtaxe dazu nutzen, solche erfolgreichen Formate dauerhaft zu sichern und die Attraktivität Hamburgs für Touristen, für die Hamburger und für die Kunst und Kultur weiter auszubauen.

Meine Damen und Herren! Der französische Schriftsteller, Drehbuchautor, Filmregisseur und sogar zeitweise Kulturminister André Malraux hat einmal einen wunderbaren Satz gesagt: "Eine Kultur kann nur an ihrer eigenen Schwäche sterben" Um das gar nicht erst entstehen zu lassen, lassen Sie uns gemeinsam die Kultur für die Zukunftsfähigkeit Hamburgs stark machen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch und Farid Müller, beide GAL)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

(Senatorin Barbara Kisseler)

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 20/2829 und 20/2953 federführend an den Kulturausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind beide Drucksachen überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 86 auf, Drucksache 20/2903, Interfraktioneller Antrag: Reform der bezirklichen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide.

[Interfraktioneller Antrag: Reform der bezirklichen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide – Drs 20/2903 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/2952 und 20/2963 Anträge der Fraktionen der FDP und der CDU vor.

[Antrag der FDP-Fraktion: Reform der bezirklichen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide – Drs 20/2952 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Einführung eines Zustimmungsquorums – Drs 20/2963 –]

Diese zuletzt genannten Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Verfassungs- und Bezirksausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Dressel, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu dieser Sache sind in diesem Hause und an anderer Stelle schon viele Worte gewechselt worden. Insofern können wir es an dieser Stelle etwas kürzer machen. Trotzdem war es allen Fraktionen wichtig, dies noch einmal anzumelden, weil es hier keine Ausschussberatung vor der Beschlussfassung gegeben hat, sodass wir dann nachher für die Annalen bei der Gesetzesbegründung und der Auslegung auch noch etwas haben, auf das wir zurückgreifen können.

Ich nenne drei Punkte, weswegen es aus unserer Sicht insgesamt ein guter Kompromiss ist, wenn er auch einen entscheidenden Makel hat. Das ist einmal das Thema Zulässigkeitsprüfung bei Bürgerbegehren, die wir vorziehen können mit diesem Gesetz, und zwar direkt auf den Anfang eines solchen Bürgerbegehrens, dass die Zulässigkeit endlich umfassend geprüft wird. Alle Verstöße gegen Gesetze, Senatsbeschlüsse, Globalrichtlinien und so weiter führen jetzt auch dazu, dass ein Bürgerbegehren unzulässig ist; das ist ein entscheidender Punkt.

Die andere Situation betrifft die Frage, wie weit es Eingriffsrechte vom Senat gibt, auch von der Bezirksversammlung, denn wir wollen auch die Rechte der Bezirksversammlung nicht beschneiden durch ein solches Gesetz. Die sind auch in diesem Gesetz klargestellt, das war für uns wichtig. Und natürlich sollen auch die Eingriffsrechte des Senats klargestellt werden. Das ist aus unserer Sicht ebenfalls wichtig, weil es uns auch darum geht, dass die Regierbarkeit dieser Stadt durch dieses Gesetz nicht gefährdet werden darf.

(Beifall bei der SPD)

Es ging aber auch immer um die Frage, nach welchen Regelungen der Bürgerentscheid geht. Dieses Gesetz geht ein bisschen nach dem Motto: Der beste Bürgerentscheid ist der, der nicht stattfindet, weil man sich vorher verständigt hat. Es soll eben nicht zu einem finalen Showdown zwischen Bürgerinitiative auf der einen Seite und Kommunalpolitik auf der anderen Seite kommen. Deswegen haben wir alles hineingesteckt an Möglichkeiten der Konsensfindung und der Schlichtung, um zu unterstützen, dass man sich verständigen kann.

Es gibt viele Beispiele in der Stadt, bei denen es auch gelungen ist. Ich nenne eines, weil es aus meinem eigenen Wahlkreis kommt. Aber da wir momentan über Wohnungsbau an vielen Stellen in dieser Stadt reden, kann man es an diesem Beispiel auch einmal benennen. Es geht um das Bürgerbegehren Hinsenfeld in Lemsahl-Mellingstedt. Da ging es um 165 Wohneinheiten. Es gab eine Initiative, die das erst einmal gar nicht wollte. Dann gab es Verhandlungen, bei denen man sagte, dass an der Zahl der Wohneinheiten nicht gerüttelt werden dürfe, man aber gern mit den Bürgern darüber sprechen wolle, ob man das vielleicht anders machen könne, etwas in der Anordnung verändere oder welcher Wohnungsbau es sein solle. Diese Einigung ist zustande gekommen und gerade durch die Bezirksversammlung Wandsbek bestätigt worden.

Wenn wir so etwas fördern, dass der Grundkonsens in dieser Stadt für Wohnungsbau erhalten bleibt, man sich aber vor Ort auf Modalitäten verständigt, wie man es eventuell anders gestalten kann, aber sich an der eigentlichen Zielsetzung nichts verändert, dann ist das etwas Gutes. Solche Konsense vor Ort sollten wir alle miteinander voranbringen.

(Beifall bei der SPD)

90 Prozent der Probleme bei diesem Gesetz haben wir gelöst, 10 Prozent nicht. Über letztere brauchen wir nicht herumreden, wir haben es sehr bedauert, dass "Mehr Demokratie" es von vornherein abgelehnt hat, über die Frage von Quoren beim Bürgerentscheid zu reden. Das ist nicht unbedingt hilfreich gewesen. Andererseits gab es auch einen Punkt, bei dem wir sagten, dass man

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

über ihn nicht reden könne, das habe ich gestern auch sehr klar gesagt. Es ist der Punkt, dass wir Hamburg als Einheitsgemeinde nicht abschaffen wollen, denn das ist nicht unbedingt gut für die Regierbarkeit dieser Stadt. Bei den Quoren gab es bei "Mehr Demokratie" keine Bereitschaft. Wir als SPD-Fraktion waren jedoch für Quoren, wir sind für Quoren und wir bleiben auch weiterhin für Quoren. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass wir heute das beschließen, auf das wir uns in dieser Runde verständigt haben. Es steht auch in unserem Antrag, dass es hierzu unterschiedliche Voten gibt. Die Kollegen von der CDU und der FDP werden dazu auch etwas sagen.

Es ist zwar gut, dass es noch zwei Änderungsanträge gibt, einen von der CDU und einen von der FDP. Es ist natürlich in Ordnung, dass man noch einmal seine Position dazu darstellt, aber man gewinnt nicht den Eindruck, dass man es unbedingt reinstimmen wollte. Der CDU-Antrag ist handwerklich nicht so geglückt, wenn ich das so sagen darf. Dann müssten wir nämlich zwei Gesetze ändern. In dem Vorschlag wird aber nur das erste Gesetz geändert. Selbst wenn wir das jetzt wollten, könnten wir das an der Stelle gar nicht beschließen.

Zum anderen ist die Regelung so, wie Sie sie vorschlagen, sogar härter als die Volksgesetzgebung auf Landesebene. Ich finde es schon richtig, das, was wir auf Landesebene als Maßstab haben, jetzt nicht noch auf Bezirksebene zu verschärfen; das ist ein wichtiger Punkt. Insofern ist dieser Antrag nicht geeignet, beschlossen zu werden.

Der FDP-Antrag ist richtig, weil er nämlich zwei Artikel ändert; insofern ist da formal kein Punkt zu kritisieren.

(Katja Suding FDP: Der ist super!)

Aber ich will eine inhaltliche Sache ansprechen, warum es nämlich sehr schwierig ist, über ein Beteiligungsquorum nachzudenken; dies wurde gestern auch erläutert. Wenn man beispielsweise ein Beteiligungsquorum bei Bürgerentscheiden von 20 Prozent hat, so war gestern auch das Beispiel, und 16 Prozent stimmen mit Ja und 3 Prozent mit Nein, dann sind wir bei 19 und der Bürgerentscheid ist nicht zustande gekommen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Also nicht zustande gekommen!)