Protocol of the Session on November 22, 2011

Detlef Scheele.

Als gute sozialdemokratische Arbeitspolitiker waren Sie für eine Zentralisierung und wollten keine regionale Arbeitsmarktpolitik, schon gar nicht mit Stadtteilbezug. Und deshalb, Herr Scheele, unternehmen Sie im Moment überhaupt nichts, um diese Politik der Bundesregierung, die Sie damals mit eingeleitet haben, abzumildern; im Gegenteil, Sie verschärfen sie noch. Sie selbst haben hier in Hamburg den Anteil der Mittel für Arbeitsmarktprojekte, der bisher auf 30 Prozent im Stadtteil festgelegt war, auf 20 Prozent gekürzt. Damit sitzen die Verantwortlichen für diese Kürzungen und für das Wegbrechen dieser Angebote Ende des Jahres nicht in Berlin, sondern zum nicht unerheblichen Teil hier auf der Regierungsbank.

(Beifall bei der GAL, der CDU und bei Nor- bert Hackbusch DIE LINKE)

Da sind wir auch schon beim Regierungsstil dieses Senats. Wer Führung bestellt, wird Führung bekommen – das war Ihr Motto, Herr Scholz, als Sie Parteivorsitzender wurden, und das scheint auch das Motto in diesem Senat zu sein. Wir sehen eine One-Man-Show. Sie treffen Entscheidungen allein, ohne große Rücksprache und ohne Rückkoppelungen. Vielen Sozialdemokraten wird das langsam zu langweilig und sie beginnen, sich um andere Dinge zu kümmern.

(Andy Grote SPD: Ihnen wird es langweilig so langsam!)

Vieles, was die Stadt in den letzten Monaten beschäftigt hat, hatte wenig mit der Lösung von Problemen der Stadt zu tun, aber sehr viel mit innerparteilichen Auseinandersetzungen der Sozialdemokraten. Ein sozialdemokratischer Bezirksamtsleiter, der nicht das geworden ist, was er meinte werden zu müssen, hält den Senat und die Stadt mit immer neuen Provokationen in Atem. Ein Bauwagenplatz soll geräumt werden. Obdachlose sollen erst mit einem Zaun ausgegrenzt und die empörte Öffentlichkeit danach mit einer sündhaft teuren Toilettenanlage befriedet werden. Sie, Herr Bürgermeister, beobachten das relativ ungerührt. Sieht so Ihre Führung aus?

Ihre anerkannte parteilose Kultursenatorin ließ die SPD-Fraktion bei der Neuordnung der historischen Museen gleich ins Messer laufen. Sie stellte uns einen Plan vor, wie alle Häuser über eine Stiftung in eine gute Zukunft überführt werden sollten; die SPD-Fraktion aber beschloss, die Häuser in Bergedorf und Harburg herauszulösen. Ganz offensichtlich waren die Distriktinteressen der Sozialdemokraten wichtiger

(Andy Grote SPD: Das hat die GAL doch mitgetragen! – Dirk Kienscherf SPD: Genau, (Jens Kerstan)

das haben Sie doch mitentschieden im Bezirk! – Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

als ein vernünftiges Konzept der Kultursenatorin für die ganze Stadt und für alle Museen, Herr Dressel.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Dr. An- dreas Dressel SPD: Fragen Sie mal Herrn Preuß!)

Der ehemalige Präses der Handelskammer wird – kaum im Amt als Wirtschaftssenator – demontiert. Beim Nachdenken über die Lösung der Verkehrsprobleme – braucht Hamburg eine CityMaut? – wird er vom Bürgermeister zurückgepfiffen und bekommt ein Denkverbot. Zudem bekommt er das Thema Elbvertiefung nicht in den Griff. Die Kosten explodieren, der Zeitplan ist völlig unrealistisch und einen Dialog mit den Umweltverbänden, um vielleicht einen Ausgleich zu finden, gibt es nicht. Für jeden, der es sehen will, läuft sich ein potenzieller Nachfolger in der SPD-Fraktion schon warm. Und Sie, Herr Bürgermeister, sehen einfach zu.

(Dr. Anjes Tjarks GAL: Nee, er macht mit!)

Dramatischer noch ist die Situation bei der Elbphilharmonie. Das ist schon seit Langem ein sehr schwieriges Problem, aber seitdem die SPD regiert, passiert in dem Bereich gar nichts mehr. Hochtief beutet die Stadt in guter Heuschreckenmanier aus und hat mittlerweile in weiten Bereichen der Baustelle die Arbeit komplett eingestellt. Die Architekten, die ebenfalls an dem Chaos Schuld sind, verdienen an den Kostensteigerungen prächtig.

(Andy Grote SPD: Das haben Sie alles über- haupt nicht verstanden!)

Die Architekten, Herr Grote, haben noch nicht verstanden, dass das Bauen in einer parlamentarischen Demokratie andere Anforderungen erfüllen muss als in Diktaturen wie China und Russland.

Die Senatorin, die hier mit markigen Sprüchen aufgewartet hat – Schluss mit Spielchen –, sieht hilflos zu, wie dieses Projekt gegen die Wand gefahren wird. Und was macht die SPD-Fraktion, um die aktuelle vertrackte Situation im Zusammenhang mit der Elbphilharmonie zu lösen? Sie beschäftigt sich mit der Vergangenheit und sucht die Fehler früherer Senate.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Den PUA haben wir doch zusammen eingesetzt!)

Das ist nicht falsch, man muss aus Fehlern lernen. Aber für die Probleme in der jetzigen Situation haben Sie keinerlei Angebote. Das zeigt eigentlich nur eines: Den Wechsel von einer Oppositions- zu einer Regierungsfraktion, die Verantwortung für die Zukunft trägt, haben Sie bei diesem Projekt noch nicht geschafft.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Jan Quast SPD: Sie haben ja eine Denke, das ist ja grauenhaft! Mein Gott!)

Sowohl der Wirtschaftssenator als auch die Kultursenatorin haben in Ihrem Wahlkampf eine wichtige Rolle gespielt, Herr Scholz; sie sollten den Anspruch untermauern, dass in wichtigen Bereichen vieles besser wird. Aber nachdem sie im Wahlkampf gute Dienste geleistet haben, schauen Sie jetzt ungerührt zu, wie sie demontiert werden und bei wichtigen Projekten zu scheitern drohen. Vielleicht hat es auch einen besonderen Sinn, dass zwei so große und wichtige Projekte der Stadt mit einem parteilosen Senator beziehungsweise einer parteilosen Senatorin besetzt wurden. Denn wenn sie scheitern, dann ist es relativ einfach, ein politisches Bauernopfer zu bringen. Haben Sie das mit gutem Regieren gemeint?

(Andy Grote SPD: Sie haben ausschließlich parteilose Kultursenatoren gehabt!)

Dieser Senat scheint gutes Regieren auch mit Nichtstun zu verwechseln, das zeigt sich besonders im Verkehrsbereich. Die Stadtbahn soll es nicht geben, die Umweltzone nicht, ebenso wenig die City-Maut und die Parkraumbewirtschaftung. All diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, Abgasprobleme und Verkehrschaos zu bekämpfen. Aber der Bürgermeister hat angeordnet, das soll es nicht geben; Alternativen werden nicht genannt.

Das gilt ebenso für den Justizbereich. Das Konzept zum Abbau überflüssiger Haftplätze wird eingemottet und die Senatorin beschließt, erst einmal gar nichts zu machen. Wozu diese Stadt eine eigenständige Gesundheitsbehörde braucht, bleibt ebenfalls ein Rätsel. Die Umweltsenatorin redet über alles Mögliche, nur für die Umwelt will sie sich nicht einsetzen. Fast schon tragisch ist es, dass ausgerechnet in dem Jahr, in dem Hamburg Umwelthauptstadt Europas ist, ein Senat Verantwortung trägt, der für Umweltpolitik demonstrativ nichts übrig hat. Das Jahr ist schon fast um und niemand hat etwas mitbekommen.

(Andy Grote SPD: Dann ist die Planung wohl nicht so doll gewesen!)

Herr Scholz, demonstrative Ignoranz gegenüber der Umwelt ist mittlerweile geradezu zu Ihrem Markenzeichen geworden. Hier wurde eine riesige Chance für Hamburg fahrlässig verspielt.

(Beifall bei der GAL)

Auch auf dem Feld der Energiepolitik verpasst dieser Senat große Chancen. Wenn die SPD ihre eigenen Beschlüsse ernst nehmen würde,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Oh, die nehmen wir sehr ernst!)

dann könnte in diesem Bereich etwas passieren. Ich zitiere aus einer Erklärung des SPD-Parteivorstands:

"Die Energiewende gelingt nur von unten. Wir werden deshalb dafür sorgen, dass die Monopole der vier großen Energieversorgungsunternehmen beendet werden. Diese Monopole haben nur zu überhöhten Preisen, zu Wettbewerbsverhinderung und zu einer Blockade der Energiewende geführt. Neue dezentrale Energieversorger am Markt bringen Wertschöpfung und Arbeitsplätze in die Städte und Regionen."

Muss ich noch darauf hinweisen, dass der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Olaf Scholz diese Erklärung vom Mai dieses Jahres mitgetragen hat? Jetzt arbeiten Sie allerdings daran, das Monopol von Vattenfall und E.ON Hanse in dieser Stadt für die nächsten Jahrzehnte zu zementieren. Sieht so das Regieren mit Wahrheit und Klarheit aus, Herr Scholz?

(Finn-Ole Ritter FDP: Reden Sie doch jetzt mal zum Haushalt!)

Meine Damen und Herren! Wir Grünen haben in den Haushaltsberatungen eigene Schwerpunkte gesetzt. Wir können die Neuverschuldung in diesem Jahr halbieren und die eingesparten Zinsen für Kitas und die Wissenschaft verwenden und wir können durch eine Kulturtaxe und eine Fernwärmeabgabe Mittel in Kultur und Umwelt investieren.

(Robert Bläsing FDP: Abzocken wollen Sie!)

Beide Maßnahmen bringen zusammen rund 12,5 Millionen Euro zusätzlich im Jahr ein. Es gibt Alternativen zu Ihrer Politik.

Meine Damen und Herren! Dieser Haushaltsplan-Entwurf zeigt eines: Sie genießen im Moment in der Bevölkerung einen großen Vertrauensvorschuss. Wer sich allerdings den Haushaltsplan genauer ansieht, wird feststellen, dass Sie den Ansprüchen, die Sie selber aufgestellt haben, nicht gerecht werden. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Von Ihren Versprechungen ist so gut wie nichts übrig geblieben. Das ist leider genau das Gegenteil von gutem Regieren und solider Haushaltspolitik. Wir werden Sie in Zukunft weiter an Ihren Ansprüchen messen, bisher haben Sie sie nicht erfüllt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Frau Suding hat das Wort.

Frau Präsidentin Veit! Erst einmal möchte ich Ihnen für Ihre Worte zu Beginn dieser Sitzung danken. Vor der Haushaltsdebatte ist es auch uns als FDP-Fraktion sehr wichtig zu betonen, dass Deutschland und auch Hamburg mit den

Angehörigen der Opfer der braunen Mordserie trauern. Die Politik auch unserer Stadt muss alles tun, damit sich dies nie wiederholt. Wir Liberalen wollen und werden darauf dringen, dass Hamburgs Behörden mehr denn je wachsam sind, um Terror von rechts wie links zu verhindern.

Herr Dressel, dass Sie allerdings diese schrecklichen Ereignisse dafür instrumentalisieren wollen, die notwendige Schärfe aus dieser Haushaltsdebatte zu nehmen, finde ich dann doch etwas merkwürdig.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD und der heutige Erste Bürgermeister haben im Wahlkampf viel versprochen – ich zitiere –:

"Wir werden verantwortungsvoll und sparsam mit Steuergeldern der Hamburgerinnen und Hamburger umgehen. [Wir werden] neue Vorhaben nur beschließen, wenn gleichzeitig festgelegt wird, wie sie finanziert werden."

Und noch ambitionierter hieß es dann:

"[Wir werden] Hamburg zum Vorbild für finanzpolitische Solidität in Deutschland machen."

Meine Damen und Herren! Die traurige Realität des SPD-Senats sieht anders aus. Der Leitsatz "pay as you go" heißt jetzt "spend as you like".

(Beifall bei der FDP)

Aus dem Anspruch des Ersten Bürgermeisters, Hamburg mit Vernunft, Klarheit und Verantwortung zu regieren, ist längst ein Politikstil geprägt von Unvernunft, Intransparenz und Fahrlässigkeit geworden.

(Beifall bei der FDP)