Weitere Maßnahmen werden folgen. Das geht jetzt los und ist auch die Erwartung der Menschen in dieser Stadt; insofern geht es in die richtige Richtung.
Es gibt noch viele Altlasten, über die jetzt zu reden wäre, Versorgungsfonds, Sondervermögen Stadt und Hafen, der Kollege Quast wird dazu noch etwas sagen.
Sanierung und Entschuldung sind zwei Seiten einer Medaille. Wir müssen jetzt anfangen, dafür zu sorgen, dass die notwendigen Voraussetzungen auf dieser Strecke bis 2020 erreicht werden. Wir
halten an dem langfristigen Konsolidierungskurs ausdrücklich fest, weil er der verantwortbare ist und die Stadt auf diesem schwierigen Weg Richtung 2020 mitnehmen kann. Das ist ambitioniert, aber machbar.
Herr Wersich, zu dem, was Sie eben ausformuliert haben beziehungsweise zu Ihrer Kampagne der letzten Wochen und Monate. Sie hatten beim Tag der offenen Tür eine schöne Carrera-Bahn zum Thema frühe Schuldenbremse aufgebaut, das heißt, dass Sie das Neuverschuldungsverbot auf 2015 vorziehen wollen. Ich habe das Bild noch einmal angeschaut, das hieß: "Wir bremsen früher für Sie" – also Fahrsicherheitstraining im Bereich der Haushaltspolitik. Sie erwecken den Eindruck, als ob der langsamere Bremsweg bis 2020 mehr Verletzte in dieser Stadt fordert und schnelles Bremsen sicherer sei.
Das Problem ist nur, dass anders, als im Straßenverkehr, das Gegenteil der Fall ist. Wer jetzt die Vollbremsung einleitet, wird viele Verletzte zu beklagen haben. Eine strukturelle Schuldenvollbremsung bis 2015 wird eine heftige, unsoziale Bremsspur bei Schulen und Kindergärten, Polizei und Feuerwehr hinterlassen. Das können, das wollen und das werden wir nicht verantworten.
Wenn Sie das trotzdem wollen – das haben Sie eben noch einmal deutlich erklärt –, dann machen Sie bitte zwei Schritte. Fordern Sie nicht nur, die Schuldenbremse vorzuziehen, sondern sagen bitte in diesen drei Tagen genau, wie und wo Sie diese Schuldenvollbremsung realisieren wollen. Das verschweigen Sie aber.
(Beifall bei der SPD – Robert Heinemann CDU: Keine Abschaffung der Studiengebüh- ren, keinen kostenlosen Kindergarten! Hat Herr Wersich alles gesagt!)
Schlimmer noch, hier in der Generaldebatte – Herr Heintze wird das mit der Carrera-Bahn wahrscheinlich noch einmal ausführen – wird auf die ganz besondere finanzpolitische Vernunft gesetzt, aber in den Fachetats – da brauchen wir Ihre Anträge nur durchzuschauen – werden Mehrausgaben gefordert, oder, um Sie zu zitieren, das süße Gift wird in den Fachetats gefordert. In der Finanzpolitik zieht man die Schuldenbremse vor, in den Fachetats fordert man Mehrausgaben. Das passt nicht zusammen und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, meine Damen und Herren.
Wir halten am soliden, langfristigen Sanierungsund Konsolidierungskurs fest und machen trotzdem konkrete Hinweise, wo wir noch weiter rangehen müssen. Wir haben eine Initiative zum Thema
Entflechtung von Durchführungsaufgaben auf den Weg gebracht, weil wir glauben, dass dort Potenzial ist, und wir wollen im Bereich der Büroflächenreduzierung der öffentlichen Verwaltung Ergebnisse sehen. Das sind nur zwei Beispiele, wo wir Potenzial für echte Einsparungen sehen, da sollten wir dranbleiben.
Dass wir parallel die Einnahmeseite nicht vernachlässigen, versteht sich von selbst und das brauchen wir nicht noch einmal extra zu beschließen. Die Bürgerschaft hat in den letzten Monaten schon die nötigen Beschlüsse zum Beispiel für die Einführung einer Vermögensteuer gefasst. Für diese setzt sich der Senat auf Bundesebene ein. Deshalb ist es richtig, dass die Gewerkschaften in diesen Tagen noch einmal darauf hingewiesen haben, dass man bei dem Thema Konsolidierung die Einnahmeseite nicht vernachlässigt, und deshalb ist auch richtig, dass wir das Thema öffentliche Armut sehr aufmerksam ansprechen, dass also ein Zusammenhang zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut besteht, den wir gemeinsam verantwortlich angehen müssen.
Es muss noch einmal gesagt werden – dazu ist bisher nichts gekommen, vielleicht hat Frau Suding später Gelegenheit, dazu noch etwas zu sagen –, dass für schwarz-gelbe Steuersenkungen, die dann in Hamburg neue Löcher reißen würden, nämlich bis zu 72 Millionen Euro ab 2014 oder 2015, aus unserer Sicht null Spielraum besteht. Wenn die Bundesregierung der FDP wieder etwas auf die Beine helfen will, bitte schön, aber nicht mit unserem Geld, meine Damen und Herren.
Wir haben mit den über 30 Initiativen zum Haushalt 2011/2012 an vielen Stellen im Haushalt noch einmal Hand angelegt. Wir haben dem Senat auch Hausaufgaben mit auf den Weg gegeben für den Haushalt 2013/2014. Dass aber die Spielräume geringer geworden sind, das brauche ich keinem Abgeordneten zu sagen. Das ist auch ein Ergebnis der Schuldenbremse, dass es für uns alle eine gewisse Selbstdisziplinierung erfordert, mit politischen Forderungen umzugehen. Das gilt nicht nur für die Regierungsfraktion, das sollte auch für die Oppositionsfraktionen gelten. Wenn ich mir Ihre Anträge so anschaue, hat das mal mehr, mal weniger gut funktioniert. Aber diese Politiker-Floskel "jetzt nehmen wir mal Geld in die Hand", die wir früher oft gehört haben, sicherlich auch von hier, die glaubt uns in dieser Stadt sowieso keiner mehr. Insofern sollten wir gemeinsam daran arbeiten – gerade in Zeiten von Euro- und Finanzkrise, wo das Bewusstsein für öffentliche Verschuldung ganz real ist –, uns verantwortlich zu fühlen auch in der Selbstbeschränkung und dem, was wir an Mehrausgaben fordern. Schaut man sich in diesen Tagen in Europa um, so sind geordnete Finanzen die
Basis für ordentliches Regieren. Wo das eine fehlt, wird es auch mit dem anderen nichts. Mein Appell an Sie alle: Lassen Sie uns diese Haushaltsberatungen auch dafür nutzen, uns darüber zu verständigen, was wir uns zukünftig leisten wollen, leisten können oder auch an einigen Stellen nicht leisten können. Eine solche ehrliche Haushaltsdebatte wünschen wir uns; sie wäre auch ein Beitrag gegen Politikverdrossenheit. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Deutschland beschäftigt sich seit mehreren Wochen mit schmerzlichen Fragen, den Fragen, wie es passieren konnte, dass über viele Jahre hinweg eine rechtsextremistische Terrorzelle in Deutschland ungestraft und unbemerkt Menschen ermorden konnte. Darum ist es richtig, dass wir uns mit der Frage beschäftigen müssen, von der wir alle gehofft haben, dass wir sie uns nach den Gräueltaten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in diesem Lande nie wieder stellen müssen, nämlich ob unsere Gesellschaft, unsere Strafverfolgungsbehörden und unser Verfassungsschutz auf dem rechten Auge blind sind. Das ist eine Debatte, die man sehr ernsthaft führen muss. Man sollte dort nicht einfache Antworten suchen oder populistische Schnellschüsse vollziehen und es sich sehr einfach machen. Herr Dressel, ich muss leider sagen, so wie Sie eben diese Debatte angefangen haben, ist es ein gutes Beispiel, wie man es nicht tun sollte.
Denn Sie haben allen Ernstes den Antrag Ihrer Fraktion zur Erhöhung der Mittel für die Zuschüsse zur Durchführung des Bundesprogramms für Toleranz als gutes Beispiel für eine Konsequenz aus dieser Debatte gezogen. Sie wollen Nazis mit dem Geld bekämpfen, das ihren potenziellen Opfern im Moment zur Verfügung steht. Das ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten und völlig unangemessen, Herr Dressel.
Aber wir wollen heute über den Haushalt und die Politik in dieser Stadt unter dem neuen SPD-Senat sprechen – Anspruch und Wirklichkeit. In Zeiten, in denen Politikverdrossenheit bei sehr vielen Menschen in diesem Lande fast schon in Politikverachtung umzuschlagen droht, ist die Frage, inwieweit eine Regierung das tut, was sie vorher angekündigt hat, eine wichtige. Die Antwort darauf entscheidet nicht nur über die Glaubwürdigkeit des
Klarheit und Wahrheit, Herr Scholz, das waren große Schlagworte in Ihrem Wahlkampf. Vor allem haben Sie versprochen, dass die Wohltaten, die Sie dieser Stadt bescheren wollen, nicht im Widerspruch zu soliden Finanzen unter Ihrer Regierung stehen würden. Das strukturelle Haushaltsdefizit sollte abgebaut werden, Steuermehreinnahmen nicht für Ausgaben verwandt werden, eine Ausgabensteigerung pro Jahr von nur 1 Prozent sollte eingehalten werden. Für neue Ausgaben müsse im gleichen Gesetz stehen, woher das Geld kommen soll, das haben Sie versprochen und damit das Vertrauen der Hamburgerinnen und Hamburger gewonnen. Heute ist der Tag der Wahrheit, Sie legen den Haushalt vor. Nicht in Wahlkampfreden, Regierungserklärungen oder -programmen zeigt sich, was eine Regierung wirklich tun will, sondern in ihrem Haushaltsplan und der Finanzplanung. Hier kann man Taten deutlich ablesen. Diese Zahlen können sehr unbarmherzig sein, denn sie zeigen sehr genau, wofür Geld eingeplant wird und wofür nicht. Sie zeigen, was eine Regierung wirklich tun will und worüber sie nur redet.
Der Haushalt, Herr Bürgermeister, den Sie und Ihr Finanzsenator uns heute vorlegen, zeichnet ein völlig anderes Bild, als Sie im Wahlkampf versprochen haben. Die Ausgabensteigerungen in 2011 betragen nur auf dem Papier 1 Prozent, verglichen mit dem Ist des Vorjahres sind es fast 5 Prozent Steigerung. Sie geben 400 Millionen Euro mehr aus, als der schwarz-grüne Senat geplant hat, und legen sich für die zweite Legislaturperiode
für die zweite Hälfte der Legislaturperiode – eine Wahlkampfkasse in gleicher Höhe an. Sie haben Mehrausgaben in dreistelliger Millionenhöhe beschlossen und in keiner einzigen Drucksache, bei den Studiengebühren, bei der Rücknahme der Kita-Gebührenerhöhung, steht auch nur ein einziges Wort darüber, wo Sie es hernehmen wollen. Der Betriebshaushalt wird ohne dauerhafte Gegenfinanzierung ausgeweitet. Das strukturelle Defizit, das Sie abbauen wollten, steigt, und zwar deutlich. In Ihrer Finanzplanung steht, dass Steuermehreinnahmen und Verbesserungen durch Maßnahmen des Bundes nicht zur Konsolidierung eingesetzt werden. Diese wollen Sie ausgeben und sie dienen nicht der Senkung der Neuverschuldung.
Herr Scholz, das ist alles andere als ein Sparhaushalt, den Sie vorlegen. Es hat wenige Jahre gegeben, in denen der Betriebshaushalt deutlicher ausgeweitet wurde als von Ihnen. Von Ihren Versprechen ist nichts übrig geblieben. Solide Haushaltspolitik sieht anders aus, Herr Bürgermeister.
Man muss schon sehr genau hinsehen, um das zu erkennen, denn Sie haben sich sehr viel Mühe gegeben, es zu verbergen. Aber das zeigt auch noch etwas anderes. Den Anspruch auf Wahrheit und Klarheit haben Sie mit der Haushaltskonsolidierung in diesem Haushalt gleich über Bord geworfen, Herr Bürgermeister.
Damit wir uns nicht falsch verstehen. Viele dieser Maßnahmen bei den Mehrausgaben kritisieren wir Grüne nicht. Es ist richtig, die Studiengebühren abzuschaffen, genauso wie die Rücknahme der verfehlten Kita-Gebührenerhöhung, die wir unter Schwarz-Grün beschlossen hatten; es ist auch gut, dass Sie die Kürzungen im Kulturbereich zurückgenommen haben. Wir Grüne hätten diese Kürzungen niemals mittragen dürfen und wir haben in der Bürgerschaftswahl dafür die Quittung bekommen.
Was wir aber kritisieren, ist Ihre unsolide Haushaltspolitik. Wir kritisieren Sie dafür, dass Sie sich in den jetzigen guten Zeiten ein Haushaltspolster anlegen und sich nicht an die 1-Prozent-Regel halten, und wir kritisieren Ihren mangelnden Ehrgeiz beim Abbau der Neuverschuldung. Die Zeiten der Eurokrise und einbrechender Konjunkturen werden mit Sicherheit zu sinkenden Steuereinnahmen führen. Das blenden Sie vollkommen aus, Herr Scholz und Herr Tschentscher. Für diese Fehler wird die Stadt noch teuer bezahlen müssen.
Sosehr wir die finanzielle Entlastung der Studierenden und im Bereich der Kitas begrüßen, so klar ist uns auch, dass sich dadurch an der eigentlichen Situation an der Universität und in den Kitas gar nichts ändert. Heute müssen wir aber gerade im Bildungsbereich investieren, denn nur damit können wir den Hamburgern und ihren Kindern eine gute Zukunft sichern. Die traurige Wahrheit ist, dass die Stadt in diesem Bereich noch lange nicht da steht, wo sie stehen müsste. Darum müssen wir im Bereich der Wissenschaft und der Kitas mehr investieren und gerade hier die Situation verbessern.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätten Sie sich auf den Weg gemacht. Sie wollen den Wissenschaftsetat um 0,88 Prozent erhöhen. Aber bei genauerem Hinsehen zeigt sich auch hier mehr Schein als Sein, denn die Realität sieht ganz anders aus. Die Inflationsrate liegt im Moment bei 2,5 Prozent, die Tarifsteigerungen liegen in diesem Jahr bei 1,5 Prozent und für das nächste Jahr sind bereits 1,9 Prozent ausgehandelt worden. Die von Ihnen geplanten Erhöhungen im Wissenschaftsbereich werden durch Kostensteigerungen an der Universität, die bereits jetzt absehbar sind, doppelt und dreifach aufgefressen. Der von Ihnen so be
zeichnete Zukunftspakt entpuppt sich damit als ein Spar- und Kürzungsprogramm, und zwar nicht nur für ein Jahr, sondern für die nächsten zehn Jahre, Herr Bürgermeister. Versuche der Hamburger Universität, aufzuholen und an die Exzellenzuniversitäten anzuknüpfen, werden damit abgewürgt und ein Erfolg wird praktisch ausgeschlossen. Das ist kein Pakt für eine gute Zukunft der Universität, sondern das ist – frei nach Gabriel García Márquez – die "Chronik eines angekündigten Todes".
Einer der größten Irrtümer des real existierenden Sozialismus war die Annahme, man könne viele gesellschaftliche Bereiche mit Fünf-Jahres-Plänen regeln.
Der Bürgermeister legt jetzt, gerade in diesem Moment, Zehn-Jahres-Verträge vor. Was schert es Sie, Herr Bürgermeister, dass in dieser Zeit mehrere Bürgerschaftswahlen stattfinden werden und dass künftige Parlamentsmehrheiten überhaupt nicht an das gebunden sein werden, was Sie dort gerade unterschrieben haben. Das ist kein gutes Regieren, das ist pure Überheblichkeit.
Herr Bürgermeister, Sie wollen Ihre Wahlversprechen halten. Das ist gut, das sollten Politiker machen. Etwas irritierend ist nur, dass bei Ihnen anscheinend auch der Umkehrschluss gilt, was Sie niemandem gesagt haben: Dort, wo Sie nichts versprochen haben, sind Sie fest entschlossen, auch nichts zu machen, selbst wenn die Probleme drückend sind. Das zeigt sich nirgends so deutlich wie in der Arbeitsmarktpolitik. Ich weiß nicht, ob es die SPD-Fraktion mitbekommen hat, dass viele Projekte, die seit Jahrzehnten Langzeitarbeitslosen Hilfe versprechen und gleichzeitig das soziale Angebot in den Stadtteilen verbessern, die nicht auf der Sonnenseite liegen, aktuell vor dem Aus stehen. Das gilt für POTTKIEKER, eine Stadtteilküche in Dulsberg, oder auch für das LAURENS-JANSSEN-HAUS in Kirchdorf-Süd. Beide sollen zum Ende des Jahres schließen und das sind nur zwei Beispiele von vielen. Unter einer SPD-Alleinregierung droht das soziale Angebot in dieser Stadt flächendeckend wegzubrechen.
Die Kürzungen gehen zum Teil auf die Politik des Bundes zurück. Damit musste sich auch der schwarz-grüne Senat zu Zeiten der Großen Koalition im Bund auseinandersetzen. Schon damals wurde die Politik eingeleitet, Mittel zur Unterstützung der Langzeitarbeitslosen zu kürzen und in Richtung der Arbeitssuchenden umzuschichten, die relativ schnell und einfach auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen sind. Der damalige Bundesarbeitsminister war Olaf Scholz, sein Staatssekretär Olaf Scheele.