Protocol of the Session on November 10, 2011

(Christiane Blömeke)

Drucksache 20/1942: Bericht des Haushaltsausschusses über die Finanzplanung 2011 bis 2015.

[Bericht des Haushaltsausschusses zum Thema: 20/1678: Finanzplanung 2011–2015 – Senatsmitteilung – (Selbstbefassungsangelegenheit) – Drs 20/1942 –]

Wird das Wort gewünscht? – Herr Heintze, Sie bekommen es.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Drucksache, nämlich der Finanzplan und die Ergebnisse der Beratungen des Haushaltsauschusses, sind eine Vorlage, auf die wir gewartet haben. Sie war vom Senator angekündigt, er hat sie zügig vorgelegt und uns damit früh deutlich gemacht, wohin die Reise finanzpolitisch in den nächsten Jahren geht. Für dieses zügige Zuarbeiten von unserer Seite ein Dankeschön.

(Beifall bei der CDU)

Trotzdem macht diese Drucksache unruhig. Nicht nur, weil die Sicht des Senats anhand einer fast fertigen Vorfassung interessierten Medienvertretern sehr frühzeitig erläutert wurde, und zwar bevor der Ausschuss beschlossen hat, sich mit dieser Drucksache in Selbstbefassung zu beschäftigen. Unabhängig davon, dass wir diese Finanzplanung inhaltlich für unambitioniert halten – dazu gibt es sicher noch viele andere Dinge zu sagen, zu denen ich gleich noch komme –, Herr Senator, hat dieses Verfahren sicherlich nicht viel mit gutem Regieren zu tun gehabt, es hat schon gar nichts mit Transparenz zu tun gehabt und eine richtig gute PR-Offensive war es auch nicht. Wir wünschen uns künftig ein anderes Vorgehen.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing FDP)

Dennoch ist die Drucksache im Ausschuss erörtert worden, indem zügig mit den Stimmen aller Fraktionen eine Selbstbefassung beschlossen wurde, sodass das geheilt ist. Nichtsdestotrotz ist diese Drucksache ein Beleg für eine Finanzpolitik, wie wir sie bisher auch erlebt haben: widersprüchlich, ambitionslos und eine Dokumentation noch zu brechender oder bereits gebrochener Versprechen. Ich sage noch zu brechender, weil die Haushaltsberatungen und die Beschlüsse dazu erst in der übernächsten Woche stattfinden. Das ist typisch für die Finanzpolitik dieses Senats, und von daher ist diese Drucksache ein guter Beleg dafür, was wir gerade haushaltspolitisch erleben.

Warum rede ich von Widersprüchen? Weil andere Dinge erzählt werden, als final geplant und getan werden, und das auch noch mit einem Nimbus, der Unbedarfte denken lässt, alles wäre ganz toll, was

dieser Senat alles tut. Wer als Haushaltspolitiker genau hinschaut, bemerkt aber, dass die nur so tun, als ob sie etwas täten. Wenn man sich aber die Finanzplanung anschaut, dann stellt man fest, dass sie eben nicht das tun, was sie erzählen; das kann nicht sein.

(Beifall bei der CDU und bei Anja Hajduk GAL und Robert Bläsing FDP)

Ich gebe Ihnen drei Beispiele. Das erste Beispiel ist die Aussage, Haushaltssanierung sei wichtig. Herzlichen Glückwunsch, nur leider ist davon in der Planung bis 2015 überhaupt nichts zu erkennen. Stattdessen wird die 1-Prozent-Regel aufgeweicht. Und in einem Pressegespräch wurde angekündigt, es könnten auch 1,4 Prozent werden. Sanierung ist wichtig, aber in dieser Drucksache ist leider nichts davon zu erkennen.

Die zweite Ankündigung lautet, dass es bis 2020 jährlich nicht mehr als 1 Prozent Steigerung bei den Ausgaben geben wird, damit wir die Schuldenbremse einhalten können. Wir starten aber, gemessen an den Ist-Zahlen, mit 5 Prozent mehr und verkünden ansonsten, dass es theoretisch auch 1,4 Prozent jährlich werden können. Das ist ein Widerspruch zwischen dem, was man sagt und dem, was man im Finanzplan schreibt.

Nächster Punkt, die Mehreinnahmen. Bei der letzten Steuerschätzung im Mai wollte die SPD-Fraktion noch die Mehreinnahmen zur Schuldenreduzierung verwenden und der Senator hat, glaube ich, nicht widersprochen. Auch hier sehen wir einen Widerspruch. In dieser Finanzplanung ist davon leider nichts zu sehen, auch da bleiben Sie hinter der eigenen Rhetorik zurück; das ist sehr schade.

Wenn wir diese Drucksache genau interpretieren und dabei in Betracht ziehen, was in den Ausschussberatungen geäußert wurde, dann wird klar, dass der Senat bis 2015, und damit auch bis 2020, mehr Schulden als nötig einplant. Vor dem Hintergrund der aktuellen Lage und der Finanzlage in Europa ist das mehr als verantwortungslos. In dieser Drucksache ist sehr schön niedergelegt, dass Sie gar nicht das Ziel haben, Schulden schnell abzubauen. Sie wollen es erst dann machen, wenn die Verfassung Sie dazu zwingt, und das ist 2020. Ich sage für meine Fraktion: Es kann nicht sein, dass mehr Schulden gemacht werden als nötig, das geht so nicht.

(Beifall bei der CDU und bei Katja Suding FDP)

Wohin das führt, sehen wir am Nachtrag zum Protokoll. In der Sitzung konnte nichts dazu beigetragen werden, was diese Neuverschuldung Jahr für Jahr konkret bedeutet. Es ist natürlich, dass man nicht jeden Zinssatz im Kopf hat. Nun lernen wir aber, dass der Zinssatz für unsere Schulden zwischen 2011 und 2015 von 3,6 auf 4,4 Prozent anwächst. Das ist ein Risiko, das wir angesichts der

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

Entwicklung, die wir derzeit draußen sehen, nicht bereit sind mitzutragen.

Der zweite Schritt: unambitioniert. Warum ist das eine unambitionierte Finanzplanung? Wir haben Mehreinnahmen für die Grundsicherung, wir hatten 2010 eine bessere Einnahmesituation als geplant, rund 700 Millionen Euro mehr, und es gibt eine Steuerschätzung vom November, die Sie uns nächste Woche vorstellen werden. Wir haben nachgerechnet, dass wir bei rund 500 Millionen Euro Mehreinnahmen liegen werden. Es gibt also eine ganze Menge Ereignisse, die es Ihnen ermöglichen, ambitionierte Haushaltspolitik zu betreiben. Was aber tun Sie mit Ihrer Finanzplanung bis 2015? Sie reagieren nicht. Stattdessen lesen wir in der Drucksache 20/1678, die CDU hätte den sportlichen Ehrgeiz, aber der Senat würde an dieser Stelle nichts tun. Tut mir leid, aber es kann in dieser Situation doch nicht wahr sein, dass Sie dasitzen und sagen, wir tun nichts, weil das Mantra des Bürgermeisters gilt, ab 2020 wird gespart und vorher nicht.

(Beifall bei der CDU)

So schön der Begriff sportlicher Ehrgeiz ist, in diesen Zusammenhang passt er nicht. Wir haben eine Rechtslage in der Landeshaushaltsordnung, die besagt, dass ab 2013 keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden dürfen. Bei aller Liebe, jeder, mit dem Sie darüber sprechen, spricht nicht von sportlichem Ehrgeiz, sondern von gesundem Menschenverstand, wenn wir aufgrund von Mehreinnahmen schon früher weniger Schulden aufnehmen wollen. Der gesunde Menschenverstand scheint dem Senat dieser Tage abzugehen.

Der Senat sagt, unsere Linie kennt ihr, und im Protokoll steht dann, das Parlament könne das Defizit ja schneller verringern, wenn es möchte. Das ist ein wichtiger Hinweis, aber was wird das Parlament tun? Wir haben eine klare Aufteilung, es gibt eine Mehrheitsfraktion – auch wenn es danach gerade nicht aussieht, vermutlich werden draußen Mehreinnahmen verteilt – und es gibt Oppositionsparteien, die gearbeitet haben. Die CDU hat einen Antrag eingebracht, der die Schuldenbremse schon 2015 verlangt. Die GAL und die FDP haben sich für andere Lösungen offen gezeigt, wollten sich auf 2015 nicht festlegen und zunächst die Auswertung der Anhörung abwarten. Sie sind aber der Meinung, wenn Konsolidierung schneller möglich ist, sollte man es auch tun. Die LINKE hat auch ihre Position festgelegt, sie sagt ganz klar: Nein, Freunde.

(Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Es kann nicht sein, dass die Parteien, die Oppositionspolitik machen, deutlich klarere Vorstellungen haben, was mit Mehreinnahmen passiert und wie es mit dem Haushalt weitergeht, als die Regierungsfraktion, die nicht einmal bei der entspre

chenden Debatte zuhört. Das ist eine interessante Entwicklung, aber keine gute für die Stadt.

(Beifall bei der CDU, der GAL, der FDP und der LINKEN)

Die SPD hört nicht nur nicht zu, sie ist auch widersprüchlich aufgestellt. Das Problem ist vermutlich der Bürgermeister, der mit seiner Position, die Schuldenbremse 2020 einzuführen, die Linie vorgibt. Der Senator sagt, er habe in der Opposition auch mal eine andere Position vertreten und könnte sich vorstellen, wie das anders geht. Aber wenn die Senatskanzlei 2020 sagt, lege ich selbstverständlich eine Planung vor, die eine Schuldenbremse erst für 2020 vorsieht. Eine SPD-Fraktion weiß nicht so recht, wie sie mit Mehreinnahmen umgehen soll. Herr Quast hat in einer Pressemitteilung – ich habe sie sehr wohl gelesen – nach drei Jubelabsätzen zur Grundsicherung gesagt, die SPD-Fraktion wisse noch nicht so richtig, wie sie mit den Mehreinnahmen umgeht.

(Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Was gilt denn nun, das Mantra des Bürgermeisters, der Bürokratismus des Finanzsenators oder die allgemeinen Überlegungen der SPD-Fraktion? Hier schulden Sie uns Aufklärung. Nutzen Sie doch die heutige Debatte dafür, es wäre für die Opposition schön zu wissen, wo wir uns politisch befinden.

(Beifall bei der CDU)

Tun Sie uns einen Gefallen und lassen Sie uns die Chance, die in der aktuellen Situation liegt, nutzen. Es kann auch wieder schlechter werden, das negieren wir nicht, aber beenden Sie Ihre widersprüchliche Politik in Bezug auf Ankündigung und Umsetzung, entwickeln Sie finanzpolitische Ambitionen und lassen Sie bitte die vorliegende Finanzplanung nicht Realität werden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Quast, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Drucksache, die wir hier debattieren, belegt, dass der Senat seine Finanzplanung stringent am Ziel der Haushaltskonsolidierung orientiert und die Schuldenbremse fest im Blick hat.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich bildet die Drucksache nur die Daten der Mai-Steuerschätzung ab, die vorlag, als diese Drucksache erstellt wurde. Aber die Heranziehung von Steuermehreinnahmen führt zu dem, was Sie fordern, Herr Heintze, nämlich zu weniger Neuverschuldung. Das wird mit der Drucksache klar, auch, wenn der Senat zu Recht davor warnt, zu optimistisch zu werden.

(Roland Heintze)

(Dietrich Wersich CDU: Bei diesem Senat ist das berechtigt!)

Deswegen – und das ist die neue Qualität, die dieser Senat der Finanzplanung zugrunde legt – werden Mehreinnahmen nicht genutzt, um die Ausgaben zu erhöhen, sondern die 1-Prozent-Kappungsgrenze bleibt in dieser Drucksache bestehen, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Dietrich Wersich CDU: Haben Sie nicht das Ende gelesen?)

Das unterscheidet uns ganz erheblich von dem, was wir bisher hier erlebt haben. Es tut mir leid, aber ich muss noch einmal zurückblicken.

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Als Sie 2007 die Schuldenbremse eingeführt haben – darüber wird die FDP sicherlich auch nicht begeistert gewesen sein –, haben Sie im gleichen Atemzug die Haushaltsdisziplin schleifen lassen. Sie haben aufgehört, den Haushalt zu konsolidieren und das war noch nicht wegen der Finanzkrise, die wir danach hatten. Wenn wir die Schuldenbremse erreichen wollen, ist Ausgabendisziplin entscheidend. Wenn die Steuern weiter sprudeln, wenn die Euro-Krise verpufft und wenn CDU und FDP in Berlin endlich zur Besinnung kommen und ihre unsäglichen Steuersenkungspläne aufgeben, dann kann es sein, dass wir schon vor 2020 einen Haushalt ohne neue Schulden erreichen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Genau! Noch mehr Steuern!)

Wen sollte das nicht freuen. Aber, Herr Ritter, die Prognosen der Wirtschaftsinstitute stimmen nicht optimistisch. In der Euro-Krise tauchen immer neue Brandherde auf und ich glaube nicht, dass CDU und FDP in Berlin zur Besinnung kommen und ihre Pläne aufgeben.

(Finn-Ole Ritter FDP: Da haben Sie Recht!)

Deshalb ist es unsere Aufgabe in Hamburg, einen Plan zu verfolgen, der realisierbar und alles andere als einfach ist, aber zum Erfolg führt und angesichts eines zu bewältigenden strukturellen Defizits von 1 Milliarde Euro nachhaltig wirken wird; nachhaltig vor allem deshalb, weil wir auch die Ausgabenseite im Blick haben, denn darauf wird es ankommen. Daher verstehe ich Ihren Vorwurf nicht, wir seien unambitioniert. Wenn Sie die Rechtslage anführen, Herr Heintze, und sich noch einmal für die Schuldenbremse 2013 rühmen, dann muss Ihnen doch auch klar sein, dass die prognostizierten Steuermehreinnahmen nicht ausreichen werden, um eine Schuldenbremse bis 2013 oder 2015 – da schwanken Sie in Ihren Bestrebungen – zu erreichen. Sie müssen also den Bürgerinnen und Bürgern sagen, wo Sie den Rotstift ansetzen wollen. Wo wollen Sie streichen, um die Schuldenbremse schneller zu erreichen?

(Beifall bei der SPD)

Wollen Sie Polizeiwachen oder Feuerwachen schließen? Wollen Sie die Betreuungssituation in Schulen und Kindergärten verschlechtern? Oder wollen Sie die öffentliche Infrastruktur weiter verfallen lassen, Herr Wersich? Wir wollen das nicht. Was wollen Sie?