Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ich mache es ganz kurz. Herr Dressel, Sie haben gesagt, es ginge bei der Moderation darum, das gesamte Problem zu lösen. Dazu möchte ich erstens sagen, dass eine Moderation unter dem Schatten des Zauns keine Moderation ist, sondern der Versuch, Herrn Schreiber aus der Schusslinie zu ziehen.
Zweitens suggeriert es, dass der Zaun irgendwie vielleicht doch ein Beitrag sein könnte zur Lösung der Obdachlosenproblematik. Das ist kein Beitrag zur Lösung, sondern ein Beitrag zur Verschärfung, nämlich ein Beitrag zur Ausgrenzung und Vertreibung. Herr Senator Scheele, Sie haben gesagt, in allen Metropolen gehöre das zum Stadtbild. Ja, aber wir geben uns mit der Situation nicht zufrieden. Wir haben auch einen Vorschlag für ein Programm vorgelegt, weil wir uns damit nicht zufrieden geben.
Was jedoch nicht geht, was wir aber seit 20 Jahren immer wieder erleben, das sind die Versuche, Menschen, die nicht ins Stadtbild passen wie Obdachlose oder Punks, aus dem Stadtbild zu vertreiben. Der Zaun ist ein Symbol für Ausgrenzung und Vertreibung, er ist kein Beitrag zur Lösung, das muss man ausdrücklich festhalten. Deswegen muss darüber gesprochen werden, und es sollten sich möglichst viele an der Problematik der Obdachlosigkeit und ihrer Lösung beteiligen,
Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Uns verbleiben weniger als 15 Minuten, um das nächste Thema aufzurufen.
Wird vonseiten der anmeldenden Fraktion eine Vertagung auf morgen gewünscht? – Das ist der Fall. Damit ist die Aktuelle Stunde für heute beendet. Wir setzen morgen mit dem zweiten Thema fort.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 19, Drucksache 20/1557, Antrag der GAL-Fraktion: Evaluation von Schulversuchen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dieser doch sehr emotionalen Debatte wünsche ich mir, dass wir zur Sachlichkeit zurückkehren.
Ich möchte gern unseren Antrag erläutern. Es geht um die Evaluation der Schulversuche zum längeren gemeinsamen Lernen. Ich möchte vorwegschicken, dass es bei diesem Antrag nicht darum geht, den Schulfrieden zu gefährden. Es geht nicht um den Bruch des Schulfriedens und vor allen Dingen geht es nicht um eine Vergangenheitsbewältigung.
Das Ziel des Antrags und auch das Ziel der Schulversuche sind der Blick nach vorn. Es ist der Blick darauf, wie die Probleme, die in dieser Stadt existieren, gelöst werden können. Der Bildungsbericht, der gestern veröffentlicht wurde, hat deutlich gezeigt, welche Probleme wir in dieser Stadt haben.
Die Schulversuche sind von ihrem Ansatz her alle dazu geeignet, diese Probleme auch zu lösen. Das hat Herr Wersich – er ist gerade leider nicht da, ich
wollte ihn loben – auch im Dezember letzten Jahres erkannt, nämlich dass die Anlage dieser Schulversuche der Problemlösung dienen. Er hat sie in einem sehr mutigen Schritt auch genehmigt, um die Schule nach vorn zu bringen. Er hat bei der Antragsgenehmigung sehr genau geschaut, welche Anträge vorliegen, und er hat auch sehr genau geschaut, welche Konzepte dahinter stehen und wo diese Schulen liegen.
Diese Schulen sind in sehr unterschiedlichen Stadtteilen, vor allen Dingen übrigens in KESS-1-Gebieten, also in sozial schwierigen Gebieten. Er erhoffte sich davon eine Lösung der dortigen Probleme. Diese Probleme bestehen vor allen Dingen bei der Inklusion, also dem Einschluss von Kindern mit Behinderung.
Wir haben, wie es im Bildungsbericht auch gezeigt wurde, das große Problem, dass wir die sozialen Disparitäten dieser Stadt überhaupt nicht gelöst haben. Es gibt das große Problem, dass Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern mit wenig basalen Kompetenzen ankommen, die irgendwie aufgeholt werden müssen. Es gibt natürlich auch das Problem der sehr vielen Kinder mit Migrationshintergrund. Gerade heute haben wir wieder sehen können, dass wir auf 50 Prozent zusteuern. Diese Probleme müssen wir lösen.
Eine Behörde ist sehr gut beraten, auf diese Schulversuche beziehungsweise auf jeglichen Schulversuch gut achtzugeben, denn eine Behörde braucht immer auch einen Think Tank. Eine Behörde, wie übrigens jedes große Unternehmen, hat immer so etwas wie eine Forschungs- oder Entwicklungsabteilung. Diese Forschungs- und Entwicklungsabteilungen dienen dazu, zukünftige Probleme und auch schon bestehende Probleme zu lösen. Hier kann man unter kontrollierten Bedingungen schauen, was geht und was nicht geht.
Unser Antrag ist dahingehend, dass diese Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Behörde, die sich mit diesen Schulversuchen schon eingerichtet haben, natürlich evaluiert werden sollten. Es kann nicht sein, dass diese Schulen unter bestimmten Bedingungen arbeiten – übrigens unter sehr widrigen Bedingungen – und niemand darauf schaut, was dabei herauskommt, ob es funktioniert, was sie machen, ob die neuen Lernformen geeignet sind und ob die Übergänge zu den weiterführenden Schulen gelungen sind. Wir nehmen es immer als zu sehr gegeben hin, dass der Bruch von der Grundschule zur weiterführenden Schule einfach da ist und dass er traumatisch ist. Auf all diese Punkte, die ich noch weiter ausführen könnte, aber erst einmal nicht tun werde, sollte man sehr gut achtgeben.
Ich weiß, dass die Behörde dann gleich, weil es ihre Hausaufgabe war, an der Evaluation gearbeitet hat. Das Evaluationsdesign in groben Zügen lag relativ schnell vor.
Wir wissen alle, dass im März 2011 weder die CDU noch die GAL in der Regierung waren, sondern die SPD übernommen hat. Im August 2011 wurden die ersten Schülerinnen und Schüler eingeschult und sie sind Teilnehmer dieses Schulversuchs. Passiert ist bisher gar nichts. Jetzt haben wir Ende September und es liegt immer noch nichts vor. Das geht nicht. Es ist nämlich laut Paragraf 10 Absatz 3 des Hamburgischen Schulgesetzes vorgeschrieben, diese Schulversuche zu evaluieren. Das ist eine Missachtung des Hamburgischen Schulgesetzes und darauf zielt unser Antrag ab. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Antrag der GAL-Fraktion sind schon mehrere Schriftliche Kleine Anfragen von der CDU und auch von der GAL zum Thema Primarschulversuche vorausgegangen. Erinnern wir uns. Die schwarz-grüne Koalition ist nicht zuletzt an der gescheiterten Schulpolitik zerbrochen. Der CDU-Rumpfsenat hat wenige Wochen vor den Neuwahlen vier Primarschulen als Schulversuche genehmigt, darunter die Schule Rellinger Straße, an der die jetzige schulpolitische Sprecherin der GAL, Frau von Berg, seinerzeit als Elternratsvorsitzende fungierte.
Zuvor hatte die CDU den erklärten Primarschulgegner Dr. Scheuerl auf einen ihrer Spitzenplätze für die Bürgerschaftswahl gesetzt. Da wundert es nicht, dass der CDU-Abgeordnete alles an den Schulversuchen, von der Klassenfrequenz bis zu den Kosten, kritisiert und die Primarschulen am liebsten abgeschafft sehen möchte, während Frau von Berg mit allen Mitteln beweisen möchte, dass ihr Weg der richtige ist, auch wenn er in den kommenden zehn Jahren keine Chance für eine flächendeckende Umsetzung hat.
Meine Damen und Herren von der GAL und der CDU, Sie wollen das Parlament nutzen, um Ihren Kleinkrieg fortzusetzen, und das lehnt die SPD-Fraktion ab.
Herr Dr. Scheuerl, Ihr Fraktionsvorsitzender hat die Schulversuche auf den Weg gebracht. Machen Sie endlich Frieden mit den Schulversuchen und verunsichern Sie nicht weiterhin Schüler, Eltern und Lehrer.
An Frau von Berg möchte ich appellieren: Schüren Sie nicht die Hoffnung, dass die Schulversuche kurzfristig die flächendeckende Einführung der sechsjährigen Grundschule ermöglichen werden. Wir werden uns an den vereinbarten zehnjährigen Schulfrieden halten und wollen keinen Dreißigjährigen Krieg in der Schulpolitik.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau von Treuenfels?
Das Schulgesetz sieht bei allen Schulversuchen eine Evaluation vor. Natürlich wird der Schulversuch der sechsjährigen Grundschulen evaluiert, daran werden wir uns selbstverständlich halten. Da der Versuch erst Anfang des Schuljahres gestartet ist und zehn Jahre dauern soll, haben wir noch genügend Zeit, um sorgfältig und gewissenhaft das Evaluationsdesign zu erarbeiten.
(Beifall bei der SPD – Robert Heinemann CDU: Man kann auch nachträglich noch eine Evaluation machen!)
Wegen des zehnjährigen Schulfriedens besteht auch kein unmittelbarer Handlungsdruck. Die sechsjährige Grundschule stellt vorerst keine schulpolitische Alternative dar. Es kann also in Ruhe überlegt werden, wie einerseits eine gründliche Evaluation durchgeführt wird und andererseits knappe Ressourcen geschont werden. Das ist, davon bin ich überzeugt, das Gebot der Stunde.
Aufgrund der angespannten Haushaltslage muss auch in dieser Evaluation auf die Kosten geachtet werden. Daher sollte auf die eigenen Kompetenzen zurückgegriffen und die behördeninternen Institute mit dieser Evaluation beauftragt werden.