Protocol of the Session on December 17, 2014

(Beifall bei der LINKEN)

Er hat aber den eindeutigen Willen, und das ist mit dem SGB II auch einfacher, Politik gegen Arbeitslose, aber nicht gegen Arbeitslosigkeit zu machen.

(Ksenija Bekeris SPD: Was? Was ist das denn für ein Quatsch!)

Null-Euro-Jobs, die ich Zwangsarbeit genannt habe und heute auch noch nenne, Änderungen bei der Zusätzlichkeit, die nichts anderes bedeuten, als wiederum arbeitslose Ein-Euro-Jobber im Bereich von zum Beispiel Gartenpflege einzusetzen, wozu wir in Hamburg-Mitte einmal eine offizielle Beschwerde des Gartenpflegeverbandes hatten, weil die Gewinneinbrüche gesehen haben. Das kann nicht das Ziel sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Und dann kommt Ihr Antrag zum Mindestlohn, den ich noch einmal mitgebracht habe, weil er einfach so schön ist, vor allen Dingen der Punkt 2, wo der Senat ersucht wird,

"darzustellen, wie die Grundlagen für 'Gute Arbeit' in allen von der Freien und Hansestadt Hamburg beeinflussbaren Bereichen gewährleistet werden können."

Die SPD-Fraktion weiß nicht, was gute Arbeit ist – das ist auch eine Erkenntnis dieses heutigen Tages.

(Beifall bei der LINKEN – Ksenija Bekeris SPD: Von Ihnen brauchen wir keine Beleh- rung, Herr Golke!)

Ansonsten verstehe ich das Mindestlohngesetz so, dass uns eigentlich gerade in diesen Tagen eine Drucksache hätte zugehen müssen, in der der Senat uns darüber in Kenntnis setzt, dass der Mindestlohn per Rechtsverordnung um einen Betrag x erhöht wird. So hat das Gesetz es vorgesehen, und zwar zum 1. Januar 2015. Dieses ist nicht geschehen, und ich habe den starken Eindruck, dass der Senat es vergessen hat und erst auf die Intervention meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage hin überhaupt angefangen hat, die Träger der Sozialpartner hier an einer Erhöhung und mit ihren Vorstellungen zu beteiligen, und das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe langsam den Eindruck, der Senat und die SPD-Fraktion schreiben nicht nur Hausaufgaben, sondern sie spielen ein Theaterstück, nämlich das Drama "Biedermann und die Brandstifter". Bisher

habe ich Sie immer nur für den Biedermann gehalten, der die soziale Spaltung in der Stadt nur nicht zur Kenntnis nehmen möchte und auch die Rufe aus der Opposition nicht nur von links, sondern auch von der anderen Seite des Hauses an dieser Stelle schlicht ignoriert oder als unwahr abtut. Aber die Sanktionsquote ist genauso wie die Arbeitslosenquote immer gleich geblieben: von 3,7 Prozent im März 2011 auf 3,8 Prozent im Dezember 2011, auf 3,9 Prozent im Dezember 2012, im Dezember 2013 waren es sogar 4,3 Prozent und im August 2014, die letzten Zahlen, dann 3,5 Prozent. Die Kürzung der Ein-Euro-Jobs – gegen die ich nichts habe, denn Ein-Euro-Jobs sind nicht das richtige Mittel – ohne Zurverfügungstellung einer Alternative ist ein Eingriff in die soziale Infrastruktur dieser Stadt, und das hören wir an jeder Ecke und aus jedem Bezirk von Projekten, die schon in der zweiten Übergangslösung laufen. Ich nenne Pottkieker, den Kinderbauernhof in Kirchdorf-Süd oder La Cantina, die sich an uns gewandt haben und gesagt haben, sie hätten Schwierigkeiten.

(Ksenija Bekeris SPD: Ja, aber gab es Lö- sungen dafür?)

Ein-Euro-Jobs werden nicht ersetzt, das ist ein Problem, und das ist der Punkt, weshalb ich von Biedermann und den Brandstiftern rede.

(Ksenija Bekeris SPD: Da müssen Sie wirk- lich vorsichtig sein! – Sylvia Wowretzko SPD: Das ist völliger Quatsch!)

Nun regen Sie sich nicht so auf.

Sie sorgen dafür, dass wichtige Projekte in dieser Stadt, die nicht nur Menschen Arbeit geben im sozialen Arbeitsmarkt, sondern die in ihren Stadtteilen auch wichtige Aufgaben wahrnehmen, ihre Arbeit so nicht mehr fortsetzen können, und Ihre Realitätsverweigerung, die Sie mit dieser Arbeitsmarktpolitik hier an den Tag legen, ist ein Punkt, den ich nicht hinnehmen werde und nicht hinnehmen kann. Aber ich sage Ihnen auch, dass Brandstiftung nicht mein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist, und da müssen wir uns auseinandersetzen. Im Übrigen ist es ein Theaterstück.

Ich habe aber noch eine andere Nutzlosigkeit, nämlich eine Kennzahl im Haushalt. Ich rede von der Kennzahl 255 02 016, das ist die mit den Vermittlungserfolgen.

(Jan Quast SPD: Sie kriegen schon die rote Karte! Ich glaube, Sie sollten jetzt mal auf- hören!)

Diese Kennzahl ist intransparent, weil sie uns eine Zahl nennt, aber nicht richtig definiert, was ein Vermittlungserfolg ist. Und sie ist gefährlich, weil wir bisher nur mit Geld im kameralen System gearbeitet haben und jetzt eine Kennzahl bekommen, die intransparent ist und nicht deutlich macht, wann ein Vermittlungserfolg vorliegt oder wann nicht –

nach sechs Monaten oder nach Bestehen der Probezeit. Wir schlagen vor, viel Geld in die Hand zu nehmen, aber wir glauben nicht, Herr Schwieger, dass man mit Geld alles lösen kann. Wir glauben aber, dass man Geld nützlich einsetzen kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Senator Scheele, Sie haben das Wort, wenn Sie es wünschen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie haben die ganze Zeit nicht zugehört, wie wollen Sie denn jetzt debattieren? Sie müssen mal zu- hören, das ist wirklich respektlos!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe sehr wohl zugehört, keine Sorge.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie haben die ganze Zeit geredet, das habe ich doch gesehen!)

Das ist gut, dass Sie das gesehen haben. Man hört, aber man sieht nicht beim Hören.

(Beifall bei der SPD)

Die Debatte über den Einzelplan 4 ist wie in den vergangenen Jahren in drei Teile aufgeteilt. Es ist ein bisschen schwierig, daraus etwas aus einem Guss zu machen. Unsere Art ist es aber nicht, dieses Haus in drei Teile aufzuteilen. Ich versuche es einmal so zu machen, dass es als eines wirkt, denn es geht immer um Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit, wenn es um den Einzelplan 4 geht. Wir sind ständig bemüht, die verschiedenen Politikfelder, die die Sozialbehörde kennzeichnen, so aufzustellen, dass sie ineinandergreifen, denn nur wenn sie ineinandergreifen, erzielt man eine möglichste gute Wirkung über alle Bereiche und über alle Sozialgesetzbücher hinweg, mit denen wir es zu tun haben. Das fängt dann mit den Kleinsten in den Geburtskliniken und den frühen Hilfen an, setzt sich über die Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur in Krippe, Kita und Schule sowie der neu geschaffenen Regelinstitution Jugendberufsagentur fort. Wir wollen, dass möglichst alle Hamburgerinnen und Hamburger, zwar mit unserer Hilfe, aber aus eigener Kraft ihr Leben meistern können. Dafür setzen wir uns in allen Bereichen ein, und klar ist auch, je früher wir ansetzen, desto nachhaltiger wird die Wirkung sein.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt für alle Bereiche und genauso für den Bereich Arbeit. Durch die verschiedenen von uns eingeleiteten Maßnahmen wie beispielsweise das Anerkennungsgesetz von ausländischen Abschlüssen und das dazugehörige Stipendienprogramm, durch den Einsatz für "Gute Arbeit" und vor allen Dingen die Etablierung der Jugendberufsagentur

stellen wir sicher, dass niemand verloren geht und die Menschen ihre Fähigkeiten zum eigenen Nutzen, aber auch zum Nutzen der ganzen Gesellschaft einbringen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen jeden Einzelnen, das zeigt auch die Fachkräftediskussion, und es kann gar nicht anders sein, als dass jeder und jede die Unterstützung erhält, die er benötigt, um sich selbst eine aufstiegsorientierte Zukunft zu schaffen. Wie erfolgreich wir dabei sind, möchte ich anhand der Jugendberufsagentur darstellen. Erreichten im Jahr 2012 nur 25 Prozent aller Schulabgänger direkt nach der Schule eine Ausbildung, so haben wir nach zwei Jahren Arbeit der Jugendberufsagentur diese Zahl auf 38 Prozent anheben können. Obwohl ich mir wünschen würde, dass diese Zahl weiter steigt, ist es zunächst einmal ein gewaltiger Erfolg. Hinzu kommt, dass auch nicht alle Abgänger nach Klasse 10 direkt eine Ausbildung suchen, fangen doch einige ein freiwilliges soziales Jahr an oder gehen für einige Zeit ins Ausland. Diejenigen, die nicht gleich mit einer Ausbildung beginnen konnten, werden in eine Maßnahme der Ausbildungsvorbereitung vermittelt. Diese Maßnahmen waren, als wir begonnen haben, überhaupt nicht erfolgreich. Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo 10 Prozent der Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen eine Anschlussperspektive hatten. Heute sind diejenigen, die vor einem Jahr eine ausbildungsvorbereitende Maßnahme begonnen haben, zu 70 Prozent in Ausbildung vermittelt. Das ist ein gigantischer Erfolg.

(Beifall bei der SPD)

Ein Wort zu den Langzeitarbeitslosen. Das hat hier eben eine große Rolle gespielt, und das spielt auch bei uns eine große Rolle. Unser Ziel bleibt die Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Wir wissen aber, dass es eine recht große Zahl von Menschen gibt, die diesen Schritt auf absehbare Zeit nicht werden schaffen können. Der von uns vorgelegte Sozialbericht hat noch einmal bestätigt, dass Langzeitarbeitslosigkeit, ist sie erst einmal eingetreten, nur ganz langsam und schwer überwunden werden kann. Er hat vor allen Dingen gezeigt, wie bedeutsam Bildung und Qualifikation im Hinblick auf die Erwerbsbeteiligung sind. Fehlende Schul- und Berufsabschlüsse sind meistens verhängnisvolle Fehlentscheidungen in der Jugend, die auch zu Langzeitarbeitslosigkeit und Dauerarbeitslosigkeit führen können. Es bleibt festzustellen, dass etwa ein Drittel der Leistungsempfänger im SGB II seit 2005 durchgehend im Leistungsbezug ist. Das sind 30 000 und das sind 30 000 zu viel.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte gemeinsam mit dem Bund, dass sich die Politik für diese Menschen etwas ändert und sich die Hilfen und Leistungen für diese Menschen

(Tim Golke)

ändern, denn es bleibt uns nichts anderes übrig als anzuerkennen, dass wir mit unseren bisherigen Angeboten diesen Personenkreis eben nicht erreicht haben. Für diesen Personenkreis, ich habe es gesagt, ist der reguläre Arbeitsmarkt meist relativ weit entfernt, und es ist utopisch zu glauben, dass wir diese Personen mit einer sechsmonatigen Fördermaßnahme erreichen und dann tatsächlich in den Arbeitsmarkt integrieren können. Deswegen, da teile ich die Auffassung des einen oder anderen Vorredners, werden wir uns für einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose engagieren und versuchen, so etwas zu etablieren über einen Zeitraum von mehreren Jahren, der eben weit über sechs Monate hinausreicht, der die Basis ist für sozialflankierende Leistungen, für Familienmanagement, Sozialberatung und Schuldnerberatung und der diese Langzeitarbeitslosen wieder in die Lage versetzt, ihren Tag zu strukturieren und vielleicht, wenn Kinder im Haushalt wohnen, auch wie andere Eltern morgens zur Arbeit zu gehen und zurückzukommen und als Vorbild für die eigenen Kinder dazustehen.

(Beifall bei der SPD)

Einen solchen Arbeitsmarkt kann man mit zwei Methoden umsetzen. Man kann es über Arbeitsgelegenheiten tun. Wenn man es über Arbeitsgelegenheiten tut, muss die Zusätzlichkeit fallen. Diese Art der Infantilisierung von Arbeitsmarktpolitik geht nicht, damit kann man das nicht regeln. Wir brauchen eine Gesetzesänderung dazu.

(Beifall bei der SPD)

Die andere Methode ist, man macht es sozialversicherungspflichtig. Dann darf man im Wettbewerb agieren. Dazu brauchen wir mehr Geld im Eingliederungstitel, das ist hier auch gesagt worden, und wir brauchen einen Passiv-Aktiv-Transfer, den es, Frau Demirel, nicht gibt, weil die Länder keine Gesetzgebungskompetenz haben und ihn schlichtweg nicht durchführen können. Es gibt ihn nicht in Baden-Württemberg, es gibt ihn nicht in NordrheinWestfalen, und es wird ihn auch nie in einem Bundesland geben, wenn der Bund das Gesetz nicht ändert. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Aber wir sind dabei, den Bundesrat zu befassen und sowohl für die Frage der Zusätzlichkeit als auch für die Frage des Passiv-Aktiv-Transfers einen Gesetzgebungsvorschlag zu machen. Dazu brauchen wir aber die Zustimmung des Hauses Schäuble. Darum wollen wir uns bemühen, und vielleicht gibt es dafür auch Unterstützung aus diesem Haus, dass wir hier in der Großen Koalition ein Stück weit vorankommen. Ich finde, es wäre gut, wenn wir mehr für Langzeitarbeitslose tun könnten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es jetzt keine weiteren Wortmeldungen gibt, fahren wir mit der Debatte zum Bereich Soziales und Integration fort, und auch hier beginnt Frau Dr. Föcking von der CDU-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Einzelplan 4, die zweite – ein Déjà-vu, ich weiß, aber so ist das halt heute. Der Haushalt der Sozialbehörde ist der größte Posten im Haushalt der Stadt Hamburg. Insgesamt sind Ausgaben in Höhe von fast 2,7 Milliarden Euro geplant. Der Sozialsenator wird nicht müde zu erklären, dass der größte Teil davon gesetzliche Leistungen sind – da könne man nicht viel machen.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das stimmt!)