Nächster Punkt, denn man soll auch nichts schönreden: Es gibt wahrscheinlich das Problem des Lohndumpings im Taxengewerbe. Aber wo ist da die Rolle der Politik? Wir orientieren uns, wenn wir über Taxenordnungen reden, daran, dass die langjährige Praxis, die es gibt, dass zum Beispiel ein Taxifahrer bei der Kostenkalkulation, die wir vornehmen, mit 45 Prozent am Umsatz als Fahrerlohn beteiligt wird. Da orientieren wir uns an Erfahrungswerten, auch die, die wir für richtig halten. Die absolute Kontrolle, wie es dann im einzelnen Taxenunternehmen gehandhabt wird – das will ich ganz deutlich sagen –, entzieht sich dann unserem Einfluss. Deswegen will ich nicht so tun, als gebe es nicht auch Schwierigkeiten im Taxengewerbe, aber blicken Sie auf die Rahmensetzungen, die wir vorzunehmen haben und dann werten Sie einmal, ob wir nicht bei den Rahmenbedingungen ein Stück vorangekommen sind. Einen ersten Teil habe ich schon gesagt.
Ich möchte jetzt noch auf die Zukunft eingehen. Der Senat wird voraussichtlich am nächsten Dienstag eine Änderung der Taxenordnung beschließen. Was haben wir vor? Wir haben vor, den Grundpreis zu erhöhen und wir haben auch vor, je nach Kilometerlänge gestaffelt, dann die Preise anzuheben. Das führt, wenn es so beschlossen wird, tatsächlich zu der in der Öffentlichkeit schon diskutierten knapp 6-prozentigen Steigerung bei der Einzelfahrt. Der Senat hat das nicht einfach nur so geplant und meine Behörde nicht so geplant und beschlossen, weil wir uns miteinander im kleinen Kreis zusammengesetzt und nachgedacht hätten, nein, wir haben intensiv mit dem Gewerbe diskutiert. Wenn wir also solch eine Änderung der Taxenordnung vornehmen, dann will ich Ihnen sagen, dass wir eine intensive Diskussion und Anhörung mit allen Verbänden geführt haben. Wir haben auch bei dem Vorschlag, den wir unterbreitet haben, die Eckpunkte, die die große Mehrheit des Gewerbes vertreten hat, in unserer Tarifanpassung ausdrücklich vereinbart.
Es gibt insbesondere einen Punkt, den wir anders sehen, und der bezieht sich darauf, ob Wartezeiten berechnet werden. Ist es denn mit Blick auf Taxennutzung sinnvoll, dass staubedingt die gleiche Strecke unterschiedlich viel kostet?
Das ist bei keinem anderen Verkehrsmittel so. Deswegen haben wir in unserer Taxenordnung gesagt, dass wir das nicht wollen, es sei denn, es gibt eine Wartezeit, wenn man als Kunde gar nicht erst einsteigt. Dann läuft ab einer Minute die Uhr.
man mit dem Taxi vom Flughafen in die Stadt fährt und in eine autoverkehrsreiche Zeit kommt und dann doppelt so viel zahlt wie zu einer anderen Zeit, dann halten wir das im Sinne der Transparenz – man muss auch einmal an den Kunden denken – für falsch. Deswegen haben wir dazu eine andere Meinung, aber, ich finde, mit sehr guten Argumenten.
Insgesamt haben wir bei der Erhöhung der Tarife nicht nur darauf geguckt, was für den Kunden wichtig und notwendig ist, auch für den Kunden, der vielleicht durch Gehbehinderung auf kurze Strecken angewiesen ist, sondern auch darauf, dass ein Deckel bei der Tarifanpassung da sein muss. Wir haben uns nicht nur diesen Blickwinkel des Kunden für das Gesamtgewerbe zu eigen gemacht, sondern haben uns auch die Argumente von den Taxigewerbetreibenden zu eigen gemacht, die selber anerkennen, dass, wenn wir mit einer Tariferhöhung überreizen, im Endeffekt auch dem Gewerbe nicht gedient ist. Ich glaube, dass es natürlich bei solch einer großen Gruppe von Betroffenen immer Kritik gibt. Seien Sie gewiss, dass wir mit vielen Betroffenen geredet haben. Ich glaube, ich habe einige Fakten präsentiert, dass Sie abwägen können, ob wir da nicht auf einem ganz vernünftigen Weg sind. Deswegen freue ich mich, dass wir so ruhig darüber debattieren konnten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Senatorin, leider haben Sie in Ihrem Redebeitrag das schönfärberische Bild Ihrer Presseerklärung nachgemalt und Sie, Kollegin Gregersen, leider auch.
Die Erfolgsmeldung dieser Pressemeldung ist nicht einmal dann wahr, wenn man die Durchschnittszahlen zugrunde legt. Sie hatten sie ja genannt. Man hätte schon erwarten können, dass das Gutachten angesichts der Explosion der Kosten preisbereinigte Zahlen vorlegt, damit man wenigstens weiß, wovon man spricht.
Erstens ist die Lage überhaupt nicht rosig und zweitens ist sie für einen nicht kleinen Teil der Taxifahrerinnen und -fahrer, nämlich die Alleinfahrer und die Kleinunternehmen, ausgesprochen schlecht.
Frau Gregersen, Sie sprachen davon, dass der Markt geteilter Meinung sei. Das ist nun wirklich auch kein Wunder. Selbst das Gutachten spricht
Bei den Erlösen pro Stunde beträgt der Durchschnittswert laut Gutachten 13,47 Euro. Bei den Taxen ohne Funk – und das sind immerhin über 41 Prozent – liegt der Durchschnitt bei nur 11 Euro und das schon seit Jahren.
Alleinfahrer ohne Funk kommen nur noch auf durchschnittlich 8,68 Euro. Der Durchschnittswert sagt also überhaupt nichts aus. Es gibt natürlich welche, die bei 20 Euro liegen und die bewerten die Situation ganz anders als jemand, der bei 8 Euro und mehr liegt.
Für die Taxibetriebe beziehungsweise die Alleinfahrer, die unter dem Durchschnitt und zum Teil erheblich unter dem Durchschnitt liegen, ist die Situation – das deuten die Zahlen an – ausgesprochen prekär. Aus der Musterkalkulation für 2008 lässt sich errechnen – und jetzt hören Sie bitte genau zu –, dass das Jahreseinkommen für Alleinfahrer mit Funk bei 8939 Euro, für Alleinfahrer ohne Funk bei 8334 Euro im Jahr liegt. Das heißt, dass diese Fahrer nicht einmal Hartz IV erreichen und aufstocken müssen. Das sind 700 Euro im Monat.
Das hat natürlich Folgen, nämlich dass der Zwang zu überlangen Schichten zunimmt. Ich quäle Sie jetzt ein bisschen mit Zahlen, damit wir wenigstens über dasselbe reden.
Durchschnittlich betragen die Schichten heute 9,6 Stunden. Alleinfahrer ohne Funk kommen locker auf über zehn Stunden. Es gibt auch Fahrer, die Schichten von zwölf Stunden und mehr machen, um irgendwie ihr Auskommen zu finden, und das nicht an fünf, sondern oft an sechs Tagen in der Woche. Da summieren sich die Arbeitszeiten für Einzelunternehmer manchmal auf 300 bis 350 Stunden im Monat. Da müssen Alleinfahrer auf Urlaub verzichten. Da sparen sie an der Altersvorsorge, besonders schlimm, weil dann die Altersarmut vorprogrammiert ist. Da sparen sie an der Krankenversicherung. Von der Bildung betrieblicher Rücklagen ist ganz zu schweigen. Es darf ihnen also überhaupt nichts passieren.
Zuletzt noch ein anderes Problem, das Frau Senatorin Hajduk auch angesprochen hat. Das Tarifelement Wartegeld wurde – ich sage es jetzt einmal
vereinfacht – vor geraumer Zeit de facto abgebaut, jedenfalls in den Tourbereichen, die das Gros des Geschäfts ausmachen. Lassen Sie sich aber von dem Begriff Wartegeld nicht täuschen. Es geht hier nämlich nicht um das Warten, sondern um die Zeit im Stau, an Ampeln und so weiter, in der sowohl die wagenbedingten Kosten weiterlaufen – der Motor läuft, Benzin rinnt durch – und die Fahrer natürlich auch Zeit verbrauchen, die sie nicht bezahlt bekommen.
Wen immer man anspricht, wenn man einmal mit dem Taxi fährt, so sagen alle, dass sie dieses Wartegeld zurückbekommen wollen. Das Gutachten weist darauf hin, dass in den durchschnittlich 9,6 Stunden pro Schicht die Taxen durchschnittlich nur 2,6 Stunden mit Fahrgästen besetzt sind. Bei den sogenannten Graupen, also den Taxen ohne Funk, sind es sogar nur 2,1 Stunden. Die arbeiten manchmal 12 Stunden und haben 2,1 Stunden Fahrgäste. Das heißt, sie müssen in diesen 2,1 bis 2,6 oder mehr Stunden den Umsatz erwirtschaften.
Jetzt will wirklich niemand, dass die Taxipreise so explodieren, dass keiner mehr fahren kann. Aber die Tarifanpassung muss so gestaltet werden, dass sie die Not verhindert, in die eine große Zahl von Taxifahrern geraten ist und in die noch mehr Taxifahrer geraten werden, auch aufgrund der Kostenexplosion. Es gibt vernünftige Vorschläge.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 41 und 35 auf, die Drucksachen 19/630 und 19/592, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Erhöhung des Sozialhilferegelsatzes gemäß Paragraf 28 Absatz 2 SGB XII nach Gutachten rückwirkend zum 1. Juli 2008 und Antrag der SPD-Fraktion: Regelsätze nach SGB XII endlich den tatsächlichen Lebenshaltungskosten in Hamburg anpassen.
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Erhöhung des Sozialhilferegelsatzes gemäß § 28 Absatz 2 SGB XII nach Gutachten rückwirkend zum 01.07.2008 – Drs 19/630 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Regelsätze nach SGB XII endlich den tatsächlichen Lebenshaltungskosten in Hamburg anpassen! – Drs 19/592 –]
Beide Anträge möchte die SPD-Fraktion an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Joithe-von Krosigk hat es.
Herr Präsident, sehr verehrten Damen und Herren! In Paragraf 1 Absatz 1 des Sozialgesetzbuches, also des SGB I, sind die Aufgaben unseres Sozialstaates definiert. Dort ist von der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit die Rede. Das Sozialrecht soll dazu beitragen, ein menschenwürdiges Leben zu sichern, die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern und besondere Belastungen des Lebens abzuwenden und auszugleichen, ein Anspruch, der die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte festschreibt, die jedem Menschen zustehen, wohlgemerkt festschreibt, auf dem Papier. In der Realität reichen jedoch 351 Euro pro Monat zu einem menschenwürdigen Leben weder hin noch her.
Eine freie Entfaltung der Persönlichkeit bei staatlich verordneter Unterversorgung ist kaum möglich. Wer sein Abgeordnetenbüro in den sogenannten Brennpunktvierteln hat, der kann ein Lied davon singen. Dort geben sich nämlich die "Unterversorgten" geradezu die Klinke in die Hand. Sie fragen nach Rat, sie beschweren sich und viele schämen sich auch ihrer Armut. Bei jedem gibt es am Monatsende zu viel Monat und zu wenig Geld.
Wer entscheiden muss, ob er sich entweder eine Monatskarte für den HVV oder einen Kinobesuch oder einen Tag im Tierpark Hagenbeck gerade noch vom Munde abspart, der ist in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit zumindest äußerst beschränkt. Mit Freunden kann man sich kaum noch treffen, das Restaurant ist zu teuer und bei Einladungen kann man sich nicht revanchieren. Geburtstagsfeiern bleibt man fern, weil selbst für das kleinste Geschenk kein Geld vorhanden ist. Die eigene Wohnung wird dann zur Burg, die nur noch selten verlassen wird. So bleiben Ausgrenzung und Armut fast unsichtbar.
Einige Zahlen: Mit Stand vom Juni 2007 – neuere gibt es nicht – gab es in Hamburg rund 23 000 Leistungsberechtigte nach den Kapiteln III, das ist die Hilfe zum Lebensunterhalt, und Kapitel IV, das ist
die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung des SGB XII. Das heißt, mehr als 85 Prozent der Leistungsberechtigten, also knapp 20 000, bezogen Grundsicherungen beziehungsweise Leistungen wegen Erwerbsminderung. Die Leistungsberechtigten im Rechtskreis des SGB II, das ist das sogenannte Arbeitslosengeld II, zählten im Vergleichszeitraum Hamburg rund 206 000 und davon waren rund 150 000 erwerbsfähige Hilfebedüftige.