Ein anderes Beispiel. Frau Senatorin Goetsch, die erst seit kurzem Schulsenatorin ist, hat unmittelbar nach Morsals Tod – zwei Wochen danach – in der Landespressekonferenz, bei der der Senat seine Schlussfolgerungen zum Thema Morsal schon gezogen und verkündet hat, gesagt, die Papierlage
Der Vertreter ihrer Behörde sagte dann letzte Woche im Jugendausschuss, man werde jetzt eine Dienstanweisung für die Abmeldung von Schülern ins Ausland erarbeiten. Des Weiteren sagte er: Wir werden eine Dienstanweisung zur Absicherung der Interventionskette in solch einem Fall erarbeiten. Dann sagte er noch: Wir werden Checklisten aus unseren Materialien herausgeben, aufgearbeitet mit dem, was jetzt bei uns im Hause entsteht.
Frau Goetsch, Sie bezeichnen die Richtlinien und Checklisten als hervorragend und der Vertreter Ihrer Behörde kündigte an, sie würden jetzt erarbeitet. Ich denke, hier gibt es einen klaren Widerspruch. Vielleicht mögen Sie uns den erklären.
Sogar noch einen Schritt weiter geht Herr Kerstan. Der sagte in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung zur schwarz-grünen Koalition am 7. Juni – ich zitiere –:
"Die erste Bewährungsprobe, den tragischen Mord an Morsal, haben wir bestanden. Da haben wir schnell Konsequenzen gezogen."
Der Mord als Bewährungsprobe. Der Vertreter der Sozialbehörde hingegen räumt drei Tage später im Ausschuss ein – ich zitiere aus dem Wortprotokoll der Ausschusssitzung –:
Drei Tage später, nachdem nach der Vorstellung von Herrn Kerstan die Konsequenzen schon gezogen waren,
bevor überhaupt irgendjemand in die Akte geschaut hat. Tatsächlich hat die Auswertung gerade erst begonnen. Ich glaube, auch das ist ein klarer Widerspruch. Herr Kerstan, wie geht denn das zusammen?
Alle wussten in diesem Fall Bescheid, die Schule, die Jugendhilfe, die Polizei und die Justiz, aber geholfen hat dem Mädchen am Ende niemand. Noch heute Vormittag saß eine Mutter in meinem Abgeordnetenbüro in Rothenburgsort – das ist der Stadtteil, in dem Morsal gelebt hat – und erzählte mir unter anderem, dass Morsal schon immer Angst gehabt hätte, nach der Schule nach Hause zu gehen und alle hätten das gewusst. Erzählt werden in Rothenburgsort übrigens noch ganz andere Geschichten über das Leiden des jungen Mädchens.
geschlagenen Zahn im Rechtsmedizinischen Institut des UKE war. Dorthin kam sie mit Hilfe der Polizei, während sie in Obhut des Kinder- und Jugendnotdienstes war. Dort, bei der Rechtsmedizin ist ihr Leid dokumentiert worden. Danach ist sie vom Kinder- und Jugendnotdienst wieder zu ihrer prügelnden Familie geschickt worden, wurde erneut misshandelt, hat dann noch einmal einen Tag vor ihrem Tod die Polizei gerufen und war keine 24 Stunden später tot.
Die letzten Handlungen oder vielleicht besser Nichthandlungen der Jugendhilfe fallen angeblich unter den Sozialdatenschutz. Der zuständige Senator Wersich mochte uns im Ausschuss bisher nicht sagen, ob und welche Versuche unternommen worden sind, das Mädchen im Auge zu behalten, zu betreuen und zu beschützen. Nach wie vor heißt es lapidar, dass Morsal die Obhut des Kinder- und Jugendnotdienstes verlassen wollte und man sie da nicht hätte aufhalten können. Ob und wie das überhaupt versucht worden ist, darüber schweigt Herrn Wersichs Behörde.
Wenn wir die letzten Tage des Mädchens betrachten, dann ist es ganz offensichtlich und auch nicht erst im Nachhinein, dass es nicht allein um Jugendhilfe geht, sondern tatsächlich um Gefahrenabwehr und hier liegt ein ganz klares Versagen der zuständigen Behörden vor.
Aber offenbar misstrauen Sie von der CDU- und Sie von der GAL-Fraktion auch Ihrem eigenen Senat, denn sonst müssten Sie nicht Dinge, die Sie schon in Ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, noch einmal eigens in einem Antrag formulieren, den Sie uns heute vorlegen.
Wenn Sie glauben würden, Herr Kerstan, dass der Senat tut, was Sie vereinbart haben, dann müssten Sie das nicht noch extra beantragen, kaum, dass die Tinte unter dem Koalitionsvertrag trocken ist.
(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wer solch einen schlechten Antrag wie die SPD schreibt, der sollte den Mund halten! Das ist noch nicht einmal heiße Luft!)
Herr Voet van Vormizeele, entweder Sie trauen Ihrem eigenen Senat nicht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der GAL, und deshalb beantragen Sie vorsichtshalber noch einmal, was Sie ohnehin umsetzen wollten oder es musste schlicht und einfach ein Papier für die heutige Sitzung her.
Bewährungsprobe für die schwarz-grüne Koalition. Das muss man sich wirklich einmal wörtlich auf der Zunge zergehen lassen.
Wir haben bereits in der vergangenen Legislatur die Erfahrung machen müssen, dass es erhebliche Diskrepanzen gibt zwischen dem, was die zuständigen Senatorinnen und Senatoren und die Sprecher der Senatsparteien in der Öffentlichkeit sagen und dem, was dann tatsächlich unter ihrer Verantwortung getan wird. Deswegen haben wir beantragt, dass der Senat berichten soll, was er wirklich getan hat und was er zu tun gedenkt. Ich glaube, angesichts dieser Vorgeschichte ist dieser Antrag mehr als berechtigt.
Die Hamburgerinnen und Hamburger haben einen Anspruch darauf zu erfahren, was der Senat zum Schutz der Jugendlichen und Kinder konkret tut und zu tun gedenkt. Wir haben in diesem Fall bisher erstens eine Landespressekonferenz mit Senator Wersich und Senatorin Goetsch erlebt, die erste Schlussfolgerungen dargestellt haben, während im Hintergrund verantwortliche Behörden Antworten auf unsere Schriftlichen Kleinen Anfragen gefiltert haben.
Wir haben zweitens erlebt, dass hier heute ein Antrag eingereicht wird, eilig gezimmert, der aufschreibt, was im Koalitionsvertrag steht und ansonsten der Sache überhaupt nicht gerecht wird. Beides, meine Damen und Herren, brauchen wir nicht. Wir brauchen alle Auskünfte über das, was passiert ist. Wir brauchen kein Versteckspiel hinter Sozialdatenschutz und wir brauchen eine saubere Aufarbeitung. Bisher sieht es danach leider nicht aus. Deshalb wollen wir einen Bericht, der gründlich und für jedermann nachprüfbar auflistet, was der Senat tut und was er nicht tut.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst eine grundsätzliche Sache vorweg. Die arglose und wehrlose jüngere Schwester wurde in einen Hinterhalt gelockt und auf schreckliche Weise getötet. Die Tat erfolgte aus niederen Beweggründen, heimtückisch und grausam. Solch eine Tat steht nach meinem Dafürhalten im völligen Gegensatz zu allem, was ich unter dem Begriff Ehre verstehe. Sie ist völlig unehrenhaft und insofern möchte ich vorweg sagen, dass ich in dem Zusammenhang den
Begriff des sogenannten Ehrenmordes unangemessen finde, weil diese Wortbegriffe in meinen Augen überhaupt nicht zusammenpassen.
Es verträgt sich nach meinem Dafürhalten auch nicht mit unseren Ehrbegriffen, Frauen zu schlagen oder überhaupt andere Menschen zu schlagen. Ich lehne deshalb auch außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols und außerhalb von Notwehrsituationen Gewalt als Mittel grundsätzlich ab. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen.
Ansonsten muss ich zu Ihren Äußerungen, Frau Veit, doch noch einmal sagen, dass ich das Gefühl habe, dass das Wortprotokoll, das jetzt vorliegt, sie ein bisschen zur Wortklauberei und Wortverdreherei verführt hat.
Das finde ich nicht gut, wie Sie das machen, aber das müssen Sie selber wissen, ob das Ihrer Rolle als Vorsitzende gerecht wird.
Ansonsten kann ich feststellen, dass der Senat sofort reagiert hat. Wir finden es richtig, wenn Fälle auftreten, dass es zum Überprüfen des Verwaltungshandelns und des staatlichen Handelns führt. Ziel ist die Optimierung von Maßnahmen. Wir müssen auch feststellen, dass da mit Sicherheit ein Umdenken erforderlich ist, was solche Fälle angeht. Da gibt es keinen Dissens. Es hat auch schon konkrete Maßnahmen gegeben, beispielsweise, dass die telefonische Abmeldung an der Schule nicht mehr möglich ist. Nun muss man natürlich sagen, dass man das hier festgestellt hat, aber das hätte der armen Jugendlichen mit Sicherheit nicht geholfen. Aber man hat dort schon einmal einen Schwachpunkt festgestellt und behoben.
Ansonsten habe ich die Ausschusssitzung des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses irgendwie ganz anders als Sie erlebt. Es wurde ausführlich berichtet und die Dinge wurden sehr detailliert durchgegangen. Das war vielleicht einigen aus Ihrer Fraktion ein wenig langweilig geworden, jedenfalls hatte man das Gefühl.
Das würde ich so nicht sehen. Auf jeden Fall wurde dort ausführlich berichtet und das ist ganz wichtig.
Für uns steht fest, dass es auch bei ausgeprägten Hilfesystemen keinen hundertprozentigen Schutz geben kann. Fehler im Handeln sind zwar nicht erkennbar gewesen. Das Ergebnis als solches ist natürlich trotzdem tragisch und dem muss man sich stellen. Die Frage ist, wo man letztendlich anfängt? Fängt man in der Kita an, fängt man in der Schule an? Müssen die Hilfesysteme weiterentwickelt wer