Ich habe es auch noch nicht alles gelesen. Ich möchte Ihnen aber sagen: Der entscheidende Satz ist ein juristischer Satz. Der wirkt völlig harmlos. Das Entscheidende, was in diesem Vertrag von Lissabon festgelegt wird, ist, dass die Rechtsstaatlichkeit auf europäischer Ebene definiert wird, während das, was wir verlangen, die Sozialstaatlichkeit, auf dieser Ebene nicht festgelegt wird mit der Begründung, das werde schon auf nationaler und regionaler Ebene geregelt werden und sei dort auch geregelt. Das hört sich nach nichts Wichtigem an. Wir sagen, das ist eine politisch völlig falsche Weichenstellung. Sie besagt, dass das Soziale in Europa niedrig gesetzt wird und dass das, was wir an Erfahrungen mit sozialen Standards, die gesenkt werden, gemacht haben, in den nächsten Monaten und Jahren noch weiter festgelegt wird.
Ich will Ihnen ein konkretes Beispiel dafür nennen, was sich anhand von verschiedenen Gerichtsurteilen des Europäischen Gerichtshofs in den letzten Monaten festgesetzt hat. Eine Sache trifft Hamburg jetzt in dieser Zeit schon hart und brutal. Das ist die Frage dessen, dass nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dem sogenannten Rüffert-Urteil, Vergabegesetze der Bundesländer in der Form, in der wir das gemacht haben, nicht mehr erlaubt sind. Das bedeutet für Hamburg – Frau Ahrons wird mich darin bestätigen – ein großes Problem für das gesamte Baugewerbe, weil wir dort in den letzten Jahren dadurch eine stabile Situation der Beschäftigten haben, weil durch das Vergabegesetz dort Hamburger Löhne bezahlt werden können. Das ist durch die europäische Gesetzgebung gefährdet. Hier ist die Qualität von Zehntausenden von Arbeitsplätzen gefährdet. Das ist eine Art und Weise, wie wir bisher auf regionaler Ebene wunderbar Politik machen konnten
und wunderbar in der Lage waren, soziale Standards festzulegen. Das wird uns durch diese europäische Gesetzgebung gegenwärtig nicht mehr erlaubt.
Unser Vorschlag dazu ist, dass es die Möglichkeit gegeben hätte, über den Lissaboner Vertrag und über die Diskussion dieses Vertrags oder Zusätze dazu in der Lage zu sein, soziale Standards zu setzen und auf regionaler Ebene Politik für eine soziale Stadt zu machen. Wir stellen fest, dass uns dieses Instrument weggenommen worden ist. Ich betrachte es als eine Aufgabe von uns allen hier, sich dagegen zu wehren, damit das möglich ist. Und ich verlange das auch von allen, die nach mir reden. Das ist das eine.
Ich verlange das, weil Sie angetreten sind und gesagt haben, dass Sie soziale Standards in dieser Stadt sichern wollen. Diese sind in diesem Bereich hart bedroht. Die Handwerkskammer würde Ihnen das deutlich erzählen, wenn Sie dort einmal nachfragen würden, welche Bedrohungen existieren.
Das zweite entscheidende Moment, das wir haben, ist: Wir verlangen, dass solche wichtigen Gesetzesregelungen wie der Lissabon-Vertrag in Zukunft durch Volksbegehren abgestimmt werden können.
Volksbegehren sind die einzige Möglichkeit, den europäischen Gedanken breit in der Öffentlichkeit zu diskutieren und nicht unter einem Expertenwissen und damit nicht verankert in der Bevölkerung laufen zu lassen, wie das beim Lissabon-Vertrag heutzutage der Fall ist. Dementsprechend möchte ich Sie darauf hinweisen, diesen Gedanken mit aufzunehmen. Gerade die Grünen sollten sich doch über so etwas freuen.
Herr Hackbusch, man hat gemerkt, dass Sie den Vertrag in der Tat noch nicht zu Ende gelesen haben, denn Ihnen sind einige wesentliche Punkte entgangen.
Unter anderem ist Ihnen entgangen, dass durch diesen Vertrag die Subsidiarität gestärkt wird, die Parlamente im Vergleich zur Kommission gestärkt werden, Volkspetitionen ermöglicht werden und eine gemeinsame Außenpolitik der EU gestärkt wird. Darauf sind Sie mit keinem Wort eingegangen. Ich glaube, wenn man dieses Thema debattiert, ist es nachlässig, so vorzugehen.
Ich glaube aber auch, dass das einen Grund hat, warum Sie so vorgegangen sind. Mir ist aufgefallen, als ich mich auf diese Rede vorbereitet habe, dass Ihr Umgang mit der Europäischen Union ein extrem populistischer ist. Sie haben dort ein Feld entdeckt, wo Sie sagen: "Mensch, das verstehen die Menschen nicht so richtig, da lass uns einmal reinhauen. Da lass uns einmal Punkte herauspicken, da lass uns einmal draufgehen. Zeigen wir den etablierten Parteien einmal, was eine Harke ist." Dabei betreiben Sie ein Spiel, das für Hamburg extrem gefährlich ist. Sie haben übersehen, dass Hamburg als eine Hafenstadt und eine stark internationale Stadt auf die Europäische Union angewiesen ist. Sie haben übersehen, dass Hamburg auf verständnisvolle Partner angewiesen ist, die sagen, dass man an einem gemeinsamen Projekt arbeite und nicht an Einzelinteressen oder Populismuskampagnen, die uns auf die zukünftigen Europawahlkämpfe vorbereiten sollen.
Der Binnenmarkt sichert Arbeitsplätze. Und wenn Sie davon sprechen, dass Zehntausende von Arbeitsplätzen durch eine kleine Regelung bedroht seien, dann übersehen Sie, dass in dieser Stadt Hunderttausende von Arbeitsplätzen durch die EU und die EU-Politik der letzten Jahre gesichert wurden. Diesem Konsens entziehen Sie sich hier und peinlicherweise die SPD in Berlin gleich mit.
Sie torpedieren Zuverlässigkeit, die wichtig ist für unsere europäischen Partner und für einen Staat wie Deutschland, der in der EU groß ist und wo die Partner sehr intensiv schauen, was wir tun. Wenn Sie hier anfangen, Tür und Tor zu öffnen – zum Beispiel mit Ihren Volksbegehren, die Sie auf EUEbene auch noch verbindlich fordern –, dass nationale Völker gegeneinander ausgespielt werden, nur weil es der LINKEN gerade passt und man Volksbegehren auf den Weg bringen muss, dann ist das verantwortungslos und trägt sicherlich nicht zum Frieden in Europa bei.
Aber – und da wird Ihr Populismus besonders deutlich – Sie sagen, wir bräuchten jetzt ganz viele Volksbegehren auf EU-Ebene und das müsse man einmal alles machen. Nur haben wir in Berlin in
Tempelhof gerade gelernt: Wenn Ihnen die Ergebnisse nicht passen, dann sind die Volksbegehren bitte nicht zu respektieren und zu beachten.
Herr Heintze, ich möchte gerne wissen, ob Sie mit Ihrer Formulierung, wo so viele Arbeitsplätze entstanden sind, gesagt haben, dass Ihnen die Zehntausende Arbeitsplätze, die durch die Vergaberichtlinie gefährdet sind, nicht so bedeutend sind.
– Nein, das habe ich nicht gesagt, weil ich diese Arbeitsplätze nicht gefährdet sehe. Ich sehe sie allerdings durch Ihre Politik gefährdet, wenn Sie sich dem EU-Konsens der Parteien hier in diesem Hause entziehen.
Der Populismus, den Sie hier an den Tag legen, ist schädlich für Hamburg. Wir als CDU werden uns dagegenstellen. Wir werden Ihr Spiel nicht mitspielen. Wir bekennen uns deutlich zu Lissabon. Lissabon bringt Vorteile für Hamburg. Und diese Politik werden wir fortsetzen, egal, was für Initiativen Sie hier starten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hackbusch, Sie können sicher sein, dass ich alles gelesen habe, was die LINKE zum Thema Europa von sich gegeben hat. Ich muss Ihnen aber sagen: Allerdings mit Schrecken. Das Thema ist viel ernster und grundsätzlicher, als dass man einfach einen Vertrag so ablehnen könnte, wie Sie das hier vorgetragen haben. Das Thema ist viel ernster und grundsätzlicher.