Der schwarz-grüne Senat verfolgt eine Sozialpolitik, die die soziale Grundsicherung garantiert und konkrete Probleme lösen hilft. Aber unser eigentliches Ziel ist es, dass Menschen wieder Verantwortung für sich selbst und andere übernehmen können, dass sie sich wieder aus dem Transferleistungsbezug lösen können.
Wir wollen einen Sozialstaat, der die Menschen aktiviert. Das gilt nicht nur für die klassische Sozialpolitik, sondern auch für andere Politikfelder, wie Stadtentwicklung, Familienförderung, Jugendarbeit, Integration, Gesundheit, Bildung und Arbeit. Leitende Gedanken sind dabei Subsidiarität, Integration und Generationengerechtigkeit. So verstehen wir zum Beispiel Erziehung von Kindern vorrangig als Aufgabe der Familien. Eltern und andere Erziehungspersonen sollen dabei unterstützt werden, diese Aufgabe verantwortungsvoll und kompetent zu erfüllen, damit Kinder ihre Lebenschancen optimal entfalten können.
Aber gerade belastete Eltern müssen von Angeboten erreicht werden und Wege gezeigt bekommen, den Alltag zu meistern. Dabei müssen die vielen unterschiedlichen Angebote im Stadtteil miteinander vernetzt werden und gut kooperieren. An erster Stelle steht immer das Wohl der Kinder. Staat und Gesellschaft müssen eingreifen, wenn Kinder vor Vernachlässigung und Gewalt in der Familie geschützt werden müssen.
Bei Schwierigkeiten darf niemand wegschauen. Alle müssen eng zusammenarbeiten, damit rechtzeitig und richtig auf Anzeichen von Vernachlässigung reagiert werden kann. So müssen wir beispielsweise bei den Vorsorgeuntersuchungen nachbessern, um eine höhere Verbindlichkeit zu erreichen. Für die U 6 und U 7 werden wir in Zukunft verbindlich einladen und bei Nichtteilnahme nachkontrollieren.
Im Übrigen: Niemand von uns verkennt, dass es große gesellschaftliche und soziale Probleme gibt. Niemand verkennt, dass auch die Politik, dass der
Staat die Aufgabe hat, diese Probleme, nämlich Ungerechtigkeiten und Verletzungen des Grundsatzes der Chancengerechtigkeit zu minimieren. Aber ich bin davon überzeugt, dass diese Probleme nicht der Staat, sondern in erster Linie die Gesellschaft aus sich selbst heraus lösen muss. Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen, fördern, fordern, helfen, gelebte Nächstenliebe organisieren und vieles Andere mehr, aber die Verwirklichung einer gerechten Gesellschaft muss sich von unten entwickeln: aus Eigenverantwortung und Engagement, aus der Kraft der Familien, aus dem Willen, Verantwortung für andere übernehmen zu wollen, aus der Nachbarschaft, aus den Quartieren, aus der Selbstorganisation der Menschen, um diese Gesellschaft selbst und nicht durch den Staat zu organisieren. Davon sind wir fest überzeugt.
Gerechte Gesellschaft heißt nicht, dass der Staat alles in die Hand nehmen muss, sondern es heißt, dass der Staat die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen muss, sich selbst und anderen zu dienen. Das ist Subsidiarität und dazu bekennen wir uns ausdrücklich.
Die neue Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt hat es unlängst in einem Vortrag im ElyséeHotel gesagt:
"Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze […] Wirtschaftspolitik muss heute globale, soziale und ökologische Aspekte integrieren."
Erfreulicherweise glaubt auch die Hamburger Wirtschaft und ist überzeugt davon, dass Wirtschaft und Ökologie heutzutage kein Gegensatz mehr sind. Eine Umfrage belegt, dass 45 Prozent der Führungskräfte dem Koalitionsvertrag gerade in dieser Hinsicht immerhin ein "befriedigend" geben. 20 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer stellen uns sogar ein "gut" oder "sehr gut" aus. Das heißt, dass die alten Gegensätze von Wachstum und Ökonomie auf der einen Seite und Nachhaltigkeit und Ökologie auf der anderen Seite von der Politik mit der Wirtschaft und den Bürgern gemeinsam überwunden werden. Das ist unser Ziel und das werden wir erreichen.
Eine wachsende Wirtschaft ist wichtig, damit die Menschen durch Arbeit selbstbestimmt für ihr Auskommen, ihr persönliches Glück und das Wohl ihrer Kinder sorgen können. Der Standort Hamburg
hat mit seiner breit gefächerten Wirtschaftsstruktur Stärken, die wir ausbauen wollen. Gleichzeitig müssen wir Spielräume für neue Entwicklungen schaffen und nutzen, damit Hamburg sein Potenzial in einer globalisierten Weltwirtschaft weiterentwickeln kann. Die Vereinbarung von Ökonomie und Ökologie bedeutet hier Zukunftssicherung und Chance zugleich.
Mit dem Koalitionsvertrag bekennen wir uns zum Beispiel zu einer Energieversorgung, die dem Anspruch der Verbraucher auf eine verlässliche und kostengünstige Energielieferung, den Klimaschutzzielen und insbesondere einem hohen Wirkungsgrad von Kraftwerken und niedrigem spezifischen CO2-Ausstoß gerecht wird.
Auf dieser Grundlage – und vor dem Hintergrund des im Jahre 2014 auslaufenden Konzessionsvertrages über den Betrieb des Fernwärmenetzes – wird eine europaweite, transparente und diskriminierungsfreie Ausschreibung zum Betrieb dieses Netzes durchgeführt, inklusive der Schaffung grundlastfähiger Kraftwerkskapazitäten in der Region Hamburg.
"…entscheidet rechtlich über die Genehmigungs- und Erlaubnisanträge zum Bau eines Kohlekraftwerks in Moorburg."
Diese Formulierung aus dem Koalitionsvertrag beschreibt verantwortungsvoll die rechtliche und politische Realität unserer Stadt.
Rechtlich befinden wir uns in einem Genehmigungsverfahren, das nicht durch politische Absichtserklärungen ersetzt werden kann. Dies ist im Übrigen nichts Neues. Natürlich bin ich, ganz persönlich, und die Union mit der politischen Vorgabe in den Wahlkampf gegangen, dass in Moorburg ein Kohlekraftwerk gebaut werden soll. Die erforderlichen Mehrheiten hierfür gibt das Wahlergebnis nicht her. Aber auch die damalige Vereinbarung mit Vattenfall besagte, dass diese politische Weichenstellung unter dem rechtlichen Genehmigungsvorbehalt steht. Warum hätte sonst in der vom letzten Senat getroffenen Vereinbarung mit Vattenfall die Verpflichtung seitens Vattenfall gestanden, für den Fall der Nichtgenehmigung die getätigten Baumaßnahmen zurückbauen zu müssen? Politische Absichten ersetzen eben nicht das rechtlich Gebotene. Auch hier möchte ich Skeptiker beruhigen: Ich gehe davon aus, dass das Genehmigungsverfahren für den Bau des Kraftwerkes Moorburg so zügig wie möglich abgeschlossen wird und dass die Modalitäten der Ausschreibung eines grundlastfähigen Kraftwerkes in der Region
bis spätestens Herbst dieses Jahres geklärt sein werden. Es geht nicht um Vertagung, es geht um einen rechtlich und politisch vernünftigen Weg und den gehen wir.
Stichwort Elbvertiefung: Wir wissen natürlich um die ökonomische Bedeutung der Elbe für die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens. Wir sehen aber auch die Notwendigkeit, die ökologische Situation der Elbe deutlich zu verbessern. Die Ökologie der Elbe soll daher in Zukunft vom Wachstum des Hamburger Hafens profitieren. Wachstum wird Umwelt finanzieren. Das ist unser Leitgedanke.
Das laufende Planfeststellungsverfahren wird fortgeführt. Über die rechtliche Zulässigkeit des Ausbaus der Unterelbe wird im Rahmen des laufenden Planfeststellungsverfahrens durch die Planfeststellungsbehörden des Bundes und der Freien und Hansestadt Hamburg entschieden werden.
Nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens werden die Hamburger Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten an der Umsetzung mitwirken. Nach Realisierung und Vollzug des jetzt laufenden Fahrrinnenanpassungsprojektes wird es keine weitere Fahrrinnenanpassung mehr geben.
Hamburg wird noch in diesem Jahr eine Stiftung errichten, deren Zweck auf die Verbesserung des ökologischen Zustands der Elbe ausgerichtet ist. Und es soll eine haushaltsneutrale Differenzierung bei Hafenentgelten in Bezug auf die Umweltfreundlichkeit von Schiffen geben, das heißt, einen Bonus für klimafreundliche Schiffe, einen Malus für klimafeindliche Schiffe. Auch das ist die Vereinbarung von Ökonomie und Ökologie, zu der wir uns ausdrücklich bekennen.
All diese Punkte zeigen, dass wir Ökologie, Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum nicht als Widerspruch begreifen, sondern im Gegenteil: Wir verbinden Ökonomie und Ökologie, um zum einen unsere Lebensgrundlage zu sichern und für die Zukunft auszubauen und zum anderen, die damit verbundenen ökonomischen Chancen zu nutzen.
Beispielhaft wollte ich Ihnen an diesen drei ehemals gegensätzlichen Begriffspaaren darlegen, wie wir mit diesem Senat versuchen werden, lang eingeübte und wiederholte Gegensätze überall dort zu überwinden, wo es möglich ist. Dabei geht es nicht um ein Modell, nicht um ein Projekt, nicht um eine Option aus Sicht der Bundespolitik, es geht nicht darum, in Geschichtsbücher einzugehen, sondern es geht schlicht darum, eine Koalition zwischen einstigen politischen Gegnern einzugehen, eine Koalition, die ermöglicht, neue und – wie ich überzeugt bin – für Hamburg gute Wege zu gehen. Es liegt mir fern, die politische Vernunft philosophisch zu überhöhen und etwa Heraklit zu zitieren, der wusste:
Sie kennen die Koalitionsvereinbarung und ich verzichte darauf, sie in dieser Regierungserklärung minutiös vorzutragen, sondern ich verweise ausdrücklich auf den Ihnen bekannten Text. Mein Anliegen heute ist es, Ihnen den Grundgedanken dieser Vereinbarungen näher zu bringen.
Wir haben uns für die nächsten vier Jahre viel vorgenommen. In einigen Bereichen löst dieses hohe Investitionskosten, in anderen Bereichen hohe Betriebskosten aus. Darum sind uns zwei Dinge bewusst:
Erstens: Qualität und Umfang öffentlicher Leistung sind abhängig von einer starken Wirtschaft. Ohne eine solide Wirtschaft, ohne vernünftige, stabile Steuereinnahmen kann ein Gemeinwesen nicht finanziert werden, vor allem neue Aufgaben nicht finanziert werden. Wir werden und wollen daher alles tun, um die wirtschaftliche Grundlage dieser Stadt zu stärken, natürlich ohne den Grundsatz der Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie zu vernachlässigen. Diesem dienen auch wichtige Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur, der Arbeitsmarktpolitik, der Bildung und Fortbildung. Dabei verlieren wir auch unsere norddeutschen Nachbarn nicht aus dem Blick. Die erfolgreiche norddeutsche Länderkooperation der vergangenen vier Jahre zeigt, dass mit der Politik der guten nachbarschaftlichen Zusammenarbeit wesentliche gemeinsame Grundlagen geschaffen worden sind, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Norddeutschland insgesamt deutlich zu stärken. Gleichzeitig wollen wir die Menschen animieren, noch mehr Verantwortung und Selbstverantwortung für das Gemeinwesen im Ehrenamt, in Stiftungen, durch Spenden und Mäzenatentum wahrzunehmen. Die Konzepte der Wachsenden Stadt und der Kreativen Stadt bieten dafür eine gute Grundlage.
Zweitens ist uns in Sachen Kosten ein Stichwort sehr bewusst, und zwar Haushaltsdisziplin. Wir brauchen eine große Haushaltsdisziplin, denn was wir als neue Prioritäten benannt haben, werden wir ohne neue Schulden finanzieren; dazu stehen wir gemeinsam.
Diese Koalition steht für eine nachhaltige Haushaltspolitik. Das wird Veränderungen mit sich bringen. Der zu erarbeitende Haushaltsplan 2009 und 2010 wird zur Finanzierung neuer Prioritäten selbstverständlich Umschichtungen beinhalten. Und Umschichtungen bedeuten selbstverständlich auch Änderungen von Planungen und Verzicht auf Liebgewonnenes.
Natürlich werden diejenigen, die davon betroffen sind, massiv gegen solche Umschichtungen protestieren. Die Erfahrung lehrt, dass diejenigen, die am lautesten über die Notwendigkeit einer soliden Haushaltspolitik und das Vermeiden von Schulden sprechen, gleichfalls am lautesten protestieren, wenn sie selbst von Umschichtungen und der Solidität einer solchen Politik betroffen sind. Aber wir werden das gemeinsam gut durchstehen können.
Wir sind uns der Verantwortung bewusst, dass diese Umschichtungen vernünftig und abgewogen erfolgen müssen. Ohne Konflikte geht dies nicht, das wissen wir, aber das werden wir gut bewerkstelligen.
Meine Damen und Herren! Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich längst nicht zu allen Bereichen der Politik etwas gesagt habe. Ich wollte Ihnen ersparen, den Koalitionsvertrag vorzutragen und darüber hinaus noch all das, was unabhängig von der Formulierung im Koalitionsvertrag weiterläuft und weiter gemacht wird. Ich weiß jetzt schon, dass der eine oder andere sagen wird, dieses Stichwort fehlt und jenes Stichwort fehlt und dazu hat er nichts gesagt und dazu hat er nichts gesagt.
Es geht nicht darum, an alphabetischen Stichworten die Politik als Ganzes abzuarbeiten, sondern es geht darum, Ihnen den Grundgedanken dieser Koalition, Gegensätze zu überwinden, politische Frontstellungen der letzten 20, 30 Jahre zu überwinden, Ökologie und Ökonomie zusammenzuführen und diese Grundsätze zum Wohl der Stadt zu entwickeln, näher zu bringen. Selbstverständlich stehen wir – das sage ich noch einmal – zu allen Formulierungen und Prioritäten, wie sie im Koalitionsvertrag genannt worden sind ebenso wie dazu, dass viele gute und notwendige Dinge, auch wenn sie nicht ausdrücklich im Koalitionsvertrag oder jetzt genannt worden sind, selbstverständlich fortgeführt werden. Mir ging es nicht um buchhalterisches Aufzählen, sondern um den Grundgedanken.
Ich bin überzeugt, dass diese Koalition über die ganze Legislatur, also über vier Jahre, vertrauensvoll und gut zusammenarbeiten wird. Ich bin überzeugt, dass diese für Deutschland neue Konstellation nach erster Verwunderung, dem Reiz des Ungewohnten, schnell zur fachlich-kompetenten Routine werden wird. Ich bin überzeugt, dass es klug und vernünftig ist, wie schon in der Gesellschaft und im Privaten, nun in der Politik den Versuch zu unternehmen, Trennendes zu überwinden, ohne dabei die Identität der einzelnen beteiligten Parteien aufzugeben.