Protocol of the Session on January 20, 2010

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, dass Herr Becker wenigstens einräumt, dass es sich bei dem SPD-Antrag um einen äußerst sachlichen Beitrag handelt.

(Michael Neumann SPD: Wie immer eigent- lich!)

Wenn ich mir allerdings den Schluss anhöre, dann sind Sie genau bei dem, was Herr Hamann auch gesagt hat, nämlich beim Prinzip Hoffnung, und das wird das Ergebnis dieser Diskussion sein. Mit dem Prinzip Hoffnung werden Sie der Situation auf dem Wohnungsmarkt absolut nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich will das noch einmal zitieren, weil Sie und auch Herr Hamann aus meiner Sicht zu dem eigentlichen Problem gar nicht Stellung genommen haben. Es heißt eingangs in dem SPD-Antrag:

"Die Situation auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ist besorgniserregend. Bedarf und Angebot driften immer weiter auseinander. Während immer mehr Menschen eine Wohnung suchen, werden seit Jahren viel zu wenig neue Wohnungen gebaut. Die Auswirkungen sind vor allem im Segment der preiswerten Mietwohnungen deutlich spürbar."

Also was da steht, kann ich im Tenor aus dem Wohnungsbauentwicklungsplan mit genau denselben Formulierungen herausholen. Es ist eine wirklich ausgesprochen sachliche Beschreibung des Zustandes, den wir haben.

Wenn ich jetzt auf den Wohnungsbauentwicklungsplan und Ihre Politik zurückkomme, Herr Becker, dann verhält es sich eben genau so, dass Sie – ich würde es einmal umdrehen – im Wohnungsbauent

wicklungsplan im Grunde einräumen, dass die Situation kritisch und besorgniserregend ist; man kann es auch drastischer formulieren. Aber was Sie da auf den Weg gebracht haben, reicht nicht. Herr Grote hat es treffend zusammengefasst und charakterisiert. Am Ende der Legislaturperiode werden wir die Situation keineswegs verbessert, sondern noch verschlechtert haben. Das ist die Situation.

Wir haben vorhin über den Hafen und die maritime Wirtschaft gesprochen. Machen Sie bloß nicht so weiter, auch der Bereich Wohnungen ist ein ausgesprochen kritischer Bereich. Da sind wirklich Tausende von Leuten betroffen und das, was wir im November an Entwicklung der Mieten im Mietenspiegel gesehen haben, ist einfach eine Auswirkung dieser kritischen Situation auf dem Wohnungsmarkt. In dem Maße, wie der Wohnungsneubau in den letzten Jahren zurückgegangen ist – es gibt sicher auch noch andere Faktoren –, werden bei wachsender Wohnbevölkerung die Mieten nach oben geschleust. Das ist für einen Großteil der Hamburgerinnen und Hamburger wirklich eine Bedrohung und wir haben damals einvernehmlich gesagt, der Wohnungsbauentwicklungsplan wäre ein Schritt nach vorne. Jetzt sagt die SPD, bei genauem Hinschauen sei eigentlich nicht viel passiert in dieser Legislaturperiode; das zeichnet sich zumindest im Wohnungsbau ab. Was kann man denn jetzt wirklich tun, um die Situation der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern? Es ist doch nicht unser Spielfeld, sondern die Politik ist doch dazu da, deren Situation zu verbessern. Dazu müssten Sie, Herr Hamann oder Herr Becker, einmal Stellung nehmen. Was kommt denn am Ende dieser Legislaturperiode heraus?

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas Dressel und Andy Grote, beide SPD)

Wenn mir noch eine kritische Anmerkung gestattet ist: Mir hätte es natürlich besser gefallen, wenn in der Überschrift "Vorfahrt für den preiswerten Mietwohnungsbau!" stehen würde. Auf Seite 2 des Antrags wird zu Recht darauf hingewiesen – das hat auch Herr Hamann locker eingeräumt und gesagt, daran können wir nichts ändern –, dass wir momentan auf städtischen Baugrundstücken eine Nettokaltmiete zwischen 11 und 15 Euro haben. Und das ist bei dem gegenwärtig in Hamburg noch existierenden Mietniveau für viele Bürgerinnen und Bürger einfach unbezahlbar.

Es geht natürlich darum, wie wir das verändern, also den Mietwohnungsbau nach vorne bekommen und dann auch im preiswerten Segment zu einer Verbesserung des Angebots kommen. Da können wir uns alle drehen und wenden, wie wir wollen, das werden Sie nur zusammen mit öffentlicher Intervention hinbekommen. Das bekommen Sie nicht im Selbstlauf hin. Das ist die zentrale Herausforde

(Horst Becker)

rung und da soll am Ende der Legislaturperiode abgerechnet werden.

Nun finde ich es ganz merkwürdig, Herr Hamann, dass Sie sagen, ein wichtiger Faktor seien die Flächen. Wenn man sich die städtischen Liegenschaften anschaut, dann sind dort von 2002 bis 2008 dreimal so viele Büroflächen entstanden wie Flächen für Wohnzwecke. Da können Sie mir jetzt nicht entgegenhalten, das müsse automatisch so sein, weil das alles für Gewerbe ausgewiesen sei. Das würde ich infrage stellen, das müssten wir uns gemeinsam anschauen. Das ist vielleicht auch das, was der Wohnungsbaukoordinator machen kann, das Flächenmanagement und die Zurverfügungstellung von Grund und Boden irgendwie in Bewegung zu bekommen. Dann ist das ein Schritt, der das Ganze nach vorne bringt, aber sicherlich nur einer unter vielen anderen.

(Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Ich bitte um etwas mehr Ruhe im Saal. Herr Bischoff, fahren Sie bitte fort.

Zum zweiten Punkt: Auch da wird es gar keinen anderen Weg geben und an anderen Stellen in der Politik haben Sie doch auch keine Schwierigkeiten, die finanziellen Ressourcen aufzubringen. Das heißt, wir müssen die öffentliche Förderung auf ein anderes Niveau heben, und das gilt meines Erachtens auch für den Ankauf von Belegungsbindungen.

Insofern werden wir dem Antrag auch zustimmen. Ich habe schon gehört, dass Sie ihn in die Tonne treten werden. Das ist wirklich ein spannender Punkt, Herr Becker und Herr Hamann, was wollen Sie denn nun machen, um diesen Wohnungsbau in einer bestimmten Weise zu verändern? Wir werden Sie spätestens am Ende der Legislaturperiode daran erinnern, dass Sie alle Initiativen weggewischt haben, und Ihr Prinzip Hoffnung wird ohne Wenn und Aber gescheitert sein.– Danke.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Frau Koeppen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Einzige, was ich von Schwarz-Grün in den letzten Reden mitbekommen habe, war, was eigentlich nicht geht. Ich habe keine eigenen Vorstellungen oder Ideen von Ihnen gehört, wie Sie dieses Problem angehen wollen.

(Beifall bei der SPD – Jörn Frommann CDU: Dann haben Sie in den letzten Sitzungen nicht zugehört!)

Eine Aussage habe ich doch mitgenommen: Sie sagen, dass die SAGA GWG nicht bauen darf, damit das Geld im Haushalt nicht fehlt.

(Jörn Frommann CDU: Hä? Schon wieder geschlafen!)

Das kann nicht die Wirklichkeit sein, denn die Wirklichkeit sieht so aus, dass 30 bis 40 Menschen für eine bezahlbare Wohnung anstehen. Ein weiteres Indiz für die Wohnungsnot in Hamburg, gerade bei bezahlbarem Wohnraum, ist die Leerstandsquote. Sie liegt bei der SAGA ungefähr bei 0,5 Prozent und bei den Mitgliedern des VNW bei 2,2 Prozent.

Früher galt einmal die Faustformel: ein Wochenlohn für die monatliche Miete. Heute ist es so, dass ein normaler Arbeitnehmer 50 Prozent seines Lohns für die Miete bezahlen muss. Sicherlich haben große Verluste am Aktienmarkt Wohnimmobilien im Bestand bei Anlegern wieder interessant gemacht, aber es gibt noch andere Faktoren. Nehmen Sie zum Beispiel den Betriebskostenspiegel. So liegt der durchschnittliche Wert 2007 für Deutschland bei 2,78 Euro pro Quadratmeter. In Hamburg liegt er wesentlich höher, und zwar bei 2,84 Euro. Der Deutsche Mieterbund sagt, dass 2008/2009 diese Kosten aufgrund der erhöhten Energiekosten noch gestiegen sind. Aber der Senat dreht weiter an der Gebührenschraube. Immer wieder werden Gebühren wie zum Beispiel für Müllentsorgung oder Wasser erhöht. Damit haben sich die Nebenkosten mittlerweile zu einer zweiten Miete entwickelt.

Nehmen Sie einmal den neuen Mietenspiegel. Die Durchschnittsmiete liegt zwar bei 6,76 Euro pro Quadratmeter. Diese Zahlen mögen beruhigen, aber es sind nur 6000 Daten über Neuvermietungen und Mieterhöhungen in diesen Mietenspiegel eingeflossen. Tatsache ist – Herr Becker sagte es bereits –, dass die Durchschnittsmieten bei der SAGA ungefähr bei 5,30 Euro liegen. Dieser Betrag liegt weit unter dem Mietenspiegel für Hamburg. Allerdings kommt diese Zahl auch durch die Großsiedlungen zustande. Mümmelmannsberg und Osdorfer Born sind in diesem Fall Schnittkiller. Da liegen ungefähr 12 000 Wohnungen der SAGA. Bei nicht preisgebundenem Wohnraum orientiert sich die Miete der SAGA GWG mittlerweile auch an dem Mittelwert des Hamburger Mietenspiegels und für Neubauten verlangt die SAGA auch schon 14 Euro pro Quadratmeter kalt. Diese Zahl ist realistisch. Um die Wirtschaftlichkeit eines Projekts zu sichern, liegt die Anfangsmiete im Durchschnitt bei 11 Euro pro Quadratmeter kalt. Aber kostendeckende Mieten von 11 Euro und mehr fallen nicht vom Himmel und werden auch nicht von Investoren gewürfelt.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist unglaublich!)

Hohe Grundstückspreise und steigende Baukosten durch gestiegene Anforderungen sind eine der

(Dr. Joachim Bischoff)

Hauptursachen. Die energetischen Anforderungen an Gebäude sind in Hamburg höher als in anderen Bundesländern. Hamburg geht hier einen gesonderten Weg und treibt damit die Investitionskosten in die Höhe. Da kann man nur sagen: Der Senat hängt die Latte hoch, jetzt muss er auch springen.

(Beifall bei der SPD)

Doch den Stellenwert von Wohnungsneubau sieht man schon allein an der Erhöhung der Gebühren für die Bauanträge seit 1. Januar. Günstige Zinsen allein sind kein Anreiz für verstärkte Bautätigkeit, wenn gleichzeitig Investoren laufend mit neuen Vorschriften konfrontiert werden. Hierzu gehören nicht nur die erhöhten Anforderungen an den Klimaschutz, sondern auch zum Beispiel die nach der DIN-Norm geforderte Dichtigkeitsprüfung von Abwasserleitungen bis Ende 2015. Aber auch gut gemeinte Bauvorhaben können nicht realisiert werden. Nehmen Sie das Beispiel Lettow-Vorbeck-Kaserne. Die Erschließungskosten wurden falsch kalkuliert und sind mittlerweile von 12 Millionen auf 40 Millionen Euro gestiegen. Das heißt, bei den geplanten 720 Wohneinheiten entfallen auf jede Wohnung 55 000 Euro Erschließungskosten; normal sind 6000 Euro. Das ist die Wahrheit über die Politik hier.

Die Wohnungsbaupolitik des Senats lässt sich kurz beschreiben. Städtische Grundstücke sollen den Haushalt sanieren und Konversionsflächen werden nicht genutzt, Herr Ohlsen. Gebühren steigen, Edelquartiere und Baugemeinschaften werden gefördert und der soziale Wohnungsbau wird ausgetrocknet.

(Beifall bei der SPD)

Durch diese Politik des Senats werden Teile des Hamburger Stadtplans in den kommenden Jahren von einkommensschwachen Mietern nahezu befreit werden.

Die Wohnung ist der Mittelpunkt privater Existenz. Wir können Ihnen nur raten, diese Existenz durch bezahlbaren Wohnungsbau zu sichern. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Becker.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich sprach das eben Gehörte für sich selber. Frau Koeppen hat Probleme aufgezählt und im Grunde gesagt, man könne in Hamburg nicht bauen und weder Bau noch Wohnungen seien bezahlbar. Ich sehe allerdings überhaupt keine Verbindung zwischen dem Antrag, den Sie gerade vorgelegt haben, und damit, wie Sie mit diesem Antrag die schwerwiegenden und komplexen Probleme lösen wollen. Das ist mir völlig schleier

haft. Auf diese Weise kommen wir überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wie wollen Sie auf diese Weise weiterkommen mit den Akteuren, die wir hier am Markt haben? Sowohl die Genossenschaften als auch die freie Wirtschaft sagen uns, sie würden nur eines wollen: Wohnungen bauen, Wohnungen bauen, Wohnungen bauen. Wenn Sie ihnen dann aber sagen, sie könnten sofort 1500 Wohnungen in Hausbruch oder Neugraben bauen, dann wird die Reaktion sein: Aber doch nicht da, die bekommen wir doch nicht über den Markt.

Es wird gerne gebaut, wenn das entsprechend subventioniert wird, aber das kostet viel Geld. Hamburg ist einer von drei verbliebenen Wachstumsmärkten im Vermietungsmarkt in ganz Deutschland, neben München und Stuttgart. Wir haben einen attraktiven Standort, aber wir brauchen Akteure, die selber auch ein bisschen Bereitschaft mitbringen.

(Dirk Kienscherf SPD: Jetzt sind die Unter- nehmen wieder schuld, oder was?)

Es kann nicht sein, dass der Staat die Privatwirtschaft mit silbernen Löffeln dafür belohnt, dass sie uns die Gnade erweist, hier zu bauen. So kommen wir nicht weiter und das können wir uns nicht leisten.

Die Analyse, die Sie liefern, kann ich nicht in Zusammenhang stellen mit den aufgezeigten Problemen. Herr Grote sagt beispielsweise, die Mietpreise in St. Pauli würden um 40 Prozent steigen. Das ist eine Zahl, die Sie wahrscheinlich selber ausgerechnet haben. Aber selbst, wenn wir annehmen, das würde so stimmen, dann müssen wir uns doch sagen, dass in St. Pauli nicht endlos Wohnungen errichtet werden können, und wer dort eine Wohnung hat, der gibt sie auch nicht so ohne Weiteres auf. Das heißt aber, selbst wenn wir irgendwo anders viele Wohnungen bauen würden, würden wir das Problem, dass Wohnungen in St. Pauli begehrt und Menschen bereit sind, sehr viel Geld für sie zu zahlen, so nicht lösen können. Das hat keinen inneren Zusammenhang, was Sie sagen.

Wir haben mit Ihrer Mitwirkung einen sehr umfangreichen Maßnahmenkatalog beschlossen. Das ist noch gar nicht so lange her. Deswegen wundere ich mich auch ein bisschen, denn Sie waren selber an den Beratungen beteiligt und haben eingeräumt, dass die Maßnahmen, die wir beschlossen haben, richtig und realistisch sind.