Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Heute diskutieren wir eines der wichtigsten Gesetzesvorhaben der Koalitionsparteien CDU und GAL. Dies ist ein großes Gesetzeswerk, das seine Bedeutung weit über den Stadtstaat Hamburg hinaus hat, und es bezeichnet sicherlich einen tiefen Einschnitt in die Bildungslandschaft Deutschlands. Um es vorweg zu sagen: Für die CDU sind der soziale Gedanke und der Leistungsgedanke Eckpfeiler des politischen Denkens und Handelns. Dies ist auch die Motivation für uns, diesem Reformwerk zuzustimmen.
Wer in diesem hohen Haus die bildungspolitischen Gesetze und Maßnahmen Revue passieren lässt, der wird an die Debatten um die flächendeckende Einführung und Ausbreitung der Gesamtschule, übrigens auch unter Beteiligung der FDP, erinnert. Einige Kollegen werden sich an die Einführung der
gesicherten Halbtagsbetreuung, die Einführung der ersten Fremdsprache Englisch in der Grundschule oder auch an die wichtigen PISA-Debatten erinnern. Darüber gab es immer wieder Streit. Schule nimmt eben als System gesellschaftliche Neuorientierungen sehr schnell und sehr kontrovers wahr.
Heute debattieren wir die Abkehr vom gegliederten Schulwesen traditioneller Art. Heute ziehen wir einen Schlussstrich unter die vielen, leider häufig auch wenig erfolgreichen Verbesserungen und Korrekturen am bisherigen Schulsystem. Heute ist tatsächlich die Zeit gekommen, das Gute zu bewahren und neue Wege zu beschreiten.
Heute geben wir kein pädagogisches System auf, das unumstritten ist. Heute legen wir den Grundstein für ein Schulsystem, das den Herausforderungen der Zeit, den Lebens- und Bildungsverhältnissen der Schüler und den Erfordernissen einer Leistungsgesellschaft in einer globalisierten Welt entsprechen muss.
Unserem Ersten Bürgermeister Ole von Beust und unserer Schulsenatorin Christa Goetsch ist es in erster Linie zu verdanken, dass zwei Parteien mit unterschiedlicher Geschichte und unterschiedlichen Bildungszielen zueinander gefunden haben. Für die CDU, so gestehe ich, war und ist dieses kein einfacher Prozess. Als Vater von drei schulpflichtigen Kindern weiß ich mich auch mit meiner Familie einig, dass neue Herausforderungen auf Erziehung und Bildung, aber auch auf ein neues Verständnis von Schule und Elternhaus zukommen. Als Lehrer und Pädagoge sehe ich die großen Chancen, ich verschweige aber auch nicht die Risiken. Niemand in diesem Haus kann übersehen, dass die Ergebnisse unserer Kinder und unserer Schülerinnen und Schüler neben willkommenen, guten, ja sehr guten Ergebnissen und Leistungen auch schwache Ergebnisse gezeigt haben.
Vor wenigen Jahren haben wir uns in der Enquete-Kommission mit den Risikoschülern beschäftigt und als eine Verbesserung dieser Schulsituation die Stadtteilschule vorgeschlagen. Diese Idee, propagiert von der damaligen Schulsenatorin DingesDierig und der CDU, war pädagogisch sinnvoll und notwendig.
Jetzt erfolgt die Umsetzung gerade in der Verantwortung einer Partei, die damals, das bekenne ich, sicherlich kritischer dieser Stadtteilschulidee gegenüberstand als heute. Aber es zeigt sich, dass das Gute abgewogen wird und das Gute und das Wertvolle auch beibehalten werden.
Aber ich betone, wenn ein Koalitionspartner von solch einer Idee Abschied nimmt, weil er sagt, wir wollen eine gemeinsame Koalition bauen und wir achten und respektieren auch den Koalitionspartner, dann finde ich das einen großen Schritt, den der Koalitionspartner auf die CDU hin gemacht hat.
Dieses Umdenken ist es, was unsere Gesellschaft benötigt. Wir dürfen auch pädagogisch nicht nur auf Altes hoffen, sondern müssen unseren Kindern Chancen durch besseres und längeres gemeinsames Lernen eröffnen. Positionen müssen neu überdacht werden. Die 116 Artikel zum Schulgesetz sind ein Beispiel für neues Denken und neues schulpolitisches Handeln. In diesem Schulgesetz werden Anforderungen an ein längeres, gemeinsames Lernen festgeschrieben. Die neue Primarschule ist im Gegensatz zur erweiterten Berliner Grundschulzeit eine neue pädagogische Herausforderung. Von Klasse 4 bis zur Klasse 6 werden im gemeinsamen Unterricht sekundarstufenerfahrene Lehrer und bisherige Grundschullehrer zusammenarbeiten. Damit wollen wir erreichen, dass der Übergang von der Primarpädagogik zur Sekundarpädagogik fließender wird und es nicht, wie es so häufig der Fall war, zu Bruchsituationen nach Klasse 4 kommt.
Lassen Sie mich aber auch noch Stellung nehmen zu Fragen der Lernwegeauswahl nach sozioökonomischen Faktoren, weil dieses auch häufig diskutiert wird. Ich vermeide ganz bewusst hier das Wort Selektion, weil dies in der deutschen Geschichte einen ganz andersartigen Stellenwert bekommen hat.
Hamburg zeigt als Metropolstadt mit einem hohen Migrantenanteil, dass das bisherige traditionelle drei- oder viergliedrige Schulsystem mit vielen Verästelungen gerade leistungsschwachen Schülern zu wenig Anreize gegeben hat, und das trotz enormer Anstrengungen vonseiten der Lehrkräfte. Ich will deutlich sagen, dass dies keine Kritik an den Lehrkräften ist, sondern eine Bestandsaufnahme aufgrund der Ergebnisse.
Wir als CDU sagen Ja zum längeren gemeinsamen Lernen, wir sagen aber Nein zum gemeinsamen Lernen von Klasse 1 bis 10. Deshalb will ich
auf eine aktuelle Debatte der SPD hinweisen, die ich mit Erstaunen heute im Schulausschuss zur Kenntnis genommen habe, einschließlich der Anträge. Ich habe da den Eindruck, dass gerade das gemeinsame Lernen von Klasse 1 bis 10 zum Bestandteil gemacht werden soll und damit zum Beispiel das Gymnasium aufgelöst wird und dem würden wir nie zustimmen.
diesem Schulgesetz nach intensiver und nicht immer konfliktfreier Diskussion deshalb zu, weil wir in der Koalition in wichtigen Fragen übereinstimmen. Pädagogisch wird es in dieser Schulreform nicht um das Prinzip ausschließlicher Binnendifferenzierung gehen. Begabungs- und leistungsdifferente Schülergruppen werden zeitweise, um die Individualisierung unserer Meinung nach besser zur Geltung zu bringen, auch stattfinden. In wichtigen Fächern werden wir das durchführen können, dies ist ein Erfolg der CDU.
Alle, die glauben, dass die Binnendifferenzierung ausschließliches pädagogisches Handwerk sein muss, seien auf die KMK-Beschlüsse verwiesen, die für die Abschlussjahrgänge dieses Prinzip eben nicht vorsehen. Wir als CDU treten für diese Reform ein, weil wir in das Gesetz schreiben konnten, dass die Schulformen zur Kooperation bei ihren Übergängen verpflichtet sind. Erfreulicherweise wird es Bildungskonferenzen geben und die Konferenzen in der Primarschule, besetzt mit den Grundschullehrern und auch mit den Lehrern aus der Sekundarstufe I, die zum Beispiel von Gesamtschulen und von Gymnasien kommen, arbeiten zusammen und dies wird die Qualität des Unterrichts insbesondere in den Klassen 4, 5 und 6 befördern. Es ist wichtig, dass die Verkürzung der Sekundarschulzeit in der Stadtteilschule und im Gymnasium nicht zu einer Einbuße des schulischen Lernens führt.
Die Zusammenarbeit von Eltern, Lehrern und Schülern wird auf eine neue und bessere Stufe gestellt, weil verbindliche Halbjahresgespräche stattfinden, die genauere Lernstände der Schüler beschreiben. Neben den Noten einer Klassenarbeit, die es natürlich auch weiterhin gibt, werden skalierte Kompetenzraster eingeführt, die wesentlich deutlicher und besser Auskunft geben über Lernergebnisse, als es bisher die reine Zeugnisnote gewesen ist. Dies ist ein Erfolg, meine Damen und Herren.
Diese neuen Bewertungsformen werden schwerpunktmäßig in diesen Monaten und in den nächsten Jahren im Rahmen der Lehrerfortbildungsoffensive vorgestellt, trainiert und durchgeführt. Dieses wird auch den Lehrern und den Eltern erklärt.
Lassen Sie mich zu einem anderen Thema kommen. Widersprüche gegen die Nichtzulassung zum Gymnasium werden natürlich juristisch als auch im Widerspruchsverfahren geklärt werden können. Eine Probezeit – deshalb haben wir uns für diese Form in Klasse 6 entschieden –, eine Art Beobachtungsstufe nach Klasse 6, also in den Klassen 7 und 8 eines Gymnasiums, kann es bei der verkürzten Gymnasialzeit unserer Meinung nach nicht geben, dies ist wenig sinnvoll und es würde auch dem Sinngehalt gymnasialer Bildung widersprechen. Deswegen haben wir dies auch nicht ins Gesetz geschrieben.
Wir haben gleichzeitig allerdings auch den Eltern der Einschulungsjahrgänge 2007, 2008 und 2009 das Recht eingestanden, gegebenenfalls nach Klasse 3 ihre Kinder in der Primarschule wechseln zu lassen. Sie finden die Regelungen entsprechend in unserem Gesetzesentwurf, den wir heute hoffentlich verabschieden.
Wir haben immer wieder gesagt, wegen dieser Schulreform werden keine Gymnasien geschlossen; dazu steht die CDU auch weiterhin.
Gymnasien werden zahlenmäßig kleiner, mit weniger Schülern arbeiten, aber diese Schüler werden dann auch konsequent wieder zur Hochschulreife geführt. Dieses Ziel ist im ganzen Haus ein gemeinsames Ziel, denn alle hier in der Bürgerschaft vertretenen Parteien möchten, dass wir mehr Abiturienten haben. Deswegen entwickeln wir die Stadtteilschule auch so, dass sie mit einer dreijährigen gymnasialen Oberstufe ebenfalls zum Abitur führt. Im Unterschied zum Gymnasium werden dort verstärkt schon in der Mittelstufe, in der Sekundarstufe I also, berufliche Qualifikationen und berufsvorbereitende Maßnahmen, die sich schon an vielen Gesamtschulen, aber auch an Gymnasien bewährt haben, durchgeführt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Presse konnte man lesen, dass gesagt wurde, dies sei ein überfallartiger Prozess. Dieser Schulprozess ist demokratisch durchgeführt worden mit einer breiten Beteiligung von Schulen, sicherlich hie und da auch mit einigen Startfehlern versehen. Er hat aber zu einem enormen Schub an Innovationsbereitschaft, an Kooperation und an Konsensbildung geführt.
Ich danke allen Beteiligten in diesem schwierigen Prozess, aber ich bedanke mich auch bei der Behördenleitung, dieses entsprechend durchgeführt zu haben, denn das war für uns alle eine neue Erfahrung. Für die CDU ist es wichtig, dass Rahmenbedingungen, die unserem Grundkonsens als konservative und gleichzeitig sozial ausgerichtete Partei, die den Leistungsgedanken nicht verschmäht, entsprechen, in der Schulreform zum Ausdruck kommen.
Diese Forderung sehen wir inhaltlich und auch personell erfüllt. Unser Koalitionspartner unterstützt im Bildungsbereich die vorgelegten Anforderungen an eine zukunftsweisende Schule. Wir als CDU akzeptieren einige von der GAL aufgrund ihres Selbstverständnisses formulierten pädagogischen Ziele und deren Umsetzung. Zu Beginn dieser Wahlperiode habe ich gesagt, die Parteien CDU und GAL bewegen sich aufeinander zu, sie bleiben aber zwei Parteien. Jetzt kann ich nach den Erfahrungen der Diskussionen sagen,
dass es mit allen im Schulausschuss vertretenen Parteien intensive, aber auch sehr faire und pädagogisch hochintensive, leistungsanfordernde Diskussionen gewesen waren. Wir haben, glaube ich, alle viel davon gelernt.
Dieser Kompromiss geht nicht zulasten der Schülerinnen und Schüler, er geht nicht zulasten der Eltern,