Protocol of the Session on September 16, 2009

(Norbert Hackbusch)

und wie man mit der Frage der friedlichen Schanzenbewohner umgehen muss, die dieses Fest feiern wollen. Dialog und Respekt, das ist unsere zentrale Frage und dieser Weg mit der qualifizierten Duldung ist ein erster Schritt. Wir haben aber auch ganz klar gesagt – Herr Voet van Vormizeele kann es bestätigen, weil wir gestern bei Hamburg 1 darüber gesprochen haben –, dass man irgendwann dazu kommen muss, im Schanzenviertel einen rechtlichen Rahmen zu finden für dieses Fest, was die Frage von Anmeldung, von Sicherheitsbestimmungen und so weiter betrifft.

Das ist das Ziel. Auf diesem Weg muss man im Dialog mit den Betroffenen aus dem Schanzenviertel zusammenarbeiten. Das ist doch der Kernpunkt, wo sich die meisten in diesem Haus einig sind. Das Problem ist, und dazu haben Sie kein Wort gesagt, dass der Innensenator das ganze letzte Jahr nichts anderes zu tun gehabt hat, als durch ständige Begleitmusik, durch ständiges Öl-ins-Feuer-Gießen diese dialogorientierte Lösung zu hintertreiben. Das wollen Sie natürlich hier nicht sagen, weil Sie Ihrem Koalitionspartner nicht in die Parade fahren wollen. Fragen Sie Christdemokraten in Altona, die werden Ihnen genau das bestätigen und deshalb ist es ein Teil der Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ahlhaus, dieses Gesäusel, das Sie heute abgeliefert haben mit dem zarten Pflänzchen des Dialogs, was jetzt nicht durch die SPD zertreten werden darf, ist wirklich der blanke Hohn, wenn man es vergleicht mit dem, was Sie letztes Jahr abgeliefert und wie Sie vernünftige Lösungen gegenüber dem Bezirk, der Bezirkspolitik und dem Stadtteil hintertrieben haben. Sie sind das Problem bei einer Deeskalations- und Dialogstrategie und deswegen ist das wirklich der blanke Hohn. Da sollten Sie sich noch einmal deutlich hinterfragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Voet van Vormizeele.

Werter Kollege Dressel, ich verstehe, dass Sie nach dem Beitrag von Frau Timmermann noch einmal nach vorne kommen und den Versuch machen mussten, uns zu erklären, was uns dieser Beitrag sagen sollte. Was Sie eben abgelassen haben, ist aber weit am Thema vorbei. Schön wäre ein Bekenntnis zur sozialdemokratischen Verantwortung gewesen, aber wie Frau Timmermann sagte, Sie regieren nicht, Sie tragen keine Verantwortung, also sind Sie raus.

Der Innensenator ist eine wesentliche Figur dabei, dieses Problem gemeinsam mit uns allen in der

Stadt zu lösen. Es gehört aber auch neben dem Dialog, den wir gemeinsam führen wollen, das klare Bekenntnis dazu, dass natürlich die Rechtsstaatlichkeit überall in dieser Stadt gewährleistet wird. Das heißt, dass der Innensenator – wie jeder andere in dieser Stadt – dafür steht, dass die Polizei dort, wo Rechtsbrecher auftreten und Personen und Sachen gefährden, eingreift. Das ist geschehen und nichts anderes. Da mögen Sie ihn in seiner Rolle kritisieren, aber das ist genau der Unterschied zwischen sozialdemokratischen Innensenatoren und christdemokratischen. Hier haben wir jemanden, der handelt, Sie jedenfalls haben nicht gehandelt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Ich sehe keine Wortmeldungen mehr zum ersten Thema, dann kommen wir zum zweiten Thema der Aktuellen Stunde. Angemeldet von der SPD-Fraktion: Hamburg setzt Zeichen– neuer Anlauf für ein Verbot der NPD.

Wer wünscht das Wort? – Frau Schiedek bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat.

"Die NPD verfolgt unermüdlich ihr Ziel, die Demokratie abzuschaffen. (…) Gegen diese Leute müssen wir alle Mittel des Rechtsstaates einsetzen! Das Ziel aller Demokraten muss weiterhin das Verbot einer solchen menschenverachtenden Partei sein."

So die hehren Worte des Vorsitzenden der CDU-Bürgerschaftsfraktion bei seinem Besuch der Talmud-Tora-Schule vor ein paar Tagen. Richtige und wichtige Worte, Herr Schira, die wir uneingeschränkt teilen. Allein was fehlt, sind die Taten des Senats, die diese Worte untermauern.

(Beifall bei der SPD)

Es ist geradezu bezeichnend, dass im Vorfeld dieser Debatte Herr Vahldieck, der Leiter des Verfassungsschutzes in Hamburg, vorgeschickt wurde, um sich zu dem Thema zu äußern. Es verwundert mich auch nicht sonderlich, dass sich der Leiter des Verfassungsschutzes gegen ein NPD-Verbotsverfahren und einen Abzug seiner V-Leute aus der NPD ausspricht. Aus seiner Perspektive ist das durchaus nachvollziehbar, aber von der Politik – von der CDU und insbesondere auch von der GAL – erwarte ich mehr. Da erwarte ich mehr Einsatz und vor allen Dingen mehr Mut und nicht, dass man sich einfach hinter dem Verfassungsschutz wegduckt.

(Beifall bei der SPD)

(Dr. Andreas Dressel)

Ich habe schon im April letzten Jahres für die SPD klargestellt, dass es uns nicht darum geht, morgen nach Karlsruhe zu gehen. Natürlich – auch das habe ich vor anderthalb Jahren schon gesagt – können wir nicht so tun, als wenn der Verfassungsschutz nur einmal eben seine V-Leute abziehen müsste und das NPD-Verbot wäre schon eine sichere Sache. Sie können aber doch nicht aus lauter Resignation und Angst vor einem möglichen Scheitern eines erneuten Verbotsantrages Ihre Bemühungen einstellen und der NPD das Feld überlassen.

Heribert Prantl hat in der "Süddeutschen Zeitung" vom Montag – wenn auch zu einem völlig anderen Sachverhalt, nämlich zu dem furchtbaren tödlichen Überfall auf den 50-jährigen Mann in München, der nichts anderes getan hat, als in einem schwierigen Moment Zivilcourage zu zeigen – geschrieben:

"Zivilcourage ist in vielen Fällen vor allem der Widerstand gegen die eigene Angst, gegen die eigene Bequemlichkeit."

Der Kampf gegen den Rechtsextremismus braucht nicht nur Bürger, die Zivilcourage zeigen, die ein Zeichen setzen

(Antje Möller GAL: Das ist ein völlig unange- messener Vergleich, den Sie da angesetzt haben!)

und sich – wie es über 2000 Bürgerinnen und Bürger so eindrucksvoll am letzten Freitag bewiesen haben – den NPD-Aufmärschen entgegenstellen. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus braucht auch einen Staat, der Zivilcourage zeigt, eine Regierung, die sich engagiert jeglichen Formen von Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus entgegenstellt und ein klares Zeichen gegen den Rechtsextremismus und die NPD setzt.

(Beifall bei der SPD)

Genau dieses Engagement und diese Zeichen gegen den Rechtsextremismus und die NPD fehlen uns bei dem schwarz-grünen Senat. Damit meine ich auch, aber nicht nur, das Fehlen einer klaren Positionierung, eines aktiven Beitrags zu den Bemühungen der anderen Bundesländer oder gar eine eigene Materialsammlung für ein erneutes NPD-Verbotsverfahren. Damit meine ich genauso das Fehlen sonstiger Bemühungen, wie zum Beispiel eine hinreichende finanzielle Ausstattung des Hamburger Landesprogramms gegen Rechtsextremismus oder eine ganzheitliche Bekämpfungsstrategie, die von beiden Parteien getragen wird.

Das engagierte Bestreben nach einem NPD-Verbot ist und bleibt ein wichtiges Zeichen an die Rechtsextremisten, aber auch an die Bevölkerung, dass sich eben nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch der Staat mit allen Mitteln der NPD entgegenstellt. Keine Regierung dieses Landes kann sich doch ernsthaft allein mit der Über

wachung der NPD durch den Verfassungsschutz begnügen. Auch insoweit hat Heribert Prantl einen sehr wichtigen Satz in diesem Artikel geschrieben:

"Zivilcourage braucht aber auch die Hilfe eines Staates, dessen Sicherheitsdenken sich nicht auf Computerwanzen und heimliche Lauschaktionen kaprizieren darf."

Es ist doch nicht so, dass die Beweislage für ein NPD-Verbot schlechter geworden ist, ganz im Gegenteil. Ihr Innenministerkollege, Herr Ahlhaus, Lorenz Caffier, hat schon vor geraumer Zeit dargelegt, dass ein erneutes NPD-Verbotsverfahren aus den öffentlich zugänglichen Quellen in Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich geführt werden kann. Und das haben nun auch die Innenminister aus Sachsen-Anhalt, Berlin, Bremen, RheinlandPfalz und Schleswig-Holstein mit ihrer Materialsammlung "Verfassungsfeind NPD" erneut bewiesen. Was weiterhin fehlt, ist ein Beitrag Hamburgs.

Und wenn Sie das noch nicht überzeugen kann, dann sollte Sie doch die Situation in Hamburg endlich wach rütteln: die autonomen Nationalisten, die sich mittlerweile auch hier formiert haben, und die rapide ansteigenden rechtsextremen Gewalttaten, wie wir sie zuletzt auch im Wahlkampf an InfoStänden der NPD erleben mussten.

Sie haben heute zu einem späteren Zeitpunkt die Chance, endlich Engagement zu zeigen und ein Zeichen zu setzen, indem Sie unserem Antrag zustimmen. Ich kann Sie nur auffordern: Hören Sie auf, sich hinter dem Verfassungsschutz zu verstecken und zeigen Sie endlich Zivilcourage. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt können das schon längst. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Trepoll.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Bürgerschaftsfraktion wird einem sofortigen Verbotsantrag gegen die NPD nicht zustimmen. Wir halten die Erfolgsaussichten eines erneuten Antrages momentan für fraglich und seine Nebenwirkungen für gefährlich. Selbst ein Verbot würde das eigentliche Problem nicht lösen. Rechtsextreme Gesinnung – oder besser gesagt, Verwirrung – lässt sich leider nicht gesetzlich verbieten.

(Beifall bei der CDU)

Es geht auch nicht darum, was wir von der NPD halten und wie wir sie politisch einschätzen. Die NPD ist eine widerwärtige, verfassungsfeindliche Partei, die mit allen politischen Mitteln bekämpft werden muss.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

(Jana Schiedek)

Ich glaube, darüber besteht Einigkeit in diesem Haus. Aber eine Konzentration auf ein Verbot der NPD lenkt von dem eigentlichen Problem im Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus ab. Die Ursachen müssen bekämpft werden; das muss unser Ziel sein. Das ist besonders da aussichtsreich, wo Einflussnahme noch möglich ist, bei jungen Menschen. Wir müssen uns die Ursachen für Rechtsextremismus anschauen. Diese Ursachen sind vielfältig: Defizite in Bildung und Ausbildung, manchmal im Elternhaus, fehlende Infrastruktur für Jugendliche, das soziale Umfeld, Perspektivlosigkeit durch Arbeitslosigkeit und auch Mitläuferschaft. An diesen Punkten müssen wir ansetzen, das ist der richtige Weg. Entscheidend ist, dass wir junge Menschen zu mehr Mitmenschlichkeit, zu mehr Toleranz und zu demokratischem Verhalten erziehen. Ein Parteienverbot hilft uns hier leider nicht weiter.

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem gescheiterten Verbotsverfahren klare Vorgaben für ein erneutes Verfahren gegeben. Zu den Anforderungen gehört unter anderem, es wurde bereits angesprochen, der nahezu vollständige Abzug der VLeute aus den Gremien der NPD. Das hätte aber zur Folge, dass eine zuverlässige nachrichtendienstliche Überwachung der NPD nicht mehr möglich wäre. Wir halten das nicht für erstrebenswert, denn das würde eine Gefährdung der Inneren Sicherheit bedeuten.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Ein weiterer negativer Nebeneffekt wäre, dass ein Verbotsverfahren sicherlich eine große Öffentlichkeitswirkung für die NPD erzielen würde und ihr die Möglichkeit gäbe, sich als Opfer staatlicher Verfolgung zu präsentieren.

Ein weiterer Punkt, der im Raum steht, ist das hohe Prozessrisiko. Sie wissen, dass das Bundesverfassungsgericht einem Verbotsantrag mit ZweiDrittel-Mehrheit stattgeben muss. Das ist schon einmal gescheitert. Wir wollen nicht zulassen, dass die NPD, das Urteil der Verfassungsrichter quasi als TÜV-Siegel vor sich hertragend, gestärkt aus einem zweiten, ebenfalls gescheiterten Verfahren kommt und dann in den Wahlkampf zieht. Das darf nicht unser Ziel sein.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Außerdem könnte ein Verbot möglicherweise ein Impuls für einen Zusammenschluss der rechtsextremen Szene sein. Die Anhänger einer verbotenen NPD könnten sich anderen Parteien zuwenden. Dann werden wir wieder vor den gleichen Fragen stehen. Müssen wir dann die DVU verbieten oder die Republikaner? Das Verfahren könnte sich über mehrere Jahre hinziehen; da muss alles ordentlich bedacht werden.

Rechtsextremistische Gewalt muss mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden, darüber sind wir uns einig. Wir sagen: Strafrechtliche Verfolgung von NPD-Mitgliedern ist auch ohne ein Verbot möglich. Wir fordern die Justiz auf, deutlich Grenzen zu setzen und ein Signal in die rechte Szene zu senden.

Die Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens sind zweifelhaft. Es sind Mittel vorhanden, die Tätigkeiten der NPD zu unterbinden, ohne dabei die nachrichtendienstlichen Ermittlungen einzustellen. Angesichts dieser Tatsachen gilt es jetzt auch, verstärkt unser Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Demokratie zu setzen. Eine Partei, deren Funktionäre ständig im Zusammenhang mit Strafverfahren, Hetztriaden und sogar Gewalttaten negativ auffallen, wird einen erheblichen Vertrauensverlust beim Souverän verzeichnen.

(Vizepräsidentin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz.)