Protocol of the Session on September 16, 2009

Oberlehrerhaft, wenn es um viel Geld geht? Wunderbar.

Ich stelle Folgendes fest und ich gebe Ihnen die Gelegenheit, das gleich klarzustellen. Nach dem, was ich eben von der CDU-Fraktion und auch von Herrn Kerstan gehört habe, gehe ich davon aus, dass der Sonderbericht – nicht der nach Paragraph 142 Aktiengesetz, sondern der, mit dem Freshfields beauftragt ist – offensichtlich nicht veröffentlicht werden soll. So habe ich Ihre Argumentation verstanden. Und wenn ich mich irre, dann stellen Sie das hier richtig. Wenn wir aber am Ende mit einem Bericht dastehen und Sie den nicht veröffentlichen, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn wir unseren Antrag hier alle drei Monate erneut stellen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Der Abgeordnete Ralf Niedmers hat mir mitteilen lassen, dass er an der Abstimmung nicht teilnehmen werde.

Wer möchte dem Antrag der SPD-Fraktion aus der Drucksache 19/4008 in der Neufassung seine Zustimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das mit Mehrheit abgelehnt.

(Uwe Grund SPD: Die Abstimmung werden Sie noch bereuen!)

Tagesordnungspunkt 20, Drucksache 19/4004, Antrag der GAL-Fraktion: Durchführung einer Fachtagung zum Thema Bekämpfung der Glücksspielsucht - Präventionsstrategien und Erreichbarkeit der Betroffenen

[Antrag der Fraktion der GAL: Durchführung einer Fachtagung zum Thema Bekämpfung der Glücksspielsucht - Präventionsstrategien und Erreichbarkeit der Betroffenen – Drs 19/4004 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/4103 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Aufstockung der Stellen in der Glücksspielsuchtberatung - direkte Hilfe für Betroffene – Drs 19/4103 –]

(Thies Goldberg)

Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Heitmann, Sie haben das Wort.

(Michael Neumann SPD: Wo ist denn Herr Ahlhaus? Bei seiner Frau?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich war überrascht, auf wie viel Aufmerksamkeit unser Antrag schon im Vorwege bei der Presse und auch bei der SPD gestoßen ist. Damit habe ich nicht gerechnet, als ich ihn auf die Tagesordnung habe setzten lassen. Allerdings wird da leider einiges durcheinander geworfen. Die Senatsdrucksache, die schon vor ihrer Befassung für Schlagzeilen gesorgt hat, wurde gestern im Senat gestoppt. In Zeiten wie diesen haben wir keine Steuergeschenke zu verteilen; ich glaube, das ist uns allen klar. Dennoch müssen wir unser Hamburger Steuerrecht den europäischen Rechtsnormen anpassen. Sie können sicher sein, dass wir in Haushaltszeiten wie diesen besonders intensiv prüfen, wie das ohne Verluste für die städtischen Einnahmen am besten gelingt.

Unabhängig davon möchte ich aber darauf aufmerksam machen, dass mein Antrag in eine ganz andere Richtung geht. Suchtprobleme wirksam zu bekämpfen ist immer wichtig, und zwar unabhängig von der Wirtschaftslage.

(Beifall bei der GAL und bei Viviane Speth- mann CDU – Glocke)

(unterbrechend) : Meine Damen und Herren! Ich bitte im Saal um etwas mehr Ruhe, damit Frau Heitmann fortfahren kann. – Vielen Dank.

– Vielen Dank.

Viele Menschen in dieser Stadt denken bei Suchtproblemen oft zunächst an Alkohol, Medikamente oder illegale Substanzen wie Heroin. Erst danach kommt häufig der Gedanke an stoffunabhängige Süchte, wie Essstörungen, Kaufsucht oder pathologisches Glücksspiel. Dabei ist auch die sogenannte Glücksspielsucht, dass muss man immer wieder betonen, für die Abhängigen eine existentielle Bedrohung mit katastrophalen Folgen: hoffnungslose Überschuldung, soziale Isolierung und nicht selten Selbstmord.

Ich nenne Zahlen aus dem Suchtbericht der Bundesregierung 2009: Schätzungsweise 100 000 Menschen, überwiegend Männer, sind in Deutschland akut von Glücksspielsucht betroffen und benötigen Hilfe. Weitere 225 000 Glückspielende gelten als suchtgefährdet. Es gilt daher, Prävention und Hilfsangebote in Hamburg weiter zu intensivie

ren, um die Betroffenen noch besser zu erreichen und eine weitere Ausbreitung der Glücksspielsucht zu verhindern. Es ist wichtig, hier wie auch in anderen Suchtbereichen, niedrigschwellige Zugänge zu schaffen und die bereits praktizierten Ansätze stetig zu überprüfen und zu optimieren.

Unsere parlamentarischen Anfragen im Vorfeld dieses Antrages haben gezeigt, dass Hamburg schon viele Projekte angestoßen und Präventionsund Beratungsansätze, Evaluationen und wissenschaftliche Begleitung von Projekten initiiert hat. Einige der Projekte sind regional auf Hamburg begrenzt, in anderen Fällen agieren wir als Bundesland übergreifend. Gerade im Bereich der Prävention und Beratung bei Glücksspielsucht wollen wir in Hamburg auch in Zukunft auf der Höhe der Zeit sein. Deswegen halten wir den fachlichen, wissenschaftlichen Austausch über die Landesgrenzen hinweg für besonders wichtig.

Mit der nun von uns beantragten Konferenz zur Bekämpfung der Glücksspielsucht wollen wir diesen Austausch fördern. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag, dass Hamburg auch weiterhin gute und schnelle Hilfe in diesem Bereich anbieten kann.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich freue mich, dass sich die finanzielle Möglichkeit für eine solche Konferenz durch noch unverplante Mittel, die im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages zur Verfügung stehen, bietet.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, noch ist Geld da!)

Den Zusatzantrag der LINKEN werden wir ablehnen, weil Sie mit diesem Antrag versuchen, die Ergebnisse eines Kongresses, wie wir ihn uns wünschen, bereits vorwegzunehmen. Abgesehen davon, dass Sie mit veralteten Zahlen argumentieren, wollen Sie eine Vorfestlegung, wie die Hamburger Präventionsund Beratungsangebote optimiert werden sollten, ohne dafür fundierte Belege vorzulegen. Wir meinen, wir sollten erst analysieren und dann die Strategien optimieren. Deshalb möchten wir diesen Kongress auf den Weg bringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat Herr Krüger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das typische Bild, das man von einem Glücksspielsüchtigen haben mag, ist das eines ein wenig fahrig wirkenden Menschen in Smoking oder Abendkleid in einem eleganten Spielcasino eines mondänen Kurortes. Genau das ist aber ein Klischee. Tatsache ist, dass man Spielsüchtige eben nicht so einfach erkennt. Man kann sie nicht

(Vizepräsident Wolfgang Joithe-von Krosigk)

an ihrem äußeren Erscheinungsbild erkennen und sie haben auch nicht ständig eine Fahne. Genau dieser Umstand führt dazu, dass sich die Betroffenen und ihre Umgebung sehr schnell und einfach darüber hinwegtäuschen können, dass überhaupt eine Abhängigkeit vorhanden ist.

Spielsucht ist alles andere als ein Nischenproblem. Frau Heitmann hat eben schon die persönliche Tragik beschrieben. Nach einer Studie der Universität Hamburg beläuft sich der volkswirtschaftliche Schaden, den die Spielsucht jedes Jahr verursacht, auf einen Betrag in zweistelliger Milliardenhöhe. Wir haben es hier also, neben aller Tragik für die Betroffenen, auch mit einem volkswirtschaftlich sehr gravierenden Problem zu tun.

Über 80 Prozent der Spielsüchtigen spielen an Geldspielautomaten. Den harmlos klingenden Begriff spielen möchte ich dabei aber bitte in Anführungszeichen gesetzt sehen, denn es geht um Sucht. Es folgen das Internet, Casinos und Sportwetten. Es gibt in Deutschland rund 25 Millionen Glücksspielkonsumenten, relativ gleichmäßig über die Geschlechter verteilt: 40 Prozent der Konsumenten sind Frauen, 60 Prozent Männer. Auf Hamburg bezogen heißt das, dass hier etwa eine halbe Million Menschen mehr oder weniger regelmäßig ihr Geld für Glücksspiel einsetzen. Neben dem Suchtbericht liegt eine Schätzung des Caritas-Verbandes vor, der die Zahl der Glücksspielsüchtigen in Deutschland auf 80 000 bis 400 000 schätzt und davon ausgeht, dass 90 Prozent der Abhängigen männlich sind. Diese Schätzung weicht also von der gleichmäßigen Verteilung über die Geschlechter ab.

Tatsache ist, dass die Dunkelziffer außerordentlich hoch ist, denn aus der Spielsucht resultierende Auffälligkeiten werden leicht anderen Problemfeldern zugeordnet. Häufig ist Spielsucht der erste Schritt in die Kriminalität. Spielschulden, in einem dunklen Hinterzimmer erworben, werden nicht selten durch Drogenkurierdienste abgezahlt; bei der Festnahme steht dann natürlich das Drogendelikt im Vordergrund. Auch unter jungen Strafgegangenen ist Spielsucht nach wie vor verbreitet. Häufig wird aus dem Gefängnis heraus weiter gezockt, um die Langeweile zu bekämpfen.

Die dramatischen Folgen, auf die Frau Heitmann eben hinwies, kann man durchaus beziffern: Etwa ein Viertel der Betroffenen ist mit mehr als 25 000 Euro verschuldet. Hier droht der Verlust des Arbeitsplatzes, Wohnungsverlust durch Mietschulden und Beschaffungsdelinquenz. Die Universität Bremen hat festgestellt, dass dort, wo Glücksspiele stärker frequentiert werden, auch mehr Menschen in Kriminalität abgleiten; es gibt da einen direkten Zusammenhang. Deshalb ist es wichtig, präventiv tätig zu werden. Betroffene und Angehörige müssen darüber aufgeklärt werden, dass es sich bei Glücksspielsucht wirklich um eine Sucht handelt.

Es geht auch darum, Angehörige, insbesondere Kinder, nicht in finanzielle Not geraten zu lassen. Auf den volkswirtschaftlichen Schaden aufgrund staatlicher Transferleistungen und Therapiekosten bin ich schon eingegangen.

Hamburg hat ein im Bundesdurchschnitt sehr gutes Angebot für Spielsüchtige. Ich nenne die Aktive Suchthilfe e.V. Hamburg mit ihren Beratungs- und Behandlungsstätten, die von der Stadt gefördert wird. Wir haben die Suchtambulanz im Asklepios Klinikum Nord, in der auch Spielsüchtige behandelt werden, und in Altona, Harburg, Barmbek, Eimsbüttel und Duhlsberg Gruppen der Anonymen Spieler, sodass wir in Hamburg relativ gut aufgestellt sind.

Aber gerade deshalb ist es wichtig, auch einmal über den Stadtrand und unsere Landesgrenze hinauszugucken und zu sehen, wo wir eigentlich stehen und was noch erforderlich sein mag. Wir können dann aus dem fachlich-kritischen Austausch unsere Schlüsse ziehen, wie wir das gute Angebot in Hamburg ausbauen und noch effizienter machen können. Die Idee einer Fachtagung zu diesem Thema ist deshalb zu begrüßen, das unterstützen wir selbstverständlich.

Die LINKE nimmt in ihrem Zusatzantrag offensichtlich schon vorweg, was die Experten auf der Fachtagung erst einmal vortragen müssen. Wir möchten gerne erst die Experten anhören und dann unsere Schlüsse ziehen und werden das Pferd nicht von hinten aufzäumen. Daher werden Sie Verständnis dafür haben, dass wir Ihrem Antrag nicht folgen können.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Herr Dr. Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Heitmann, ich möchte Sie beglückwünschen zu Ihrer antizipatorischen Fähigkeit, letzte Woche bei der Anmeldung des Themas schon gewusst zu haben, welche Bedeutung es in dieser Woche durch dummerhafte Äußerungen des für Spielcasinos zuständigen Senators bekommen würde.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Das ist noch höflich ausgedrückt!)

Ansonsten kann ich meinen Vorrednern, Frau Heitmann und Herrn Krüger, weitestgehend zustimmen. Sie haben alles richtig und zutreffend beschrieben. Von daher finden auch wir es angemessen, eine Fachtagung durchzuführen. Wir könnten Ihrem Antrag sogar anstandslos zustimmen, wenn Sie aufgeführt hätten, was die Fachtagung tun soll. Es wäre nicht schlecht, ein bisschen genauer zu definieren, was eigentlich konkret erfragt und diskutiert werden soll. Da ist zum Beispiel die zuneh

(Harald Krüger)

mende Bedeutung des Internets. Welche Rolle spielt das Internet im Vergleich mit anderen Zugangsmöglichkeiten zu Glücksspielen? Fragen dieser Art sollte man durchaus ein wenig genauer festlegen. Von daher sollte dieses Thema unbedingt an den Ausschuss überwiesen werden, zumal in unserem Ausschuss – Herr Krüger, das werden Sie sicher bestätigen – bei solchen Themen immer ruhig und sachbezogen diskutiert wird. Es geht uns dort nicht um Showveranstaltungen. Die vorliegenden Anträge sollten unbedingt im Ausschuss beraten werden, um in Ruhe zu schauen, wie man eine solche Fachtagung ordentlich vorbereiten und zielorientiert gestalten kann.

Zum Antrag der LINKEN: Wir möchten keine Konkurrenz aufbauen, bevor wir überhaupt Bescheid wissen, wo es längs geht. Wir sind gerne bereit, eine Fachtagung durchzuführen. Diese sollte aber ein Ziel und eine Richtung haben, die wir selber festlegen können, und zwar in Zusammenarbeit mit Ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Das Wort hat Frau Artus.