Mich beunruhigt, dass so viele junge Leute dorthin gekommen sind und Gewalt ausgeübt haben, und ich habe gesagt, 72 verletzte Polizeibeamte seien eine bittere Bilanz, nach deren Ursachen ich frage. Ich habe nicht weggeguckt und mich weggeduckt, sondern ich stand eine geschlagene Stunde lang eingeklemmt zwischen Polizeiketten und Wasserwerfern und konnte wegen der Gewaltausbrüche nicht auf die Straße laufen. Man wurde ununterbrochen aufgefordert, sich zu entfernen, was jedoch nicht möglich war. Ich stand im Schutz eines Hauseingangs und auf der anderen Seite warfen Leute mit Steinen und Glasflaschen.
Hunderte anderer Menschen befanden sich in der gleichen Situation und ich frage mich, wie eine Strategie dermaßen viele unbeteiligte, friedliche Leute in Haftung nehmen kann. Meiner Meinung nach muss die Frage geklärt werden, wann dieses Fest genau gekippt ist. So wie ich es wahrgenommen habe, wurde vor dem Ende des Festes, als das letzte Lied gespielt wurde, eine Flasche geworfen, woraufhin es zum Polizeieinsatz kam. War der Schlagstockeinsatz gegen eine Menge Leute gerechtfertigt oder hätte nicht ein einzelner Straftäter verfolgt und festgenommen werden müssen, wie es ansonsten immer der Fall war?
Deswegen frage ich natürlich auch, wie so eine Strategie damit zusammenhängt, dass es zu zahlreichen, absolut unverhältnismäßigen Übergriffen gekommen ist. Ich erinnere an den Journalisten vor der St.-Pauli-Fankneipe. Es sind auch andere Journalisten verletzt worden. Der Einsatzleiter hatte zum Beispiel nicht, wie er müsste, sein Namensschild angeheftet. Das muss er machen, sonst gibt er ein schlechtes Beispiel. Es sind andere Journalisten verletzt worden; Sie konnten es bei der "Welt" sehen, Beamte haben ihre Dienstnummer nicht gezeigt, all das hat es gegeben.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 auf, Drucksache 19/3350, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ein Schutzschirm für alle Menschen.
Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE federführend an den Wirtschaftsausschuss und mitberatend an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss überweisen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Olivier Blanchard, der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, hat gestern gesagt, das Schlimmste läge hinter uns und es käme der Aufschwung. Gemeint hat er die Weltwirtschaft und zu dieser optimistischen Einschätzung trügen insbesondere und vorwiegend China und Indien bei. Deutlich schlechter sieht es in der Euro-Zone aus und in Europa schrumpft nach Einschätzung des IWF die Wirtschaft in Deutschland am meisten, nämlich um 6,2 Prozent in diesem Jahr. Die Handwerkskammer Hamburg hat aktuelle Daten und Prognosen für die weitere Entwicklung vorgelegt. Daraus geht hervor, dass es bislang noch keine krisenbedingten Pleiten und keine größeren Entlassungen gegeben hat, dass aber deutlich erkennbar die Finanz- und Wirtschaftskrise immer mehr auf die kleineren und mittleren Unternehmen durchschlägt.
Merkwürdigerweise ist die wirtschaftliche Lage bei den Maurern und Straßenbauern besonders schlecht, obwohl man eigentlich vermuten könnte, dass die Konjunkturprogramme genau an dieser Stelle ansetzen würden. Nach Aussagen von Herrn Senator Gedaschko sind von 64 geplanten Projekten mit einem Investitionsvolumen von 207 Millionen Euro bereits 39 mit einem Volumen von 100 Millionen Euro begonnen worden. Entweder müsste sich die Auftragslage in diesen Gewerken bald merklich verbessern oder die Konjunkturprogramme gehen an den kleinen und mittleren Handwerksbetrieben in Hamburg vorbei.
Wenn auch nicht aus dem Handwerk, so werden wir doch täglich mit geplanten Entlassungen im Hunderterpack von den Medien überrascht; ich will einige Beispiele nennen. Die Hamburger Sietas-Werft will ein Drittel ihrer Belegschaft entlassen. Shell will in seiner Hamburger Deutschlandzentrale 500 bis 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, broschek tiefdruck 120, der Autozulieferer Kolbenschmidt aus Altona 188 Arbeitneh
merinnen und Arbeitnehmer entlassen. Der OTTO-Versand plant einen umfangreichen Personalabbau und durch die Pleite von Hertie sind bereits Beschäftigte im Einzelhandel auf die Straße gesetzt worden. Weitere könnten folgen, wenn Karstadt seine Probleme nicht geregelt bekommt. Das Konsortium, das Hapag-Lloyd für Hamburg erhalten wollte, braucht dringend mehr Geld, das haben wir gestern in der Zeitung gelesen. Diese Aufzählung ist leider nicht vollständig, aber sie skizziert, dass Hamburg besonders stark von der Krise getroffen wird.
Der Präsident der Handwerkskammer Hamburg, Josef Katzer, hat gesagt, Regenschirme seien bei Sonnenschein günstig, bei Regen würden sie teurer oder seien vergriffen. Was hat er damit sagen wollen? Die Handwerkskammer hat für ihre Mitgliedsbetriebe ein Vorsorgepaket zur rechtzeitigen Unternehmenssicherung aufgelegt, weil sie von einer weiteren, spürbaren Verschlechterung der Konjunktur in Hamburg ausgeht. Das ist eine genauso gute wie notwendige Maßnahme und das sollte auch die Politik machen, und zwar nicht nur für Unternehmen und Banken.
Am Anfang muss allerdings eine schonungslose Analyse stehen und die Schönrednerei muss aufhören. Die Daten und Fakten sprechen eine klare Sprache. Wir müssen uns in Hamburg auf höhere Erwerbslosenzahlen einstellen. Der Präses der Handelskammer Hamburg, Frank Horch, spricht sogar von 90 000 in der Spitze. Zum Glück gibt es die neue Kurzarbeiterregelung, sonst würden es noch mehr sein. Auf jeden Fall wird eine Spirale in Gang gesetzt, die ständig abnehmende Kaufkraft generiert immer mehr Erwerbslose. Das trifft Hamburg in einer Situation der sozialen Spaltung und wird diese zweifelsohne verstärken. Da muss aus unserer Sicht gegengesteuert werden und das kann nur die Politik.
Die von Arbeitslosigkeit bedrohten und betroffenen Menschen dürfen nicht schutzlos der Krise ausgesetzt sein, deshalb fordert DIE LINKE einen Schutzschirm für alle Menschen.
Wir zahlen nicht für eure Krise – mit dieser Parole protestieren seit mehreren Monaten viele Menschen gegen die Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Gemeint ist damit, dass die Lasten dieser Krise nicht auf die Bevölkerung abgewälzt werden sollen. Vielmehr sollen für die Krise – und das wollen vor allem wir, DIE LINKE – diejenigen zahlen, die als Vermögende, Spekulanten und Einkommensmillionäre in den letzten Jahren die Profiteure des Finanzkapitalismus waren.
Leider zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass diese Parole des Protests ein frommer Wunsch ist. Wir zahlen bereits für die Krise. Das kann nur die Politik ändern und das ist dringend geboten.
Seit Jahren steht keine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen für die Hamburger Schülerinnen und Schüler zur Verfügung. Etwa die Hälfte der Schulabgänger aus allgemeinbildenden Schulen wurde bisher in sogenannte Warteschleifen gesteckt. Das von der Bildungsbehörde vorgelegte Rahmenkonzept soll das Übergangssystem Schule und Beruf reformieren und es effektiver gestalten, es ist aber aus unserer Sicht nur ein halbherziger Schritt. Aber abgesehen davon müssen wir davon ausgehen, dass es ein Rekordtief an Ausbildungsstellen in Hamburg geben wird. Die Arbeitsagentur vermeldete bereits im April dieses Jahres für die Regionaldirektion Nord einen Rückgang an Ausbildungsplätzen von 18 Prozent und das entspricht einer Ausbildung für 1378 Jugendliche.
Das Ausmaß des Dilemmas wird noch verstärkt durch den doppelten Abitursjahrgang im nächsten Jahr. Die Verdrängung von Real- und Hauptschülern aus dualen Ausbildungsberufen wird dann ihren Höhepunkt erreichen. Das kann man nicht als naturgegeben hinnehmen, auch hier muss ein Schutzschirm aufgespannt werden.
Wir fordern erstens, dass alle Warteschleifen konsequent in voll qualifizierende Ausbildungen in anerkannten Ausbildungsberufen umgewandelt werden. Unser Vorschlag ist, sie in voll qualifizierenden Berufsfachschulen und außerbetrieblichen Ausbildungsgängen beim Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung einzurichten.
Wir fordern zweitens, angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung, das Ausbildungsplatzangebot in 2009 und 2010 im Öffentlichen Dienst zu verdoppeln.
Wir fordern drittens, dass der Hamburger Senat auf die Unternehmerverbände, die Handels- und Handwerkskammer einwirkt, damit die Zusagen aus dem Ausbildungskonsens eingehalten werden. Für politisch am sinnvollsten halten wir eine Ausbildungsplatzumlage, aber dafür fehlt im Moment die gestalterische Mehrheit.
Wir haben ein weiteres Problem: Viele Jugendliche, die ihre Ausbildung jetzt beendet haben, finden keinen Arbeitsplatz. Wir haben im Vergleich
zum Vormonat die Situation, dass die Erwerbslosenzahl leicht abnimmt, aber bei Jugendlichen bis 25 nimmt sie stark zu. Die Jugendarbeitslosigkeit in Hamburg beträgt zurzeit 30 Prozent, das ist ein riesiges Problem, dass sie ausgebildet sind, aber dann keine Praxis bekommen und das bedeutet am Ende, dass sie, wenn sie zwei, drei Jahre nicht im Beruf arbeiten können, dann wahrscheinlich aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind.
Darüber hinaus möchten wir alle beim Wort nehmen, die immer von der Bildungsoffensive sprechen. Gestern fand in der Innenstadt eine Demonstration zur Verbesserung der Betreuungssituation im Kita-Bereich statt. Daran beteiligten sich Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Kinder. Hier muss dringend investiert werden, und zwar auch in Personalkosten.
Heute hat Senatorin Christa Goetsch den Schulentwicklungsplan vorgestellt. Ungefähr 60 Millionen Euro pro Jahr sollen in Umbau und Zubau sowie energetische Nachrüstung investiert werden. 200 neue Räume sollen allein durch die Absenkung der Klassenfrequenzen entstehen. Das begrüßen wir sehr. Demgegenüber sollen in 2009 und 2010 aber nur 300 Lehrer eingestellt werden. Das wird aus unserer Sicht nicht reichen. Wir sind der Auffassung, dass jetzt schon zu wenige Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst tätig sind und es kommen noch viele neue Aufgaben auf die Lehrkräfte zu, die sehr viel Zeit beanspruchen. Wenn die Schulreform auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen wird, dann wird sie scheitern. Wir fordern im ersten Schritt für das Schuljahr 2009/2010 die zusätzliche Einstellung von 640 neuen Vollzeitlehrkräften.
Erzählen Sie mir doch bitte nicht so etwas. Es dauert nicht lange und dann bekommt Hapag-Lloyd wieder 1 Milliarde Euro. Hören Sie doch auf damit, ständig zu sagen, wir haben kein Geld.
In den nächsten Jahren wird die bereits eingesetzte Pensionierungswelle von Pädagogen exponentiell zunehmen. Der Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern wird immens ansteigen. In Hamburg haben wir leider die Situation, dass nicht genügend Referendare ausgebildet werden, um mit eigenem Lehrernachwuchs die frei werdenden Stellen in den
Schulen besetzen zu können. Wir fordern den Senat auch in dieser Frage zu einer Umkehr auf und die Empfehlung der KMK, nämlich dass jedes Land selbst dafür sorgen muss, den Lehrernachwuchs auszubilden, endlich einmal ernst zu nehmen. Es reicht nicht zu sagen, Hamburg sei so eine schöne, interessante, hübsche Stadt, ich finde Hamburg auch sehr schön, aber dann brauchen wir nicht auszubilden, es kommen aus den anderen Bundesländern schon genug. Das geht nicht auf Kosten anderer Bundesländer.
Die Lehrerausbildung im Fachbereich Erziehungswissenschaften muss dringend gesichert werden, dort werden 1,5 Millionen Euro benötigt. Alle Parteien waren gerade dort zu einem Gespräch.
Auch müssen mehr Lehramtstudierende mit dem Ersten Staatsexamen einen Referendarplatz erhalten. Es gibt im Moment sehr viele Fälle, dass sogar Studierende, die im ersten Staatsexamen die Note 1,4 hatten, keinen Referendarsplatz bekommen. Es kann nicht sein,
dass sie erst ein Turbo-Abitur machen müssen und dann im Blitzdurchgang ein Studium bis zum ersten Staatsexamen. Dann dauert es zwei Jahre, bis sie einen Referendarplatz bekommen, und in der Zeit wissen sie nicht, was sie machen sollen. Ich habe sogar gehört, dass einer Kollegin der Tipp gegeben wurde, sie könne doch erst einmal zwei Jahre bei Aldi an die Kasse gehen und dann würde sie bestimmt einen Referendarplatz bekommen. So geht es nicht.
Ich habe mich bei der Vorstellung unseres Antrags auf die Probleme der Jugendlichen und auf das Thema Bildung konzentriert. Zu den arbeitsmarktpolitischen und sozialpolitischen Forderungen wird der Abgeordnete Wolfgang Joithe nachher noch für DIE LINKE Ausführungen machen und unseren Antrag ergänzen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.