Protocol of the Session on June 24, 2009

Sie haben selbst gerade vorgerechnet, dass die Produktionsschule Altona über die Jahre hinweg gemittelt 15 000 Euro pro Jahr und pro Schüler zur Verfügung hatte, natürlich auch durch Einnahmen aus Produktion und durch Drittmittel.

Genau diese Einnahmen aus Produktion und Drittmitteln sind natürlich nicht exklusiv für die Produktionsschule Altona und sonst für niemand anders in dieser Stadt erreichbar. Die freien Träger haben einerseits Erfahrung mit der Akquirierung von Drittmitteln und werden andererseits durch die Produktion in den Produktionsschulen weitere Einnahmen akquirieren, sodass unsere Perspektive klar ist: Die künftigen Produktionsschulen werden am Ende genauso ausgestattet sein wie die Produktionsschule Altona.

Die Frage ist eben nur, was wir als Staat, was wir als Freie und Hansestadt Hamburg diesen Schulen zuschießen. Die Produktionsschule Altona hat auch nur einen Zuschuss von 9300 Euro und die künftigen Produktionsschulen werden in der Anschubphase, bis ihre Produktion läuft, auf einen vergleichbaren Satz kommen. Sie werden natürlich

produzieren, Einnahmen erzielen und die Möglichkeit haben, Drittmittel zu akquirieren.

Die Senatorin hat schon darauf hingewiesen, dass die Produktionsschule Altona als Pilotprojekt, das vor 10 Jahren gestartet wurde und dann 10 Jahre als einsamer Pilot weiterarbeiten musste, von der Infrastruktur, von der institutionellen Ausstattung her eine ganz andere Voraussetzung gehabt hat. Sie musste sich alles neu aufbauen, während wir jetzt Produktionsschulen unter bestehenden freien Trägern ausschreiben, die ihre Infrastruktur, ihre ganze Verwaltungseinrichtung, ihre Buchhaltung et cetera bereits haben und mit einbringen. Diese Kosten müssen wir nicht zusätzlich finanzieren.

Es ist eine eigenartige Idee, zu sagen, dass wenn man Qualifizierung und Weiterqualifizierungsmaßnahmen mit freien Trägern mache, sei das nun eine Privatisierung und ein Rückzug des Staates aus der Verantwortung. Natürlich bleiben die Schüler weiterhin schulpflichtig und die Verantwortung für die Schüler und Schülerinnen bleibt auch in staatlicher Hand.

Die Träger müssen sich alle drei Jahre wieder neu bewerben. Zusammen mit der Behörde für Schule und Berufsbildung wird dann genau auf die Ergebnisse geschaut, ob die Träger erfolgreich waren oder nicht und gegebenenfalls wird das Ganze neu ausgeschrieben und entzogen. Die staatliche Verantwortung bleibt und der Privatisierungsvorwurf greift völlig zu kurz.

Wichtig ist aus unserer Sicht, dass man das Knowhow der freien Träger nutzt, die auf diesem Markt bereits viele Erfolge vorzuweisen haben und dass man auch die Flexibilität und Chancen der freien Träger nutzt, mit kreativen Ansätzen kleine Einheiten zu schaffen, die sich eben nicht – ich sage das einmal so, auch wenn es unsere Behörde ist – in der hierarchischen, bürokratischen Struktur einer Schulbehörde erst den Freiraum erkämpfen müssen. Freie Träger haben mehr Flexibilität und mehr Chancen, Netzwerke zu bilden, sich in die Region einzupassen und dort jeweils individuell angepasste Lösungen zu finden. Deswegen ist und bleibt das Konzept der Produktionsschule ein gutes.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen dann zur Abstimmung.

Wer möchte sich der Ausschussempfehlung anschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Die Drucksache 19/3269 ist damit bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen einstimmig beschlossen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer zweiten sofortigen Lesung zu?

(Ties Rabe)

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Der Senat stimmt einer sofortigen zweiten Lesung zu. – Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Widerspruch aus dem Hause sehe ich nicht.

Wer will den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss auch in zweiter Lesung fassen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist die Drucksache 19/3269 mit demselben Ergebnis wie in der ersten Lesung in zweiter Lesung und damit auch endgültig beschlossen.

Tagesordnungspunkt 3e, Drucksache 19/2936, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Situation der "Ein-Euro–Jobs" und der von ihnen Betroffenen in Hamburg.

[Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Situation der "Ein-Euro-Jobs" und der von ihnen Betroffenen in Hamburg – Drs 19/2936 –]

Diese Anfrage möchte die Fraktion DIE LINKE an den Wirtschaftsausschuss überweisen.

Das Wort wird gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Joithe-von Krosigk bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kein Instrument der Arbeitsmarktpolitik steht seit der Agenda 2010, seit dem Inkrafttreten der so genannten Hartz-IV-Gesetze, so sehr im Fokus wie die Arbeitsgelegenheiten, Ein-Euro-Jobs, Aktiv-Jobs, Zusatzjobs, Pflichtdienste, Zwangsarbeiten nach § 16 d des Sozialgesetzbuches II. Schon allein die Vielzahl der Begriffe für diese Tätigkeit zeigt die Bandbreite der arbeitsmarkt- und auch der sozialpolitischen Einschätzung.

Der Begriff Arbeitsgelegenheiten sagt ganz klar, dass es sich nicht um einen Arbeitsplatz normaler Prägung handelt. Hier bekommt Mann oder Frau lediglich die Gelegenheit, zu arbeiten. Das hört sich so an, als könne man wie bei einem Sonderangebot zugreifen oder eben auch nicht. Weit gefehlt. Hinter dieser Gelegenheit verstecken sich Zwang, Nötigung, Drangsalierung, De-Qualifizierung und Willkür.

Hier finden wir den altbekannten Sumpf einer Trägerkultur vor, die sich der Erwerbslosen als Spielsteine bedient. Ohne Erwerbslose keine Maßnahmen, ohne Maßnahmen keine Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds. Da müsste mancher Träger, wie zum Beispiel die Hamburger Arbeit oder Mook wat so wie Arcandor Konkurs anmelden. Dann lieber doch einige praxisferne Ideen in das Interessenbekundungsverfahren geben, um am großen Aktivkuchen teilzuhaben. Für dieses Schauspiel stehen die Erwerbslosen zwangsweise zur Verfügung. Sie sind arm und brauchen das

Geld, das von der Mehraufwandsentschädigung übrigbleibt. Wenn sie nicht mehr wollen, weil sie mit den Anleitern nicht zurechtkommen oder warum auch immer, dann versucht man, sie mit ihrem Arbeitslosengeld II und den Kosten der Unterkunft bis auf Null zu kürzen. So viel zur oft genannten und angenommenen Freiwilligkeit.

Die wesentlichen Kritikpunkte an diesen Gelegenheiten, die Bestandteil dieser Anfrage sind, sind folgende: Sie sind arbeitsmarktpolitisch nicht zielführend. Die Förderstruktur setzt Fehlanreize auf städtischer und kommunaler Seite und bei den Beschäftigungsträgern, was in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer Mitnahme von Fördermitteln unter Verletzung der Fördervoraussetzung führt und Wettbewerbsund Arbeitsmarktverzerrung verursacht. Der in Verbindung mit § 31 SGB II zwangsweise Charakter der Ein-Euro-Jobs steht im Konflikt mit dem völkerrechtlichen Übereinkommen Nummer 29 über Zwangs- und Pflichtarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation, der IAO oder auch der ILO.

Wie leger sich die Behörde für Wirtschaft und Arbeit mit der Problematik der Arbeitsgelegenheiten auseinandersetzt, lässt sich zum Beispiel aus der Beantwortung der Frage 4 der Großen Anfrage meiner Fraktion ersehen. Die Frage lautet, ich zitiere:

"Die Arbeitsgelegenheiten (…) stellen das quantitativ wichtigste und kostenaufwendigste arbeitsmarktpolitische Instrument dar. Eine detaillierte und fortlaufend begleitende Evaluation der Arbeitsgelegenheiten muss von daher für ein zielführendes politisches Handeln von größtem Interesse sein. Die BWA hatte die 'Umsetzung und Ergebnisse der öffentlich geförderten Arbeitsgelegenheiten (…) im Jahr 2005' (Hamburg, Juni 2006) untersuchen lassen. Seither haben verschiedene andere Studien auf Bundesebene den arbeitsmarktpolitischen Nutzen dieses Instruments grundsätzlich infrage gestellt.

Welche weiteren Evaluationen über die Struktur, Durchführung und den arbeitsmarktpolitischen Nutzen der Arbeitsgelegenheit hat es seit der erwähnten Studie zur Situation in 2005 in Hamburg gegeben?"

Darauf die erschöpfende Antwort des Senats:

Es hat keine gegeben. Und dann der im Grunde freche Verweis auf die eben genannte Studie aus dem Jahre 2006 für 2005.

(Glocke)

Vielen Dank. Es ist schon verstanden worden, was ich sagen wollte. – Fahren Sie bitte fort.

(Präsident Berndt Röder)

Und an anderer Stelle:

"Der Senat berücksichtigt bei seiner Entscheidungsfindung alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen."

Das ist eine Antwort. Damit können Sie dann etwas anfangen.

(Andy Grote SPD: Aber der Senat tappt im Dunkeln!)

Dies macht es nun erforderlich, auf verschiedene Expertisen zu den Arbeitsgelegenheiten,

(Glocke)

die es auf Bundesebene gibt, Bezug zu nehmen.

Darf ich den Abgeordneten Wankum heute zum zweiten Mal daran erinnern, dass wir das unterlassen wollen. – Danke. Fahren Sie bitte fort.

Da diese Untersuchungen diesem Arbeitsmarktinstrument durchweg wenig arbeitsmarktpolitischen Nutzen und viel volkswirtschaftlichen Schaden attestieren, muss die Frage gestellt werden, ob in Hamburg gerade deshalb seit 2006 keine weiteren Untersuchungen zur Situation in Hamburg in Auftrag gegeben wurden. Befürchtete man durch deren Ergebnisse eine weitere Infragestellung der Verträge und kommuneeinträglichen Ein-Euro-Jobs?

Es hätte zum Beispiel das Aus für das Stadtbegleitgrün bedeutet, es sei denn, man hätte die bereits verdrängten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze im Gartenbau- und Tiefbauamt neu ausgeschrieben – was ziemlich unwahrscheinlich wäre.

Glücklicherweise gibt es aber Menschen und Institutionen außerhalb Hamburgs, die eine Studie nicht scheuen. So stellt der Forschungsbericht Nr. 02 aus 2007 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, eine Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit, fest:

"… dass im Zuge der Beschäftigung von Zusatzjobbern reguläre Beschäftigung in nicht zu vernachlässigendem Umfang verdrängt und der bestehende Wettbewerb beeinflusst wird. Die repräsentativen Ergebnisse unserer Erhebung stützen damit die Aussagen des Bundesrechnungshofes... (…)

Nur bei 2% aller Zusatzjobber, die generell geeignet sind, haben die Betriebe eine Übernahme fest geplant. (…) Obwohl sie als geeignet, leistungsfähig und leistungsbereit eingeschätzt wurden, haben nur maximal 7% bzw. jeder Vierzehnte von ihnen über die Arbeitsgelegenheit die Chance auf den

Einstieg in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Bei insgesamt 78% aller geeigneten Zusatzjobber erklären die Betriebe, dass keine finanziellen Mittel für eine Einstellung zur Verfügung stehen. Wie bereits vermutet, nutzen zwar viele Kommunen, Einrichtungen und Vereine dieses Arbeitsmarktinstrument, sehen aber aufgrund beschränkter Budgets keine Übernahmemöglichkeiten."

Dazu ergänzend aus meiner eigenen Erfahrung: team.arbeit.hamburg oder Job-Center oder wie auch immer sich diese Behörde nennt, ist nicht einmal willens und in der Lage, im größeren Umfang – so wie es nötig wäre – die Umsetzung der mit den Trägern vereinbarten Maßnahmen vor Ort und in der Praxis zu überprüfen – Herr Gedaschko.

Obwohl ich mich selbst schriftlich an meinen Sachbearbeiter wandte, weil die Maßnahme vor Ort nicht mit der Zuweisung beziehungsweise der Eingliederungsvereinbarung übereinstimmte, geschah nichts. So nimmt die ARGE beziehungsweise die Wirtschaftsbehörde als federführende Behörde ihre Kontrollfunktion gegenüber ihren Vertragspartnern wahr. Dagegen helfen auch keine tollkühnen Presseerklärungen aus der Weidestraße.

Im IAB-Kurzbericht 2008 heißt es, dass es Ziel der Ein-Euro-Jobs sei, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen. Tatsächlich lasse sich dieser Effekt nur in Ausnahmefällen überhaupt nachweisen. 20 Monate nach der Maßnahme verzeichnen ostdeutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen einprozentigen und westdeutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen dreiprozentigen Anstieg der Wahrscheinlichkeit, regulär beschäftig zu werden – und das bei dem massiven Einsatz von Geldern.