Protocol of the Session on April 16, 2008

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hesse.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Kerstan hat es eben gesagt, die Anmeldung für diese Debatte kam vor dem Beschluss des Parteivorstandes, also just in time. Wir freuen uns als Union, dass die SPD diesen Schritt jetzt endlich gemacht hat. Der Zug der Bahnprivatisierung nimmt Fahrt auf und das ist für die Deutsche Bahn, aber auch für die Nutzerinnen und Nutzer der Deutschen Bahn gut so.

Es war aber eine lange Geburt, lieber Kollege Egloff, und wenn ich mir die Historie zur Bahnprivatisierung angucke, waren sich die Koalitionäre eigentlich bereits am 8. November 2006 einig, dass das Netz beim Bund bleiben soll, die Bahn es aber bewirtschaften und in der Bilanz führen kann. Was dann passierte, war etwas, was wir auch bei der SPD in Hamburg in den letzten Wochen und Monaten festgestellt haben. Es gab mehrere Kehrtwenden bei der Bahnprivatisierung. Ähnlich wie zu Moorburg und zur Schulpolitik gab es unterschiedliche Beschlüsse. Es gab unterschiedliche Meinungen und wir wussten gar nicht, was die SPD eigentlich will.

(Beifall bei der CDU)

Am 27. Oktober 2007 gab es auf ihrem Hamburger Parteitag den auch von den Medien weit verbreiteten Beschluss, die Privatisierung der Deutschen Bahn auszubremsen, indem man stimmrechtlose Vorzugsaktien ausgeben möchte. Dieses hat natürlich im Bundesverkehrsministerium und auf Bundesebene zu großen Diskussionen geführt. Am 13. Februar 2008 wurde dann dem Wunsch der Hamburger Parteibasis nach Volksaktien durch den SPD-Vorstand ein Riegel vorgeschoben. Man hat gesagt, so möchte man das vielleicht dann doch nicht.

Am 10. März, wo der Kollege Beck schon wirklich Schwierigkeiten hatte, überhaupt noch eine klare SPD-Position zu diesem Thema zu vermitteln, wur

(Jens Kerstan)

de dann – wie man es so häufig tut – eine Arbeitsgruppe bei der SPD eingesetzt, um vielleicht eine gemeinsame Position der Partei zu finden. Glücklicherweise hat sich dann am 14. April, ich habe es bereits erwähnt, unter der Führung von SPD-Chef Kurt Beck die Spitze auf ein nochmals abgespecktes Konzept für eine Teilprivatisierung der Bahn geeinigt. Das ist ein richtiger und notwendiger Weg. Er kommt spät, aber wir als Union sagen: Glücklicherweise kommt er.

(Beifall bei der CDU)

Wie geht es weiter? Am 21. April werden sich dann – und ich hoffe, dass es nicht wieder eine Rückkehr geben wird – das Präsidium und der Vorstand der SPD mit diesem Vorschlag nochmals beschäftigen. Für den 28. April sind dann Beratungen im Koalitionsausschuss über dieses von der SPD vorgeschlagene Modell vorgesehen. Danach wird es natürlich eine Regierungsvorlage und eine Beratung im Parlament geben. Diese Beratung im Parlament, aber auch der Koalitionsausschuss, hat für die Union schon gewisse Bedeutung, denn wir sind der Auffassung, dass das, was die SPD vorgeschlagen hat, lediglich der Anfang sein kann. Die Schwelle von 25 Prozent, die von der SPD vorgeschlagen wurde, muss überschritten werden,

(Ingo Egloff SPD: 24,9 Prozent, Herr Kolle- ge!)

um einen guten Preis für das Aktienpaket zu erzielen, aber auch um das notwendige Geld für Investitionen in die Infrastruktur zu bekommen. Das ist doch genau das Ziel. Wir wollen eine leistungsfähige Deutsche Bahn haben. Das heißt: Wir brauchen auch Fremdkapital für die Infrastruktur. Deswegen kann dieser Beschluss der SPD auch nur der erste Schritt sein.

Es gibt noch weitere Punkte, die für die Union wichtig sind und die zu berücksichtigen sind. Wir wollen eine uneingeschränkte Eigentümerstellung des Bundes haben. Das heißt: Auch Reaktionen auf wirtschaftliche Entwicklungen müssen möglich bleiben. Wir wollen den Abschluss einer Leistungsund Finanzierungsvereinbarung. Wir wollen die Stärkung der Bundesnetzagentur für kostengerechte Preise und fairen Wettbewerb. Und wir wollen – ich habe es bereits angedeutet – einen Rückfluss der Privatisierungserlöse in die Schiene, sprich Infrastruktur und Schuldenabbau. Das ist dringend notwendig, genauso wie die Ausschreibung durch die Länder im Nahverkehr für mehr Wettbewerb auf der Schiene.

Die Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn ist auf einem guten Weg, die Deutsche Bahn ist dabei, auch im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger zu werden. Das stärkt auch die Deutsche Bahn im Bereich des Klimaschutzes, wo sie in Konkurrenz zu anderen Verkehrsmitteln steht. Das stärkt auch den Standort Hamburg, denn wir

Hamburger profitieren von der Deutschen Bahn. Deswegen begrüßen wir es, dass der Zug endlich fährt und ich wünsche mir, dass möglichst viele noch mit aufspringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Karin Timmermann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass die GAL lieber über bundespolitische Themen sprechen möchte. Bei landespolitischen Themen besteht bei Ihnen zurzeit eine gewisse Sprachlosigkeit.

(Beifall bei der SPD, bei Christiane Schnei- der und Kersten Artus, beide DIE LINKE)

Wir haben klare Vorstellungen und Ziele, in welche Richtung der Zug beziehungsweise die Bahn fahren soll. Für die SPD steht fest: Keine Zerschlagung der Deutschen Bahn AG und damit Erhalt des konzerninternen Arbeitsmarktes. Wir haben eine Verantwortung für 230 000 Menschen, die heute bei der Deutschen Bahn AG arbeiten. Davon sind alleine 8 500 in Hamburg beschäftigt. Keine Einschränkung des Bundes in der Wahrung der Eigentumsrechte, kein Zugriff der Investoren auf die Kernaufgaben der Bahn, zu denen neben einer gut ausgebauten Infrastruktur auch ein funktionierender Regionalverkehr gehört. Ziel muss es sein, den Menschen ein verlässliches, bezahlbares, attraktives und umweltfreundliches Verkehrsangebot zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Strukturmodell – Herr Hesse hat darauf hingewiesen – schlägt die SPD ein Modell vor, bei dem die Menschen keine Angst haben müssen, dass überzogene Renditeinteressen zur Stilllegung von Verkehrsverbindungen führen. Durch die Erlöse einer Teilprivatisierung könnten aus unserer Sicht wichtige Ziele einer Bahnreform umgesetzt werden. Dazu gehören unter anderem Folgende: Der Schienenverkehr muss für Personen und Güter gesichert bleiben, das Netz muss besser werden. Trotz erheblicher Investitionen ins Schienennetz zeigen bestehende Langsamfahrstellen, dass noch heute erheblicher Investitionsbedarf besteht. Die Bahn muss kundenfreundlicher werden. Nur wenn dies gelingt, können wir erreichen, dass mehr Menschen umsteigen und die Bahn nutzen. Die Bahn muss auch leiser und energieeffizienter werden. Mehr Schienenverkehr ist nur zumutbar, wenn effiziente Technologien eingesetzt werden. Wir brauchen auch mehr Lärmschutz. Die Verkehrsstationen und Bahnhöfe müssen attraktiver und noch besser zugänglich sein, auch für ältere Menschen und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen.

(Klaus-Peter Hesse)

An diesen genannten Punkten erkennen Sie, dass wir eine klare Positionierung haben – im Gegensatz zur CDU. Auch wenn Herr Hesse uns etwas anderes zu vermitteln versucht. Es ist natürlich nicht so, wie Sie es dargestellt haben, Herr Hesse, dass Sie sich so einig sind. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, gab es doch einige Differenzen zwischen der CDU und der CSU, die dort auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Es ist zu hoffen, dass die CDU auch kurzfristig konstruktive Vorschläge macht, damit diese Reform auf den Weg gebracht werden kann. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Gregersen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Und ich? Ich habe mich inzwischen zehnmal gemel- det!)

Ob Sie freundlicherweise einen Blick in die Geschäftsordnung werfen, Herr Hackbusch. Die Wortmeldungen gehen nämlich nach den Stärken der Fraktionen. – Bitte schön.

(Zuruf: Aber die GAL war schon dran! – Mi- chael Neumann SPD: Jetzt aber mal keinen Ältestenrat! – Unruhe im Hause)

Bleiben Sie bitte ganz ruhig und gelassen. Ich werde zu Recht darauf hingewiesen, dass Herr Kerstan der GAL angehört. – Bitte schön, Herr Hackbusch.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren, Sie können sich vorstellen: Ich bin über diese Entscheidung der Sozialdemokratie,

(Klaus-Peter Hesse CDU: … nicht glücklich!)

25 Prozent zu verkaufen,

(Zurufe: 24,9!)

24,9 Prozent – nicht glücklich.

Ich will auch sagen, warum. Wir alle, die etwas mehr Erfahrung in der Politik in Hamburg haben, haben Erfahrungen mit einem 24,9-Prozent-Anteil, also mit 75,1 Prozent, die die Freie und Hansestadt Hamburg damals an der HEW hatte. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an die Diskussion erinnern, was man aufgrund dessen politisch machen konnte und was nicht, und ob Sie sich noch daran erinnern, was alles nicht möglich war. Es ist nicht so, dass die Politik dann noch die erste Geige spielt. Sondern es ist so – und das waren auch die Erfahrungen mit der HEW, die Sie alle gemacht haben –, dass in dem Augenblick das Investoreninteresse das entscheidende Moment ist. Deswegen ist diese Entscheidung der Sozialdemokratie ein raben

schwarzer Tag, und zwar ein rabenschwarzer Tag für die Demokratie, für die Verkehrspolitik und für die Klimapolitik in dieser Stadt und in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN und bei Martina Gregersen GAL)

Warum für die Demokratie? Das andere wurde schon häufig genannt. Warum für die Demokratie? Vielleicht mag Sie das erstaunen. Aber ich habe den Eindruck, Sie sind sich gar nicht mehr bewusst, in welcher Republik Sie eigentlich regieren – diese Große Koalition im Bund. Es ist eine große Mehrheit in der Bevölkerung, die gegen diesen Verkauf und gegen die Privatisierung ist, und zwar festgestellt von allen Instituten. Ich weiß nicht, ob Sie eigentlich noch mit den Wählern reden. Nein, Sie diskutieren im Allgemeinen, wie man das eben auch in dieser Debatte mitbekommen hat. Allgemeine Wunschvorstellungen, was wünsche ich mir alles von einer Bahn, was sind alles meine Träume, das soll alles schöner und bunter werden und dafür hole ich mir die privaten Investoren herein. Das ist doch Unsinn. Alle Versuche, die mit Privatisierung von Bahn international gemacht worden sind, sind gescheitert.

(Beifall bei der LINKEN, bei Martina Greger- sen und Horst Becker, beide GAL)

Schauen Sie sich doch an, was in Großbritannien passiert ist. Schauen Sie sich die Ergebnisse in den USA an. Im Nachhinein musste der Staat nicht nur Milliarden abschreiben, sondern das Ganze auch wieder unter staatliche Fittiche nehmen, weil die Bahn in diesen Ländern abgesackt ist. Die wichtige Aufgabe, in der Verkehrspolitik etwas Zentrales darzustellen, und auch die wichtige Aufgabe, in der Klimapolitik dem Hauptverschmutzer, dem privaten Verkehr, entgegentreten zu können, bewältigt eine privatisierte Bahn nicht. Deswegen ist es ein rabenschwarzer Tag für die Entwicklung dieser Republik, ein rabenschwarzer Tag eben auch in der Klimapolitik.

(Beifall bei der LINKEN und bei Horst Becker GAL)

Ich weiß auch nicht mehr – die Argumente sind lange hin und her diskutiert worden, nicht auf diesem schwachen Niveau wie eben, sondern auf einem besseren Niveau –, was eigentlich der Motor ist.

(Michael Neumann SPD: Früher war alles besser!)

Es ist klar nachgewiesen worden, dass das nicht im Interesse der Bahn und des Verkehrs ist und so weiter. Es gibt einen entscheidenden Motor der ganzen Angelegenheit und der hat einen Namen. Dieser Motor ist Herr Mehdorn. Herr Mehdorn will aus irgendwelchen Gründen einen internationalen Logistikkonzern aufbauen. Solche Fantasien kennen wir von anderen Unternehmen. Wir befürch

(Karin Timmermann)

ten, dass das katastrophale wirtschaftliche Auswirkungen haben wird. Wir haben nicht das Interesse, eine Bahn als internationalen Logistikkonzern zu haben. Meine größte Befürchtung dabei ist, dass viele Menschen und viele Politiker in den Reihen der CDU und SPD, die jetzt auf Bundesebene dieses Gesetz mit entwickeln werden, in wenigen Jahren Berater in diesem neuen Unternehmen sein werden oder dort andere Posten haben werden. Das haben wir bei vielen Beispielen von Privatisierung schon erlebt und das ist die größte Katastrophe für die Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun bekommt das Wort die Abgeordnete Gregersen.