Wir haben eben gehört, dass das ein ziemlich ehrgeiziges Projekt mit sehr viel Geldeinsatz ist. Insofern schließe ich mich Ihnen jetzt an und bitte um Nachsicht, dass ich meine Zeit, die ich habe, entgegen der Verabredung mit dem Ältestenrat komplett auf diesen Bereich konzentriere, weil ich Ihnen einfach einmal unsere Sicht über diesen "Sprung über die Elbe" zeigen möchte.
Wenn ich das richtig verstehe, ist "Sprung über die Elbe" als räumliche Schwerpunktsetzung für den Hamburger Süden zugleich von Ihnen verknüpft mit der Idee "Wachsen mit Weitblick", das haben wir ein paar Mal gehört. Betroffen sind – das ist sicher unbestritten – die Stadtteile Wilhelmsburg, Veddel, Hamburg-Mitte sowie der angrenzende Bezirk Harburg. Ich nehme an, dass Sie mir auch folgen in der Analyse, dass diese Stadtteile – aus welchen Gründen lassen wir einmal offen – charakterisiert sind durch besonders hohe Belastungen durch Schwerlastverkehr, Lärm, Flächenverbrauch und Luftverschmutzung. Ursächlich ist dafür vor allem die sich noch bis vor Kurzem ausdehnende Hafenwirtschaft und die damit verbundene anliegende Industrie. Dass noch Moorburg dazugekommen ist, macht das Ganze nicht viel attraktiver.
Wenn wir uns einmal Wilhelmsburg anschauen – beide Vertreter der Regierungsparteien haben das angesprochen –, dann geht eine Hauptverkehrs- und -zubringerstraße für den Hafen mitten durch die Stadt. Direkt am Wilhelmsburger Rathaus donnern täglich 20 000 Lastkraftwagen vorbei und auch durch die Wohngebiete – auch wenn Sie das in unseren Anfragen bestreiten – schlängelt sich der Transportverkehr. Zuspitzen, das ist unser erstes großes Problem, könnte sich dieses Phänomen durch die beschlossene Verkleinerung der Freizone, die zumindest bisher, wenn wir das nicht durch Verkehrsregeln auffangen,
Nun wollen Sie mit diesem Projekt diese unterentwickelte Zone in den nächsten Jahren ausbauen und aufwerten. Ganz wichtige Punkte sind dabei die Internationale Bauausstellung sowie die internationale Gartenschau. Wenn man sich das anschaut – Sie haben gesagt, Sie nehmen sehr viel Geld in die Hand –, was als Planungskonzept im Rahmen des "Sprungs über die Elbe" vorliegt – man könnte sich auf die Drucksache beziehen beziehungsweise auf die Rudimente, die dazu im Haushalt stehen –, so sind unseres Erachtens die Bedenken für dieses Projekt der Stadtteilentwicklung, nämlich die relevanten Probleme vor Ort, insbesondere die Verkehrssituation, der Lärm und die Schadstoffbelastung, nicht erkennbar.
Sie wollen – das will ich Ihnen erst einmal zugute halten – die Bevölkerung mitnehmen bei diesem Projekt, weil Stadtentwicklung, so jedenfalls bisher die Diskussionen im Ausschuss, ohne breite Bürgerbeteiligung meist in einem Desaster endet. Insofern ist es ein ganz wichtiger Punkt, wie Sie in diese Stadtentwicklung die Partizipation einbauen. Wenn ich das richtig deute – aber darüber werden wir unterschiedlicher Meinung sein –, ist meine Wahrnehmung, dass sich ein relevanter Teil, vor allen Dingen der Bevölkerung in Wilhelmsburg, gegen diese Konzeption stellt.
Kernforderungen – ich will Ihnen meine Sicht erläutern – für dieses Projekt in diesen Stadtteilbereichen sind: Sicherung des bezahlbaren Wohnraums – da müsste einiges passieren, denn ich sehe nicht, dass etwas passiert –, Verkehrsentlastung des Stadtteils und vor allen Dingen der Wohnquartiere, Erhaltung der Naherholungs-, Natur- und Freiflächen und nicht zuletzt ein Beteiligungsprozess. Meines Erachtens – und das wäre die Kritik an die Senatorin – kann man den Willen zur Bürgerbeteiligung nicht erkennen.
Es ist gerade zwei Wochen her, Frau Senatorin, dass Sie sich in Wilhelmsburg der Diskussion mit circa 650 Bürgern stellten.
Beeindruckt von dem Engagement und der Argumentation so vieler Menschen vor Ort – das ist ja eher ungewöhnlich – sicherten Sie die Fortsetzung der Debatte in wenigen Wochen zu. Mit der gestern vorgestellten DEGES-Studie wird deutlich, dass es offensichtlich gar nichts mehr zu diskutieren gibt, denn die Planungen für eine zusätzliche Autobahn im Wilhelmsburger Süden werden fix und fertig der Presse präsentiert.
Einen Bürgerdialog mit einer grünen Senatorin hatten sich die Initiativen in der Tat anders vorgestellt. Wenn Sie heute in Ihrer Presseerklärung sagen, das wäre eine traumhafte oder eine gute Lösung, dann kann ich dem absolut nicht zustimmen.
Der Senat hat bislang Millionen und Abermillionen Euro ausgegeben und immer wieder Planungsprozesse angeschoben. Er hat eine Autobahntrasse nach der anderen ins Gespräch und in die Prüfung gebracht. Aber er hat faktisch, das ist meine Wahrnehmung, keinen Cent übrig, um die Zusammenarbeit mit den Bürgern in einer realistischen Verkehrsanalyse durchzuführen.
Sie machen "Wachsen mit Weitsicht", aber Sie machen keine weitsichtige Verkehrsplanung, sondern kurzsichtige Autobahnausbaupolitik mit langfristig verheerenden Folgen.
Der Blick nach Altona – bezogen auf das, was Sie und auch Herr Becker angesprochen haben – zeigt doch, was uns blüht. Bei der A 7 wird mit 100 Millionen Euro versucht, die Zerschneidung der Stadt durch eine verfehlte Autobahnpolitik der Siebzigerjahre halbwegs wieder zu flicken. Und in Wilhelmsburg wird jetzt mit dem Schnellschuss einer QuasiAutobahn längs der Eisenbahn eine Zerschneidung für Jahrzehnte betoniert und vertieft, die Sie dann in 30 Jahren wieder zudeckeln oder flicken können.
Herr Kerstan, ich hoffe, dass Sie das noch einmal erklären. Mit dem, was Sie jetzt tun, hebeln Sie für Altona gerade die Bürgerbeteiligung aus, das ist doch der entscheidende Punkt. Meine Befürchtung ist, dass Sie das durch Evokation ausgehebelt haben, was dort anläuft und auch nicht die Traute ha
Dann werden Sie sich hinterher nicht wundern müssen, wenn diese Stadtentwicklungsplanung oder die Konzeption wiederum in einem Desaster endet.
Die Enttäuschung über diese Praxis ist meines Erachtens zu Recht ziemlich groß. Es gibt vor Ort in Wilhelmsburg – und das dürften Sie, Herr Hesse, eigentlich nicht bestreiten – eine intensive sachkundige Verkehrsdebatte, die sich seit der noch von einem rot-grünen Senat eingesetzten Zukunftskonferenz immer wieder mit sehr konkreten Lösungsvorschlägen zu Wort gemeldet hat.
(Jörn Frommann CDU: Die Zukunftskonfe- renz hat damals nicht Rot-Grün angesetzt, sondern der Vorgängersenat!)
Seit dem Scheitern der Nordtrasse im Januar 2008 bestand die Hoffnung auf einen Neuanfang unter Einschluss der hauptsächlich betroffenen Wilhelmsburger Bevölkerung. Jahrelang hatten die Initiativen eine Verkehrskonferenz gefordert. Seit dem Amtsantritt der grünen Senatorin hofften die Initiativen Woche für Woche auf deren Einberufung, selbst ein Termin war schon angedacht.
Auch die Verkehrsüberlegung der IBA schien zunächst ein Bollwerk gegen diesen Planungsautomatismus der behördlichen Verkehrsbürokratie zu sein. Bis in den Oktober 2008 hinein propagierte die IBA einen Rückbau der Wilhelmsburger Reichsstraße und eine verkehrliche Ringlösung um die Wohngebiete herum; das ist die Alternative, um die es geht. Was jetzt von den Behörden mit einem Doppelschlag aus dem Hut gezaubert wird, erscheint auf den ersten Blick teilweise überraschend, es ist aber nichts anderes als die Purzelbäume aus einer Planungsabteilung der Autobahnfetischisten. Das erste Kunststück soll darin bestehen, dass die 14 Meter breite Wilhelmsburger Reichsstraße 300 Meter nach Osten verlegt, auf 28 Meter verbreitert wird und auch sonst einen Autobahnstandard erhält.
Das zweite Kunststück ist, diese vierspurige Schnellstraße von einer weiteren Autobahn – das haben Sie doch heute noch als gute Lösung verkauft –
im Süden queren zu lassen, ohne dass diese beiden Trassen verkehrlich miteinander zu tun bekommen – eine virtuelle Kreuzung gewissermaßen.
Auch diese Autobahn in Ost-West-Richtung bleibt quasi unsichtbar und beeinträchtigt die Anwohner in keiner Weise, da sie angeblich im Tunnel und im Trog verschwindet. Sie machen also zwei Großprojekte, die nichts miteinander zu tun haben, und wollen der Bevölkerung weismachen, dass keine weitere Belastung auf sie zukommt, siehe Tunnel und Trog.
Bei einer Gesamtbetrachtung dieses Kunststücks kann man eigentlich nur sagen: Machen Sie doch die Autobahn, was wollen Sie denn eigentlich noch mit der Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße?
Sie bringen jetzt mit Ihrer Mehrheit eine Konzeption für den Hamburger Süden auf den Weg und wir werden in wenigen Jahren sehen, dass das keine gute Konzeption ist, wie Sie das in der Presse darstellen. Die BSU betreibt – so sehen wir das jedenfalls – Straßenausbauplanung, für die Millionen ausgegeben werden. Bei einem Gesamtverkehrskonzept oder einem Stadtentwicklungskonzept könnten wir über ganz andere Dinge reden. Sie werden sich – darauf gebe ich Ihnen heute Brief und Siegel – genauso wie in Altona um die Bedürfnisse und die Artikulation der Initiativen vor Ort überhaupt nicht kümmern,
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Schwergewicht der Aufgaben in der BSU orientiert sich in der Tat an einem sehr breiten Ziel, nämlich ein qualitatives Wachstum Hamburgs zu erreichen, indem die Lebensqualität, aber eben auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Hamburgs weiter gesteigert wird und dabei die ökologischen Lebensgrundlagen gesichert werden. Das ist eine sehr breite Zielstellung. Ich erwähne das noch einmal, weil vor ziemlich genau einem Jahr viel darüber spekuliert wurde, ob es beim bisherigen Zuschnitt der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt bleiben würde; das war vor der Wahl.
Beide Koalitionspartner sind schließlich zu der Auffassung gekommen, dass es für eine ökologische Stadtentwicklung richtig ist, die Bereiche Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr beieinander zu lassen, weil sich nämlich nur so die komplexen Herausforderungen in einer Metropole effektiv lösen lassen.