Protocol of the Session on February 11, 2009

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Lächerlich!)

Es entspricht wirklich dem Niveau Ihrer Rede, Herr Neumann, die Sie eben gehalten haben, wenn Sie sagen, das sei lächerlich. Es ist richtig, dass dieser Senat nicht mehr hinnehmen will, wenn es um Exzellenz der Wissenschaft und Forschung in diesem Lande geht, dass Hamburger Hochschulen dabei keine Rolle spielen.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Keine Showveranstaltung!)

Darum ist es auch richtig, dass dieser Senat in diesem Bereich handelt.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Wolf- gang Beuß CDU: Der hat doch keine Ah- nung, der Neumann! – Gegenruf von Micha- el Neumann SPD: Ach, jetzt kommt der Leh- rer!)

Natürlich ist es wichtig, in dieser Krise verstärkt in Bildung zu investieren, weil ohne Zweifel in unserer Stadt sowie im übrigen Deutschland die Talente der jungen Menschen das Potenzial der Zukunft sind.

(Zuruf von Michael Neumann SPD)

Genau, wir sind auch dabei, das zu tun, Herr Neumann. Ich weiß, dass Sie lieber über Strukturen und ähnliche Dinge reden, aber wir haben in unserem normalen Haushalt einen Ausbau der Kindertagesstätten, der frühkindlichen Bildung und auch der Schulen vorgesehen. Dort wird das Geld in die Absenkung der Klassenfrequenzen investiert, in einen früheren Fachunterricht, unter anderem Fremdsprachen ab der ersten Klasse, und eine Qualifizierung der Lehrer. Wir nutzen die Bundesmittel, um diesen Weg im investiven Bereich weiterzugehen, sodass nach dieser Krise unser Bildungssystem wesentlich besser und auch gerechter aufgestellt sein wird. Das scheint ein Thema zu sein, das die Bildungs- und Aufstiegspartei SPD im Moment nicht so sehr interessiert, es ist aber auch eine interessante Botschaft, Herr Neumann.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Das klang gestern im Fest- saal anders! Da waren die Falschen eingela- den!)

Es geht darum, in dieser Krise nicht das zu tun, was jetzt viele Lobbyverbände versuchen, nämlich Wirtschaft gegen Ökologie auszuspielen, in einer wirtschaftlichen Krise die unliebsamen Regulierungen im Umweltbereich auszuhebeln und abzuschaffen und zu sagen, jetzt sind die Arbeitsplätze wichtiger. Wenn man da auf die Bundesregierung schaut, dann erfüllt es mich schon mit Sorge, wenn es zum Beispiel um die Zukunft der Automobilindustrie Deutschlands geht.

(Ingo Egloff SPD: Jeder achte Arbeitsplatz!)

Jeder achte Arbeitsplatz, Herr Egloff. Es wurde gesagt, dass man diese zusätzlichen Hilfen nicht mit einer ökologischen Komponente versehen könne, weil dann ausländische Autos gekauft würden und keine deutschen.

(Michael Neumann SPD: Ihr Koalitionspart- ner wollte das nicht! Da reden Sie mal mit dem Umweltbeauftragten Ihres Koalitions- partners!)

Auch in diesem Punkt ist es wichtig, dass die Politik Anreize setzt und in der Krise zusätzliches Geld bereitstellt, aber nicht nur, um die Automobilindustrie und die deutsche Industrie, unökologisch, wie sie jetzt ist, zu stützen, sondern Anreize zu geben. Das hat die Bundesregierung – Herr Neumann, unter anderem mit SPD-Beteiligung – auch nicht getan und darum ist es ein gutes Zeichen, dass dieser Senat die Zustimmung zum Konjunkturpro

gramm des Bundes an die Bedingungen geknüpft hat, Hilfen für die deutsche Automobilindustrie an ökologische Kriterien zu knüpfen. Auch das ist eine wichtige Investitionsaufgabe, die wir als Senat erfüllen werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir haben viele Probleme, auch bei der HSH Nordbank, – da haben Sie vollkommen recht, Herr Neumann –, aber man konnte bei Ihrer Rede den Eindruck gewinnen, es wäre alles in Ordnung, wenn wir die HSH-Nordbank-Probleme bereinigen würden, denn über die anderen Bereiche haben Sie überhaupt nicht geredet. Da machen Sie es sich zu einfach. Wir haben eine weltweite Bankenkrise und wenn Sie sich anschauen, welche Banken im letzten Jahr untergegangen sind, was niemand für möglich gehalten hat, dann ist es bedauerlich, dass die HSH Nordbank auch in diesen Sog geraten ist. Aber Sie machen es sich wirklich zu einfach, wenn Sie in dieser Situation einzig und allein die Frage stellen, wer Schuld hat.

(Michael Neumann SPD: Und, wie geht es weiter?)

Wie es weitergeht, will ich Ihnen gerne sagen, Herr Neumann.

Die Aufgabe der Politik besteht nicht darin zu sagen, wer Schuld hat, sondern dafür zu sorgen, dass diese 2,4 Milliarden Euro Abschreibungen, die im Raum stehen, nicht noch mehr werden. Darum müssen wir uns als Politiker kümmern und dieser Senat arbeitet daran.

Es wird auch darum gehen, Verantwortlichkeiten festzustellen, aber wir müssen in erster Linie dafür sorgen, Risiken vom Haushalt und von den Steuerzahlern dieser Stadt abzuwenden und nicht nur zu sagen, Schuld an dieser Krise habe der Finanzsenator. Sie haben nicht unter Beweis gestellt, dass Sie in der Krise verantwortungsbewusst mit den Problemen dieser Stadt umgehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Deshalb hätte ich mich heute gefreut, wenn wir die Situation genutzt hätten, über das Verhältnis von Staat und Markt zu reden, ob die Schwerpunkte, die dieser Senat beim Konjunkturprogramm gesetzt hat, richtig waren oder nicht.

(Wolfgang Rose SPD: Fangen Sie doch mal damit an!)

Unser Programm hat Ihnen Herr Schira vorgestellt. Sie haben es vorgezogen, lieber über die HSH Nordbank zu reden

(Ingo Egloff SPD: Unseres schicke ich Ihnen zu!)

und nicht über die Konjunkturkrise, die wir zu bewältigen haben, was das Thema dieser Debatte ist.

Wir machen ja eine zweite Runde und ich werde gerne noch einmal ans Pult kommen

(Ingo Egloff SPD: Das erwarten wir auch, dass Sie das tun!)

und dann hoffentlich in eine inhaltliche Debatte einsteigen können, um den Menschen dieser Stadt zu zeigen, dass wir ihre Ängste und Nöte ernst nehmen und daran arbeiten, diese Krise zu bewältigen. Wir sind dazu bereit, Sie müssen erst beweisen, dass Sie es auch sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass die Regierungserklärung des Hamburger Bürgermeisters ein umfangreiches Konjunkturprogramm zum Gegenstand hat, bei dem es auf ein paar Millionen mehr oder weniger nicht ankommt, haben wir einem System zu verdanken, das keinerlei soziale Verantwortung kennt und bei dem es keine Grenzen gab.

(Beifall bei der LINKEN – Harald Krüger CDU: Haben Sie nicht zugehört?)

Das Kennzeichen dieses Kapitalismus war – ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar, Herr Bürgermeister, dass Sie kritische Worte zu allen Systemen gefunden haben –, dass Managergehälter zur gleichen Zeit explodierten wie im Zuge der sogenannten Deregulierung des Arbeitsmarkts – das heißt, wir arbeiten mehr für weniger Geld und können eher entlassen werden – und der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe die Zahl der Menschen explosionsartig stieg, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten konnten. Diese Koinzidenz war schon beunruhigend, es hat Sie leider nicht genug beunruhigt. An den Börsen und in den Banken, in den Großunternehmen, den Versicherungsunternehmen, auf allen Finanzmärkten wurde Geld kreiert, was es gar nicht gab und das hatte auch einen Namen: virtuelles Kapital.

Wenn Sie, Herr Kerstan, mit der Wissenschaftsstiftung in die Bütt gehen, dann machen Sie das genauso weiter. Durch irgendwelche Grundbucheintragungen in irgendwelche Grundstücke dieser Stadt werden Zahlungsverpflichtungen fällig. Dabei kommen 15 Millionen Euro heraus, was die Wissenschaftsstiftung bekommt. Die setzen Sie gleich 4 Prozent und dann haben Sie ein virtuelles Kapital von 375 Millionen Euro und die Überschrift in der Zeitung lautet "Wissenschaftsbehörde stellt 375 Millionen Euro zur Verfügung" und das Geld gibt es gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Viele haben vor dieser Krise gemahnt, sie wurden übertönt. Die Krise ist nicht über uns hereingebro

(Jens Kerstan)

chen, aber die Blase ist schließlich geplatzt und jetzt haben alle anderen die Schuld: Hamburg ist nicht schuld, die USA sind schuld, die europäischen Banken sind schuld, alle sind schuld, aber keiner ist es eigentlich gewesen. Es handelt sich ausschließlich – das konnten wir heute gut sehen – um abstrakte Schuldzuweisungen. Es werden auch sehr abstrakte Begriffe benutzt wie Gier, Zocker; das kann man aber nicht personalisieren. Bis auf wenige Ausnahmen, wie in Hamburg Herr Berger, sind von denen, die diese Krise verursacht haben, noch alle in Amt und Würden. Nur in Ausnahmefällen hat es drastische Gehaltskürzungen gegeben, wie bei der Commerzbank, und das ist keine Lösung des Problems und auch kein Umgang mit dieser Krise.

Andererseits muss diese Krise für alles herhalten, für Kurzarbeit, für Entlassungen, für Betriebsschließungen, für Betriebsverlagerungen, übrigens auch in Hamburg. Nicht in jedem Fall ist sie aber wirklich die Ursache und schon gar nicht die alleinige Ursache. So ist auch der Hamburger Senat von seiner Vorgabe, ohne Neuverschuldung in die nächsten Jahre zu gehen, abgerückt. Dabei zeichnete sich schon vor der Krise ab, dass das gar nicht zu halten war. Trotz sprudelnder Steuereinnahmen war die Haushaltslage angespannt. Wir von der LINKEN haben diese Symbolpolitik mit dem sogenannten ausgeglichenen Haushalt ohnehin für Nebelkerzen gehalten. Dieser Senat hat die Rücklagen geplündert, er hat die Vermögen mobilisiert, das heißt, er hat Immobilien verkauft und Ausgliederungen aus dem Haushalt vorgenommen. Hamburg hat mit seinen öffentlichen Unternehmen einen gewaltigen Schattenhaushalt installiert, in dem die Kredite angesiedelt sind, und zugleich ist die demokratische Kontrolle durch das Parlament enorm eingeschränkt.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Mit Moral und Ethik kommen wir an diesem Punkt überhaupt nicht weiter. Man liest es überall und heute ist es auch wieder gesagt worden: Jede Krise hat auch eine Chance. Ich würde gerne wissen, worin diese Chance besteht. Gordon Brown spricht ganz offen von Reparatur und der Bürgermeister hat auch gesagt, wir machen das solange mit der Verschuldung, bis die Konjunktur wieder anspringt. Genauso hört sich das an: Es geht alles weiter wie bisher.

Was der Bürgermeister in der Regierungserklärung gesagt hat, dass die Hamburger Konjunkturoffensive Konsequenzen nach sich ziehe, können wir überhaupt nicht erkennen. Letztendlich soll nur die Zeit überbrückt werden, bis alles wieder wie bisher in den üblichen Bahnen verläuft; es wird nichts an den Finanzmärkten geändert. Das geht aus unserer Sicht nicht, denn wenn wir so weitermachen wie bisher, dann wird es nicht mehr funktionieren.

Den abstrakten Forderungen nach Regulationsmechanismen oder internationalen Abkommen, wie Sie es genannt haben, müssen konkrete Maßnahmen folgen – ich habe noch keine konkreten Maßnahmen gesehen – und vor allen Dingen müssen sie jetzt folgen.

Die soziale Marktwirtschaft – Sie haben es angesprochen, Herr Bürgermeister – war schon seit Jahren faktisch außer Kraft gesetzt und der Fetisch Markt, das haben Sie auch sehr klar gemacht, der alles regeln sollte, hat versagt; daran besteht überhaupt kein Zweifel. Wer am Wachstumsgedanken unkritisch festhält – Sie haben kritische Worte dazu gesagt, Herr Bürgermeister –, der hat nichts dazugelernt.

Auf der Pressekonferenz und auch von Ihnen, Herr Bürgermeister, habe ich gehört, dass es zu einem qualitativen statt einem quantitativen Wachstum kommen soll. Dieser Begriff ist mir entschieden zu blutleer, denn ich kann nicht nachvollziehen, was Sie darunter verstehen. Ich vermisse ausdrücklich die soziale Komponente dabei, nämlich dass am wirtschaftlichen Zuwachs die Menschen möglichst gleichmäßig partizipieren.

Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag für soziale Gerechtigkeit, für Demokratie und für Ökologie. Sie sagen, Hamburg soll international Maßstäbe als eine wachsende Metropole der Talente, der Nachhaltigkeit und der Verantwortungsbereitschaft setzen. Wenn ich nur wüsste, was Sie damit meinen. Die Presseverlautbarungen des Senats haben immer darauf hingewiesen, dass Hamburg im internationalen Vergleich gut aufgestellt ist; das haben Sie auch heute wieder gesagt.

Spitze ist Hamburg allerdings, was den Anteil der Millionäre anbetrifft. Gleichzeitig hat Hamburg einen ganz traurigen Rekord, was die Anzahl der Kinder anbetrifft, die unter der Armutsgrenze leben. Immer mehr Menschen leben von ALG II, viele Arbeitnehmer sind sogenannte Aufstocker und die "Tafeln" kommen nicht mehr nach, um diejenigen, die sich nicht mehr täglich ein warmes Essen leisten können, zu versorgen. Wo bleibt eigentlich die Verantwortung für diese Menschen? Die kann ich nicht sehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Neumann und Karl Schwinke, beide SPD)

Wann endlich stellt sich dieser Senat den Problemen der sozialen Spaltung?