Protocol of the Session on January 21, 2009

(Ingo Egloff SPD: Die einzigen, die verunsi- chert sind, sind die Eltern!)

Wir werden diese Entwicklung natürlich auch mit allen anderen Akteuren und Menschen in dieser Stadt – auch mit der Fraktion DIE LINKE – fortführen. Ich freue mich darauf, den Schulreformprozess weiter zu gestalten. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bürgermeister von Beust hat in seiner Regierungserklärung ausgeführt, die Politik sei gut beraten, die eigenen Schützengräben zu verlassen und neue Ideen zu formulieren. Auf den ausgetretenen Pfaden kämen wir nicht weiter, weder in Hamburg, noch in Deutschland.

Diese Leitschnur sollte gerade auch für die Schulund Bildungspolitik gelten. Wenn ich mich recht erinnere, fiel in der Debatte die Formel von der Herstellung des Schulfriedens. Acht Monate nach dieser Erklärung und verschiedenen Debatten hier im Hause über die Reform an den Schulen sind wir nicht viel weiter. Herr Rabe, ich gebe Ihnen Recht: Wenn man sich in der gegenwärtigen Diskussion umsieht und die Reden aus der Handelskammer oder von anderer Stelle hört, kann man sich wirklich wundern, worin Herr Freistedt den Schritt in Richtung Schulfrieden sieht. In Differenz zu Ihrer Wertung finde ich jedoch, dass wir an dieser Stelle zur Kenntnis nehmen sollten, dass der Bürgermeister und wohl auch größere Teile der CDU sich mit

dem Gedanken des gemeinsamen Lernens angefreundet haben. Diese auch hinter der Primarschule steckende Idee ist nicht mehr nur – so interpretiere ich es – ein Koalitionskompromiss, sondern mittlerweile ein Projekt aus Überzeugung. Keine Frage, dass wir diese Positionsänderung begrüßen, auch wenn dies an anderer Stelle in der CDU mit dem Schreckgespenst der Einheitsschule verkauft wird. Man muss jedoch zur Kenntnis nehmen, dass sich dort schulpolitisch, von der ideellen Ausrichtung einiges verändert hat.

Soweit der positive Teil. In der Umsetzung und der Beteiligung der Bürgerschaft gibt es für uns überwiegend Negatives oder Kritisches. Da bin ich in großen Teilen mit dem eins, was Herr Rabe angemerkt hat. Erstens ist die Schulreform für die Bürgerschaft faktisch ein virtueller Vorgang. Es gibt keine Senatsvorlage, kein von der Bürgerschaft beschlossenes Gesetz mit Ausnahme des Gesetzes zur Abschaffung der Hauptschule.

Zweitens wird zurzeit überwiegend über Strukturfragen diskutiert. Inhaltliche Fragen bleiben auf der Strecke.

Drittens sollen im Mai die regionalen Schulkonferenzen zu Ende sein. Vorausgesetzt deren Ergebnisse haben Einfluss auf die Behördenentscheidung, dann sieht es meine Fraktion als noch immer völlig offen, ob alle Gymnasien erhalten bleiben oder Stadtteilschulen werden und auch, ob Sondermodelle – alles unter einem Dach – sich durchsetzen, ist noch ungeklärt. Zudem ist die Frage offen, was die Ausnahmegenehmigungen für humanistische Gymnasien betreffen. Darüber hinaus stellen wir uns die Frage, ob bestehende Gesamtschulen und Reformschulen aufgelöst werden. Das sind alles für Hamburg wichtige Fragen, die in diesem Zusammenhang offen sind.

Viertens müssen wir konstatieren, dass es bisher zwei Verschiebungen gegeben hat. Entgegen dem Koalitionsvertrag wird die Stadtteilschule parallel mit der Primarschule eingeführt, also ein Jahr später als ursprünglich geplant. Jetzt erhalten die Grundschulen das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie ab dem Schuljahr 2010/2011 mit den fünften Klassen beginnen wollen oder eben ein Jahr später. Es mag sein, dass Sie an diesem Punkt klüger geworden sind, was die verschiedenen Umstrukturierungen in den Schulen angeht, aber richtig plausibel geworden, warum Sie dies nun tun, ist es nicht, auch nicht durch Ihren Beitrag, Herr Freistedt. Vielleicht wird jedoch die Senatorin dazu noch etwas sagen. Ich halte fest: Eine Schule für alle bis zum Ende der Pflichtschulzeit ist und bleibt unser Ziel.

(Wolfgang Beuß CDU: Die ist abgewählt worden!)

Die ist abgewählt worden, das ist richtig. Aber wenn Sie einmal eine Niederlage einstecken, wer

(Michael Gwosdz)

den Sie sich auch bemühen – wenn Sie davon überzeugt sind –, bessere Argumente zu entwickeln.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich bleibe dabei: Wir gehen mit Ihnen in diese Richtung, aber Sie müssen einige Veränderungen machen, wenn das erfolgreich sein soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Senatorin Goetsch.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn der eine oder andere engagierte Redebeitrag etwas anderes nahelegt, starten wir die Primarschule, die Stadtteilschule und das sechsstufige Gymnasium, und zwar nicht in drei Monaten, sondern erst in anderthalb Jahren. Dann starten wir mit dem längeren gemeinsamen Lernen und der Errichtung der drei Schulformen unverändert 2010. Es nützt auch nichts, immer nur über die notwendigen Konsequenzen aus den schlechten PISA-Ergebnissen zu reden. Irgendwann muss man dies anpacken und die Veränderung dann in Gang setzen. Dies geht bei der Reduzierung der Klassenfrequenzen und der besseren Sprachförderung los. Wer eine Verschiebung fordert oder gar wie der Fraktionsvorsitzende der SPD ein Moratorium, um dann vielleicht in Angststarre zu verfallen, wie das Herr Gwosdz gerade gesagt hat, der fordert, alles möge so bleiben, wie es sei, auch wenn es fehlerhaft sei, wie wir eben gehört haben. Das kann nicht unser Leitbild sein.

(Michael Neumann SPD: Hektische Aktivität bringt auch nichts, ganz im Gegenteil!)

Im Gegenteil, ich appelliere an alle, die Interesse an unseren Kindern, Schulpolitik und Bildungsbeteiligung mit entsprechenden Ergebnissen haben, dies in Hamburg konstruktiv zu begleiten und zu unterstützen. Deshalb spreche ich nicht über das Ob, sondern über das Wie – dies ist ja der Anlass der Debatte –, ganz konkret über die Frage der Übergangsregelungen bei der Einführung der Primarschule. Um diese zu beleuchten, habe ich in der vergangenen Woche den fünften Schulbrief an die Eltern, Schüler und Lehrer geschickt. Es war mir wichtig, genau darzustellen, welche Wege die Kinder gehen, die heute in den ersten bis vierten Klassen sind.

(Michael Neumann SPD: Deswegen fliehen auch alle, die können, auf eine Privatschule. Herzlichen Glückwunsch, super Ergebnis!)

Alle Schülerinnen und Schüler dieser Jahrgänge sind nämlich Übergangsjahrgänge. Deshalb haben wir in den letzten Monaten sehr sorgfältig geprüft, unter welchen Bedingungen welcher Jahrgang in die Primarschule übergeht. Die Primarschule – wie CDU und GAL vereinbart haben – ist nicht, wie viele offenbar immer noch meinen, eine bloße Verlängerung der Grundschule. Nein, die neue Hamburger Primarschule besteht aus zwei pädagogischen Einheiten. Das ist zum einen die Klasse 1 bis 3 oder mit Vorschule die Klasse 0 bis 3, die Elemente aus der bisherigen Grundschule mit der gesamten Methodenkompetenz übernimmt, die die Grundschulkolleginnen und -kollegen besitzen. Wir nennen sie Grundstufe der Primarschule. Hier werden die meisten Kinder gerade den Übergang von der Kita in die Schule hin zu systematisierten Lernformen meistern. An diese erste Phase schließt sich die zweite an, eine neu konzipierte, fachliche Einheit von der vierten bis zur sechsten Klasse. Wir nennen sie die neue Unterstufe der Primarschule. Dort gibt es neue Bildungspläne, dort gibt es mehr Fachunterricht, Mathematik, Naturwissenschaften, die zweite Fremdsprache und es unterrichten Lehrerinnen und Lehrer der jetzigen weiterführenden Schulen, Gymnasien, Gesamtschulen und Haupt- und Realschulen. Das ist die neue Primarschule. Zur Vorbereitung der Schuloffensive im September letzten Jahres haben wir geprüft, wie wir mit unseren Vorbereitungen stehen, wie schnell die Pläne umgesetzt werden können und mit welcher Förderung und Vorbereitung die jetzigen Jahrgänge in die Primarschule münden würden. Bei den Schülerinnen und Schülern der jetzigen vierten Klassen war von vornherein klar, dass sie zu spät in die sechste Klasse kommen würden. Deshalb werden sie nach alten Regelungen in die sechste Klasse übergehen. Die jetzigen ersten und zweiten Klassen, die 2010 die dritten und vierten Klassen sein werden, gehen zu einem Zeitpunkt in die Primarschule über, zu dem die Umstellung verhältnismäßig einfach ist. Sie wechseln 2010 in die pädagogische Einheit vier bis sechs der neuen Unterstufe der Primarschule.

(Michael Neumann SPD: Lächerlich. Warum wollen jetzt so viele auf die Privatschule?)

Die heutigen Drittklässlerinnen und Drittklässler hingegen würden dann mitten in die fünfte Klasse der Unterstufe einsteigen. Wir haben in den letzten Monaten – das ist auch die Art, wie wir Politik betreiben – mit den Schulleitungen, den Eltern und den Fachleuten der Behörde diskutiert. Wir haben gefragt, ob es möglich sein werde, für diesen Jahrgang quer in die Unterstufe einzusteigen, und ob es möglich sein werde, die Bedingungen optimal zu gestalten, die für alle Schülerinnen und Schüler nötig sind. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir starten könnten, aber mit einem immens hohen Vorbereitungsdruck für diesen Übergangsjahrgang. Daraufhin haben wir entschieden, dass

(Dr. Joachim Bischoff)

dies noch nicht regelhaft sein könne. Das ist eine sinnvolle, vernünftige und pragmatische Entscheidung.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Dies ist an den Bedürfnissen der Kinder orientiert. Bei den vielen Debatten, die Sie führen, wird alles Mögliche chaotisiert, aber es wird nicht an die Kinder gedacht, die im Mittelpunkt stehen sollten.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Das ist wirklich eine Frech- heit. So eine Traumwelt!)

Herr Neumann, ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind.

(Glocke – Michael Neumann SPD: Weil ich gerade eine Tochter anmelde und mitbe- komme, was da läuft!)

Herr Neumann, bitte mäßigen Sie sich etwas.

Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch (fort- fahrend): Wir haben dies jetzt soweit vorbereitet …

(Michael Neumann SPD: Vielleicht ist per- sönliche Betroffenheit aber der richtige An- satzpunkt! – Glocke)

Herr Abgeordneter Neumann, Sie haben im Moment nicht das Wort. Bitte melden Sie sich zu Wort.

Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch (fort- fahrend): Wir haben jedoch auch Grundschulen, die sehr weit in ihrer Vorbereitung sind und die die heutigen Drittklässler bereits in die fünfte Klasse der Primarschule aufnehmen könnten. Wir denken doch nicht daran, diesen Schulen Steine in den Weg zu legen, die schon länger gemeinsam lernen wollen. Das wäre doch verrückt.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Insofern gibt es ein ganz normales, geregeltes Verfahren, wenn die Schulkonferenz einen Antrag stellt und die entsprechenden Bedingungen erfüllt. Warum sollte die Schule das dann nicht machen dürfen? Also werden wir zeitnah in den nächsten Wochen mit den Schulen sprechen, unter welchen Bedingungen und innerhalb welcher Fristen ein Antrag gestellt werden kann.

(Zuruf von Michael Neumann SPD)

Herr Neumann, Sie sollten beim Thema bleiben, so würde das jedenfalls im Aufsatz heißen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

In den Schulkonferenzen sitzen übrigens Eltern und Lehrer zusammen am Tisch und entscheiden mit. Und jeder, der ein bisschen Praxiserfahrung

hat, weiß, dass nur Schulen einen Antrag stellen, die wissen, dass eine große Mehrheit der Eltern und Schüler zustimmen, sonst macht man das nicht. Vielleicht werden das von den über 200 Grundschulen nur zwei Grundschulen sein oder zehn und mehr, das werden wir sehen. Die meisten Schülerinnen der dritten Klassen werden voraussichtlich nach der vierten Klasse 2010 nach dem bisherigen Recht und den Empfehlungen wechseln.

Damit wird die Errichtung der Primarschule 2010 stattfinden, sie wird nicht verzögert. Wir haben Übergangsregelungen für die jetzigen Drittklässler gefunden und es geht jetzt weiter, genau wie wir das geplant haben. Die Schulgesetznovelle wird in den nächsten Wochen eingebracht, die regionalen Schulentwicklungskonferenzen werden bis Mai ihre Empfehlungen abgeben, Ende 2009 gibt es ein neues Schulgesetz, es gibt einen Schulentwicklungsplan, vorbehaltlich der Entscheidungen der Deputation und des Parlaments. Im Februar 2010 werden die Eltern ihre Kinder entsprechend an den Stadtteilschulen und Gymnasien anmelden. Übrigens war die Einführung der Stadtteilschule 2009 eine Empfehlung der Enquete-Kommission und keine Koalitionsvereinbarung, das haben Sie verwechselt. Wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns und werden viele Fragen, wie Herr Gwosdz eben anmerkte, beantworten. Übermorgen werden wir Ihnen das umfangreiche Fortbildungsprogramm für das Training der Kollegen vorlegen; das ist eine sehr spannende Sache. Wir werden Ihnen in den nächsten zwei Wochen die Rahmenkonzepte für die Hamburger Primarschule, die Stadtteilschule und das sechsstufige Gymnasium vorlegen und zu diesem Prozess gibt es keine, aber auch keine überzeugende Alternative.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Herr Rabe, wir tragen die Verantwortung, die Sie angesprochen haben, gerade für die Bildung derjenigen Kinder, die vom bisherigen Bildungsangebot und der Vielfältigkeit – die leider nicht in bessere Leistung und bessere Gerechtigkeit gemündet hat – nicht ausreichend profitiert haben, die wenig Fürsprecher in der öffentlichen Diskussion haben. Gerade ihnen müssen wir die entsprechende Aufmerksamkeit widmen, wie das auch der Erste Bürgermeister sehr deutlich in den letzten Wochen gesagt hat.

(Ties Rabe SPD: Schon immer!)

Wir wissen das aus den Studien. Wir wissen auch, dass diejenigen Kinder, die zu Hause andere Bedingungen haben, die aus bildungsnahen Elternhäusern kommen, oft einen sehr erfolgreichen Bildungsweg beschreiten. Aber auch für diese Kinder ist eine individuelle Förderung nötig und auch diesen Kindern nützt es, weil wir wissen, dass wir nicht die breite Leistungsspitze mit unseren Hamburger Schülerinnen und Schüler erreichen. Das