Protocol of the Session on January 21, 2009

Aber bevor ich über die Bundesebene rede, weil ich glaube, dass man es in diesem Zusammenhang einfach tun muss, wenn man entscheiden will, ob das, was man plant, wirklich Erfolg haben

kann, möchte ich doch noch einmal auf den Antrag der Linkspartei eingehen. Ich finde es richtig, ganz ohne Scheuklappen in verschiedenen Bereichen sich anzuschauen, was man tun muss – auch, wenn man sowieso notwendige Maßnahmen mit einem Konjunkturmaßnahmenprogramm verbindet. Das haben wir Grüne auf Bundesebene auch getan mit unserem "New Deal", wo wir notwendige ökologische Anpassungsinvestitionen, Klimaschutz und andere neue Technologien stärken wollen, aber auch im sozialen Bereich notwendige Maßnahmen ergreifen wollen, insbesondere, wenn man die Konjunktur stärken will. Wenn wir darüber reden, die Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, eventuell einen Mindestlohn zu zahlen oder auch andere Maßnahmen im Arbeitsmarktbereich zu ergreifen, dann hat das eine große konjunkturelle Wirkung, weil die betroffenen Menschen das Geld, das Sie bekommen, nicht sparen können, sondern wahrscheinlich ausgeben, weil sie überhaupt keine Rücklagen haben. Insofern wäre das eine ganz andere Debatte, als wenn man darüber diskutiert Steuern zu senken.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Man sollte bei einer solchen Maßnahme – wenn man ein wirksames Programm auf die Beine stellen will, mit dem einerseits soziale Zwecke befördert und andererseits auch die Konjunktur stimuliert werden soll – aber ehrlich bleiben. Ich muss ganz ehrlich sagen: In Ihrem Programm sind ein paar Punkte, die sozialpolitisch wünschenswert wären – da würde ich Ihnen gar nicht widersprechen –, die aber mit Sicherheit null Komma null konjunkturelle Wirkung entfalten und dann in diesem Rahmen eigentlich keinen richtigen Platz haben und auch ein bisschen das Ganze unseriös machen. Es mag sein, dass es vielleicht sinnvoll ist, bestimmten Bevölkerungsgruppen in dieser Stadt kostenlosen Zugang zu Hamburger Museen zu verschaffen. Aber wo sich dadurch eine konjunkturelle Wirkung entfalten soll, hat sich mir noch nicht so richtig erschlossen. Das ist auch bei kostenlosen Mittagessen für Kinder der Fall. Das mag alles sozialpolitisch sinnvoll sein. Wenn Sie das auch als Maßnahme gegen die Konjunkturkrise versuchen zu verkaufen, haben Sie sich ein bisschen vergaloppiert. Ich finde, man sollte ehrlich bleiben. Das mag an anderer Stelle notwendig sein, aber ein Konjunkturprogramm ist das nicht.

Nicht unbedingt viel Hilfe ist der alles entscheidende Punkt. Sie reden in Ihrer Begründung für das Strukturprogramm von 2 Milliarden Euro, die wir ausgeben sollen. Ich habe mir einfach einmal die Mühe gemacht, nachzurechnen, was Sie dort alles vorschlagen. In der Tat kommt eine Summe von 2,532 Milliarden Euro heraus. Daraus schließe ich, dass Sie meinen, die paar hundert Millionen müssen nicht extra erwähnt werden. Als Haushaltspolitiker sollte man aber auch in einer historischen

(Karl Schwinke)

Wirtschaftskrise nicht so lax mit den Zahlen umgehen, denn letztendlich sind es dann die Steuerzahler, die das irgendwann auf die eine oder andere Weise finanzieren müssen, entweder gleich oder, wenn man Kredite aufnimmt, später durch die Tilgung und Zinsen. Wir sollten sehr stark darauf schauen, wie wir das Ganze finanzieren wollen.

Aber in der Tat gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen, die wir selber durchaus auch vorgeschlagen haben – auch im Bereich Sozialticket, das haben Sie vielleicht zur Kenntnis genommen. Seit Januar dieses Jahres gibt es dort eine deutliche Verbesserung zu der Vergangenheit. Es gibt viele Punkte, über die man sinnvollerweise reden sollte, was wir dann im Ausschuss gemeinsam tun sollten.

Nur noch einmal, um den Rahmen darzustellen: Es ist so, dass wir auch schon über den Doppelhaushalt reden. Ich habe es schon ein paar Mal gesagt, aber Sie hören es nicht so gerne. Es ist ein Haushalt, der 900 Millionen Euro mehr Ausgaben vorsieht als der letzte Doppelhaushalt. Das entspricht ungefähr einem BIP in Hamburg von 1,5 Prozent, insofern hat allein schon der veranschlagte reguläre Haushalt eine konjunkturelle Wirkung,

(Michael Neumann SPD: Strohfeuer!)

wie sie von anderen bereits für zusätzliche Konjunkturprogramme gefordert wird. Insofern ist es eine gute Nachricht, dass wir dabei nicht stehenbleiben wollen. Die Ausgaben von 250 Millionen Euro, die wir durch vorgezogene Investitionen in unserem Konjunkturprogramm, das wir im Februar verabschieden wollen, tätigen, werden darüber hinaus auch ihre Wirkung entfalten. Auch da ist nicht Schluss. Sondern, wie Frau Ahrons richtig sagte, werden wir 300 Millionen Euro zusätzliche Ausgaben, also insgesamt 550 Millionen Euro zusätzlich zu diesen 900 Millionen Euro, investieren, sodass man sagen muss, dass Hamburg in diesem Bereich mit Sicherheit auch in der Größenordnung seinen Beitrag leisten wird.

In der Tat wird es auch darum gehen, wie man diesen Bereich finanziert. Es kann gut sein, dass wir diese 75 Millionen Euro Eigenanteil dann über Kredite finanzieren. Wenn man sich in einem Doppelhaushalt in einem Volumen von 22 Milliarden Euro bewegt, ist es auch unter Nachhaltigkeitsgesichtpunkten vertretbar, 70 Millionen Euro an Schulden aufzunehmen, wenn man dadurch so viele Maßnahmen finanzieren kann, die sinnvoll für diese Stadt sind, aber auch einen wirksamen Beitrag dazu leisten können, die Wirtschaftskrise zu bekämpfen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das kann nur eine Wirkung entfalten, wenn auf Bundesebene kein Unsinn getrieben wird. Dazu muss man ganz eindeutig sagen, dass es einen verwundert, was man von dort zum Teil hört. Wenn

gerade eine Partei wie die FDP, die mir ihrer Ideologie der Deregulierung und des Rückdrängens des staatlichen Einflusses, die durchaus maßgeblich zu der Krise, die wir jetzt zu bewältigen haben, beigetragen hat, mit den gleichen Rezepten jetzt verkündet, das wäre der Ausweg aus der Krise, ist das relativ schizophren. Ich glaube, es ist eine gute Botschaft für Deutschland, dass diese Koalition, der schwarz-grüne Senat, diesen Steuersenkungsphantasien der FDP einen Riegel vorzuschieben gedenkt.

(Michael Neumann SPD: Sehr gut!)

Ich glaube, es ist eine gute Botschaft auch für Deutschland, dass wir in dieser Krise dieses Land nicht noch weiter in die Schuldenfalle hineintreiben.

(Beifall bei der GAL, der CDU und der SPD – Michael Neumann SPD: Sehr richtig!)

Vor dem Hintergrund, dass wir auch über Kredite diese Krise bekämpfen wollen, werden wir Grüne uns maßgeblich in Hamburg aber auch im Bund dafür einsetzen, dass eine Regelung zur wirksamen Schuldenbremse verabschiedet wird. Denn eins ist doch klar: Wir sollten nicht zulasten zukünftiger Generationen agieren. Wenn man sich anschaut, was die Bürger zu diesem so viel gepriesenen …

(Unruhe im Hause – Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Trotz der fortgeschrittenen Stunde möchte ich doch bitten, die Gespräche draußen zu führen. – Vielen Dank.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, was die Bürger zu Steuersenkungen sagen. 70 Prozent der Bürger sagen, Steuersenkungen finden sie gut, das wollen sie haben. 60 Prozent sagen, dass das gegen die Konjunkturkrise überhaupt nicht helfen wird. Es ist ein bisschen absurd, wenn man sich das anschaut. Wenn man sich dann aber die Beantwortung der Frage anschaut, was die Bürger denn mit dem Geld machen wollen, dann erklärt es sich gut. 60 Prozent der Bürger sagen, dass sie das Geld jetzt sparen würden, weil ungewisse Zeiten auf uns zukommen. Das erklärt, warum die Leute es haben wollen, aber nicht glauben, dass damit die Krise zu bekämpfen ist. Und es zeigt deutlich, dass über Kreditausweitungen keine neuen Schulden aufgenommen werden sollten, weil wir damit die zukünftige Generation unzulässig beeinflussen würden, ohne wirklich etwas für die heutige Generation zu tun in dieser Krise. Deshalb ist es sinnvoll, in diesen Bereichen andere Dinge zu tun.

Wir Grüne würden uns durchaus wünschen, andere Punkte in diesem Konjunkturprogramm unterbringen zu können. Aber man muss ehrlicherweise

sagen, dass diese sechs Stimmen mit grün beeinflussten Regierungen im Bundesrat mit sehr unterschiedlichen Koalitionspartnern existieren, mit der SPD in Bremen und der CDU in Hamburg. Das begrenzt natürlich auch den Spielraum, sodass unser Einfluss in diesem Bereich nur ausreicht, Schlimmeres zu verhindern, aber auch einen wichtigen Punkt durchzusetzen, was man dieser Koalition wirklich auf die Fahnen schreiben kann. In Hamburg passiert nicht das, was teilweise auf Bundesebene in der Großen Koalition zu passieren droht, nämlich dass man in einer Wirtschaftskrise ökologische Kriterien und ökologische Probleme gegen wirtschaftliche Probleme versucht auszuspielen, dass man also das zeitlich dringendste Problem gegen das existenziell wichtigste Problem, den Klimawandel, ausspielt. Das wird dieser Senat nicht tun, sondern in der Krise sogar noch seine Anstrengungen im Klimaschutz verstärken.

Auf Bundesebene sollte man erreichen – dazu werden wir unseren Beitrag leisten –, dass es zumindest bei der Abwrackprämie eine ökologische Prämie gibt. Denn gerade auch das Beispiel der "großen Drei" in den USA hat gezeigt, dass es der Autoindustrie nicht hilft, wenn man meint sie mit gesetzgeberischen Maßnahmen vor ökologisch notwendigem Gegensteuern zu bewahren. Insofern ist das durchaus auch eine Maßnahme, die deutsche Autoindustrie zu schützen. Wenn wir all das zusammen mit der Bundesregierung, aber auch in unserem Ausschuss, diskutieren, werden wir dort ein gutes Programm bereitstellen können, mit dem man diese Krise nicht verhindern kann, aber vielleicht unseren Beitrag zu leisten, sie abzumildern. Ich freue mich auf die Beratungen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat der Abgeordnete Bischoff.

(Ingo Egloff SPD: Wir haben doch noch einen Punkt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen nach der Ladung Kritik müssen Sie mir schon noch gestatten. Zunächst einmal die Frage auch von Herrn Schwinke: Warum der Begriff Strukturprogramm und nicht Konjunkturprogramm? Ich will diese Debatte gar nicht hier und heute ausdiskutieren, wie es zu benennen ist. Da bin ich wieder ganz locker wie bei der HSH Nordbank und anderen Punkten, weil ich in der Frage, wie tief die Konjunktur in den Keller geht, meine Position heute nicht begründen muss. Sondern wir werden noch reichlich Zeit haben im Jahr 2009 zu prüfen, wer in etwa richtig gelegen hat. Ich sage heute nur: Im Jahreswirtschaftsbericht, der – glaube ich

morgen vorgestellt wird, haben wir die Marge von knapp unter 3 Prozent.

Wenn ich meine Kenntnisse zusammennehme, dann bedeutet ein Minus von knapp 3 Prozent etwas, was wir bislang in der Bundesrepublik nicht hatten. Jetzt schenke ich mir einmal alles das, was in den USA, Großbritannien oder auch in der Volksrepublik China passiert. Es ist auf jeden Fall klar, dass wir in einem Einschnitt, in einer Talfahrt sind, Herr Schwinke, die Sie nur – gestatten Sie mir, wenn ich das sage – mit heroischen Illusionen als normale oder einigermaßen normale Konjunkturkrise bezeichnen können. Das ist der Hintergrund, warum wir sagen, wir müssen aufpassen in der politischen Diskussion und wir müssen nicht nur schlechtreden. Das will ich ganz bestimmt nicht, ich will auch die Chancen betonen. Aber wir müssen deutlich machen, dass das eine Herausforderung ist, wie wir sie lange Zeit in dieser Republik nicht hatten. Ich gehe immer noch davon aus – trotz der herben Kritik von der CDU, von Frau Ahrons –, dass es vielleicht doch möglich ist, an solch einem Punkt den Test über Kooperationen im Ausschuss zu machen. Das ist der Hintergrund, warum wir sagen: Bitte schaut Euch das an mit dem Strukturprogramm.

Das zweite Argument, Herr Kerstan: Ich bin wirklich nie ein Grüner gewesen,

(Antje Möller GAL: Können wir daran etwas ändern?)

vielleicht, das können Sie ja versuchen, aber an diesem Punkt müssten wir eigentlich übereinstimmen. In der Situation, in der wir seit Jahrzehnten eine Überkapazität in der Weltautomobilproduktion haben, eine Politik zu fahren, wo man sagt, wir müssen das überbrücken, bis das wieder zum alten Status zurückkommt – ich könnte noch ein paar andere Branchen aufzählen –, ist nicht korrekt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt, da ist immer noch die Vorstellung im Kopf, als würde man nach einer kurzen Delle so weitermachen können wie vorher. Diese Position – das will ich deutlich machen – teilen wir nicht.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Ich darf noch einmal feststellen, dass es zu meiner Rechten entschieden zu laut ist.

Über die Maßnahmen können wir gerne noch debattieren und Sie werden bei unserer Fraktion, die sehr flexibel ist, immer jemanden dafür finden. Ich will Sie nur darauf hinweisen: Von dem 825-Milliarden-Konjunkturprogramm, das ab heute nach der Vereidigung anläuft, ist ein großer

(Jens Kerstan)

Brocken für die Einführung des Gesundheitssystems in den USA. Darum geht es bitte auch.

Ich zucke schon etwas zusammen, wenn Sie nur Hafen, Hafen, Hafen sagen. Ich bin sehr dafür, dass wir im Hafen noch einiges tun. Und ich bin sehr dafür, dass wir diese Strukturveränderung nicht auf dem Rücken der Beschäftigten austragen. Das ist ganz klar. Das wäre ein vorrangiges Anliegen von uns. Aber wir müssen in der Situation auch darüber nachdenken, wie wir zu veränderten Strukturen kommen. Und wenn Sie mir den dritten Weg anbieten, dann bin ich gerne dabei. Was das inhaltlich heißt, darüber können wir noch ein bisschen streiten.

Zu Ihrer Bemerkung der Chance einer Investitionsbank: Ich bin ein bisschen zurückhaltend. Aber ich glaube, dass das mit der Regierungskoalition nicht zu machen ist. Ich wäre froh – aber dazu kommen wir vielleicht morgen –, wenn man die Transformation der Haspa in eine Aktiengesellschaft rückgängig machen könnte und wir diese …

(Barbara Ahrons CDU: Soweit kommt es noch!)

Ja, soweit kommt es noch.

(Zuruf von Barbara Ahrons CDU)

Ja, das heißt, dass wir sie wieder als Sparkasse mit kommunaler Verankerung etablieren können. Das ist der entscheidende Punkt. Ob wir dazu eine neue Bank brauchen, das wollen wir einmal sehen.

(Zurufe von der CDU)

Ich sage das nur.

(Zurufe von der CDU)

Seien Sie doch nicht so nervös.