Protocol of the Session on September 17, 2008

Es kann aber nicht sein, dass die akademische Ausbildung nur über die Steuerfinanzierung erfolgt. Dies wäre nicht nur fantasielos, es wäre auch für viele Bevölkerungsgruppen ungerecht. Wir müssen Wege finden, zukünftig auch erfolgreiche Akademiker im Beruf und vor allen Dingen auch die Wirtschaft dazu zu bringen, sich an der Studienfinanzierung zu beteiligen.

Der einzige Einwand der Opposition gegen nachgelagerte Studiengebühren soll nun darin bestehen, dass diese unsozial seien. Es soll unsozial sein, den im Beruf wirtschaftlich erfolgreichen Akademikern nachträglich einen kleinen Beitrag für das ihnen gewährte Privileg einer guten akademischen Ausbildung abzuverlangen.

Es soll folglich nach Ansicht der Opposition sozial sein, allen Nichtakademikern, die fleißig und erfolgreich in ihrem Beruf sind und hierfür Aufwendungen erbracht haben, über ihre Steuern die häufig wirtschaftlich erfolgreicheren Akademiker zu finanzieren. Es soll – so die Opposition – sozial sein, die schon immer privilegierten akademischen Berufsgruppen von den kleinen Leuten auf Dauer mitfinanzieren zu lassen. Es soll schließlich nach Ansicht der Opposition sozial sein, die später zum oberen Drittel der Gesellschaft zählenden Berufsgruppen ihre Privilegien auf Kosten einer breiten Mehrheit zu pflegen.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Haben Sie schon einmal etwas von Steuerprogression gehört?)

Ich habe etwas von Steuerprogression gehört. Ich habe eben gerade etwas dazu gesagt, Herr Kühn.

Es ist klar, dass unsere Gesellschaft nur arbeitsteilig funktioniert. Unsere Gesellschaft darf nicht in den Abgrund einer Utopie abgleiten, die meint, man könne in dieser Welt eine allseits anerkannte Gerechtigkeit schaffen. Dies hat der Sozialismus nie geschafft und er wird es auch nicht schaffen, was die Geschichte bewiesen hat. Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall.

(Christiane Schneider)

Die Menschen haben verschiedene Talente, die sie für einzelne Bereiche im arbeitsteiligen Leben zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen bereit sein sollten. Jeder Mensch ist in seinem Bereich wertvoll und wird gebraucht. Akademische Berufe sind nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere Berufe. Jeder Beruf dient der Allgemeinheit.

Es ist schon mehr als absurd, dass sich gerade die linke Opposition beim Thema Studiengebühren aufseiten der eher wirtschaftlich starken Gruppen in unserer Gesellschaft stellt.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Dora Heyenn DIE LINKE: Was ist das denn für ein Quatsch!)

Ich denke aber, dass es einigermaßen sozial gerecht zugeht, wenn man die wirtschaftlich erfolgreichen Akademiker nachträglich mit einem kleinen Beitrag belastet. Der CDU-Fraktion geht es darum klarzustellen, dass gerade nachgelagerte Studiengebühren, wie sie im vorliegenden Gesetz aufgeführt sind, nicht unsozial sind, sondern vielmehr einen Beitrag zum gerechten sozialen Ausgleich darstellen.

Die CDU-Fraktion hat auch aus diesem Grund das heute zu beschließende Gesetz zur Neugestaltung der Studienfinanzierung nochmals zur Debatte angemeldet. Die einseitige und falsche Annahme, nachträgliche Studiengebühren seien unsozial, ist etwas, was wiederum den Nährboden für extremistische Stammtischparolen abgibt. Die Opposition hat nicht begründet, was für sie bei nachgelagerten Studiengebühren unsozial sein soll. Die Opposition hat sich in der gesamten hierüber geführten Debatte jedem Argument im politischen Diskurs verweigert.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ha- ben Sie nur nicht gehört, weil Sie immer draußen waren!)

Dieses habe ich schon in der ersten Auseinandersetzung in der Aktuellen Stunde vor einigen Wochen bemängelt. Sie haben also bis heute noch Gelegenheit, etwas dazu zu sagen. Die aktuelle Verhaltensweise der Opposition ist gefährlich, da ein Diskurs nicht durch unreflektierte Parolen ersetzt werden kann. Parolen verbieten sich im demokratischen Ringen um den richtigen Weg zur Erreichung eines Ziels. Sie gefährden den Kampf um einen einigermaßen gerechten Ausgleich.

Die Opposition hat in der letzten Bürgerschaftssitzung die Abstimmung über die zweite Lesung des Gesetzes zur Neufinanzierung der Studienfinanzierung mit der Begründung abgelehnt, die Regierungsfraktionen sollen über dieses Gesetz noch einmal eine Nacht schlafen. Schlafend, wie die Opposition dies meint, ist das Problem der Studienfinanzierung aber nicht zu lösen. Weil die Opposition es verschlafen hat, sich Gedanken über eine

nachhaltige Studienfinanzierung für die bessere Ausbildung unserer Studierenden zu machen, fordere ich Sie nun auf, unserem Gesetzesentwurf in der zweiten Lesung zuzustimmen,

(Beifall bei der CDU und der GAL)

denn auf mittlere Sicht ist unser Gesetzesentwurf der einzig gangbare Weg, die Studienbedingungen zu verbessern.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Dr. Stapelfeldt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Langhein, bei Ihnen hat leider diese Nacht des Schlafens gar nichts gebracht. Das muss ich an dieser Stelle einmal festhalten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie haben Ihre Argumente, die Sie uns schon das letzte Mal aufgetischt haben, noch einmal wiederholt. Das, was Sie uns vorwerfen, machen Sie gar nicht. Wir haben in zahlreichen Ausschusssitzungen und hier im Plenum – das ist die dritte Debatte, die wir jetzt in wenigen Monaten führen – versucht, Ihnen mit Argumenten deutlich zu machen, warum diese Form der Studienfinanzierung durch die Studenten nicht richtig ist. Sie setzen sich mit unseren Argumenten überhaupt nicht auseinander. Ich kann nur sagen, dass ich das absolut schade finde. Damit haben Sie leider eine Chance vertan, noch einmal von allen Seiten die vorgebrachten Argumente zu wägen.

Meine Damen und Herren, worum geht es im Kern bei dieser Debatte um Studiengebühren? Um die Studienbedingungen an den Hochschulen leicht bis maßvoll zu verbessern, haben einige Länder Studiengebühren eingeführt, anstatt andere Prioritätensetzungen in den Haushalten vorzunehmen. In Hamburg geht es um knapp 40 Millionen Euro. Das entspricht ungefähr einem Sechstel des Betriebshaushaltes der Universität Hamburg. Das ist nicht wenig, ist aber auch nicht soviel. Wir haben am vergangenen Freitag im Haushaltsausschuss Nachforderungsdrucksachen beraten, die ungefähr in diese Größenordnung gekommen sind. Man sieht, dass man solche Summe auch von mehreren Seiten betrachten kann. Tatsächlich geht es um das eine Thema, Herr Langhein, das Sie ganz richtig angesprochen haben.

(Wolfgang Beuß CDU: Na, sehen Sie!)

Es geht nämlich um eine Prioritätensetzung in den öffentlichen Haushalten, die wir für Bildung vornehmen oder eben nicht vornehmen.

(Beifall bei der SPD)

(Dr. A. W. Heinrich Langhein)

Vor zwei Tagen wurde im Wirtschaftsteil der "Süddeutschen Zeitung" kommentiert: Bildung in Not. Ich zitiere:

"Deutschland ist keine Bildungsrepublik, eher schon eine Bankenrepublik. Die Schulen und Hochschulen sind Hütten, die Banken Paläste. Geraten Kreditinstitute in Not, eilen Staat und Steuerzahler mit Milliardenbeträgen zu Hilfe. An Bildungsnöte hingegen hat man sich gewöhnt."

Das kann man nur dreifach unterstreichen. So ist es. Wenn Banken in Schwierigkeiten geraten – das haben wir jetzt gesehen –, werden Milliarden aus öffentlichen Haushalten dafür ausgegeben, um sie auch noch feinzumachen und sie dann an Hedgefonds zu veräußern. Im Verhältnis dazu – zum Beispiel zu den 10 Milliarden Euro für die IKB – bräuchten wir laut Wissenschaftsrat 1 Milliarde Euro für neue Studienplätze bis 2015 und den gleichen Betrag, um die Betreuung der Studierenden zu verbessern und für die Fortsetzung der Exzellenzinitiativen, die wir auch alle wollen, und für die außeruniversitären Wissenschaftsinstitute noch einmal weitere Milliarden. Ob sie allerdings bereitgestellt werden, kann auf dem Bildungsgipfel, der im kommenden Monat unter Leitung der Bundeskanzlerin Merkel stattfindet, vorbereitet werden. Aber dies steht noch in den Sternen. Dabei wissen wir, dass unsere Zukunft davon abhängt, ob es uns gelingt, mehr Menschen mit Hochschulabschluss zu qualifizieren.

Der neue OECD-Bericht, über den Sie vermutlich in der Presse gelesen haben, hat Deutschland gerügt, weil es eine zu geringe Zahl von Akademikern gibt. Nur 21 Prozent machen einen Hochschulabschluss. Noch schlechter sind Griechenland, Slowenien und die Türkei. Im OECD-Durchschnitt sind es 37 Prozent eines Jahrgangs. Solche Zahlen sind alarmierend. Noch alarmierender ist die Tendenz. Im Durchschnitt erhöhte sich die internationale Quote der Absolventen zwischen 2000 und 2006 um 9 Prozent, in Deutschland im gleichen Zeitraum nur um 3 Prozent. Deswegen brauchen wir eine Trendumkehr. Wir müssen die Tendenz umdrehen. Deswegen müssen Bund und Länder schnell und entschlossen handeln und deswegen müssen wir auch die Studiengebühren in Hamburg abschaffen, weil sie behindern, dass die Menschen studieren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie behindern, dass vor allen Dingen Studierende aus bildungsfernen Schichten die Hochschulen besuchen.

Sie meinen und haben das eben noch einmal gesagt, dass Sie damit einen guten Kompromiss gefunden hätten, der alle zufrieden stellte, die Hochschulen und die Studierenden. Aber da täuschen Sie sich. Hamburg hat eine Hochschulfinanzierung

geschaffen, von der im Wesentlichen andere profitieren – Banken– und die die zukünftige Generation belastet. Da wird ein Schattenhaushalt geschaffen – man kann es nicht oft genug betonen – und die Studierenden müssen sich an dieser unsinnigen Finanzierung beteiligen.

Noch einmal. Wenn wir die Studiengebühren nach dem Ende dieser Legislaturperiode wieder abschaffen wollen, müssen wir erst einmal einen Schuldenberg von 144 Millionen Euro gegenüber der Wohnungsbaukreditanstalt abtragen. Das halte ich für völlig falsch und für eine insgesamt teure, ungerechte und staatlich unsinnige Zwischenfinanzierung.

Noch eine Besonderheit gibt es mit diesem Gesetz, die das letzte Mal von dem Kollegen Kerstan bestritten worden ist, der jetzt nicht zugegen ist. Er hat sich dazu hinreißen lassen zu erklären, dass es natürlich Befreiungstatbestände gebe, wie in anderen Ländern auch. Aber natürlich gibt es sie nicht, weil sie in Hamburg abgeschafft worden sind. Das war ja eine dieser Ausgleichsfinanzierungsnotwendigkeiten für dieses System der nachgelagerten Studiengebühren, indem Studierende mit kleinen Kindern, mit Behinderungen und chronisch Kranke jetzt nicht mehr grundsätzlich von den Studiengebühren befreit werden, sondern diese genauso wie andere auch nach ihrem Studium Zahlungen leisten müssen. Das war also eine falsche Behauptung und deswegen wollte ich sie an dieser Stelle noch einmal richtigstellen.

Im Übrigen wird immer wieder behauptet, und zwar mit großem Aplomb, dass kein Student seine Studiengebühren unmittelbar zahlen müsse,

(Wolfgang Beuß CDU: Genau!)

ein großes Argument, das hier vorgetragen worden ist.

(Wolfgang Beuß CDU: Ein gutes Argument, Frau Stapelfeldt!)

Doch auch dieses stimmt nicht, weil ein erheblicher Anteil der Studierenden die Studiengebühren direkt entrichten muss. Das sind nämlich die Studierenden aus den Ländern außerhalb der Europäischen Union, die Studierenden, die älter sind als 45 Jahre und diejenigen, die mehr als zwei Semester über der Regelstudienzeit sind.

(Wolfgang Beuß CDU: Ja, richtig!)

Ja, da können Sie sagen, richtig, aber dann stimmt doch Ihr Argument von vorher nicht. Also ist es doch so, dass Studenten unmittelbar zahlen müssen und das sind immerhin für die Universität, wie wir aus Rechenbeispielen wissen, von den 33 750 Studierenden aus dem letzten Wintersemester 11 800, die ohne Stundungsanspruch sind, also unmittelbar die Studiengebühren entrichten müssen.

(Wolfgang Beuß CDU: Frau Stapelfeldt, wo sind eigentlich Ihre neuen Argumente? Die- se haben Sie doch schon vor Wochen er- zählt!)

Natürlich haben wir das schon vor zwei Wochen und vor mehreren Monaten erklärt und wahrscheinlich können Sie es nicht oft genug hören.

(Wolfgang Beuß CDU: Es macht es nicht besser!)

Das macht es nicht besser, darum geht es nicht, Herr Beuß. Es geht darum, dass hier wahrheitsgemäß argumentiert wird, auch von Ihrer Seite.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie müssen doch auch gefälligst in das Gesetz schauen, das Sie heute zum zweiten Mal beschließen wollen, Herr Beuß. Deswegen geht es auch um wahrheitsgemäße und ordentliche Argumentation,