Protocol of the Session on September 4, 2008

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Ach, was!)

Denn schließlich sind Probleme von Kitas mit klagenden Nachbarn nicht neu in dieser Stadt. Das bundesweit bekannt gewordene Urteil über die Kita Marienkäfer ist inzwischen über drei Jahre alt.

Wir hatten damals im Familien- und im Umweltausschuss Experten angehört und haben gemeinsam festgestellt, dass Hamburg die Regelungskompetenz hat, ein Gesetz zu erlassen, das künftig solche Fälle möglichst verhindert. Aber die CDU konnte sich damals nicht dazu entschließen, das ist eben auch angedeutet worden. Sie haben damit verhindert, dass ein anständiges Kinderlärmgesetz in Hamburg verabschiedet wird.

(Frank Schira CDU: Was heißt denn anstän- dig?)

Herr Schira, Sie haben etwas beschlossen, das noch weniger ist als das Placebo, wie es die GAL damals bezeichnet hatte. Placebo, da hilft wenigstens noch der Glaube, aber Ihr Gesetz hat überhaupt nichts geholfen.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Herr Müller, es war in gar keiner Hinsicht sinnvoll oder wollen Sie da noch weitere Belege abwarten? Ihr Gesetz hat nette Worte geboten, aber das war es dann auch. Es gab keine rechtlichen Konsequenzen und das war damals schon deutlich geworden. Das haben wir damals auch gemeinsam mit der GAL und insbesondere mit Herrn Maaß kritisiert. Ich finde es auch nicht wahnsinnig überraschend, dass eine einen Satz lange Regelung im Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz in dem Baurechtsstreit keine besonders große Rolle spielt. Sie haben dafür gesorgt, dass sich an dieser Stelle für die Kinder und Eltern in der Stadt gar nichts verbessert, sondern dass Gerichte im Zweifel weiterhin die Interessen der Nachbarn höher bewerten als die der Kinder und das ist schlecht.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Genau das hat sich bei der Kita Marienkäfer bestätigt und jetzt ist endgültig klar: Ihr Gesetz hat seine Nagelprobe nicht bestanden. Der Fall Marienkäfer hat traurigerweise Schule machen können und Sie sind dafür verantwortlich, denn Sie und Ihr Senator Wersich, haben zusammen mit der Zuwendung durch die Sozialbehörde für die Lärmschutzwand bei der Kita Marienkäfer einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Das hat auch die GAL so bewertet. Die Finanzierung einer Lärmschutzwand durch die Stadt war damals Ihre Lösung und sie war damals schon schlecht und nun macht sie auch noch Schule.

(Beifall bei der SPD)

Dass Sie Ihre Anmeldung in dieser Aktuellen auch noch "Spielende Kinder dürfen nicht eingemauert werden" nennen, klingt nach all dem ein bisschen scheinheilig. Ja, es ist gut, dass wir einen tapferen Bezirksamtsleiter haben, der nicht nur mit dem Gesetzbuch unter dem Arm durch die Stadt geht, aber sein Handlungsspielraum ist ja doch begrenzt. Das Problem, das wir jetzt aktuell in Othmarschen mit der Kita in der Reventlowstraße haben, gibt es doch überall in der Stadt.

Ich habe Ihnen einmal den gültigen Baustufenplan von Othmarschen mitgebracht. Der ist 1955 zuletzt vom CDU-Senat bestätigt oder noch einmal geändert worden. Da haben Sie dann noch einen Golfplatz hineingemalt. Wenn Sie sich den angucken, dann werden Sie sehen, dass im Prinzip ganz Othmarschen, bis auf einen kleinen Zipfel, ein besonders geschütztes Wohngebiet ist. Ja, wo wollen Sie denn da die Kitas hinbauen? Da müssen Sie sich einmal ein bisschen mehr überlegen als hier auf das Gericht zu schimpfen. Da müssen wir auch nicht mehr abwarten.

(Stephan Müller)

(Beifall bei der SPD – Dr. A. W. Heinrich Langhein CDU: 44 Jahre SPD!)

Da muss sich etwas ändern. Dass Sie Ihre Planungskapazitäten lieber in imageträchtige Prestigeobjekte stecken, das wissen wir auch.

(Beifall bei der SPD)

Aber vielleicht brauchen die Bezirksämter da auch ein bisschen mehr Personal und mehr Möglichkeiten, um solche Pläne anpassen zu können. 6000 neue Kitaplätze allein im Krippenbereich in den nächsten fünf Jahren. Wo sollen die nun eigentlich hin?

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Also, Sie möchten sie nicht haben!)

Einrichtungen haben Schwierigkeiten, Räume zu finden, Kitas haben Wartelisten, das wissen wir alle, und neuerdings gibt der Senat auch zu, dass es, wie Sie es nennen, Nachfrageüberhänge gibt, also im Volksmund: Zu wenig Plätze.

Im Koalitionsvertrag heißt es in der Tat unter Wirtschaft und Umwelt zum Lärmschutz, dass Sie eine Hamburger Regelung schaffen wollen, die auch eine Privilegierung von Kinderlärm gegenüber Gewerbelärm enthält. Übrigens hieß unser von Ihnen bisher immer abgelehnte Gesetzentwurf: "Kinderund Jugendlärm gegenüber anderen Lärmquellen privilegieren".

Sie wollen jetzt ein Lärmschutzgesetz machen. Da wird es Ihnen nicht nur um Kinderlärm gehen, da wird es Ihnen wahrscheinlich um die Lärmkartierung des Eisenbahnbundesamt gehen, um Hafenbetriebe, den Flughafen, Hauptverkehrsstraßen, Gesundheitsaspekte und was weiß ich noch alles. Da planen Sie Vermischung von Bundes- und Landesrecht. Das wird alles problematisch und schwierig. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie da in einem halben oder dreiviertel Jahr eine Lösung im Hamburgischen Gesetzblatt verkündet kriegen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Sie haben es ja 40 Jahre nicht geschafft!)

Sie schieben den Kinderlärm weiter auf die lange Bank und lassen Eltern und Kita-Träger im Regen stehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Veit, eines ist nicht richtig: Das geschützte Wohngebiet war kein Ausschlusskriterium und ist auch immer noch kein Ausschlusskriterium. Das hat auch das Gerichtsurteil ausdrücklich bestätigt. Kitas dürfen auch in geschützten Wohngebieten Standorte finden.

Richtig ist allerdings, dass mit der Kita Marienkäfer ein Präzedenzfall geschaffen wurde, den wir damals sehr bedauert haben und der auch heute noch problematisch ist, weil er leider Nachahmer findet. Ich stehe auch heute noch zu dem, was ich damals dazu gesagt habe.

Kinder und Mauern, das passt einfach nicht zusammen. So ist es kein Wunder, dass die Wogen in der Öffentlichkeit und in den Medien ganz schnell hochkochen. Wenn wir uns an unsere eigene Kindheit zurückerinnern, gab es auch da immer den Konflikt mit irgendwelchen Nachbarn über ruhestörenden Lärm. Ich bin selbst in einem Hof groß geworden, in dem stand: Das Lärmen und Spielen der Kinder im Hof ist verboten. Heute wird derselbe Hof benutzt, Spielgeräte und Bolzplätze für die Kinder laden ein, es gibt Treffpunkte, Eltern finden dort zusammen. Es geht also, wenn man den Willen hat, hier etwas zu verändern. Deswegen muss es unsere politische Aufgabe sein, Regelungen zu finden, die alle Beteiligten mittragen können. Ich möchte aus diesem Grund auch für eine differenzierte Sichtweise und Besonnenheit plädieren, die diesem Thema und uns allen besser ansteht. Zunächst einmal müssen wir feststellen – und da stimme ich Frau Veit zu –, dass die in der letzten Legislatur gefundene CDU-Regelung wohl nicht ausreichend war, denn sonst würde in diesem Urteil nicht stehen – ich zitiere –:

"Für die Bewertung von Kinderlärm besteht kein Regelwerk".

Das ist das große Problem. Es gibt kein Regelwerk in Hamburg und der einzige Satz, dass Kinderlärm Ausdruck kindlicher Entfaltung ist – so ähnlich haben Sie es damals eingefügt – reicht natürlich nicht. Das macht deutlich, dass wir schnellstmöglich eine Konkretisierung der Rechtslage brauchen und dafür hat der schwarz-grüne Koalitionsvertrag einen Passus bereitgehalten, nämlich dass ein Lärmgesetz geschaffen werden soll. Natürlich geht es allgemein um Lärm in der Stadt und ein Teil davon wird die Kinderlärmverordnung sein. Ihren Pessimismus, dass unser Senat das nicht schafft, teile ich erwartungsgemäß nicht. Ich bin da ganz zuversichtlich. Wir werden es durch parlamentarische Initiativen auch noch unterstützen.

Aber bei aller Verständlichkeit über die emotionalen Diskussionen, die auch Sie, die Bürger, führen, ob eine Lärmschutzmauer in Kitas nun toleriert werden kann oder nicht, kommen wir mit Frontenbildungen nicht weiter. Nachbarn, die sich Ruhe auf ihrem Grundstück oder in ihrer Wohnung wünschen, sind nicht gleich Kinderhasser.

(Beifall bei Stephan Müller CDU)

Es geht vielmehr um die Berücksichtigung der verschiedenen Interessen. Ich sage an dieser Stelle ganz ausdrücklich, dass Kinderlärm erwünscht ist, aber genauso deutlich sage ich auch, dass Kinder

(Carola Veit)

lärm Grenzen hat. Diese Grenzen werden uns auch von Bundesgesetzen vorgegeben. Das heißt, wir müssen in einer Kinderlärmverordnung auch die nachbarschaftlichen Belange konkretisieren, denn die sind nachher auch für die Betriebserlaubnis bindend. Sie haben jetzt das Bezirksamt Altona so hochgelobt. In dieser Betriebserlaubnis für die Kita gab es keine Regelung. Es gab keine Regelung, ob eine Ruhezeit in der Mittagspause eingehalten werden sollte, es wurden Spielgeräte erlaubt, die relativ laut sind, hölzerne Rampen, die direkt am Nachbarschaftszaun stehen. Hier müssen wir eingreifen. Wir müssen eine Grundlage schaffen, die dem Bezirksamt, aber in Streitfällen auch den Richtern eine Handlungsgrundlage gibt. Auch die Betreiber einer Kita sind letztendlich dazu verpflichtet, den anstehenden Lärm, der von uns allen erwünscht ist, den wir natürlich auch nicht ausblenden wollen, zu reduzieren und zu minimieren. Dazu zählen die von mir aufgezählten Ruhezeiten, die man vereinbaren kann, oder auch die Auswahl von geräuschreduzierten Spielgeräten. Wir haben glücklicherweise in Hamburg auch diverse Beispiele von Kitas in Wohngebieten, wo es gut geht. Ich kenne Kitas, die in Etagenwohnungen sind und das klappt. Die haben dann das ganze Parterre und oben sind die Mieter. Es geht also alles.

Was wir brauchen – und das will ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen –, sind klare Handlungsanleitungen für die Bezirksämter und in Streitfällen leider auch für die Gerichte. Das ist die anstehende Aufgabe, die erfüllt werden muss. Eine Schwarz-Weiß-Malerei des Problems bringt uns hier nicht weiter, sondern wirklich die Besonnenheit und auch das Vorgeben in der BSU, derartige Handlungsempfehlungen zu finden. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir derartige Fälle in Hamburg nicht mehr haben wollen. Aber ich möchte alle bitten, dass man nicht die einen gegen die anderen ausspielt. Das sagte auch Herr Müller ganz zutreffend. Jeder hat seine Belange und wir müssen auch die der Nachbarn ernst nehmen, auch wenn sie uns erst einmal befremdlich klingen. Auch wenn ich als kinderpolitische Sprecherin natürlich sage – und so ist auch unser politisches Ziel –, dass Kinderlärm erwünscht ist, müssen wir den Kinderlärm gegenüber Gewerbelärm privilegieren und das wird unsere Verordnung irgendwann vorsehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Yildiz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat des Bezirksamtsleiters Warmke-Rose beginnen. Ich zitiere:

"Kitas gehören in Wohngebiete, weil dort Kinder wohnen."

Da hat er vollkommen recht. Mit dem Lärm von Flugzeugen, dem Straßenverkehr, zum Beispiel in der Reventlowstraße, der S-Bahn am Othmarschener Bahnhof finden sich die Menschen ab. Das wird als selbstverständlich empfunden. Kinderlärm dagegen als störend. Da geht man in Hamburg gerne zu Gericht und klagt gegen die Träger der Kitas. Für solch ein Verhalten bekommt man auch noch Recht vor Gericht. Dabei ist dieses nicht der erste Fall in Hamburg. Schon die Kita Marienkäfer in Wandsbek musste klagenden Nachbarn weichen. In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? An dieser Stelle ist auch anzumerken, dass eine Gesellschaft, die sinkende Geburtsraten beklagt und steigende Geburtszahlen erreichen möchte, auch für ein entsprechend familien- und kinderfreundliches, gesellschaftliches Klima sorgen muss. Hierfür müssen alle Fraktionen Sorge tragen und sich eindeutig positionieren. Für alle Faktionen muss klar sein, dass diese Entscheidung nicht nachvollziehbar ist. Kinder haben das Recht, sich frei zu entfalten. Man kann und darf ihnen nicht vorwerfen, dass sie auch einmal laut sind und weinen. All dies gehört zu unserem Leben dazu. Dabei muss man feststellen, dass die jetzige Lärmverordnung, wie auch viele betont haben, geschaffen von dem alten CDU-Senat, den Kinderlärm leider nicht privilegiert und damit Raum für solche richterliche Entscheidung geschaffen hat. Wir müssen uns auch vor Augen halten, dass bis zum Jahr 2013 noch 4700 Krippenplätze geschaffen werden sollen. Da kann man sich vorstellen, wie viele Gerichtsverfahren es noch geben wird in den Nachbarschaften bestimmter Stadtteile. Wenn noch etwa 65 Kitas – das ist die Zahl, die auch der Senat genannt hat – eröffnet werden sollen, kommen wohl noch einige Nachbarschaftsklagen dazu und bei der derzeitigen Rechtslage auch entsprechende Gerichtsbeschlüsse auf uns zu. Jeder Kläger sollte darüber nachdenken, dass er auch einmal ein Kind war und/oder selber Kinder hat. Es kann doch nicht ernsthaft verlangt werden, jede Kindertagesstätte einzumauern. Mit jedem anderen Lärm, wie zum Beispiel der S-Bahn, Fluglärm, können Kläger leben, so etwas gilt als unvermeidbar. Aber gegen den Lärm von spielenden Kindern, was eigentlich selbstverständlich ist, geht man vor Gericht.

Wir fordern den Senat auf, die jetzige Lärmverordnung zu verändern und Kinderlärm zu privilegieren. Die jetzige Verordnung ist ungenügend und muss dringend geändert werden, um den Trägern der Kitas Sicherheit für den Betrieb und die Planung von neuen Kitas zu schaffen. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und bei Ksenija Be- keris SPD)

(Christiane Blömeke)

Das Wort bekommt Senator Wersich.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Urteil zu dem Widerspruch mit aufschiebender Wirkung der Zulassung der Kita in der Reventlowstraße hat quasi wieder über Nacht das Schlaglicht auf das Thema Kinderlärm geworfen und wie das bei dem Thema immer so ist, auch bundesweit. Das heißt, wir sind wieder mitten in der Diskussion, welche Rolle die Kinder in unserer Gesellschaft spielen. Deswegen will ich vorweg aus unserer Sicht einmal ganz klar sagen: Kinderlärm ist unvermeidbar, es ist der normale Ausdruck einer gesunden Entwicklung. Wir alle waren Kinder, wir alle waren hoffentlich laut, ich jedenfalls war das. Ich bin meinen Eltern heute noch dankbar, dass sie dann nicht über die Straße geschrien haben, sei mal ruhig. Das erleben wir heute allerdings immer häufiger, dass überforderte Eltern mit ihren Kindern laut schreien. Insofern ist das Problem nicht immer nur der Kinderlärm.

Kinder gehören in Wohngebiete – das wird wohl keiner abstreiten – und deshalb gehören auch Kitas in Wohngebiete. Auch das ist, glaube ich, klar. Doch bevor diese Diskussion über diesen einen Fall auch bundesweit einen falschen Eindruck erweckt, möchte ich noch einmal sehr deutlich sagen: Hamburg ist kinderfreundlich. Wir haben im vergangenen Jahr 30 neue Kitas eröffnet. Wir werden dieses Jahr 60 neue Kitas eröffnen. Wir haben im vergangenen Jahr 70 Kitas erweitert. Wir werden in diesem Jahr 80 weitere Kitas erweitern. Wir haben über 800 Kitas in der Stadt und genau vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie viel Toleranz, wie viel gegenseitige Rücksicht in den vielen guten Nachbarschaften in Hamburg zwischen Kitas und Anwohnern gelebt wird.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Hamburg ist kinderfreundlich und ich glaube, gerade die geringe Anzahl der Fälle, wie momentan einer stattfindet, zeigt das. Deswegen sind Berechnungen, Herr Yildiz, die Sie zu dem Thema neue Kitas angestellt haben und was das für Folgen hat, nicht richtig. Die Realität beweist genau das Gegenteil.

Aber gucken wir uns doch auch dieses Urteil an, weil Frau Veit – natürlich mit einem gewissen Unterhaltungseffekt – einen großen Plan mitgebracht hat, den Sie kaum tragen konnte.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen – Carola Veit SPD: Sie hätten ja mal mit anfassen kön- nen!)