Protocol of the Session on September 3, 2008

Planungswerkstatt Mehrgenerationen-Bewegungsflächen – Drs 19/1004 – 477,

Christiane Blömeke GAL 477, 481,

Dirk Kienscherf SPD 478,

Ekkehart Wersich CDU 479,

Mehmet Yildiz DIE LINKE 480,

Beschlüsse 481,

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE:

PPP bei Schulgebäuden und Bewirtschaftung von Schulen – Drs 19/769 – 481,

Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE 482, 486,

Egbert von Frankenberg CDU 483,

Britta Ernst SPD 483,

Jens Kerstan GAL 484,

Christa Goetsch, Zweite Bürgermeisterin 485,

Dr. Peter Tschentscher SPD 486,

Beschluss 487,

Beginn: 15.03 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.

Es wäre nett, wenn die Wiedersehensfreude nach der langen Sommerpause jetzt etwas abebben würde und wir mit der

Aktuellen Stunde

beginnen könnten. Dazu sind vier Themen angemeldet worden, und zwar von der GAL-Fraktion

Hamburg macht Schule! Start für längeres gemeinsames Lernen

von der Fraktion DIE LINKE

Antira- und Klimacamp: Versammlungsfreiheit aufgelöst

von der CDU-Fraktion

Spielende Kinder dürfen nicht eingemauert werden

und von der SPD-Fraktion

Schwarz-grüne Nebenabsprachen - Absage an Wahrheit, Transparenz und Verlässlichkeit

Ich rufe das erste Thema auf. Wird das Wort gewünscht? Herr Gwosdz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme und erholsame Sommerpause.

Es waren Schulferien, ein neues Schuljahr hat begonnen. Rund 13 000 Schülerinnen und Schüler besuchen erstmals dieses Jahr die Schule und freuen sich darauf, viel Neues zu erfahren und zu entdecken.

(Ingo Egloff SPD: Sie freuen sich darüber, dass Sie noch nicht in die Primarschule müssen!)

Sie bringen ihre kindliche Neugierde und ihre Wissbegierde mit und werden hoffentlich an unseren Schulen viele gute Erfahrungen machen.

Doch zugleich beginnt auch wieder für Tausende Neun- oder Zehnjähriger ein Schuljahr, das über ihr künftiges Schicksal entscheiden soll. Schaffen sie den Sprung auf das Gymnasium und steht ihnen damit der gerade Weg zum Abitur offen oder werden sie aussortiert. Immerhin haben wir diesen Druck schon ein wenig gelindert. Es gibt keine isolierten Hauptschulklassen mehr, die Brandmarkung, auf der Schule der Verlierer gewesen zu sein, bleibt vielen Kindern künftig erspart. Doch das ist nur der erste kleine Schritt zu einer neuen

Kultur des Lernens und einer neuen Struktur der Schule.

Hamburgs Schulen machen sich ab diesem Schuljahr auf den Weg, die Unterrichtsqualität und die Schulstruktur zu modernisieren und zu verbessern. In wenigen Wochen beginnen die regionalen Schulentwicklungskonferenzen. Aus allen Schulen werden Schulleiter, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer zusammenkommen und gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern der weiterführenden Schulen beraten und diskutieren. Dieser Auftakt der regionalen Konferenzen ist ein guter Anlass, noch einmal in Erinnerung zu rufen, warum wir das Ganze überhaupt machen und mit welchem Ziel.

Unbestritten ist, dass die Erfolge des jetzigen Schulsystems durch ein mehrfaches Versagen konterkariert werden. Das jetzige Schulsystem verstärkt soziale Ungleichheit statt Chancengleichheit zu fördern, Kinder werden abgeschult oder zu Sitzenbleibern gestempelt statt individuell gefördert zu werden. Zu wenige Schülerinnen und Schüler machen Abitur und gleichzeitig verlassen zu viele Schülerinnen und Schüler die Schulen ohne einen Abschluss.

Eine der wesentlichen Ursachen ist das Schubladendenken, das Kinder in erster Linie nach vermeintlichen Begabungen sortiert. Dieses Denken befördert die vielleicht meist gebrauchte Ausrede im deutschen Schulsystem. Verfehlt ein Kind die Lernziele, ist nicht die Unterrichtsqualität schuld, sondern die fehlende Begabung. Das Kind wird nicht gefördert, sondern umsortiert. Ein kleiner Vergleich aus der Botanik: Wenn eine Pflanze nicht gedeiht, genügt es meistens auch nicht, sie einfach umzutopfen und sich dann selbst zu überlassen, damit sie blüht und gedeiht. Wir müssen weg von der Illusion, in homogenen Lerngruppen im Gleichschritt lernen zu können, denn diese gleichförmigen Klassen gibt es trotz Hin und Her und Aus- und Umsortierens an keiner Schule. Auch jetzt ist die Unterschiedlichkeit zwischen den Schülerinnen und Schülern innerhalb einer Klasse groß. Lernen im Gleichschritt bremst diejenigen, die schneller sind und setzt diejenigen unter Druck, die mehr Zeit brauchen. Wir brauchen also eine neue Kultur des Lernens,

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der SPD)

die Leistung positiv besetzt, ohne die Schwächeren zu vergessen, die sozial gerecht ist, ohne die Stärkeren zu bremsen.

In den Mittelpunkt des Unterrichts rückt daher nicht das Lernen von Stoff für die Tests, um es mit den Worten des Präsidenten des Bayerischen Lehrerund Lehrerinnenverbandes, Klaus Wenzel, zu sagen – ich zitiere:

"Wir müssen weg vom Bulimie-Lernen, bei dem die Schüler vor einer Prüfung Fakten

wissen in sich hineinfressen, um es wiederzugeben und anschließend zu vergessen."

Zitatende.

(Beifall bei der GAL)

Der Vielfalt an Begabungen und Talenten unserer Kinder wird diese Art von Lernen nicht gerecht. Stattdessen brauchen wir neue Unterrichtsmethoden, die verstärkt auf die Entwicklung von Kompetenzen ausgerichtet sind. Der ausgeweitete Schulversuch, Kompetenzberichte statt Zeugnisse und Noten, liefert hier wichtige Ergebnisse. Wo Lehrkräfte bereits mit neuen Methoden arbeiten, werden sie bei der Weiterentwicklung unterstützt. Gleichzeitig gibt es für alle Lehrer eine Fortbildungsoffensive, um mit heterogenen Lernstrukturen umzugehen.

Individuelle Förderung benötigt aber auch kleinere Klassen. In den Grundschulen ist dieses Ziel schon erreicht. Auch für die noch großen dritten und vierten Klassen haben wir zusätzliches Personal für weitere Teilungsstunden. Ganz entscheidend bei den künftigen Schulen wird sein, dass es in den Primarschulen keine Klassen über 25 geben soll und es in den Brennpunkten höchstens 20 Kinder sein werden. Für die ersten sechs Jahrgänge von Schülerinnen und Schülern bedeutet das eine elementare äußere Verbesserung des Lernumfelds.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Eine neue Kultur des Lernens benötigt auch einen anderen Lernrhythmus. Ganz entscheidend ist daher der Ausbau von Ganztagsschulen, ganz abgesehen von der ökonomischen Notwendigkeit eines solchen Angebots, es mehr Eltern zu ermöglichen zu arbeiten. Entscheidend ist natürlich, dass es sich nicht um Alibiganztagsschulen handelt, sondern dass diese eine entsprechend gute Ausstattung haben. Deshalb haben wir bereits in diesem Schuljahr die bestehenden und die neuen Ganztagsschulen deutlich besser ausgestattet als bisher. Es können wieder mehr Pädagogen anstelle von Honorarkräften eingesetzt werden.

Wir werden dieses Jahr eine Reform starten, die am Ende zwei geradlinige Wege zum Abitur, längeres gemeinsames Lernen und kein frühes Sortieren nach der vierten Klasse, zum Ergebnis haben wird. Hamburg nähert sich damit dem europäischen Standard an für eine gute und neue Hamburger Schule. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Freistedt.