Protocol of the Session on November 8, 2007

(Zuruf von Jan Quast SPD)

- Herr Quast, wollen Sie den Kindern tatsächlich den Terror, den sie in der alten Kita hatten, wieder zumuten? Sie können Menschlichkeit nicht per Gesetz verordnen oder Sie müssen hier deutlich sagen, dass Sie das Klagerecht der Anwohner abschaffen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Schaal

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Gedaschko, wir sind nicht frustriert, sondern wir finden uns bestätigt, dass das Kinderlärmgesetz der CDU seinen ersten Praxistest nicht bestanden hat und das schon nach weniger als einem Jahr.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL - Zuruf von Robert Heinemann CDU)

- Appelle, Herr Heinemann, gegen die Kinderfeindlichkeit sind zwar nett, aber sie nützen nichts und das haben wir bereits im Januar gesagt. Mit dem Gesetz, das wir damals in die Bürgerschaft eingebracht haben, wäre so etwas wie in Marienthal nicht passiert.

(Zuruf von Robert Heinemann CDU)

- Sie haben unseren Gesetzentwurf doch abgelehnt.

(Bernd Reinert CDU: Weil er falsch war!)

Sie hätten die Probleme jetzt nicht, Herr Heinemann, wenn Sie auf unseren Gesetzentwurf eingegangen wären. Wir empfehlen Ihnen, diesen Entwurf noch einmal zur Annahme. Es ist nicht alles goldrichtig gewesen, Herr Gedaschko, was in Wandsbek gelaufen ist. Das zeigt allein schon die Äußerung von Staatsrat Fuchs, der darauf hingewiesen hat, dass die Gesetzeslage nachgebessert werden soll.

Die SPD-Fraktion will mit ihrem Gesetz ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis herstellen und dazu gehört natürlich, dass man an die Einrichtung und an den Betrieb einer Kindertagesstätte, Herr Böttcher, auch Anforderungen stellt, damit man gedeihlich miteinander leben kann. Aber eine Mauer fördert doch kein nachbarschaftliches Verhältnis, eine Mauer verhindert Nachbarschaft.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir verlangen in unserem Gesetzesvorschlag von beiden Seiten Rücksichtnahme aufeinander. Was man beiden Seiten abverlangt, muss auch zumutbar sein, Herr Böttcher, und das, was das Bezirksamt in Wandsbek vorgemacht hat, ist aus unserer Sicht für Eltern und Kinder unzumutbar. Die Kinder werden hinter einer zwei Meter hohen Mauer im Südwesten weggesperrt und somit wird dann auch noch die Sonne ausgeschlossen. Diese Regelung erinnert an eine Verwahranstalt aus dem 19. Jahrhundert und nicht an eine moderne Kindertagesstätte. Das ist nicht Rücksichtnahme, sondern das ist Rückschritt. Wir meinen, dass der Lärm, den Kinder machen, unvermeidlich ist. Darüber haben wir oft genug geredet. Aber eine Kita gehört nun einmal in ein Wohngebiet, denn dort in den Wohngebieten leben die Eltern und sie leben nicht in den Gewerbegebieten. Aber das Zusammenleben muss geregelt werden. Natürlich sind die Kinder privilegiert, sie müssen sich kindgerecht ausleben dürfen, aber unnötige Belastungen der Nachbarschaft müssen nun einmal verhindert werden, Herr Böttcher. Dazu gehört, dass die Schaukel nicht quietscht und dass Ballprallgeräusche durch entsprechende Bodenbeläge aufgefangen werden können. Beide Seiten müssen Rücksicht aufeinander nehmen, nicht nur die Kita, sondern auch die Nachbarn müssen auf die Kinder Rücksicht nehmen und dem wird der Gesetzentwurf, den Sie

gemacht haben, leider nicht gerecht. Wenn Lärmminderung Wegsperren heißt, dann stimmt da irgendetwas nicht.

(Rolf Harlinghausen CDU: Wegsperren! Sie haben keine Ahnung!)

Der Kinderlärm wird durch die Beschränkung der Größe der Kindertagesstätte begrenzt. Sie muss in einem bestimmten Verhältnis zu der Wohnbesiedelung stehen. Feste Öffnungszeiten müssen her - das ist gemacht worden - und auch die Zahl der Elternabende muss begrenzt werden. Das finde ich durchaus okay. Trotzdem kommt es darauf an, ob die Maßnahmen verhältnismäßig sind. Es ist nun einmal nicht verhältnismäßig, dass die Fenster im ersten Stock von einem Kindertagesheim geschlossen bleiben müssen. Das geht nicht. Auch die Kinder haben ein Recht auf frische Luft. Es ist auch nicht verhältnismäßig, dass die Kinder nicht bei der Gartenarbeit helfen dürfen. Der nächste Schritt wäre dann, dass die Kinder auch nicht mehr im Garten spielen dürfen. Bei diesem sogenannten Kompromiss, der in Marienthal ausgehandelt wurde, ist einseitig die Nachbarschaft bevorzugt und privilegiert worden, nicht die Kinder.

Die Forderung nach gegenseitiger Rücksichtnahme ist nun einmal keine Einbahnstraße. Die Marienkäfer hatten offensichtlich im Gegensatz zur Nachbarschaft keinen Rechtsanwalt ins Gefecht geschickt. Dabei ist es doch kein Wunder, dass kein echter Interessenausgleich zustande kommt. Ich meine, dass die Interessen der Kinder auch von der Stadt und deren obersten Repräsentanten wahrgenommen werden müssen. Aber wie ist das gewesen? Der Bürgermeister ist, wie immer, wenn es Probleme und Stress gibt, abgetaucht. Er hätte doch einmal persönlich in dem Konflikt zwischen den Nachbarn und der Kindertagesstätte vermitteln können, aber dazu ist es nicht gekommen. Ich meine, wer eine kinderfreundliche Stadt regieren will, muss sich auch für die Kinder einsetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch und Christian Maaß, beide GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es geradezu infam, wie dieses Problem, das wir in der Stadt haben, heruntergespielt wird, und zwar aus der Sicht der CDU-Fraktion, wo gesagt wird, das sei doch alles nicht so dramatisch, das sei ein Einzelfall. Da kommt nur eine kleine Mauer hin. Ja, es ist richtig, Kinder sind sehr anpassungsfähig. Vielleicht gewöhnen die sich auch sehr schnell daran, hinter dieser Mauer zu spielen, aber es geht doch auch um eine Signalwirkung, die wir den Kindern und nach außen mitgeben. Wir suggerieren den Kindern, das, was ihr macht, wollen wir nicht, wir wollen euren Lärm nicht haben. Wir integrieren sie nicht in den Stadtteil, sondern wir isolieren sie. Das ist eine falsche Signalwirkung, die ich in Hamburg gar nicht haben möchte.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

In einem Punkt muss ich Ihnen, Frau Schaal, widersprechen. Ich fand es absolut absurd, als ich in diesen Vereinbarungen gelesen habe, dass die Anzahl der Elternabende begrenzt wird. Wo kommen wir denn da hin? Einer Bildungseinrichtung, es könnte ebenso eine Schule

mit Wohnhäusern in der Nachbarschaft sein, zu sagen, ihr dürft jetzt nur noch einen Elternabend pro Halbjahr machen, denn aktive Elternarbeit ist nicht mehr gewollt. In welcher Bildungswelt leben wir denn, wenn so etwas begrenzt wird aus Angst vor Lärm. Das ist nicht der richtige Weg.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Vor allen Dingen, wenn ich mir überlege, dass wir in Hamburg so viele Lärmgeräusche haben. Eine Großstadt bietet Bauarbeiten, Straßenlärm, Fluglärm und vieles mehr, was die Bürgerinnen und Bürger veranlasst, händeringend für den Bau einer Lärmschutzwand zu kämpfen. Die Güterumgehungsbahn wurde als Beispiel genannt. Die Bürger versuchen seit Jahren verzweifelt, eine Lärmschutzwand zu bekommen und was passiert im Fall der Kita? Der Senat liefert eine Lärmschutzwand mit dem Neubau der Kita quasi gleich mit.

Ich würde gerne mit einem Gerücht aufräumen, das Senator Gedaschko behauptet hat, nämlich dass alles im Einverständnis mit der Bezirksversammlung Wandsbek und mit dem Hauptausschuss geschehen ist. Das ist keinesfalls der Fall, Senator Gedaschko. Vielmehr war es so, dass dort allen Fraktionen gesagt wurde, die Kita solle zum Zikadenweg umziehen. Das ist völlig richtig. Seitens meiner Fraktion gab es eine Zustimmung unter Vorbehalt. Die GAL-Fraktion hat gesagt, wir stimmen zu unter dem Vorbehalt, dass Klagen der Anwohner wirklich ausgeschlossen sind.

(Bernd Reinert CDU: Das sind sie doch!)

Von einer Lärmschutzwand war dort nie die Rede und diese Lärmschutzwand haben Sie sowohl der Bezirksversammlung als auch dem Hauptausschuss, dem gesamten Parlament und der Stadt Hamburg untergejubelt. Da können Sie jetzt den Kopf schütteln, aber fragen Sie doch noch einmal genau nach, dann wissen Sie, wie es war.

Meine Damen und Herren, zum einen finde ich es nicht richtig, wenn man sich immer nur auf das Verfahren zurückzieht, weil es letztendlich auch um das Leitbild der CDU-Fraktion und des Senats geht. Das Leitbild - ich zitiere -:

"Nur eine familien- und kinderfreundliche Stadt ist eine Stadt der Zukunft. Um zu wachsen, muss sich Hamburg in besonderer Weise auf die Bedürfnisse von Familien mit Kindern einstellen."

Ja, meine Damen und Herren der CDU und des Senats, da haben Sie die Bedürfnisse der Kinder aber gründlich missverstanden und die der Familien erst recht. Jedenfalls sehen die Bedürfnisse der Kinder nicht so aus, hinter Mauern zu spielen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD - Stefanie Strasburger CDU: Sie schaden den Kindern!)

Natürlich ist es richtig, dass die Kita Marienkäfer und auch die Abgeordneten der Bezirksversammlung letztendlich diesem Umzug zugestimmt haben. Ich kann auch die Kita verstehen, dass die jetzt erst einmal zufrieden damit ist. Die haben ja auch eine Odyssee hinter sich. Sodass es völlig klar ist, dass man dann erst einmal das nimmt, was man geboten bekommt. Aber dieser Fall ist doch kein Paradebeispiel für das, was wir in Hamburg haben wollen und für uns Politikerinnen und Politiker sollte er noch längst nicht abgeschlossen sein. Ich warte

immer noch ein bisschen auf ein Happy End und das Happy End kann nur so aussehen, dass der Gesetzentwurf der GAL-Fraktion, der auf jeden Fall noch einmal beraten wird, in der Richtung abgestimmt wird, dass wir Ihren lauen Gesetzentwurf außer Kraft setzen, der eine derartige Planung zulässt. Denn, Frau Strasburger, ich vertrete da eine andere Ansicht. Ich bin der Meinung, dass wir Kinderlärm privilegieren sollen gegenüber Straßen- und Baulärm. Ihr Wischiwaschi-Gesetzentwurf lässt nämlich genau diese Klagen zu. Wir haben heute schon lesen können, dass es kein Einzelfall ist. Wir werden noch viele dieser Beispiele haben, wenn das erst einmal Schule macht. Für eine wachsende und familienfreundliche Stadt gehört es sich einfach, dass Kinder in Wohngebiete einbezogen werden, dass Kinderlärm privilegiert ist und vor allen Dingen, um auch gerecht zu sein, den Menschen, die händeringend auf Lärmschutzmaßnahmen warten, die Unterstützung des Senats zukommen zu lassen, die Sie jetzt dieser Kita zukommen lassen, denn sonst würde ich diese Gerechtigkeit nicht so akzeptieren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Klooß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will eines vorweg sagen: Es ist natürlich gut, dass es in dem konkreten Fall jetzt zu einer Lösung gekommen ist, aber die Lösung, die gefunden worden ist und so, wie sie zustande gekommen ist, hinterlässt doch einen schalen Beigeschmack. Das ist auch das Echo, das insgesamt in der Stadt zu finden ist. Lesen Sie die Zeitungen.

Herr Senator Gedaschko, Sie gelten als Fachmann auf vielen Gebieten. Aber so, wie Sie sich bei der Debatte im Januar auf dem Gebiet des Emissionsschutzes vergaloppiert hatten, so haben Sie es auch jetzt wieder im Baurecht getan. Es ist doch so, wenn es einen Bebauungsplan gab, der ein Vorhaben, wie es jetzt verwirklicht worden ist, verhindert hätte, dann hätte es die Möglichkeit gegeben, den Bebauungsplan zu verändern. Wenn sich nun alle Fraktionen in der Bezirksversammlung Wandsbek einig darüber gewesen wären und das Bezirksamt - und ich unterstelle das mal -, dann gibt es auch Mittel und Wege, solch ein Verfahren in den Fristen abzukürzen und schnell zu Lösungen zu kommen.

Wenn es rechtliche Bedenken gab, dann hätte man Zuflucht nehmen können - wenn es denn geeignet gewesen wäre - zu dem von Ihnen mit der Mehrheit der CDU durchgedrückten Gesetz mit der Ergänzung des Paragrafen 29 a zum Ausführungsgesetz des Achten Sozialgesetzbuches. Aber das war völlig ungeeignet und es ist bedauerlich, aber ich habe recht behalten, dass es ein Placebo war, nein, es war weniger als ein Placebo, denn bei Placebos kann manchmal der Glaube helfen, aber hier nützt der Glaube nichts, wenn es harte Interessen sind, die aufeinanderstoßen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir haben Ihnen damals einen Gesetzesvorschlag geliefert, der es im Rahmen der Abwägung eines Bebauungsplanverfahrens oder auch eines Befreiungsverfahrens möglich gemacht hätte, zugunsten der Kinder zu votieren.

(Wilfried Buss SPD: Aha! - Niels Böttcher CDU: Das stand aber nicht drin!)

Das hätte allerdings bedeutet, dass Sie sich dazu bekannt hätten, dass Ihnen die Föderalismusreform diese Gesetzgebungskompetenz gegeben hat. Das haben Sie nicht gewollt. Das haben Sie nicht geglaubt und das steht in einem seltsamen Kontrast zu einem anderen Bereich. Von der Gesetzgebungskompetenz, die Sie im Bereich des Strafvollzugs bekommen haben, haben Sie willigst Gebrauch gemacht und sind noch darüber hinaus gegangen und haben ein Gesetz gemacht, das bundesweit Hohn und Spott verdient und das auf dem Prüfstand der Gerichte und bei wechselnden Mehrheiten keinen Bestand haben wird. Aber als Sie die Gelegenheit gehabt hätten, sich für die Kinder zu entscheiden, da haben Sie versagt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es ist kein Einzelfall, Frau Strasburger. Ich brauche nur in das "Hamburger Abendblatt" von heute zu gucken. Dort steht:

"Laut Anfrage gibt es laufende Verfahren gegen Jugendeinrichtungen in Bergedorf, Harburg, Mitte sowie Wandsbek."

Wahrscheinlich ist das "Hamburger Abendblatt" klüger als Sie.

(Stefanie Strasburger CDU: Nein! - Ingo Egloff SPD: Das ist nicht schwierig!)