Protocol of the Session on October 10, 2007

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt: Bei der Wahl eines Mitglieds des Hamburgischen Verfassungsgerichts sind 111 Stimmzettel abgegeben worden, die alle gültig waren. Herr Dr. Klaus David erhielt 100 Ja-Stimmen, 7 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen.

(Beifall im ganzen Hause)

Damit ist Herr Dr. David zum Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts gewählt worden. Sie sind bereits nach vorn in unsere Mitte gekommen, daher brauche ich Sie nicht zu bitten.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Herr Dr. David, die Bürgerschaft hat Sie soeben zum Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts gewählt. Dazu darf ich Ihnen die Glückwünsche des ganzen Hauses aussprechen. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.

Herr Dr. David: Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl an.

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Ergebnis siehe Seite 4828

A C

B D

Nach Paragraf 7 des Gesetzes über das Hamburgische Verfassungsgericht haben die Mitglieder des Verfassungsgerichts vor Antritt ihres Amtes vor der Bürgerschaft einen Eid zu leisten. Ich lese Ihnen den Wortlaut des Eides vor und bitte Sie, bei erhobener rechter Hand die Beteuerungsformel "Ich schwöre es" oder "Ich schwöre es, so wahr mit Gott helfe" nachzusprechen.

Der Eid hat folgenden Wortlaut:

"Ich schwöre, dass ich als gerechter Richter alle Zeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die Verfassung und die Gesetze getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde."

Herr Dr. David: Ich schwöre es.

Sie haben damit den erforderlichen Eid vor der Bürgerschaft geleistet. Im Namen des ganzen Hauses wünsche ich Ihnen nun als Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts eine glückliche Hand in der Amtsausführung, alles Gute, viel Glück und auch Befriedigung für Ihre neue Aufgabe.

(Beifall im ganzen Hause - Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen.

Wir kommen zum Punkt 38 der Tagesordnung, Drs. 18/7066, Antrag der SPD-Fraktion: Vorlage einer aktualisierten Finanzplanung 2008 bis 2012.

[Antrag der Fraktion der SPD: Vorlage einer aktualisierten Finanzplanung 2008 – 2012 - Drs. 18/7066 -]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Haushaltsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? - Herr Zuckerer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt heute die Fortschreibung der Finanzplanung und ich möchte Ihnen das etwas ausführlicher begründen.

Als wir im Dezember des Jahres 2006 den Doppelhaushalt 2007/2008 beschlossen hatten, wusste das ganze Haus, dass dieser Doppelhaushalt im Prinzip eine Übergangsplattform war. Jeder von uns war davon überzeugt, dass mit diesem Haushalt keine Antworten auf viele Fragen in der Stadt gegeben wurden und dass ein Teil der Budgetansätze zu gering waren. Es war also zu erwarten, dass der Senat mit weiteren Vorlagen kommen würde. Diese Erwartung wurde ganz und gar nicht enttäuscht.

Seit dem 1. Januar des Jahres 2007 tagt der Haushaltsausschuss in Permanenz und mit einer großen Anzahl zusätzlicher Sitzungen. Der Senat hat insgesamt etwa 20 finanzwirksame Anträge eingereicht. Das heißt, ich muss mich korrigieren. Es waren natürlich nicht nur 20, sondern mehr Anträge. Aber unter den finanzwirksamen Vorhaben des Senats sind diese 20 besonders inte

ressant, denn diese 20 Anträge umfassen allein ein Volumen von 402 Millionen Euro.

Ich bin über drei Legislaturperioden in diesem Parlament und erinnere Finanzkrisen der Freien und Hansestadt Hamburg, ausgelöst durch Einbrüche von Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Aber ich erinnere mich aus meiner ganzen Zeit als Abgeordneter und Mitglied des Haushaltsausschusses an keine einzige Situation, in der eine Regierung neue und bisher nicht konkretisierte Vorhaben im Umfang von über 400 Millionen Euro binnen neun Monaten eingebracht hat.

Wer den Anspruch erhebt, eine solide Finanzpolitik zu betreiben, darf keine Serie von Einzelvorlagen bringen, sondern geht mit einem ordentlichen Nachtragshaushalt in das Parlament. Das haben Sie vermieden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aber die interessante Frage ist doch, warum Sie das vermieden haben. Hierfür gibt es nur wenige Antworten, im Prinzip eigentlich nur zwei: Entweder war Ihr Politikmanagement wirklich schlecht - das würde ich im Übrigen nicht bezweifeln wollen -, denn man hat nicht Anträge und Vorhaben im Umfang von 400 Millionen Euro, die so komplex sind, dass man sie über Monate hinausschieben muss, um sie dann im Schnellverfahren durch das hamburgische Parlament zu bringen. Das ist nicht normal. Oder Sie müssen sich wirklich fragen lassen, ob nicht etwas anderes dahinter steckt, nämlich schlichtweg ein 400 Millionen Euro schwerer Wahl-Sonderhaushalt. Und das ist es auch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Senat und auch die CDU reden mit Vorliebe und großem Engagement von Konsolidierung. Meine Damen und Herren von der CDU, Ihr tatsächliches Ausgabeverhalten steht in einem krassen Widerspruch zu der melodramatisch vorgetragenen finanzpolitischen Rhetorik. Mit Konsolidierung und Schuldenbegrenzung hat das wenig zu tun. Das werde ich Ihnen belegen.

Derzeit sprudeln nicht nur die Steuereinnahmen, sondern auch die Ausgaben. Sie geben das Geld wirklich mit vollen Händen aus. Hierbei möchte ich Ihnen nicht aberkennen, dass Sie, was kreative Buchführung oder auch Umwegfinanzierungen betrifft, ein großes Engagement an den Tag legen. Also lassen Sie uns darüber reden, wie Sie diese 400 Millionen Euro eigentlich finanziert haben.

Als wir im Haushaltsausschuss über den Doppelhaushalt des Jahres 2007/2008 diskutiert hatten, waren wir auf Rückstellungen für Mehraufwendungen - also auf eine Risikovorsorge für diesen Doppelhaushalt - gestoßen, die höher war, als jede Risikovorsorge, die es in den letzten zehn Jahren in Haushalten der Freien und Hansestadt Hamburg gegeben hatte.

Man muss hinzufügen, dass die Ausführungen des Haushaltsdirektors wortreich waren und den Eindruck aufkommen ließen, dass jedes Risiko der Freien und Hansestadt Hamburg nach einem komplizierten, allerdings nur der Finanzbehörde zugänglichen Rating-Verfahren prozentual gewichtet war. Daher war eine derartig große Risikovorsorge unbedingt notwendig, völlig rational und geradezu mathematisch prognostiziert.

Man konnte das glauben oder auch nicht. In der Regel lehrt die politische Erfahrung, dass, je mehr Worte um eine Sache gemacht werden muss, desto unwahrschein

licher das Gesagte den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. So war es dann auch in diesem Fall.

Was wurde aus der Auflösung der Rückstellung für Mehraufwendungen finanziert? Das sind derzeit etwa 70 Millionen Euro, und zwar im Wesentlichen für Mehrausgaben bei den Kindertagesheimen und in einigen anderen sozialpolitischen Bereichen. Es waren genau die Bereiche, über die wir uns alle einig waren, dass sie unterfinanziert sind. Das wussten wir bereits im Dezember des Jahres 2006. Sie haben also die gesamte Risikovorsorge, bis auf 8,7 Millionen Euro, für Mehrausgaben dieser von uns vermuteten unterfinanzierten Bereiche aufgelöst.

Nun dürfen Sie sich in diesem mathematischen Modell des Ratings der Risiken dieser Stadt eine schlichte Frage stellen, ob 8,7 Millionen Euro für das Jahr 2008 ausreichen werden, da wir doch ernsthafte Risiken haben, wie beispielsweise die Risiken des LBK, die heute bereits erwähnt wurden. Der Senat gibt der staunenden Öffentlichkeit bekannt, dass die Freie und Hansestadt Hamburg und der öffentliche Dienst dort jederzeit 2.000 Mitarbeiter absorbieren kann, zwar nicht als Polizisten und auch nicht als Feuerwehrleute, aber für alles andere.

Das wäre noch nicht einmal so dramatisch. Dramatisch ist, dass Sie behaupten, dass das alles auch ohne Geld geht. Wenn das alles ohne Geld gehen würde, würde ich vermuten, dass das Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg von jedem Großunternehmen ob dieser Kompetenzen, die es sonst eigentlich europaweit nicht gibt, sofort abgeworben werden würde.

Was Sie bisher vorgenommen haben, hat mit einer angemessenen Risikovorsorge überhaupt nichts zu tun. Sie haben einfach das Geld ausgegeben und das risikoreich bis zum 24. Februar des nächsten Jahres, dem Wahltag. Aber keinen Tag weiter, denn danach geht nichts mehr mit Risikovorsorge.

Das war Ihr erster Schlag der Finanzierung. Und nun kommen wir zu Ihrem zweiten bemerkenswerten Finanzierungsweg. Wir haben hier die städtische Holding für unsere öffentlichen Unternehmen, die HGV. Für die HGV waren circa 106 Millionen Euro Verlustausgleich in den Hamburger Haushalt eingestellt. Wir sind darüber belehrt worden, dass das völlig unnötig ist, denn die HGVVerluste können aus außerordentlichen Erträgen bedient werden. Ehe man sich versieht, sind schlagartig über 100 Millionen Euro im hamburgischen Haushalt plötzlich frei. Welch ein Wunder!

Nun beschäftigen wir uns einmal damit, wie dieses Wunder zustande kommt. Es ist natürlich kein Wunder, sondern die HGV-Verluste werden aus außerordentlichen Erträgen beglichen. Was sind außerordentliche Erträge, meine Damen und Herren von der CDU? Das sind Vermögensveräußerungen. Die HGV saniert also ihren eigenen Betriebsverlust über Vermögensveräußerungen. Dadurch hat die Freie und Hansestadt Hamburg auf einmal etwas mehr Geld im Haushalt, woraus alles Mögliche finanziert wird.

Nun darf ich Sie daran erinnern, dass Ihr finanzpolitisches Credo stets war: Keine Vermögensveräußerungen für Defizite im Betriebshaushalt. Hierauf kann ich nur Folgendes erwidern. Auch wenn Sie zwischen dem Betriebshaushalt der Freien und Hansestadt Hamburg und der HGV sowie irgendwelchen anderen Unternehmen ständig hin und her buchen, bis irgendwie die Vermögensveräußerung bei den Betriebsverlusten der HGV

versenkt und beim Haushalt auf einmal Geld vorhanden ist, dann ist es trotzdem eine Vermögensfinanzierung. Das widerspricht Ihren Ansprüchen und ich füge hinzu, dass das in einem Jahr, in dem wir seit mindestens fünf Jahren die höchsten Steuereinnahmen haben, völlig unvertretbar ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Was haben Sie nun daraus finanziert? Alles, was es an Schönem und Gutem im gesamten Süderelberaum gibt und das in zweistelliger Millionenhöhe. Diese Finanzierung entspricht nicht einem soliden Finanzierungsvorbehalt für einen öffentlichen Haushalt.

Nun kommen wir zu Ihrem dritten und interessantesten Weg, Mehrausgaben zu finanzieren. Dieser interessante Weg nennt sich im Bürokratendeutsch "Erhöhung der Entnahmen aus der Allgemeinen Rücklage als Deckung". Wir haben also eine Allgemeine Rücklage. Wieso haben wir diese Allgemeine Rücklage?

Im Jahre 2006 hatte Hamburg die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten, nämlich 7,8 Milliarden Euro. Das waren 1,5 Milliarden Euro mehr als 2001, und zwar nach Abzug des Länderfinanzausgleichs. Davon gingen 500 Millionen Euro in die Allgemeine Rücklage. Das ist der eine Teil der Wahrheit.

Der zweite Teil der Wahrheit ist Folgender. Der Geschäftsbericht des Senats für die Freie und Hansestadt Hamburg - die erste doppische Bilanz - weist aus, dass wir im selben Jahr das Vermögen um circa 500 Millionen Euro gemindert haben. Unser Finanzsenator, Herr Dr. Freytag, hat mit Recht darauf hingewiesen, dass wir bald am Ende sind, wenn wir das in dieser Weise fortführen. Man könnte noch hinzufügen, dass das in circa sechs Jahren der Fall wäre. Dann haben wir kein Vermögen mehr.

Aber die interessante Frage ist, wie wir zu einer Rücklage kommen und gleichzeitig eine Vermögensverminderung haben. Hierbei lohnt sich der geschärfte Blick des erfahrenen Finanzpolitikers in die einfache Kameralistik. Was entnehmen wir der einfachen Kameralistik?

Im Jahre 2006 wurden 600 Millionen Euro neue Schulden gemacht, obwohl wir die höchsten Steuereinnahmen seit langem hatten und wir Vermögen verkauften. Anders ausgedrückt, wir haben Kredite aufgenommen, obwohl wir diese nicht benötigen. Dieser Sündenfall, den Sie begangen haben, aus welchen Gründen auch immer - darüber will ich gar nicht richten, aber Sie haben ihn begangen -, liegt jetzt fein versteckt in dieser Rücklage. Diese Rücklage ist in Teilen kreditfinanziert. Alles, was wir aus dieser Rücklage nehmen, ist größtenteils Staatsverschuldung, die Sie gar nicht haben wollen und die im Übrigen zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht notwendig war. Sie haben, wie andere Bundesländer, beispielsweise Hessen oder zeitweise Bayern, aus Kreditfinanzierungen, die Sie nicht benötigten, Rücklagen gebildet, und zwar sehr hohe Rücklagen.

Diese Rücklagen entnehmen Sie jetzt wieder und man könnte hinzufügen, dass sich das dynamisch steigert, je näher der Wahltermin heranrückt. Das ist doch der reine Zufall, oder nicht?