Protocol of the Session on October 10, 2007

Vielleicht ist es mir erlaubt, noch zwei persönliche Worte anzuführen. Wir haben heute von vielen Abschiedsreden gehört. Die meinige ist eine wirkliche Abschiedsrede. Insofern möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen für die letzten sechs Jahre zu bedanken, die ich in diesem Parlament weilen durfte, besonders bei den Damen und Herren Abgeordneten im Europaausschuss und im Wissenschaftsausschuss. Ich hoffe, dass ich die Erfahrungen, die ich hier gewonnen habe, ins Ausland, in die Wüste mitnehmen kann, wo ich hingehen werde und hoffentlich auch irgendwann wieder zurückkomme und dann die Erfahrungen wieder hier einbringen kann. - Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Frank hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu Ihnen, Herr Kraxner. Ich habe im Europaausschuss sehr gerne mit Ihnen zusammengearbeitet. Das würde ich für Herrn Harlinghausen etwas differenzierter beantworten,

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

aber mit Ihnen war es so. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Sie müssen jetzt allerdings noch einmal einen Oppositionsbeitrag ertragen, denn ich teile nicht alles, was Sie vorgetragen haben. Im Übrigen haben Sie auch nur einen Teilaspekt der Drucksache, die hier vorliegt, bearbeitet. Es geht in dieser Drucksache ganz wesentlich auch um das Thema Öffentlichkeitsarbeit in Hamburg.

Ich teile das deshalb nicht, weil diese Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft aus meiner Sicht ein simpler Versuch ist, der Europapolitik des Senats in letzter Minute - es sind ja nur noch ein paar Monate - den Anschein von substanziellen, substanzvollen Aktivitäten zu geben. Das ist aber, wie immer, auch viel Wind um nichts und überhaupt ist Ihre Europapolitik, wenn man einmal zurückschaut, sehr oft etwas aufgeblasen und hat aus meiner Sicht oft zu wenig Inhalt.

Anstatt sich mit dem Thema Öffentlichkeitsarbeit, also Werbung für Europa in Hamburg, was wir schon seit Jahren fordern - und ich rede jetzt einmal zu diesem ersten Thema, Sie haben zu dem zweiten Thema ein bisschen geredet und Frau Merkel noch einmal hochleben lassen -,

(Lars Dietrich CDU: Das ist auch Ihre Bundes- kanzlerin!)

in Hamburg sehr intensiv zu befassen, klatscht der Senat zwei thematisch ganz unterschiedliche Stellungnahmen zusammen und will hier den europäischen Helden spielen. Was Hamburg braucht - und das sagen wir schon seit langer Zeit -, ist eine aktive Europapolitik. Die ist mit diesem Senat nicht ausreichend zu haben und das ist nicht gut für Hamburg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Zum damaligen GAL-Antrag und dem dann abgespeckten Bürgerschaftsbeschluss "Europa in die Herzen tragen": Er gibt Anregungen, sehr viele sogar, wenn Sie es noch einmal nachlesen, und macht mehrere diskussionswürdige Vorschläge. Auf einen sehr wichtigen Vorschlag ist der Senat gar nicht erst eingegangen, weil er im Petitum des Europaausschusses nicht mehr zu finden war, das war dann schon rausdiskutiert, nämlich auf das Jugendeuropaparlament Hamburg in Anlehnung an Jugend im Parlament. Das hätte man durchaus machen können, weil es ein guter Vorschlag ist. Zu diesem doch erfreulichen Vorschlag steht allerdings nichts drin. Ansonsten versteckt sich der Senat, wenn Sie sich diese Drucksache einmal ansehen, immer hinter diesem Arbeitskreis der Europa-Union, der von Herrn Sarrazin geleitet wird. Der Arbeitskreis heißt "Europa in der Schule" und hat bis heute noch nichts vorgelegt, sodass man sich berechtigterweise einmal die Frage stellen kann, warum der Senat eine Drucksache vorlegt, wenn er in den meisten Fällen auf diesen Arbeitskreis wartet. Das Ergebnis scheint für ihn offenbar nicht so wichtig zu sein. Wir warten es einmal ab.

Europawoche. Wenn Sie weiter hineinschauen in die Drucksache: Kooperationsprojekte, Patenschaften von Schulen, Plakate malen, alles gut und richtig, aber kein Wort zu dem vom Europäischen Rat beschlossenen Pakt für die Jugend. Kein Wort zum Programm "Jugend in Aktion" oder "Lebenslanges Lernen". Wo sind Informationsveranstaltungen dazu? Wo ist der Beitrag der Landeszentrale? Welche Anstrengungen sind für Berufsschülerinnen und Berufsschüler und Jugendliche mit geringeren Bildungsabschlüssen eigentlich unternommen worden in Hamburg, um Europa auch in ihre Herzen zu tragen? Nichts ist zu lesen, nichts ist zu hören.

Zu der Studie der Europäischen Kommission, auf die ich schon in der letzten Debatte hingewiesen habe, kein Wort. Den Hamburger Schulen wird in dieser Studie ein sehr, sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt. Der Leiter der Europäischen Kommission in Berlin hat es dann so ausgedrückt: Europa ist in den Klassenzimmern noch nicht angekommen. Was sagt der Senat in dieser Frage dazu? - Nichts, der Arbeitskreis soll es richten.

Das Ergebnis - das ist ziemlich einfach zusammenzufassen - sieht in diesem Punkt - die Drucksache hat ja zwei Teile - folgendermaßen aus: Wir können nichts machen, wir haben nur noch 5.000 Euro übrig, gibt es schon, hat es gegeben, nicht sinnvoll, soll der Arbeitskreis erörtern. Mehr haben Sie zu der Frage, wie man in dieser Stadt ein Mehr an europäischem Bewusstsein schafft und wie man eine bessere Öffentlichkeit machen kann, nicht anzubieten. Ich finde, das ist zu dünn und zu wenig für einen Senat, der sich gerne mit europapolitischen Aktivitäten schmückt. Das war aber Ihre Aufgabe und nun legen Sie eine Drucksache vor, in der Sie praktisch gar nichts zu sagen haben. Das, finde ich, ist nicht ausreichend und muss man an dieser Stelle auch kritisieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Manuel Sarrazin GAL)

Es ist Aufgabe des Senats, Angebote zu schaffen, es ist Aufgabe des Senats, Instrumente zu entwickeln, öffentliche Europakampagnen zu entwickeln und die Schulbehörde auf Vordermann zu bringen. Ich habe darüber in dieser Drucksache nichts gelesen.

Arbeitskreis hin, Arbeitskreis her. Es ist sicherlich eine sehr ehrenwerte Arbeit, die Herr Sarrazin zusammen mit anderen und auch mit Vertretern des Senats leistet, aber der Senat bleibt in der politischen Verantwortung und der werden Sie einfach nicht gerecht. Das sagen wir schon seit vielen Jahren und hier vermissen wir Anregungen und Aktivitäten.

Der zweite Teil dieser Drucksache befasst sich mit dem Ersuchensantrag, der damals von der CDU gestellt wurde. Wir haben damals schon festgestellt, dass der zunächst einmal merkwürdig strukturiert ist, aber dass das ein Symbolantrag ist. Der Senat solle jetzt mal richtig Einfluss nehmen auf europäische Entscheidungen. Ein Antrag in der zeitlichen Mitte der deutschen Ratspräsidentschaft, die ihre Schwerpunkte schon ein Jahr vorher festgelegt hatte, ein kurioser Antrag der CDU.

Zusammenfassend bleiben nach der Senatsantwort zwei Punkte nach wie vor richtig und Herr Kraxner ist auf einen Punkt eingegangen. Thema: Meerespolitik. Der Senat hat bis heute kein Konzept einer aktiven Gestaltung der europäischen Meerespolitik in Hamburg vorgelegt. Da müssen Sie nur nach Schleswig-Holstein schauen, meine

Damen und Herren, wie erfolgreich dort die Meerespolitik betrieben wird,

(Wilfried Buss SPD: So ist es!)

und schon lange auch auf der operativen Ebene. Schauen Sie einmal nach Schleswig-Holstein, was die alles in diesem Gesamtzusammenhang "Europäische Meerespolitik" leisten und schon gemacht haben. Hier scheint Hamburg nach wie vor zu schlafen. Schleswig-Holstein leistet in diesem Bereich seit langer Zeit sehr gute Arbeit. Sie haben sicherlich noch im Ohr, wie sich der schleswigholsteinische Europaminister geradezu spöttisch zur Hamburger Meerespolitik geäußert hat. Hier wird eine große Zukunftschance vertan, wenn der Senat in dieser so wichtigen Frage "Europäische Meerespolitik" nicht aktiv wird.

Zweiter Punkt. Der Senat hat bis heute nicht - das findet gerade in diesen Tagen und Wochen statt - für Klarheit sorgen können, wer mit dem europäischen Sozialfonds in Hamburg ab 2007 konkret gefördert werden soll. Schauen Sie auch hier nach Niedersachsen oder SchleswigHolstein, die zum Teil über Vorfinanzierungen schon sehr früh für Planungssicherheit bei den ESF-Trägern in ihrem Bundesland haben sorgen können. Dazu steht in dieser Drucksache nichts. Das hat der Senat verschlafen. Deshalb bleiben meine abschließenden Sätze zu dieser Drucksache richtig: Wir brauchen keine politischen Windmacher, sondern eine aktive Europapolitik, die Hamburg weiterbringt und mit diesem Senat ist das offenbar nicht zu machen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und bei Manuel Sarrazin GAL)

Herr Sarrazin hat das Wort.

Liebe Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Lieber Stefan, Du gehst dahin, wo wir den Senat hinschicken wollen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das wirklich Schöne dabei ist, dass Du es bestimmt auch im Herzen für Hamburg tust und genau darum wollen wir das machen. Es war schön, mit Dir zusammenzuarbeiten, es war schön, auch manchmal von Dir aus anderer Rolle heraus viel zu lange Anfragen beantwortet zu bekommen. Ich habe es leider verpasst, noch rechtzeitig eine Aktualisierung abzufragen. Vielleicht kommst Du einmal wieder, dann werden wir Dich auch weiter so triezen.

Zu dem, was Du gesagt hast. Wir als Europäerinnen und Europäer sind sehr froh darüber, dass es Frank-Walter Steinmeier und der Kanzlerin Angela Merkel gelungen ist, im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft den Reformvertrag auf die Schiene zu setzen.

(Ingo Egloff SPD: Tja, Herr Harlinghausen!)

Ich würde auch hier öffentlich sagen, dass das ein Beispiel für gute, alte, von Deutschland mit gemachte Europapolitik ist. Natürlich sind wir alle froh darüber. Manche von uns finden es auch erstaunlich, wie positiv der neue französische Präsident eingeschworen wurde. Das mag auch nicht einfach gewesen sein. Darum möchten wir dem gar nicht absprechen und wir sollten uns dessen

bewusst sein, wie wichtig es ist, dass dieser Reformvertrag jetzt auch ein Erfolg wird. Das heißt, dass wir den Ratifizierungsprozess, der nach dem kommenden Wochenende in Lissabon folgen wird, aktiv begleiten und dass wir das, was das Verhängnis für die Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden war, zumindest bei uns in Hamburg für den Reformvertrag nicht zum Verhängnis werden lassen, nämlich die öffentliche Unterstützung. Lassen Sie uns in die Zukunft gucken und lassen Sie uns diesen Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft nutzen, um den Ratifizierungsprozess aktiv zu begleiten. Lassen Sie uns darüber reden, wie die Parlamentsbeteiligung des Europaausschusses unseres Hauses verbessert werden muss, wenn der Reformvertrag tatsächlich zur Europawahl 2009 in Kraft treten sollte. Lassen Sie uns dann auch schon bald nach unseren Bürgerschaftswahlen diese Europawahl ins Auge fassen und dafür sorgen, dass im Jahr 2009 genügend Menschen zur Europawahl gehen, damit es auch ein klares Zeichen dafür wird, dass nicht nur die Politik findet, dass Hamburg eine europäische Stadt ist, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt.

Zu dem Ersuchen, das beschlossen wurde, gibt es das schöne Zitat in dem zweiten Teil zur deutschen Ratspräsidentschaft - ich zitiere -:

"Er [der Senat] sprach bilateral mit Vertretern"

- und Vertreterinnen hoffe ich auch -

"der Bundesregierung in Berlin und Brüssel und beteiligte sich frühzeitig an der Entwicklung und Vertretung einer gemeinsamen Position der Länder zur deutschen Ratspräsidentschaft. Da die Bundesregierung ihre Schwerpunkte für die Ratspräsidentschaft bereits 2006 festsetzte (…)"

Wenn Sie sich daran erinnern, haben wir das Ersuchen der CDU-Fraktion am 14. Februar 2007 beschlossen. Das zeigt also, welche Wirkungsmacht diese Positionierung der Bürgerschaft noch entfalten konnte.

Stefan Kraxner hat einige Themen angesprochen, zu denen ich etwas sagen möchte, bevor ich zu dem Thema, das Günter Frank ausführlicher angesprochen hat, auch noch etwas sagen möchte: Einerseits der europäischen Nachbarschaftspolitik und die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Ich denke, dass es richtig ist, dass wir in die ENP einsteigen, auch wenn die ersten Schritte in die ENP holprig und von Missverständnissen geprägt waren, gerade gegenüber einem so wichtigen Partner wie der Ukraine. Dennoch müssen wir gerade in der ENP und auch in den Verhandlungen, die wir über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland pflegen, immer deutlich machen, auf welcher Wertegrundlage wir als Europäer agieren. Im Verfassungsentwurf und auch im Reformvertrag war sehr deutlich beschrieben, welche Werte die Europäische Union hat - die kennen wir alle -, aber auch dass diese Werte unsere Politik außerhalb der Europäischen Union bestimmen sollen. Das heißt, Europa muss mit seinen Partnern nicht nur aus Gas- und Öl- und PipelineInteressen zusammenarbeiten, sondern auch, weil wir daran glauben, dass unsere Werte richtig und wichtig und gut für die Welt sind.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Diese Werte beruhen eben darauf, dass wir uns in Zusammenarbeit und in friedlichen Kooperationen und im Dialog gemeinsam weiterentwickeln.

Ein weiterer Punkt ist die Meerespolitik, ein unglaublich wichtiges Thema. Als wir das letzte Mal darüber sprachen, hatte ich mir Herrn Krüger ausgeguckt, um darüber zu sprechen. Stellen wir uns einmal vor, welche Konsequenz es für "Hamburg-boomt-Uldall" und den Hamburger Hafen hätte, wenn in der Ostsee eine ernstzunehmende Schiffshavarie, zum Beispiel in der Kadetrinne passieren würde und dieser Handelsstrom für einige Zeit nicht mehr zu nutzen wäre. Alle unsere Gespräche über die Hafenentwicklung, über Elbvertiefung ja oder nein, wären mit einem Mal von weit wichtigeren Problemen überschattet. Wir würden wahrscheinlich sogar in eine Energiekrise kommen, weil gar nicht abzuschätzen ist, wie viel Öl und Gas heute über die Ostsee nach Europa geliefert wird. Das heißt, die Meerespolitik muss sich auch um diese Fragen und um Fragen der Landwirtschaft kümmern, die bisher ausgeklammert sind. Da muss man sagen, dass die Hamburger Senatsinitiative für eine europäische Meerespolitik höchstens darin bestand, der schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht ins Handwerk zu pfuschen und brav etwas Unterstützung zu leisten. Das hat der Senat allerdings hervorragend und gut im Hintergrund gemacht.

Zu der Frage der europäischen Öffentlichkeitsarbeit. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, manchmal sind wir Europäer dem Rest der Bevölkerung insofern fern, weil wir ein bisschen anders ticken, über alle gemeinsamen Parteigrenzen hinweg.

(Rolf Harlinghausen CDU: Wir ticken normal!)

Ich könnte mir Hamburg ohne Europa heute nicht vorstellen. Ich weiß gar nicht, wie Hamburg ohne Europa aussehen sollte. Das ist nicht nur der Hafen, das sind die Menschen, die hier wohnen, das sind die verschiedenen Einflüsse, die Hamburg hatte, das ist das Geld, das wir aus Europa bekommen, aber das sind auch unsere alten Verbindungen, die wir wieder aufmachen konnten.

Gestern war Herr Pöttering zu Gast in Hamburg. Er hat davon berichtet, wie wichtig diese Erweiterung für eine Stadt wie Hamburg und für Europa insgesamt war und daran müssen wir arbeiten, dass wir der Bevölkerung und den jungen Menschen bei uns deutlich machen, dass Europa und auch diese Erweiterung wichtig für sie und uns ist.

(Rolf Harlinghausen CDU: Sagen Sie doch einmal, wie er den Senat gelobt hat!)