Wer möchte den GAL-Antrag aus der Drs. 18/6867 annehmen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag eindeutig abgelehnt.
Ich rufe Punkt 4 b auf, Drs. 18/6454, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Keine Verdrängung der bisherigen Bevölkerung aus innerstädtischen Quartieren.
[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Keine Verdrängung der bisherigen Bevölkerung aus innerstädtischen Quartieren - Drs. 18/6454 -]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg hat über viele Jahre mit der sozialen Stadtteilentwicklungs- und Sanierungspolitik bundesweit Beispiele gesetzt. In der letzten Zeit wird aber deutlich, dass auch die Sanierungspolitik negative Begleiterscheinungen hat, weil sie gerade innerhalb der städtischen Quartiere dazu führt, dass die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung stattgefunden hat.
Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass sich die CDU nicht so sehr für die Themen interessiert, die die soziale Stadtentwicklung in Hamburg betreffen.
Meine Damen und Herren! Mit unserer Sanierungspolitik wollten wir einseitige sozial problematische Bevölkerungsstrukturen zugunsten einer besseren Durchmischung in den Stadtteilen auflösen. Jetzt drohen wieder andere einseitige Bevölkerungsstrukturen zu entstehen. Aus Armutsinseln werden Schickimickiquartiere. Das ist übrigens ein Wort, Herr Roock, das Ihr Erster Bürgermeister geprägt hat. Ich zitiere:
Nun nimmt man an, wenn der Bürgermeister eine Entwicklung mit Sorge sieht und ein Problem erkannt hat, dass er auch etwas tut aus Sorge um die Menschen in den Stadtteilen. Aber weit gefehlt, meine Damen und Herren, nichts ist passiert. Wie schon damals, als wir über die soziale Spaltung in dieser Stadt diskutiert haben, erkennt der Bürgermeister Probleme, die man ihm jahrelang vorgetragen hat, irgendwann auch öffentlich, aber es passiert nichts, er tut nichts. Nein, erst müssen die Oppositionsfraktionen Lösungsvorschläge auf den Tisch legen, bevor der Bürgermeister reagiert und das Ganze dann auch noch halbherzig. Auch hier wieder das Gleiche. Deswegen haben wir das Problem der Verdrängung aus den innerstädtischen Quartieren zuletzt im Juni diskutiert. Damals hat die CDU einen Antrag der GAL-Fraktion abgelehnt. Wir haben deswegen eine Große Anfrage eingebracht, um auch dem Senat Gelegenheit zu geben, uns darzulegen, was er tun will. Denn dass diese Entwicklung existiert, dass sie problematisch ist, haben damals auch die Vertreter der CDU und des Senats in der Debatte eingeräumt. Was will der Senat also tun, um das Problem, das auch der Bürgermeister erkannt hat, zu beheben. Wir haben den Senat gefragt, wie er die Entwicklung beurteilt und was er machen will. Die Antwort - ich zitiere aus der Großen Anfrage:
"Zielsetzung des Senats [ist], der Verdrängung der "angestammten" Bevölkerungsteile zu entgegnen. Ausdruck dieser Politik ist die Tatsache, dass in Stadterneuerungsgebieten viele Maßnahmen im Bereich der kulturellen und sozialen Infrastruktur umgesetzt werden, deren Zielgruppe insbesondere die sozial schwächeren Menschen sind."
Meine Damen und Herren! Ich frage mich, ob Sie denn gar nichts verstanden haben. Es geht darum, dass die Menschen die Mieten in den Quartieren nicht mehr bezahlen können und Sie geben als Antwort, dafür können sie aber ins Stadtteiltheater gehen, auch wenn Sie ganz woanders wohnen müssen. Meine Damen und Herren! Sie verhöhnen die Menschen in diesen Stadtteilen.
"Die Menschen dürften nicht das Gefühl haben, es ginge bei Stadtteilentwicklung nur um "intellektuelles Geseiere"
zitiert das "Hamburger Abendblatt" Ole von Beust am 2. April 2007. Genau diesen Eindruck, meine Damen und Herren, vermittelt aber das, was Sie in der Großen Anfrage geantwortet haben, wenn Sie überhaupt Antworten auf die Fragen wussten, die wir gestellt haben.
Senator Gedaschko hatte in der letzten Debatte zu diesem Thema immerhin einige handfestere Forderungen formuliert. Wir brauchen mehr Wohnungsbau in Hamburg, gerade auch in den betroffenen Quartieren. Das könnte helfen. Aber warum tun Sie denn nicht mehr für
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Quast, Sie haben den Hauptteil Ihrer Rede auf die Wohnungsbaupolitik gelegt, aber da kann ich nur sagen, Thema verfehlt. Wir wollen heute über die Verdrängung aus innerstädtischen Quartieren reden. Wir diskutieren dieses Thema nicht zum ersten Mal. Insofern hat es auch keinen großen Neuigkeitswert mehr. Sie konstruieren ein Problem bei der Verdrängung aus innerstädtischen Quartieren, das in Wirklichkeit keines ist. Sie können es auch nicht mit Zahlen hinterlegen. Sie kommen immer wieder mit der sozialen Erhaltensverordnung - so auch in Ihrer Großen Anfrage und in Ihrem Beitrag - und behaupten, dass man dadurch die Erfolge von Sanierungsverfahren sichern und zugleich den sozial unverträglichen Auswüchsen begegnen könne.
den Wohnungsbau, Herr Senator? Warum heben Sie noch die Zahlen von 2006 als besonders lobenswert hervor? Natürlich sind die Wohnungsbauzahlen 2006 wieder einmal gestiegen. Gleichwohl haben Sie immer noch erst die Hälfte des Niveaus erreicht, das wir in Hamburg benötigen. Aber was für Neubauten sind denn 2006 in Hamburg errichtet worden? Nicht einmal die Hälfte sind Wohnungen im Geschosswohnungsbau. Die meisten Wohnungen, die 2006 in Hamburg entstanden sind, sind Eigentumswohnungen oder Wohnungen in Einfamilienhäusern, Reihenhäusern und Doppelhäusern. Das löst nicht die Probleme der innerstädtischen Quartiere und die Verdrängung der Menschen aus diesen.
Öffentlich geförderter Mietwohnungsbau ist wichtig. Öffentlich geförderte Mietwohnungen in diesen Quartieren tragen zur Stabilisierung bei. Wenn das so ist, dann frage ich mich, warum Sie denn keinen öffentlich geförderten Mietwohnungsbau mehr machen? 6.000 Wohnungen fallen jedes Jahr aus der Bindung in Hamburg und wie viel bauen Sie neu pro Jahr? 200 sind es in den letzten Jahren jeweils gewesen. Damit lösen Sie keine Probleme, damit schaffen Sie Probleme und damit machen Sie eine Wohnungsbaupolitik, die in Hamburg dazu beiträgt, dass die Mieten immer weiter steigen und die Menschen, die diese nicht bezahlen können, die Opfer dieser Wohnungsbaupolitik sind.
Der für den Herbst erwartete Mietenspiegel wird wahrscheinlich wieder gerade für die innerstädtischen Quartiere überdurchschnittliche Steigerungsraten bei den Mieten bringen und trotzdem handeln Sie nicht. Es gibt konkrete Vorschläge der Mietervereine, zum Beispiel dem Bodenwert eine geringere Bedeutung bei der Bemessung des Wohnlagenverzeichnisses zuzusprechen, weil in Wirklichkeit der Bodenwert überhaupt nichts darüber aussagt, wie die Wohnqualität in einem Stadtteil ist. Nur weil die Grundstücke teuer sind, ist die Wohnqualität noch nicht gut, wenn es keine Grünanlagen gibt, wenn es nicht ausreichenden Lärmschutz gibt. Und das ist in vielen Stadtteilen leider der Fall.
Erst vor kurzem hat das Landgericht Hamburg eine Mieterhöhung der SAGA in St. Georg zurückgewiesen, die sich auf das Wohnlagenverzeichnis gestützt hat. Es ist schon ein besonderer Hohn, dass gerade die SAGA, das städtische Wohnungsunternehmen, das ja einer günstigen Miete verpflichtet ist, als erstes Unternehmen in Hamburg nach den Erhöhungen in St. Georg vom Gericht dazu verdonnert wird, die zurückzunehmen. Das ist die eine Seite Ihrer Politik.
Die SAGA war die erste Gesellschaft, die von der Wohnlagenverbesserung von St. Georg profitieren wollte und das ist also das städtische Unternehmen, das für den sozialen Wohnungsbau und günstige Mieten verantwortlich sein soll.
Meine Damen und Herren! Es gibt viel zu tun, es gibt viele Vorschläge. Der Senat tut nichts. Er erhebt keine Daten über die Stadtteile, evaluiert nicht die Sanierungspolitik, er ist nicht bereit, ernsthaft über die soziale Erhaltensverordnung und vor allem die Umwandlungsverordnung für betroffene Quartiere nachzudenken. Er ist nicht
bereit, jetzt ein neues und ehrliches Wohnanlagenverzeichnis zu erstellen, er schiebt es auf später. Er ist nicht bereit, die SAGA zu steuern in ihrer Verantwortung für günstige Wohnungen, auch in Quartieren, die prosperieren, obwohl sonst die Menschen verdrängt werden. Er ist nicht bereit, eine Verkaufspolitik in Hamburg bei städtischen Grundstücken durchzuführen, die sich an dem Konzept orientiert, welches für einen Stadtteil am besten ist, sondern ist gerade in diesen Quartieren vorneweg dabei, wenn es um das Höchstgebotsverfahren geht.
All diese Vorschläge, die ich eben zitiert habe, lagen schon im Juni auf dem Tisch. Dem Senat waren sie der Prüfung nicht wert, der CDU-Fraktion auch nicht. Stattdessen geht die Verdrängung weiter. Die Menschen in dieser Stadt haben aber ein berechtigtes Interesse, eine berechtigte Erwartung an uns, dass wir etwas tun. Sonst verliert die soziale Stadtteilentwicklung in den betroffenen Quartieren an Akzeptanz und die Mitwirkung der Menschen, die so wichtig ist, schwindet und das können auch Sie nicht wollen. Deswegen fordere ich Sie auf: Kehren Sie um, tun Sie etwas für die innerstädtischen Quartiere, bevor diejenigen, die dort leben, verdrängt werden, meine Damen und Herren.
Bevor Herr Roock das Wort bekommt, möchte ich noch einmal darum bitten, die Gespräche einzustellen. Die Unruhe kommt nicht nur von einer Seite, sondern ist im ganzen Plenarsaal. Bitte, Herr Roock.
Verehrter Herr Kollege Quast, diese Auffassung ist einmal mehr falsch und ich will Ihnen zum wiederholten Mal deutlich machen, warum. Quartiersbezogene Aufwertungsmaßnahmen werden in Hamburg immer mit dem Ziel durchgeführt, den Verbleib und den Zuzug leistungsstarker Haushalte zu fördern, ohne dabei sozial schwächere Bürgerinnen und Bürger zu verdrängen. Die Sanierungsträger und Quartiersentwickler, zum Beispiel Lawaetz-Stiftung und Stattbau, beziehen ohne Zweifel sehr sorgfältig die in den Stadterneuerungsgebieten lebenden Menschen in ihrer Gesamtheit mit ein und bemühen sich, sie zu aktivieren. Ich habe gerade in dieser Woche vom Bundesamt für Bau und Raumordnung eine Studie über die Erschließung von Genossenschaftspotenzialen zugesandt bekommen. Die sollten Sie einmal lesen. In dieser Studie steht zum Beispiel auf Seite 75: "Prima Klima: Von Hamburg lernen". Das zeigt doch, dass viele Dinge in unserer Stadt hervorragend laufen.
Ich komme jetzt zu dem Punkt, den Sie als Skandal bezeichnet haben. Herr Quast, es ist tatsächlich so, dass in Stadterneuerungsgebieten viele Maßnahmen im Bereich der kulturellen und sozialen Infrastruktur eingesetzt werden. Gerade diese Maßnahmen - und das ist wirklich so - kommen den Schwächeren zugute. Was haben Sie eigentlich dagegen?
Lieber Herr Kollege Quast, Ihre Große Anfrage - das liegt wahrscheinlich auch an den gestellten Fragen - gibt im Grunde genommen nichts her. Deshalb sollten Sie Ihr Augenmerk auf die Antworten der Fragen 11 bis 13 richten. Dort hat der Senat ausführlich begründet, wie behutsam und sorgfältig in Stadterneuerungsgebieten umgegangen wird. Dieses habe ich Ihnen schon in der letzten Debatte aufgezeigt und ich will das heute nicht alles noch einmal wiederholen.
Sie haben auch gefragt, was wir tun. Natürlich tun wir in dieser Stadt eine ganze Menge. Mit den Senatsprogrammen Sanierungsgebiete, aktive Stadtteilentwicklung und lebenswerte Stadt, die wirklich ein riesiges Investitionsvolumen beinhalten, sind wir - so meine ich - deutlich auf dem richtigen Weg. Das haben uns im Übrigen auch alle Experten in einer Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss bestätigt. Wir überlassen Gebiete mit Entwicklungsbedarf nicht ihrem Schicksal, sondern handeln und ergreifen gezielte Maßnahmen zur Aufwertung. Dieses geschieht in Hamburg konsequent und vor allen Dingen behutsam unter Einbeziehung möglichst vieler vor Ort lebender Menschen. Ich hüte mich aber davor, vom Idealzustand zu sprechen. Der Idealzustand, Aufwertung ohne Verdrängung, ist schlicht und ergreifend nicht zu erreichen. Wer so etwas behauptet und derartige Versprechungen macht, handelt unseriös und unverantwortlich. Er fördert letztlich Misstrauen gegenüber Parteien und Politik. - Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Roock, Sie haben gerade gesagt, das Problem, dem sich diese Große Anfrage widmet, existiere überhaupt nicht. Vorher hat Herr Quast in seiner Rede eine Aussage des Bürgermeisters zitiert, wo er sagt, die Schickimickisierung einiger Stadtviertel mache ihm große Sorgen. Entweder leiden Sie unter Wahrnehmungsstörungen, Herr Roock, oder der Bürgermeister leidet unter Wahrnehmungsstörungen. Bitte, entscheiden Sie sich jetzt, dann kann ich besser weiterdiskutieren.
(Beifall bei der GAL und der SPD - Petra Brink- mann SPD: So ist es! - Dr. Till Steffen GAL: Oder beide! - Hans-Detlef Roock CDU: Das sollten Sie vielleicht noch ein bisschen erläutern!)
Lieber Herr Roock, meine Damen und Herren! Ich glaube, in diesem Fall schenke ich doch mehr dem Glauben, was der Bürgermeister gesagt hat, denn dieses Problem existiert sehr wohl, wenngleich die Zahlen, die der Senat auf diese Große Anfrage genannt hat, ziemlich dürftig sind. Dennoch kann man auch daraus einiges ermitteln, denn man sieht auch hier, dass der Wohnungsmarkt in Hamburg auseinanderfällt. Was in diesen Quartieren besonders auffällig ist, ist der starke Rückgang der Menschen
unter 18 Jahren. Das ist genauso ein Effekt der Entmischung, der Verdrängung. Die Wohnungen in diesen Gebieten sind viel teurer geworden. Bereits im letzten Mietenspiegel 2005 hatten wir in den Altbauquartieren, der Baualtersklasse vor 1918, Mietsteigerungen von 11 bis 15 Prozent. Genau in diesen Quartieren ist der Anteil der jungen Menschen stark gesunken, denn Familien, Haushalte mit mehr Wohnflächenbedarf sind die ersten, die dort verdrängt werden, weil sie sich die teuren Wohnungen nicht mehr leisten können und das ist ein äußerst kritischer Indikator, ein äußerst kritisches Zeichen, wenn wir feststellen müssen, dass die Familien und die jungen Menschen aus den sanierten Altbauquartieren wegziehen, denn wir brauchen eine gemischte Stadt, wir brauchen eine Stadt, in der alle Altersgruppen leben und nicht nur double income, no kids oder gut verdienende Familien, meine Damen und Herren!
Vielleicht war dem Senator Dräger das nicht bewusst, als er sich kürzlich über die kreativen Viertel ausgelassen hat, denn mit seiner gegenwärtigen Politik drängt der Senat die Kreativen aus den Vierteln hinaus. Der Senat hat aber offensichtlich kein Talent für kreative Politik.