Protocol of the Session on September 12, 2007

Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen hat eine schöne Veranstaltung im Kaisersaal stattgefunden. Herr Senator Uldall empfing eine illustre Gesellschaft. Es war die HanseLog, lauter arrivierte Manager und Unternehmer. Ich freue mich, dass ich darauf Bezug nehmen kann. Herr Uldall hat die These vertreten, Deutschland sei Globalisierungsgewinner und die Zentrale der Gewinner sei Hamburg - so in etwa verkürzt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Karl-Heinz Warnholz CDU: Bravo!)

Seine These bezog sich darauf, wenn man sich die Exportüberschüsse anschaue und die daraus erwachsenden Transportvolumina - es waren nämlich Unternehmer aus der Logistikbranche -, dann sei das alles gut nachvollziehbar; er hat recht.

Herr von Frankenberg hat gerade gefragt, was das Thema Armut und die Folgen, Hartz IV und Ähnliches mit Hamburg zu tun habe, das sei ein Bundesthema. Es hat mit Hamburg zu tun, weil es neben den Globalisierungsgewinnern auch Globalisierungsverlierer in dieser Stadt gibt. Man kann sie wirklich finden, wenn man hinschaut. Die Frage ist, ob der Senat bereit ist, hinzuschauen,

(Olaf Ohlsen CDU: Natürlich!)

und da haben wir den Eindruck, dass der Senat lieber wegschaut als hinschaut.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Inzwischen haben wir in diesem Lande etwa acht bis neun Millionen Menschen, die man als Niedriglohnbezieher und -bezieherinnen bezeichnet, obwohl sie Arbeit haben. Wir haben 2,5 Millionen Menschen, die sogar von Armutslöhnen leben müssen. Die Europäische Kommission stellt fest - ich bitte Sie, sich das einmal auf der Zunge zergehen zu lassen -, dass in Deutschland die Zahl der Niedriglohnbezieher größer ist als im Durchschnitt in Europa. Die Lohnspreizung nimmt weiter zu und wir haben inzwischen das Problem, dass eine Million Deutsche, und darunter viele Hamburgerinnen und Hamburger, obwohl sie arbeiten, Zusatzbezüge aus dem Arbeitslosengeld II beziehen müssen. Da ihr Arbeitslohn nicht ausreicht, um ihre Armutsmindeststandards zu erfül

len, müssen zusätzliche Leistungen von der Stadt erbracht werden, auch in Hamburg. So viel, Herr von Frankenberg, zum Thema, was das mit Hamburg zu tun habe.

Es hat mit unserer Stadt zu tun und ich finde es richtig und konsequent, wenn wir uns um diese Menschen und deren Familien kümmern. Sie haben gesagt, das habe nichts mit Hamburg zu tun. In Hamburg ist die Zahl der Kinder, die in Armut leben - dies ist gerade schon erwähnt worden - sehr groß. In vielen Stadtteilen wächst jedes dritte Kind in Armutsverhältnissen auf. Die Zahl der Kinder, die in armen Familien leben, ist in Hamburg größer als in Brandenburg; das ist schon bemerkenswert. Natürlich hat eine Metropole andere Probleme als ein Flächenland, aber Brandenburg ist kein reiches Land. Brandenburg ist ein Land, das nach und nach erst an neuer Vitalität gewinnt und Hamburg ist eine lebendige, wachsende, reiche Metropole. Wir leisten uns Armut in weiten Teilen für Kinder und Familien und das dürfen wir uns in Zukunft nicht weiter leisten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Die Globalisierungsgewinner müssen auch für die Schattenseiten des Lebens in der Stadt Zeit und ein Auge haben. Der Senat hat dieses Auge nicht.

Ich möchte nicht wiederholen, was meine geschätzte Kollegin, Frau Gregersen, schon zu den realen Verhältnissen gesagt hat, wenn man Hartz IV-Bezüge hat und damit die Lebenshaltungskosten bestreiten muss: 4,30 Euro für die tägliche Ernährung bei Erwachsenen, bei Kindern sehr viel weniger. Für die Fahrkarte im Monat bleibt bei Erwachsenen 20 Euro übrig. Wir zwingen die Menschen zum Schwarzfahren, das ist die Realität in dieser Stadt,

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

und der Senat tut nichts dafür, dass es ein Sozialticket gibt; das ist ein Skandal.

Meine Damen und Herren! Die Forderungen der SPD, anders mit der Armutsbemessung umzugehen, genauer hinzuschauen, Frau Gregersen, was Hamburg von anderen Städten unterscheidet, was die Großstädte bei den Lebensverhältnissen von anderen Bereichen in diesem Lande unterscheidet, ist richtig. Wir fordern Sie auf, diesem Antrag zuzustimmen und die notwendigen Prüfungen und Anpassungen regelmäßig durchzuführen, damit in Hamburg auch arme Menschen menschenwürdig leben können.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Die GAL-Fraktion möchte über Ziffer 1.3 des SPDAntrags aus der Drs. 18/6869 separat abstimmen lassen. Wer möchte den SPD-Antrag mit Ausnahme von Ziffer 1.3 annehmen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mehrheitlich abgelehnt.

Wer möchte Ziffer 1.3 zustimmen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Punkt 31 auf, Drs. 18/6867, Antrag der GALFraktion: Keine Kürzung des ALG II-Regelsatzes bei Krankenhausaufenthalten.

[Antrag der Fraktion der GAL: Keine Kürzung des ALG II-Regelsatzes bei Krankenhausaufenthalten - Drs. 18/6867 -]

Wer wünscht das Wort? Frau Köncke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir bleiben beim Thema, kommen aber zu einer ganz konkreten Hamburger Entscheidung, und zwar zur Kürzung des Regelsatzes bei Krankenhausaufenthalt. Wir haben im Juli dieses Jahres eine entsprechende Kleine Anfrage gestellt und bekamen daraufhin die etwas lakonische Antwort, dass bei 347 Euro Regelleistungen bei Krankenhausaufenthalt 121 Euro zu kürzen seien und bei Kindern, je nach Lebensalter, 61,50 Euro oder 82 Euro einbehalten würden. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns einig, dass das eine unzumutbare Belastung für die Betroffenen ist und eigentlich nur als Schikane bezeichnet werden kann.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte auf die Begründung des Senats eingehen. Hier wird nämlich vorausgesetzt, dass durch die Verpflegung im Krankenhaus eine Einsparung erzielt werde. Haben Sie schon einmal ein Kind im Krankenhaus gelassen? Statt der Kosten für das Essen müssen jetzt vielleicht ein neuer Schlafanzug, ein paar Badelatschen, eine Kulturtasche angeschafft werden - das haben diese Kinder nämlich meistens nicht - und nach meiner vielleicht etwas kleinkrämerischen Rechnung sind das weit mehr als die abgezogenen 61,50 Euro, das sind also zusätzliche Kosten. Weiterhin wird begründet, dass der Regelsatz schließlich pauschalisiert worden sei und ein entsprechender Mehrbedarf nicht entstehe, also kein weiterer Anspruch geltend gemacht werden könne.

Über diese Fallschilderung hinaus geht es letztendlich auch rechtlich genau darum. Wenn Sie einerseits einen pauschalisierten Regelsatz ohne Anspruch auf Mehrbedarfe haben, dann ist es doch einfach widersinnig, andererseits die Kosten für Verpflegung herauszurechnen. Zudem ist es ein Verwaltungsaufwand, der nur durch entsprechendes Tricksen vollzogen werden kann, denn konsequenterweise besteht bei der ALG-Software grundsätzlich keine Möglichkeit, den Bedarf nach unten zu korrigieren. Das sieht die Software so vor und deshalb ist man auf den Trick verfallen, diese Krankenhausverpflegung als Einkommen zu deklarieren, aber Krankenhausverpflegung ist kein Einkommen. So verdreht man Sachverhalte und erzeugt Bürokratismus.

Um eines noch einmal klarzustellen: Die Mitarbeiter der ARGE übernehmen heute die Funktion der Sozialämter und der Arbeitsämter. Sie haben die Aufgabe, umfassend zu unterstützen, um eine Arbeitsaufnahme zu ermöglichen. Diese Anweisung zeigt, dass die ARGE für die Lebenslage der Menschen blind bleibt und letztendlich das Vertrauen zur ARGE zerstört wird.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei Hans- Christoff Dees SPD)

Die Einschätzung der Rechtslage ist übrigens nicht meine private Meinung, sondern dazu gibt es einschlägige Urteile zahlreicher Sozialgerichte in Deutschland, beispiels

weise in Berlin, München, Osnabrück und Freiburg. Diese haben die Kürzungspraxis, die in Hamburg stattfindet, für rechtswidrig erklärt. Ich zitiere aus dem Sozialgerichtsurteil von Berlin:

"Eine Kürzung der Regelleistung während eines stationären Krankenhausaufenthalts ist unzulässig."

(Beifall bei der GAL)

Letztendlich sind wir uns - davon gehe ich aus, auch wenn ich Ihre skeptischen Gesichter sehe - auch in diesem Hause darüber einig. Zumindest die ersten Reaktionen der Herren Kienscherf und Schira auf die Veröffentlichung im "Hamburger Abendblatt" haben das ganz deutlich gezeigt. Krankheit darf nicht zum finanziellen Nachteil werden, darf nicht bestraft werden.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Monika Schaal SPD)

Nun wird gleich Frau Ahrons dazu Stellung nehmen und sie wird die Handlungsweise der CDU-geführten ARGE wohl damit rechtfertigen, dass die ARGEn letztendlich nur die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit umsetzten. Frau Ahrons, genau darin liegt das Problem. Diese Fehlsteuerung ist das Ergebnis der fortgesetzten Abwehr der BWA, Verantwortung für die Umsetzung des SGB II zu übernehmen, wie es eigentlich vertraglich festgelegt ist. Der Senat hat die Umsetzungsverantwortung übernommen, Sie haben die Mehrheit in der Trägerversammlung. Andererseits wird Nürnberg nicht müde darzustellen, wie unabhängig die ARGEn eigentlich seien. Bei einer derart gravierenden Entscheidung im Sinne der Umsetzung des SGB II muss die ARGE letztendlich die Steuerung übernehmen und sich nicht ewig hinter der BA verstecken.

Ich befürchte, die Problematik der Regelungen, die wir hier aufgezeigt haben, ist in der ARGE Hamburg bisher noch nicht einmal als solche wahrgenommen worden. Erst recht ist es anscheinend kein Fall für den Senator für Arbeitsmarktpolitik. Die Hamburger ARGE, so stellt es sich dar, bleibt schwach, ohne eigenes Rückgrat und das hat auch seinen Grund darin, dass sich in Hamburg keiner aus dem Senat für individuelle Förderung und vor allen Dingen für die soziale Dimension der Arbeitsmarktpolitik zuständig fühlt.

Im Wesentlichen geht es mir heute darum, noch einmal hervorzuheben, wo in der ersten Reaktion eine Einigkeit hergestellt wurde, diese unsinnige Regelung zurückzuweisen und eine eigene Hamburger Position zu entwickeln. Ich gehe davon aus, dass Sie alle in diesem Hause somit unserem Antrag zustimmen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Frau Ahrons hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Köncke, Sie werfen uns natürlich wieder vor, wir seien unsozial und handelten rechtmäßig unangemessen. Darauf kann ich Ihnen nur antworten: Mit dieser Einschätzung liegen Sie gänzlich falsch.

Wir von der CDU sind ebenso wie Sie dafür, dass in Hamburg niemand für seine Krankheit bestraft wird, und wir haben auch alle gemeinsam nicht die Absicht, den

Menschen die Belastungen aufzubürden, die sie nicht mehr bewältigen können. Eine sozial verträgliche und gerechte Lösung, bei der niemand durch das Netz fallen darf, ist unser Ziel. Aber auch das muss klar sein: Leistungen der öffentlichen Hand müssen stets auf den Prüfstand gestellt werden, sowohl rechtlich als auch sachlich und entsprechend dem politischen Auftrag.

Für die CDU geht es in der Sache nicht um eine Kürzung von Transferleistungen zum Schaden bedürftiger Menschen, wie es aus Ihrem Antrag herauszulesen ist, sondern es geht uns um die Entscheidung, wie mit Steuermitteln verantwortungsvoll umgegangen werden soll, denn auch darauf haben die Bürger unserer Stadt ein Anrecht.

(Antje Möller GAL: Aber es geht doch um einen konkreten Anlass!)

Im Kern geht es darum, dass das Krankenhaus Leistungen erbringt, die der Arbeitslose bei einem stationären Aufenthalt nicht mehr selbst leisten muss. Rechtlich gesehen, Frau Köncke, ist dieser Fall keineswegs so eindeutig zu beurteilen, wie Sie das in Ihrem Antrag schildern. Die Kürzungen stehen in einem direkten Zusammenhang zu dem Aufwand von etwa 120 Euro, der entstehen würde, wenn der Arbeitsuchende nicht stationär aufgenommen würde. Solange die zuständigen Gerichte noch keine abschließende Entscheidung getroffen haben, hält es die CDU daher grundsätzlich für sinnvoll, je nach Einzelfall individuell zu prüfen, ob nicht doch Umstände vorliegen, die den Arbeitsuchenden oder seine Bedarfsgemeinschaft über die Maßen belasten.

Wir sind der Meinung, dass eine grundsätzliche Streichung des Betrags weiterhin möglich sein muss. Das schließt natürlich keineswegs einen individuellen Ausgleich bei Vorliegen von außergewöhnlichen Belastungen des Leistungsempfängers aus und so werden wir selbstverständlich die Einzelschicksale berücksichtigen, die im Vergleich erheblich schlechter gestellt sind. Aber wir gehen verantwortungsvoll mit den Steuergeldern um.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Letztendlich, liebe Frau Köncke, sind Sie mit Ihrem Antrag doch nicht mehr so ganz auf der Höhe der Zeit,