Mit den Begriffen Patientinnen und Patienten soll deutlich gemacht werden, dass die Behandlung einer Krankheit im Vordergrund steht und es sich nicht nur um das bloße Absitzen einer Strafe handelt.
Zum Schluss möchte ich zu meinem Bedauern noch darauf hinweisen, dass die weiblichen "Patientinnen" nämlich in dem Gesetz überhaupt nicht vorkommen. Wir haben zurzeit im Maßregelvollzug dreißig Frauen und im Zeitalter des Mainstreaming gehört einfach in solch ein Gesetz auch die weibliche Form.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Brinkmann wies gerade schon darauf hin: Es gab nach der Anhörung einen relativ umfangreichen Änderungsantrag der CDU-Fraktion, da sich herausgestellt hat, dass der Senatsentwurf eine Reihe von Schwächen hatte. Unserer Meinung nach sind drei massive Schwächen im Entwurf weiterhin nicht behoben. Sie haben es jedenfalls nicht geschafft, uns vom Gegenteil zu überzeugen. Deshalb werden wir trotz der Krokodilstränen, die Sie, Herr Müller-Kallweit, deswegen vielleicht vergießen mögen, die Novellierung ablehnen.
Zum Ersten konnten Sie nicht darlegen - ich habe, ehrlich gesagt, gar nicht verstanden, was daran gesundheitspolitisch sein soll -, warum Privatisierung und damit die Übertragung hoheitlicher Aufgaben an Private eine Verbesserung der gesundheitlichen Standards im Maßregelvollzug sein soll. Das ist, glaube ich, eine ziemlich absurde Argumentation. Und wenn man dagegen rechtliche Vorbehalte hat, dann, finde ich, wiegt das schwer, wenn man sagt, dass man der Meinung sei, dass das Grundgesetz die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auch im Rahmen eines Beleihungsvertrags bei solch massiven Grundrechtseingriffen wie Maßregelvollzug verbietet. Sich darüber einfach hinwegzusetzen mit einem Kommentar in der Weise "Na ja, Asklepios macht das ganz toll und Sie sind bloß nicht in der Lage, das zu erkennen" finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen platt.
Das Zweite ist, dass Sie uns überhaupt nicht von der Notwendigkeit der Einbindung der Staatsanwaltschaft überzeugen konnten. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass das in Niedersachsen ganz gut funktioniert. Es wurde allerdings auch darauf hingewiesen, dass Nordrhein-Westfalen damit nicht so gute Erfahrungen gemacht hat. Es stellt sich - einmal davon abgesehen, dass Dr. Knecht erwähnt hatte, dass es sehr wenige Fälle gibt, in denen die Staatsanwaltschaft mit ihrer Einflussnahme überhaupt eine Verbesserung, nämlich zum Beispiel das Verhindern einer Entweichung, bewirken könnte - weiterhin die Frage , ob denn die personellen Ressourcen der Staatsanwaltschaft überhaupt vorhanden sind, um diese Einbindung tatsächlich sinnvoll durchführen zu können.
Der dritte Punkt - das ist für meine Fraktion eigentlich auch der entscheidende -, warum wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen werden, ist die einigermaßen absurde Situation gewesen, dass Sie sich vom Datenschutzbeauftragten während der Senatsbefragung sagen lassen mussten, dass mit dem Gesetzentwurf, wie Sie ihn vorgelegt haben, überhaupt keine Möglichkeit gegeben war, Videoüberwachung in irgendeiner Form vorzunehmen, woraufhin Sie dann gleich beschlossen haben, dass sofort die ganze Anstalt mit Kameras überschwemmt wird und diese außerdem einen Monat lang die Filmchen speichern darf, im Zweifelsfall sogar noch länger, wenn irgendwie Gefahr im Verzug ist - so ähnlich drücken Sie es im Gesetz aus.
Wir sind der Meinung, dass es, da es auch in dem Punkt wieder um Grundrechtseingriffe von Menschen geht, die Sie, Herr Müller-Kallweit, zu Recht als in erster Linie krank und erst in zweiter Linie kriminell bezeichnet haben, völlig unverhältnismäßig ist, Besuche zu überwachen, das gesamte Gelände zu überwachen und die privaten
Wohnräume der Leute zu überwachen. Sowohl in der Expertenanhörung als auch in der Senatsbefragung ging es ausschließlich um die Frage der Videoüberwachung der Räume, in denen Fixierung stattfindet, um - wenn kein Personal anwesend ist - sicherzustellen, dass sofort erkannt wird, wenn sich für den Patienten oder die Patientin eine gesundheitsgefährdende Situation ergibt, beispielsweise durch Selbstverletzung. Was Sie daraus gemacht haben, ist wirklich eine Pervertierung des Datenschutzes. Anders kann man es, glaube ich, überhaupt nicht ausdrücken.
Ich möchte abschließend noch auf zwei Punkte zu sprechen kommen, die mir ganz besonders wichtig sind, die in der Expertenbefragung genannt wurden und leider in Ihrem Änderungsantrag auch überhaupt keinen Widerhall gefunden haben. Das eine ist die Tatsache, dass Dr. Knecht darauf hingewiesen hatte, dass es sehr sinnvoll wäre, wenn die Beschulungen der Patientinnen und Patienten auch vergütet werden würden, damit es nicht dazu kommt, dass die Patientinnen und Patienten auf Beschulungen und Ausbildungen verzichten, weil sie in den Arbeitsmaßnahmen, in die sie gehen können, etwas verdienen können, während natürlich ihre Ausbildung und Qualifikation sehr viel sinnvoller wäre.
Das Zweite ist - da muss ich auch noch einmal auf das Thema zu sprechen kommen, das Frau Brinkmann gerade angesprochen hat - nämlich die Frage der Beurlaubung und des Probewohnens. Ich hatte während der Senatsbefragungen - das blieb unwidersprochen im Raum stehen - die Befürchtung geäußert, dass es dabei vor allem darum geht, Patientinnen und Patienten möglichst schnell zu entlassen, anstatt sie über einen langen Zeitraum - in Niedersachsen geht es um Jahre - in Probewohnungen wohnen zu lassen, weil sie dann nämlich nicht mehr Maßregelvollzugspatientinnen und -patienten sind, sondern Patientinnen und Patienten der gesetzlichen Krankenversicherungen, was natürlich für die Stadt deutlich billiger ist.
Dr. Knecht hatte darauf hingewiesen, dass er sich sehr wünschen würde, dass die Nachsorge Teil des Maßregelvollzugs selber ist, weil erstens die Finanzierung sichergestellt wird und sich zweitens auch einfach der Druck erhöht, sich tatsächlich um Nachsorge zu kümmern, die - wie Dr. Knecht das dargestellt hat - schwierig ist, weil es zu wenige Wohnmöglichkeiten gibt und diese Patienten stigmatisiert sind und deshalb forensische Patienten in den meisten Einrichtungen nicht gerne gesehen sind, um dort deutlich mehr zu erreichen. Auch dem haben Sie sich nicht anschließen können, was ich sehr bedauerlich finde. Sie werden dazu auch nichts mehr sagen. Der gesundheitspolitische Teil Ihrer Fraktion ist leider abgeschlossen. Frau Spethmann wollte sich auf das rein Rechtliche konzentrieren. Damit, denke ich, haben Sie eine große Chance vertan. - Diese Novellierung des Maßregelvollzugs ist die Zustimmung definitiv nicht wert.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige ergänzende Bemerkungen. Ich rufe vorab noch einmal in
Erinnerung, dass Maßregelvollzug und Strafvollzug - natürlich nicht organisatorisch aber eben ihrer Rechtsmaterie nach - eng miteinander verbunden sind. Auch der Maßregelvollzug ist Strafvollzug. Das hat die im Senat federführende Gesundheitsbehörde aber offenbar aus den Augen verloren - mit fatalen Folgen. Das hat uns unter anderem die Expertenanhörung gezeigt.
Beiden Vollzugsarten ist gemein, dass in ihnen - naturgemäß, möchte man sagen - der schwerste Grundrechtseingriff vollstreckt wird, den unsere Rechtsordnung vorsieht, der Freiheitsentzug. Wer darüber hinaus mit der besonderen Situation im Maßregelvollzug vertraut ist, weiß, welch großen Herausforderungen sich die Bediensteten in Form der Insassen und der von ihnen verübten Taten gegenüber sehen und dass Grundrechtseingriffe von schwerster Intensität noch mehr als im Bereich des Strafvollzugs an der Tagesordnung sind. Was für den Strafvollzug gilt, sollte daher - so will man meinen - gerade auch für den Maßregelvollzug Geltung haben.
Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn man sich den vorliegenden Gesetzesentwurf betrachtet. Es wird, das ist unsere Befürchtung, ein erster Schritt hin zu einer vollständigen oder jedenfalls wesentlichen Privatisierung des Vollzugs insgesamt vorgenommen. Durch die Beleihung der Firma Asklepios mit der Durchführung des Maßregelvollzugs ist ein Stein ins Rollen gebracht worden, den Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, nicht mehr aufhalten können.
Wir haben mit unserem Änderungsantrag deutlich gemacht, wo die Grenzen zulässiger Privatisierung liegen. Wesentliche Aufgaben innerhalb des Vollzugs, die besonders intensive Grundrechtseingriffe mit sich führen - wie die Entscheidung über Lockerung und die Anordnung von Zwangsmaßnahmen - oder sonst hoheitlicher Natur sind, dürfen nicht von Privaten durchgeführt werden.
Durch den Volksentscheid zum LBK-Verkauf ist Ihnen vor wenigen Jahren von den Hamburger Bürgerinnen und Bürgern deutlich ins Stammbuch geschrieben worden, dass sie eine Privatisierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge oder von Kernbereichen des hoheitlichen Handelns nicht wollen.
Die Menschen wollen es nicht, weil sie wissen, dass betriebswirtschaftliches Denken zwar stets hilfreich, aber auch nicht allein selig machend ist. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben sich schon damals gegen den Willen des Volkes entschieden. Sie tun es in diesem Falle auch.
Wenn die Justizbehörde - insofern im Einklang mit den Experten im Strafvollzug - auf eine Kleine Anfrage vollmundig erklärt, sie denke nicht an eine Privatisierung, ist das ein bloßes Lippenbekenntnis, denn wenn sie es ernst meinte, hätte sie im Senat diese Position auch mit Blick auf den Maßregelvollzug vertreten müssen.
Sie hat es nicht getan, weil das nicht in das Konzept des LBK-Verkaufs an Asklepios gepasst hätte. Man darf gespannt sein, ob diese Grenzüberschreitung vor den Gerichten Bestand hat.
Eine weitere Neuerung, die der Gesetzentwurf enthält und gegen die wir uns klar aussprechen, ist die Beteiligung der Staatsanwaltschaft an der Entscheidung über die Gewährung von Lockerungen. Die Expertenanhörung hat gezeigt, dass es hierzu keine Notwendigkeit gibt. Die bisherige Hamburger Praxis hat sich auch im Ländervergleich bewährt. Dies hätten Sie im Übrigen, Herr Kollege Müller-Kallweit, selbst auch ausführen können. Es passt Ihnen aber offenbar nicht in den Kram.
Selbst die Staatsanwaltschaft Hamburg will an dieser Entscheidung nicht beteiligt werden, denn sie kann weder in sachlicher noch in fachlicher Hinsicht neue Erkenntnisse in die Abwägung bringen. Es ist aber beabsichtigt - Sie sind sich noch nicht einmal zu schade, das öffentlich zu sagen -, dass es durch die Beteiligung der Staatsanwaltschaft im Ergebnis - gewissermaßen durch vorauseilenden Gehorsam - zu einer noch restriktiveren Handhabung der Gewährung von Lockerungen kommt, als es ohnehin unter Ihrer Ägide in den letzten Jahren der Fall war.
An dieser Stelle zeigt sich wieder einmal, dass auf dieser Seite des Plenums ein vollkommen ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der fachlichen Kompetenz der zuständigen Mitarbeiter im Maßregelvollzug vorhanden ist. Sonst würden Sie nicht darauf bestehen, dass die Staatsanwälte als oberste Sicherheitsinspektoren an diesem Verfahren beteiligt werden sollen.
Wir haben uns mit unserem Änderungsantrag auch dagegen ausgesprochen, dass es nach Ihrem Gesetz möglich sein soll, durch die Hausordnung schwere Eingriffe in Rechtspositionen der Patienten zu rechtfertigen. Entsprechende Anordnungen können und dürfen aber nur durch die Anstaltsleitung ausgesprochen werden. Eine Hausordnung ist keine zulässige Rechtsgrundlage.
Wir haben diese und weitere Punkte, auf die ich an dieser Stelle aus Zeitgründen nicht weiter eingehen kann, in einem eigenen Änderungsantrag eingebracht. Wir halten diese Änderung für derart wesentlich, dass wir ohne sie nicht bereit sind, dem Gesetzentwurf des Senats zuzustimmen. In seiner jetzigen Form stellt dieses Gesetz nämlich einen weiteren Schritt in eine falsche Richtung dar, nämlich hin zu einem auf Restriktionen setzenden Vollzug, der sich immer weiter vom Ziel der Heilung entfernt und uns überdies durch die Beleihung auf Asklepios auf einen Weg bringt, den wir nicht mitgehen wollen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte einmal vor Augen führen, wer eigentlich im Maßregelvollzug sitzt. 80 bis 90 Prozent - Frau Brinkmann, das wissen Sie, aber nicht die Allgemeinheit des Hauses - der dort Einsitzenden sind höchst kranke Menschen, die nicht hoch gefährlich sind. Das ist der kleine Brandstifter, der regelmäßig irgendwelche Mülleimer anzündet, der psychisch Kranke, der zwar andere verfolgt, im klassischen Sinne nicht gefährlich, aber trotzdem behandlungsbedürftig ist. Dieses sage ich vorweg, um deutlich zu machen, dass es nicht darum geht, Menschen wegzusperren, sondern Menschen wirklich zu helfen und für sie da zu sein. Nichtsdestotrotz wollen wir alle nicht, dass ein Brandstifter durch die Gegend läuft und Mülleimer anzündet.