Wir haben in Deutschland den Zustand, dass die NPD die Parlamente erreicht hat und außerparlamentarisch durch die sogenannten Kameradschaften unterstützt wird, die im Übrigen vor allem bei Jugendlichen erfolgreich sind, die keine Perspektive - beispielsweise keine Lehrstelle - haben. So viel zur letzten Debatte.
Frau Möller, ich muss kurz unterbrechen. Es ist mir zu unruhig. Ich bitte um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit. Dieses Thema ist genauso wichtig wie das Thema davor. - Bitte, Frau Möller.
"Entwicklung und Stand rechtsextremistischer Aktivitäten in Hamburg" war das Thema unserer Anfrage. Die Antworten darauf zeigen eine bittere Entwicklung. Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegenüber rechtsextremistischen Straftäterinnen und -straftätern stieg von 184 im Jahre 2002 auf 400 im Jahre 2006. Die Aufklärungsquote ist von 45,6 Prozent auf 34,9 Prozent gesunken. Diese Tendenz übersteigt den Bundestrend bei weitem.
Vergleicht man den Anstieg der Straftaten der sogenannten politisch motivierten Kriminalität rechts 2004 zu 2005, so hat Hamburg eine Steigerung von 46,7 Prozent. Bundesweit waren es 26,7 Prozent.
Die Aufklärungsquote liegt im Moment bei 48,9 Prozent, die hamburgische 34,9. Diese Zahl hatte ich eben schon genannt.
Nun kennen wir aus anderen Kriminalitätsfeldern die Reaktion des Senats auf solche Entwicklungen. Oft genug haben wir über die Interpretationsmöglichkeiten der PKS debattiert. Auf diese Zahlen allerdings, die die Große Anfrage hervorgebracht haben, erfolgten bisher keine Reaktionen. Deshalb sage ich deutlich, der Senat agiert ignorant und verharmlosend im Bereich der rechtsextremistischen Kriminalität.
Interessanterweise gab es allerdings bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts 2006 eine Äußerung von Herrn Vahldieck, der darauf hinwies, dass es sich bei den Straftaten sehr oft um die bekannten Propagandadelikte handeln würde. Diesen Hinweis empfinde ich gerade in Verbindung mit der dramatisch gefallenen Aufklärungsquote als deplaciert. Aus gutem Grunde sind bei uns Hakenkreuz und Hitlergruß verboten.
Zur Erinnerung: Es geht hier also um politisch rechtsmotivierte Straftaten. Würden wir über Einbruch, Diebstahl, Aufbrüche von Kraftfahrzeugen reden, dann könnte der Senat im Detail die Verteilung dieser Delikte stadtteilgenau darstellen. Sie kennen alle die Veröffentlichungen in den Zeitungen, aus denen man erkennen kann, wie es gerade im eigenen Quartier aussieht. Die Zahlen der
Auf unsere Frage nach der räumlichen Verteilung der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund über die Stadt gibt es die Antwort, dass dieses nicht erfasst wird.
Wie schon in der Einleitung zur Großen Anfrage verweist der Senat auch an dieser Stelle wieder darauf, dass alles nach bundeseinheitlichen Richtlinien beim kriminalpolizeilichen Meldedienst erfasst wird. Nur, meine Damen und Herren, das kann uns hamburgischen Abgeordneten nicht reichen. Wir können uns nicht mit Augenzeugenberichten oder vielleicht gut recherchierten Berichte der Medien zufrieden geben, ein Bild über die regionale Verteilung der rechtsextremen Straftaten zu bekommen.
Die Unkenntnis des Senats geht noch weiter. Auch bei den Opfern rechtsextremer Gewalttaten gibt es keine Erkenntnisse. Immer wieder wird sich auch hier auf die Kriterien der bundesweiten Erfassung berufen. Wir brauchen aber Kenntnisse über Opfer und Straftaten in Hamburg.
Dieser Hinweis, dass es um das föderale Sicherheitsgefüge geht, mag richtig sein. Aber das ist kein Ersatz dafür, dass wir wissen müssen, was in Hamburg passiert.
Aus den neuen Bundesländern ist dieses politische Szenario natürlich bekannt. Gern wird sich dort zwischen Innenministerien und Opferschutzverbänden und Initiativen um die Zahl der Opfer rechtsextremer Gewalt gestritten, weil die Zahlen bundesweit nicht erfasst werden. Das ist aber entwürdigend für die Opfer und es ist auch für uns als Parlamentarier eine Zumutung, diese Zahlen nicht zu kennen.
Das Opferschutzkommissariat, das der Senat eingerichtet hat, macht selbstverständlich gute Arbeit. Das ist gar keine Frage. Aber auch hier findet keine Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus statt. Der Schwerpunkt ist Beziehungsgewalt, Stalking; ein Thema, das mindestens genauso wichtig ist. Aber der Bereich Opfer von rechtsextremen Straftaten muss auch für Hamburg dokumentiert werden. Hier gibt es bisher keine Ansätze.
Was kann man noch aus der Großen Anfrage ablesen? Rechtsextreme Straftaten sind vor allem Jugendstraftaten. Hier ist die überproportionale Steigerung abzulesen. Um in diesem Fall den repressiven Bereich abzufragen, haben wir nach den sogenannten normenverdeutlichenden Gesprächen gefragt. Der Senat antwortet dazu, er führe sie mit allen Jugendlichen, die in diesem Bereich auffallen. Zahlen kann er allerdings nicht nennen. Was sollen wir mit einer solchen Aussage tun, wenn uns die Quantität überhaupt nicht erfassbar erscheint?
Hier wird also mit unspezifischen, repressiven Elementen auf ein sehr spezielles Kriminalitätselement reagiert. Das ist völlig unzureichend. Sie führen seit Monaten immer wieder eine Debatte über Jugendgewalt, Jugenddelinquenz. Hier haben wir einen überproportional ansteigenden Anteil der jugendlichen Täterinnen und Täter. Man hat noch nicht ein einziges Mal gehört, dass dieser Bereich der Kriminalität in das groß angekündigte Maßnahmenpaket gegen Jugendgewalt einfließen wird. Wo bleiben also die Schwerpunkte, die Sie setzen wollen,
Es sind für die präventive Arbeit vor allem die detaillierten Kenntnisse der Hamburger Situation notwendig. Die Antworten - auch aus der Großen Anfrage - zeigen deutlich, dass es eine unakzeptable und gleichzeitig aber auch entlarvende Situation gibt. Prävention ist einerseits die direkte Arbeit mit jugendlichen Erwachsenen vor Ort, andererseits aber auch Fortbildung und Schulung von Lehrern, Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen, -arbeitern und öffentliche Aufklärung insgesamt. Dies ist allerdings nicht allein Aufgabe der Innenbehörde, aber es ist auch eine Anfrage an den Senat gewesen. Diese Arbeit muss ein Netzwerk gewährleisten.
In der Antwort findet man detaillierte Ausführungen zu überregionaler Vernetzung der diversen Sicherheitsbehörden, die auf Bundes- oder Länderebene dafür zuständig sind. Aber der Bezug auf die Hamburger Ebene ist ein Vierzeiler und es wird deutlich, dass weder die Sozialbehörde noch die Schulbehörde mit der Innenbehörde und den vor Ort agierenden Opferschutzverbänden, Initiativen an einem gemeinsamen Konzept arbeiten. Die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung will ich nicht kleinreden, die arbeitet erfolgreich, aber sie ist nicht in ein Netzwerk eingebunden. Das Gleiche gilt für das Landesinstitut für Lehrerbildung.
Damit Sie besser verstehen, wovon ich rede, nenne ich in einer kurzen Übersicht Präventionsprojekte in verschiedenen Bundesländern, die es dort im Bereich Rechtsextremismus gibt: Das Land Niedersachsen hat eine Clearingstelle, einen Präventionsrat, in dem die verschiedenen Ministerien, die Wohnungswirtschaft, der Landesfrauenrat, die Sportjugend und der Präventionsrat einzelner Städte beteiligt sind. In Mecklenburg-Vorpommern geht es bis zur Beteiligung von Medien und dem DGB. In Hessen sind die Arbeitgeberverbände dabei, die Landesfrauenverbände, die Wissenschaft und auch die Medizin. In Schleswig-Holstein sind die verschiedenen Ministerien mit den Gesundheitsämtern, dem Weißen Ring, den Universitäten beteiligt an Landespräventionsringen, wie auch immer man das nennen will. Der SPD-Antrag geht auch in die Richtung, eine gemeinsame Kommission, ein gemeinsames Netzwerk muss hier entstehen.
In Hamburg gibt es keine vergleichbare Einrichtung, die in irgendeiner Form in diesem Bereich der öffentlichen Prävention, der Aufgabe der Gesellschaft, mehr Sensibilität bei diesem Thema zu vermitteln, arbeitet. Das ist eine bittere Erkenntnis aus der Großen Anfrage.
Um rechtsextremistischen Tendenzen in der Gesellschaft entgegenzuwirken, müssen wir uns nicht nur um die Leute kümmern, die straffällig geworden oder ganz dicht dran sind, sondern wir müssen uns gemeinsam - dazu gehört dieses Parlament genauso wie der Senat und alle anderen gesellschaftlichen Akteure - auf ein öffentliches Klima verständigen, in dem Rechtsextremismus nicht akzeptiert wird. Das ist allemal wichtiger, als jetzt eine warme Mahlzeit einzunehmen.
Ich freue mich, dass wir einvernehmlich eine Überweisung an den Innenausschuss hinbekommen haben. Dort können wir die einzelnen Maßnahmen, die die Große Anfrage für den Bereich Sport zum Beispiel sehr detailliert aufzählt, im Detail durchsprechen.
Ich möchte aber noch einmal deutlich sagen, dass wir zusammen aufgefordert sind, für ein Klima zu sorgen, das
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die jüngsten gewalttätigen Ereignisse in Halberstadt, bei denen eine Theatergruppe von rechtsextremen Schlägern krankenhausreif geschlagen wurde, rückt das Thema Rechtsextremismus wieder stärker in das Bewusstsein der Menschen,
ebenso die Vorkommnisse in Harburg am Wochenende - ich komme darauf zu sprechen -, offenbar ein Anschlag mit rechtsextremen Hintergrund. Ich will deutlich machen, wir erklären uns solidarisch mit Ihnen, verurteilen diesen Anschlag auf das Schärfste und fordern eine zügige Aufklärung.
Wir akzeptieren Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele auf keinen Fall. Damit soll Angst und Einschüchterung erzeugt werden. Wir akzeptieren es nicht, dass Politiker, Manager oder Journalisten, die für unsere demokratische Grundordnung einstehen, bedroht werden und sich nicht mehr sicher fühlen können. Das gilt für rechte wie für linke Gewalt.
Im Hinblick auf die Ergebnisse der Großen Anfrage der GAL-Fraktion, die in Hamburg einen Anstieg der rechtsextremistisch motivierten Straftaten - wenn auch nicht im Bereich der körperlichen Gewalt - verzeichnet, ist eine Forderung nach einem verstärkten Kampf gegen Rechtsextremismus durchaus verständlich. Wir sind in Hamburg bereits gut aufgestellt, was diese Themen angeht. Die Arbeit unseres Verfassungsschutzes und unserer Polizei spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie die erhöhte Aufmerksamkeit bei den Bürgern. Aber "gut", Frau Möller, bedeutet nicht, dass wir noch besser werden können. Dennoch darf man bei der Forderung nach einem Landesprogramm, welches präventive und repressive Maßnahmen gegen Rechtsextremismus vorsieht, nicht aus dem Auge verlieren, woraus Extremismus überhaupt entsteht.
Die Entwicklung bei den Landtagswahlen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zeigen, dass die NPD zunehmend politische Mandate gewinnt. Damit gelingt es ihr, den Boden der Volksvertretungen für ihre Bestrebungen einzusetzen. Dieses gerade ist so gefährlich für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung. Gegen diese Entwicklungen helfen jedoch nicht nur allein Exekutivmaßnahmen und Verbote, sondern es müssen vielmehr die Ursachen bekämpft werden.
Dabei stellt das natürliche Bedürfnis der Menschen nach einfachen Lösungen in der heute immer komplizierter werdenden Welt - die Programme der extremistischen Parteien geben vor, diese zu befriedigen -, eine der Hauptursachen für den verstärkten Zulauf dieser Parteien dar. Hier muss die Politik ansetzen. Das gilt für das Ver
trauen in die Demokratie und damit in die Parteien, die für diese Werte einstehen und sie stärken. Die Politik muss daher die Fragen und Ängste der Menschen zum Beispiel hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung, der nicht immer gelungenen Integration von Zuwanderern, der Sicherheit der Arbeitsplätze und der Angst vor Gewalt und Terrorismus ernst nehmen und darf die Menschen mit ihren Sorgen nicht allein lassen.
Vielmehr müssen wir Perspektiven und Lösungswege für diese Frage anbieten und es gilt, diese geduldig und wirkungsvoll zu erläutern und zu kommunizieren, auch wenn es oftmals für viele Probleme kein einfaches und einheitliches Lösungskonzept gibt. In diesem Zusammenhang nimmt auch die politische Bildung - Sie haben das angesprochen, Frau Möller - einen wichtigen Platz ein.
Politische Bildung muss daher das Wissen vermitteln, dass die Demokratie durch politischen Extremismus gefährdet ist und dass jeder Einzelne Verantwortung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung trägt, denn nur dieses Wissen schafft Immunität gegen den Virus des Extremismus und seine vielfältigen Infektionsmöglichkeiten. Wir dürfen diesen Parasiten der demokratischen Struktur nicht dadurch Tür und Tor öffnen, dass wir uns über dieses Thema endlos streiten und dass der eine auf Kosten des anderen glaubt, politischen Profit daraus zu ziehen. Ich will das ganz deutlich sagen, denn solche emotionalen Streitigkeiten zwischen den verschiedenen demokratischen Parteien geben den Extremisten nicht nur die gewollte Bühne für ihre Bestrebungen, sondern wir müssen uns als Einheit über die Parteigrenzen hinweg sachlich damit auseinandersetzen.
Denn dass eine demonstrative Einheit den Einzug Rechtsextremer in die Mitte unserer Gesellschaft verhindern kann, hat zum Beispiel die niedersächsische Stadt Delmenhorst eindrucksvoll bewiesen. Auch in Hamburg gibt es Beispiele dafür. Ich will auf das Rathaus-Bündnis in Bergedorf hinweisen. Trotz unterschiedlicher Meinungen zur Ausgestaltung der Bekämpfung extremistischer Entwicklungen dürfen wir unser Ziel nicht aus den Augen verlieren und das Ziel heißt: Extremisten haben bei uns nichts verloren.
Ich will deshalb nicht so detailliert auf die Anfrage eingehen, Frau Möller, wie Sie das ja auch schon dargestellt haben. Wir wollen dieses gemeinsam mit Ihnen im Innenausschuss diskutieren und vielleicht auch neue Lösungen entwickeln. Gleichzeitig sollten wir uns aber auch die Frage stellen, wie wir generell mit Extremismus und Verfassungsfeinden umgehen und da meine ich ganz speziell auch uns als Parteien. An die Adresse der SPD gerichtet: Ist es sinnvoll mit einer Partei zusammenzuarbeiten,