Protocol of the Session on April 18, 2007

Die Sinnhaftigkeit von Vorschulklassen, in der fast jedes Kind einen ausgeprägten Sprachförderbedarf hat, will mir nicht einleuchten. Eine vergleichende Evaluation des Bildungsfortschritts, der aus Kita- oder Vorschulbesuch resultiert, liegt meinen Informationen nach im Landesinstitut vor, Frau Senatorin, wird aber nicht veröffentlicht. Warum wohl? Vielleicht ist es so, dass es keine Unterschiede gibt. Ich bin gespannt, ob und wann diese Untersuchung veröffentlicht wird.

Zusätzlich - zumindest das haben Sie in der Kleinen Anfrage beantwortet - gibt es etwa 650 Kinder, die nach der Vorschule Anschlussbetreuung brauchen, weil ihre Eltern berufstätig sind oder wegen dringendem sozialen und pädagogischen Bedarf. Diese Kinder, Frau Senatorin, und ein Großteil der Kinder, die diese additiven Sprachförderkurse besuchen, müssen täglich ihren Förderort wechseln, wenn sie in der Kita verbleiben oder der additive Kurs nicht an ihrer Grundschule, sondern an einer anderen im Verbund zustande kommt.

Bei mir in Alsterdorf denken Kitas und Schulen schon über die Einrichtung eines Shuttle-Service für diese Kinder nach, um sie sicher von einem Ort zum anderen zu bringen. Das ist nicht sinnhaft.

Die Ausweitung dieser additiven Angebote bleibt fachlich unausgegoren und stellt insbesondere berufstätige Eltern, Grundschulen und Kitas vor große organisatorische Probleme. Hier, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dämmert Ihnen offensichtlich auch etwas. Den Medien war zu entnehmen, dass Sie zur Einrichtung von sogenannten Bildungshäusern einen Antrag an die Behörde formuliert haben. In diesen Bildungshäusern sollen Kinder durchgängig Bildung und Erziehung an einem Ort erhalten. Kitas und Grundschulen sollen räumlich und konzeptionell zusammenarbeiten. Auch hier scheint Ihnen aufgefallen zu sein, dass Ihre additiven Maßnahmen und Betreuungsformen für die Kinder nicht besonders hilfreich sind und dass die Sprachförderung für Fünfjährige etwas zu spät kommt. Wie schön, dass die CDU unseren Antrag aus den Haushaltsberatungen aus dem Dezember fünf Monate später übernimmt und abschreibt, um den von ihr angerichteten bildungs- und familienpolitischen Blödsinn zu korrigieren. Nur Prüfung, Herr Kollege, alleine reicht nicht. Der von Ihnen angerichtete Nonsens muss beendet werden zum Wohle der Kinder dieser Stadt,

(Beifall bei Michael Neumann SPD)

denn bei Ihnen sind die Belange von Kindern nicht in guten Händen, sondern Sie treten sie mit Füßen.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Beuß CDU: Eine Frechheit ist das, eine Frechheit! Unmöglich!)

Das Wort erhält die Abgeordnete Blömeke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Senatorin Dinges-Dierig, das Schönste an Ihrer Rede war und darüber habe ich mich sehr gefreut, wie schnell wir uns einig werden können, wenn Sie unseren Antrag zur Reform der Ausbildung im Bereich der Frühpädagogik lesen, den wir morgen einbringen werden, und Sie die Empfehlungen der EnqueteKommission ernst nehmen. Ich freue mich zu hören, dass der Antrag Ihre Zustimmung findet. Die EnqueteKommission hatte einen Personalmix empfohlen, den wir

aufgegriffen haben. Sie haben damit einen sehr wichtigen Punkt angesprochen. Das ist eine sinnvolle Sache.

(Wolfgang Beuß CDU: So weit ist es noch nicht! Das ist erst mal im Ausschuss!)

- Das beurteile ich positiv.

Wie Sie sich vorstellen können, Frau Senatorin, gibt es an Ihrer Rede sicherlich mehrere kleine Zinken. Die eine ist der ewige Rückblick: Sie hätten das doch auch schon längst machen können.

Erstens war die Situation 1980 und 1990 völlig anders. Die Kitas hatten eine andere Bedeutung als heute. Wir könnten den Spieß auch einmal umdrehen. Die Herren und die wenigen Damen der CDU-Fraktion - Sie waren damals allerdings noch nicht dabei - hätten aus ihrer Oppositionsrolle heraus Konzepte einbringen können.

(Dr. Willfried Maier GAL: Die haben doch damals gesagt, die sollen alle nach Hause!)

- Ja, die sollen wieder nach Hause.

Wir haben als Opposition sehr viele Konzepte vorgeschlagen, zum Beispiel das Early-Excellence-Center, die Familienzentren, die jetzt die CDU-Fraktion aufgenommen hat. So hätte es damals auch aussehen können.

(Robert Heinemann CDU: Wir haben die Sprach- förderung gefordert, Sie haben die abgelehnt!)

Das hat es aber nicht, weil die CDU-Fraktion damals in der Opposition geschlafen hat. Aber das ist ja nicht unser Problem.

(Bernd Reinert CDU: Weil Sie das damals abge- lehnt haben beziehungsweise Ihre Vorgängerin- nen! - Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Heinemann?

(Robert Heinemann CDU: Weil Sie die Wahrheit scheuen! - Gegenruf von Dr. Willfried Maier GAL: Weil sie Ihrer Senatorin folgt!)

Ich möchte noch etwas zu diesem Antrag sagen. Meine grundsätzliche Kritik an dem ganzen Konzept ist, dass es ein Flickwerk ist. Ich hatte Ähnliches schon einmal in einer Debatte über Sprachförderung gesagt.

Meine Damen und Herren, wir sind uns alle einig, dass Sprachförderung wichtig ist. Ich will die ganzen Vorteile gar nicht wiederholen. Aber Ihre Art der Sprachförderung hat das grundsätzliche Problem, dass sie drei verschiedene Einheiten hat: die additive, die intensivierte und, und, und. Das geht nicht und das geht zulasten der Kinder. Das Hauptproblem, das ich an Ihrer Art von Konzept kritisiere, ist die additive Sprachförderung, denn es gibt genügend wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass Kinder am besten in dem System lernen, in dem sie im Alltag sind - das kommt mir ein bisschen zu kurz -, das ist nämlich der gesamte Kita-Bereich. Wenn ich sehe, dass Senatorin Schnieber-Jastram zu diesem Tagesordnungspunkt gegangen ist, dann ist das symptomatisch. Sie konzentrieren das auf Schule, dass aber ein Großteil der Kinder, die Sprachförderung erhalten - nämlich über 80 Prozent -, aus den Kitas kommt, wird

nicht berücksichtigt. Gerade die additive Sprachförderung ist das Problem, denn gleichzeitig kürzen Sie bei der intensivierten Sprachförderung im Kita-Bereich.

Noch ein paar Worte zu dem, was Frau Hilgers gesagt hat, zum Wechsel der Kinder aus den Einrichtungen. Wenn man in die Große Anfrage guckt, dann stellt man fest, dass es 124 Förderorte gibt. Von diesen 124 Förderorten sind nur 13 in Kitas. Das ist unausgeglichen, wenn wir bedenken, dass Sie eingangs gesagt haben, die Sprachförderung findet sowohl in Kitas als auch in Schulen statt. 1.460 Kinder bekommen diese Sprachförderung und verteilen sich auf 124 Förderorte. Wir erzeugen hier einen riesigen Kindertourismus. Die Kinder werden von A nach B kutschiert. Ich habe genau das, was Frau Hilgers aus Alsterdorf erfahren hat, gerade per Elternanruf aus Winterhude gehört. Die Eltern wissen nicht, wie sie zurechtkommen sollen, weil sie ihre Kinder aus der Kita in die weit entfernte Carl-Cohn-Schule bringen müssen. Sie haben in Ihrer Anfrage geschrieben, es gäbe nur drei Schulen, die fußläufig nicht erreichbar sind. Darunter ist nicht die Carl-Cohn-Schule.

Dieses System hinkt, weil Sie in Ihrem Glauben, Sprachförderung zu machen, in dieser einzelnen selektiven Sprachförderung übertreiben, die nicht das erfüllt, was wir uns unter Sprachförderung vorstellen.

Geben Sie die Mittel, die Sie ausgeben, intensiviert in das System hinein, zum Beispiel in die Kitas, und bestärken Sie die intensivierte Sprachförderung. Ich bin sicher, dass wir zu einem besseren Ergebnis kommen werden und natürlich zu dem Ziel, dass die Kinder gut sprechen können, wenn sie in die Schule kommen. Darüber sind wir uns einig. Wir wollen nur nicht diese vielen getrennten Systeme.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete von Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass das, was Sie eben gesagt haben, nach meiner Erinnerung - auch wenn ich zu dem Zeitpunkt dem Parlament noch nicht angehörte - nicht ganz richtig ist. Die CDU-Fraktion hat bereits in der 16. Wahlperiode - ungefähr im Jahre 2000 - die Sprachförderung gefordert. Sie haben es abgelehnt. Dem müssen Sie sich heute stellen, das ist so.

(Beifall bei der CDU - Bernd Reinert CDU: Rich- tig, genau!)

Davon kommen Sie nicht einfach herunter.

(Karen Koop CDU: Muttersprachliche Bildung hieß das damals!)

Wir wollen in die Zukunft gucken und insofern will ich Folgendes klarstellen: Uns geht es bei der Sprachförderung um eine gute Schulbildung für unsere Kinder und Chancengerechtigkeit von Anfang an.

(Beifall bei der CDU)

Daher ist es wichtig, dass die Sprachförderung so früh wie möglich beginnt. Kitas und Vorschulen werden in Hamburg Bildungseinrichtungen. Somit beginnt die Förderung bei uns bereits deutlich vor dem Eintritt in die Schule.

Der Antrag der GAL-Fraktion zum Thema Frühpädagogik, den wir morgen behandeln wollen - Frau Goetsch hatte vorhin schon darauf hingewiesen -, stößt bei uns auf gewisse Sympathien. Insofern sind wir der Meinung, dass wir uns damit im Familien-, Kinder- und Jugendausschuss befassen sollten. Nichtsdestotrotz ist das sicherlich ein Weg, der auch die Zukunft trägt.

Aber nicht nur das, auch in der Grundschule ändert sich vieles. Ab Schuljahr 2007/08 gibt es kleinere Grundschulklassen, und zwar nicht irgendwie, irgendwo, sondern generell mit einer Organisationsfrequenz von 24. Besonders kleine Grundschulklassen - das ist ein neuer Gedanke - wird es in sozial benachteiligten Gebieten geben. Dort haben wir Organisationsfrequenzen von 18, sodass wir wahrscheinlich auf Schulklassen mit 19 Kindern kommen werden. Das ist wirklich neu. Es geht auch weiter: Nach der fünften Klasse gibt es ein schlüssiges Konzept in der Sekundarstufe.

Mich ärgert immer, dass Sie so tun, als hätten Sie seinerzeit, als Sie noch die Verantwortung getragen haben, im Bereich der Sprachförderung etwas Gigantisches auf die Beine gestellt. Das ist in meinen Augen aber nicht der Fall gewesen. Ihre Argumente oder das, was sie in Erinnerung haben, erinnert mich an eine Begebenheit aus der russischen Geschichte. Während einer Reise der Zarin Katharina an die Krim 1787 ließ der dortige Generalgouverneur längs der Wolga Attrappen von Siedlungen errichten, um den Anschein von besonders erfolgreicher Besiedelungspolitik zu erwecken. Der Gouverneur hieß Potemkin, die Dörfer sind die Potemkinschen Dörfer. Daran erinnert mich Ihre Sprachförderung, von der Sie heute noch erzählen.

(Beifall bei der CDU)

Sie reden von Streichungen und ich halte Ihnen dagegen: Die alte Sprachförderung stand nur auf dem Papier, das war das Gießkannenprinzip par excellence. Wir hatten eine zu niedrige Unterrichtsabdeckung. Deswegen wurde die Sprachförderung, die auf dem Papier stand, gebraucht und war mehr eine allgemeine Verfügungsreserve der Schulleitungen, als dass sie wirklich so stattfand, wie sie hätte sein müssen.

Jetzt kommt die Förderung da an, wo sie gebraucht wird, und sie beginnt früher. Der Schwerpunkt gilt in der Vorschule und in den ersten und zweiten Klassen, sodass wir versuchen wollen, die Kinder in der deutschen Sprache möglichst früh fit zu machen. Und nicht nur das, es gibt auch endlich mehr Verbindlichkeit. Durch die Schulen müssen Ausfälle begründet und für die Schülerinnen und Schüler müssen konkrete Förderpläne entworfen werden. Auch das ist neu und insofern ist es wichtig, dass man nicht aus der Tageslage heraus entscheidet, sondern jetzt konkret mit den Schülerinnen und Schülern an den Sachen arbeitet.

Es ist bereits erwähnt worden, dass es nach festgestelltem Förderbedarf bei der Viereinhalbjährigenuntersuchung den verpflichtenden Besuch der Vorschule gibt. Es bleibt also nicht im Unverbindlichen. Hierzu haben wir das Schulgesetz geändert. Daher ist das ein sehr wichtiger Schritt gewesen.

Nach meiner persönlichen Beobachtung funktioniert die additive Förderung schon zu ihrem Beginn recht gut. Was mich persönlich nicht so angetan hat, sind wieder die Zahlenspielereien, die von Frau Hilgers zusammengemixt wurden. Das führt nicht wirklich weiter, sondern wir müs

sen versuchen, am Thema zu argumentieren. Es wird jetzt effektiver und nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip gearbeitet und die Sozialindizes sind dafür die Maßgabe. Es gibt also endlich ein schlüssiges Konzept, das frühzeitig ansetzt, das verbindlicher, effektiver und damit auch ehrlicher ist.