Protocol of the Session on January 17, 2007

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr von Frankenberg, das sind doch alles faule Ausreden, die Sie hier gebracht haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Diese zeugen entweder von fehlendem Engagement oder vielleicht haben Sie von Ihrer Senatorin gesagt bekommen, stopp das irgendwie ein bisschen; etwas Besseres fällt mir dazu nicht ein. Wir sind Hamburger Politiker und Politikerinnen und da kann man doch nicht von Insellösung sprechen, wenn wir für Hamburg etwas erreichen wollen.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Da muss ich nicht in zehn andere Bundesländer gucken. Ich kann das tun und sehe, dass die genau dieselbe Initiative starten. Natürlich ist es tragisch, wenn in Bremen ein Kind misshandelt wird oder gar zu Tode kommt, aber wir sind doch in erster Linie für die Kinder verantwortlich, die wir in Hamburg haben, und da hätten wir alle Möglichkeiten der Welt – Frau Ernst hat es eben aufgezählt –, eine entsprechende Initiative zu starten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich denke, das sind die Aufgaben, die wir uns selber stellen sollten und die wir auch wahrnehmen sollten. Ich finde, jedes einzelne Wort, das Sie hier gesagt haben, schreit geradezu nach einer Überweisung. Ich finde es ganz erstaunlich, dass Sie – wie ich gehört habe – diesen ganzen Antrag nicht überweisen wollen. Das ist für mich wiederum ein Indiz, dass Sie sich mit diesem Thema inhaltlich noch nicht einmal auseinandersetzen wollen.

(Bernd Reinert CDU: Das ist Quark!)

Nein, Quark ist das nicht, sonst würden Sie ja überweisen, Herr Reinert.

Wenn ich sehe, wie phlegmatisch die CDU-Fraktion sich in diesem Punkt verhält, sollte ich Ihnen sagen: Seit zwei Jahren hat sie gemeinsam mit ihrem Senat geschlafen. Sie hätten doch selber etwas in die Wege leiten können.

(Bernd Reinert CDU: Das genaue Gegenteil ist der Fall!)

Sie hätten die rechtliche Prüfung vornehmen können. Sie haben die Drucksache "Hamburg schützt seine Kinder" erstellt. Darin steht als ein Punkt, dass wir die verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen brauchen. Was ist geschehen? – Gar nichts. Zwei Jahre ist gar nichts geschehen. Noch nicht einmal diese Drucksache wollen Sie überweisen, weil Sie sich nicht über Inhalte unterhalten wollen. Sie wollen diktieren. Das kann ich mir vorstellen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Für die GAL-Fraktion kann ich sagen, dass für uns in der Tat die Einführung verpflichtender Vorsorgeuntersuchungen ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept zum Schutz vernachlässigter Kinder ist. Wir begrüßen es durchaus, dass die SPD-Fraktion einen Antrag eingebracht hat, um die CDU vielleicht ein bisschen wachzurütteln. Das ist nicht ganz gelungen, das haben wir gemerkt. Aber immerhin war es den Versuch wert. Stattdessen verlässt sich die CDU-Fraktion auf eine Bundesratsinitiative und auf den Bundestag und alles schleppt sich noch schön lange weiter hin, obwohl in diesem Bundesland gehandelt werden könnte.

Aber ich will auch davor warnen, diese verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen als Allheilmittel zum Schutz für vernachlässigte Kinder darzustellen. Da greift in meinen Augen auch der SPD-Antrag etwas kurz. Er beschränkt sich nämlich lediglich auf die Frage, wie wir die Eltern bewegen können, zu den Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Dabei hält die SPD an dem ursprünglichen Konzept U 1 bis U 9 fest. Aber für uns liegt genau in dieser strukturellen Frage und in der Frage, welche ergänzenden Maßnahmen noch eingeführt werden müssen, ein ganz erheblicher Reformbedarf, den wir gerne mit einbeziehen würden.

Zum Beispiel: Ich stimme Herrn von Frankenberg zu, denn wichtiger als die Wahrnehmung der U 1 und U 2 –

das sind nämlich die Untersuchungen, die gleich nach der Geburt und eine Woche später noch im Krankenhaus erfolgen und an denen in der Regel sowieso alle Kinder teilnehmen – wären die von uns immer wieder geforderten Säuglingserstbesuche. Die Misshandlung von Kindern, die eine Woche alt sind, bekommen wir am besten mit, wenn das gesamte Umfeld der Kinder angeschaut wird. Um das zu leisten, brauchen wir weiterhin mehr Familienhebammen sowie einen ASD – da werde ich auch nicht müde, das zu betonen –, der personell in die Lage versetzt wird, diese Säuglingserstbesuche durchzuführen. Das geht im Moment noch nicht.

Wir haben bei den U-Untersuchungen auch eine Lücke zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr. Auch das wird in dem Antrag nicht aufgegriffen. Diese Lücke bekommen wir auch nicht weggeredet, wenn wir alle Vorsorgeuntersuchungen verbindlich machen. Wir bekommen sie auch nicht weggeredet, wenn wir auf die Vierjährigenuntersuchungen in der Kita verweisen, denn nicht alle Kinder gehen in die Kita. Nein, wir möchten gerne eine weitere Untersuchung etwa im Alter von drei Jahren, die zusätzlich verbindlich eingeführt wird, um diese Lücke zu schließen. Das gehört unserer Meinung nach mit in die Diskussion um die verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen.

Drittens: Die Einführung von verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen macht nur dann Sinn, wenn gleichzeitig begleitende Maßnahmen der Jugendhilfe, wie zum Beispiel die aufsuchende Familiensozialarbeit, ausgeweitet und nicht ständig mit neuen Einsparungen belegt werden. Sonst läuft so eine verbindliche Vorsorgeuntersuchung nämlich wie eine Luftblase ins Leere.

(Zuruf von Stefanie Strasburger CDU)

Ich weiß, Frau Strasburger, Sie mögen das nicht mehr hören, aber verbindliche Vorsorgeuntersuchungen ohne Ausweitung von Jugendhilfemaßnahmen sind nichts anderes als eine Luftblase, weil auch etwas daraus erfolgen muss.

Als ein weiteres Problem sehen wir noch, dass in dem Antrag die Frage des Datenschutzes nicht abschließend gelöst ist. Ärzte können nicht gezwungen werden, Daten über die erfolgte Teilnahme an irgendjemand anderen als an Krankenkassen weiterzugeben. Jetzt sollen die Daten an ein Gesundheitsamt weitergegeben werden oder, was wir noch problematischer finden, an Dritte. Diese Aufgabe des Datenabgleiches, wenn sie von Dritten wahrgenommen werden soll, halten wir für rechtlich bedenklich. Ich glaube, dass uns allen nicht daran gelegen ist und wir alle keinen Blumentopf gewinnen werden, wenn demnächst die Eltern den Ärzten nicht mehr vertrauen, weil sie denken, dass die Schweigepflicht sowieso keinen Bestand mehr hat, und weil sie befürchten, dass ihre Probleme dem Jugendamt erzählt werden.

Nein, wir glauben ganz fest, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gewahrt bleiben muss. Dafür müssen wir Wege finden. Das ist richtig. Aus diesem Grund ist der Antrag hier in seiner Initiative völlig richtig. Aber die Wege, die wir dabei noch sehen, und die handwerklichen Unklarheiten, die wir beseitigen müssen, müssten wir im Ausschuss besprechen. Deswegen ist es so wichtig, dass dieser Antrag in den Fachausschuss kommt und dort von uns allen gemeinsam beraten wird, damit wir in Hamburg endlich zum Handeln kommen.

(Beifall bei der GAL und bei Ingrid Cords SPD)

Wenn Sie, die CDU-Fraktion, dieser Überweisung nicht zustimmen können, fände ich das bedauerlich, denn in anderen Bundesländern wie zum Beispiel im Saarland wird auch mit Ihrer Fraktion beraten. Wenn Sie so gerne den Blick über Hamburg hinaus werfen, dann tun Sie das doch auch hierbei. Aber wenn Sie sich einer Überweisung verweigern, würden wir uns bei dem Antrag enthalten.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kienscherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Blömeke, erst einmal ist das ja ganz schön, dass Sie gesagt haben, dass Sie unseren Antrag zur U-Untersuchung grundsätzlich unterstützen werden. Ich glaube, Sie wissen ganz genau, dass wir als Sozialdemokraten immer gesagt haben, dass das natürlich nur ein Mosaiksteinchen im Rahmen eines großen Maßnahmenbündels ist, um zukünftig Kindervernachlässigung beziehungsweise Kindeswohlgefährdung verhindern zu können. Das ist ein wichtiges Mosaiksteinchen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das ist für uns ganz wichtig und von daher, glaube ich, stimmen wir mit Ihnen überein, dass natürlich noch andere Maßnahmen folgen müssen. Wir glauben aber, dass der Antrag, so wie er vorgelegt wurde, ein guter Antrag ist. Er ist eine gute Grundlage dafür, dass wir zukünftig Kinder in unserer Stadt besser schützen können. Von daher würden wir uns wünschen, dass Sie sich auch bei der Abstimmung so verhalten.

Herr Frankenberg, zur CDU: Das, was Sie hier eben abgeliefert haben, ist mehr oder minder ein Armutszeugnis, ein politisches Armutszeugnis dafür,

(Wolfhard Ploog CDU: Wie kommen Sie denn dar- auf?)

dass Sie nicht in der Lage und nicht Willens sind, den Kindern in unserer Stadt wirklich helfen zu wollen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfhard Ploog CDU: Das ist ja Quatsch! – Ralf Niedmers CDU: Aufhören!)

Herr Ploog, das können Sie jetzt Quatsch nennen, aber letztendlich haben Sie die Möglichkeit gehabt, in diesem Bereich entsprechend initiativ zu werden. Das war in den letzten zwei Jahren eine reine Alibiveranstaltung, bei der nichts herausgekommen ist.

Dass Sie jetzt, wo andere CDU-Länder – Saarland und auch Hessen – sagen, dass sie die rechtlichen Möglichkeiten, die wir jetzt nach der Föderalismusreform haben, nutzen wollen, sagen, dass Sie die rechtlichen Möglichkeiten, die es jetzt endlich in Hamburg gibt, nicht ausschöpfen wollen, um Hamburgs Kindern zu helfen, und diese Handlung verweigern, ist schändlich, das muss ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD und teilweise bei der GAL)

Es ist ja nicht so, dass Sie jetzt bereit wären, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen. Darüber könnte man ja reden oder man könnte denken, Sie hätten doch ein gewisses Interesse daran. Das lehnen Sie ganz bewusst ab. Sie wollen eine Bundesregelung, wie Sie deutlich gesagt haben, weil Sie die Kinder insgesamt in Deutschland schützen wollen. Aber Sie wissen doch,

dass tagtäglich in unserer Stadt Problemlagen entstehen, mit denen wir umgehen müssen. Mit unserem Gesetzesentwurf könnten wir diesen Menschen helfen. Dass sie das verweigern und nicht sagen, dass Sie zumindest in Bezug auf die Hamburger Kinder einen Schritt vorankommen wollen, kann doch nicht angehen. Das kann doch nicht Ihr wahrer politischer Wille sein.

(Beifall bei der SPD und teilweise bei der GAL)

Der Bundesgesetzgeber hat diese Möglichkeit geschaffen. Die Länder sind gefordert, dieses auszufüllen. Wir legen hier einen Antrag vor. Den können Sie gerne an den Ausschuss überweisen. Wir sind ja auch bereit, mit Ihnen dort zu diskutieren.

(Ralf Niedmers CDU: Nein!)

Aber das wollen Sie ja nicht. Das ist aus unserer Sicht der falsche Weg.

Dann will ich zu dem Thema kommen, Herr von Frankenberg, dass Sie sagen, Sie wollten nicht diese Untersuchungen, sondern die Hebammenprojekte vorantreiben. Dieser Ansicht kann man sein, aber wie viele Hebammenprojekte haben Sie denn insgesamt auf die Reihe gebracht? – Ganze 13 Stück. Eine flächendeckende Einführung ist doch nicht geschehen. Da hat sich die Senatorin doch verweigert und deswegen gibt es immer noch viele Kinder in dieser Stadt, die nicht in den Genuss dieser Hebammen und aufsuchender Arbeit des ASD kommen. Dafür sind Sie doch verantwortlich.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

13 Projekte sind zu wenig. Das wissen Sie. Diese Untersuchung verweigern Sie, Sie verweigern eine Überweisung an den Ausschuss und Sie verweigern auch – das erbost uns am meisten – eine Beratung des Berichtes der Senatorin zum Ersuchen der Bürgerschaft, das wir hier im Februar gefasst haben, Herr Hesse. Wir haben doch damals im Sonderausschuss darum gekämpft. Wir haben gekämpft, damit wir alle gemeinsam ein Petitum erlangen können, das den Kindern in unserer Stadt weiterhilft. Wir alle waren uns doch einig, dass wir dieses Thema auch weiterhin traktieren und für unsere Kinder begleiten wollen. Für uns war es doch ganz selbstverständlich und wir waren der Auffassung, dass wenn die Senatorin, die diesen Bericht auch hinausgezögert hat, dann am 13. Dezember 2006, kurz vor der Haushaltsberatung, eine große Pressekonferenz macht nach dem Motto, wie toll sie denn wäre, ohne dass wir reagieren konnten – das war politisch geschickt gemacht, aber egal –, so haben wir jedenfalls Ihre Äußerungen immer gedeutet, dass Sie diesen Bericht, der heute vorgelegt wird, erst einmal anmelden – da waren wahrscheinlich die Vier- und Marschlande, Rund- und Kanthölzer wichtiger als dieses Thema – oder dass Sie es zumindest überweisen. Dass Sie das nicht machen und diesen Bericht, der zu der Arbeit des Sonderausschusses Stellung nimmt und darüber Auskunft gibt, wie weit Sie gekommen sind oder nicht, nicht überweisen, sagt alles darüber aus, wie ernst oder nicht ernst Sie den Kinderschutz in Hamburg nehmen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auf der anderen Seite können wir Sie natürlich verstehen. Inhaltlich können wir Sie verstehen, denn was in diesem Bericht steht, ist nicht allzu viel. Das ist nicht die Sternstunde, wie Frau Schnieber-Jastram im Dezember ver

sucht hat den Leuten einzureden. Sie haben in vielen Punkten versagt, Sie sind in vielen Punkten dabei zu prüfen. Sei sind beim Punkt ASD nicht einen Schritt weiter gekommen. Immer noch sind irgendwelche Wirkungsanalysen am Laufen. Sie haben irgendwelche Arbeitskreise einberufen, die immer noch tagen. Aber konkrete Ergebnisse wie ein flächendeckendes Angebot von Hebammen oder eine Ausweitung der ASD-Arbeit haben Sie nicht geschafft. Die vielen Arbeitsaufträge sind nicht abgearbeitet. Dass Sie vor diesem Hintergrund und angesichts dieser schwachen Senatorin sagen, dass Sie das nicht beraten wollen, ist politisch verständlich. Aber in der Sache bringt es die Kinder in unserer Stadt und das Thema insgesamt nicht voran. Von daher ist es gegenüber den Menschen in dieser Stadt nicht verantwortungsvoll, wie Sie mit diesem wichtigen Thema umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen können wir nur …